OGH vom 30.05.1973, 5Ob69/73
Norm
Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung § 3 Abs 3;
Kreditwesengesetz § 1;
Kopf
SZ 46/58
Spruch
Geschäfte auf Grund sogenannter "Factoring-Verträge" gehören zu den Bankgeschäften im Sinne des Kreditwesen
Eine Gesellschaft m. b. H., die nach dem im Gesellschaftsvertrag angegebenen Gegenstand ihres Unternehmens Factoringgeschäfte abzuschließen in der Lage ist, bedarf vor ihrer Eintragung in das Handelsregister gemäß § 3 Abs. 2 GmbHG der staatlichen Genehmigung ihres Gesellschaftsvertrages, falls sie nicht eine Bestätigung der zuständigen Aufsichtsbehörde vorlegen kann, wonach der Gegenstand ihres Unternehmens im konkreten Fall nicht das Betreiben von Bankgeschäften umfaßt
(OLG Wien 3 R 214/72; LG Eisenstadt 4 HRB 2811)
Text
Mit Gesellschaftsvertrag vom grundeten die Kaufleute Michael S und Johann A, der Notariatskandidat Dr. Herbert F und der Gewerbetreibende Karl B eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit der Firma "Michael S Gesellschaft m. b. H." und ihrem Sitz in St. 175. Gegenstand des Unternehmens ist nach dem Gesellschaftsvertrag "der Ankauf von Rechnungen, deren Geltendmachung und Eintreibung sowie überhaupt die Ausübung aller konzessionierten gebunden handwerksmäßigen und freien Gewerbe, der Liegenschaftserwerb und die Beteiligung an Gesellschaften mit ähnlichem oder gleichem Geschäftsgegenstand. Zum Geschäftsfuhrer der Gesellschaft wurde Michael S bestellt.
Entsprechend dem Antrag dieses Gesellschafters ordnete das Erstgericht ohne vorausgegangene Einholung eines Gutachtens der Kammer der gewerblichen Wirtschaft mit Beschluß vom die Eintragung der "Michael S Gesellschaft m. b. H." in sein Handelsregister, Abt. B, unter Nr. 2811 an. Gegen diesen Beschluß erhob die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für das Burgenland Rekurs, in dem sie geltend machte, daß sie vor der Beschlußfassung durch das Erstgericht nicht gehört worden sei, sowie daß die neue Ges. m. b. H. im Sinne des § 3 GmbHG konzessionspflichtig sei, weil Gegenstand ihres Unternehmens u. a. der Ankauf von Rechnungen, deren Geltendmachung und Eintreibung sei. Diese geschäftliche Tätigkeit gehöre zum Factoringgeschäft, für welches eine eingeschränkte Genehmigung im Sinne des § 3 Abs. 1 KWG erforderlich sei.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs Folge und trug dem Erstgericht auf, nach Verfahrensergänzung über die Eintragung neuerlich zu entscheiden. Es war der Auffassung, daß das Erstgericht die Vorschrift des § 23 HRV verletzt habe, wonach bei der Eintragung neuer Firmen in das Handelsregister in der Regel das Gutachten der Handelskammer einzuholen sei. Weder aus dem Antrag noch aus dem Gesellschaftsvertrag sei ersichtlich, daß Gründe vorlägen, die die Einholung eines solchen Gutachtens untunlich machten. Der angefochtene Beschluß beruhe daher auf einem mangelhaften Verfahren. Allerdings habe die Rekurswerberin ihr Gutachten in der Form des Rekurses nachholen können, die Sache sei jedoch trotzdem noch nicht entscheidungsreif, weil die einzutragende Gesellschaft wiederum zum Gutachten der Handelskammer hätte gehört werden müssen.
Im übrigen sei davon auszugehen, daß in § 1 Abs. 1 KWG die Bank- und Sparkassengeschäfte nicht erschöpfend aufgezählt seien. Es könne daher auch das Factoringgeschäft als Bankgeschäft angesehen werden. Es sei nun nach den von der Gesellschaft als Gegenstand ihres Unternehmens bezeichneten Geschäften tatsächlich zweifelhaft, ob die neue Gesellschaft nicht beabsichtige, das Factoringgeschäft und damit ein genehmigungspflichtiges Bankgeschäft zu betreiben. Da eine allgemeine Erklärung des Bundesministeriums für Finanzen im Sinne des § 1 Abs. 3 KWG nicht vorliege, sei es notwendig zu prüfen, ob dieses Bundesministerium eine Vorentscheidung im Sinne des § 1 Abs. 4 KWG
gefällt habe. Gemäß § 3 GmbHG dürfe die neue Gesellschaft jedenfalls erst eingetragen werden, wenn klar sei, daß sie keine Bankgeschäfte betreibe oder die staatliche Genehmigung ihres Gesellschaftsvertrages erfolgt ist.
Daß die Sache noch nicht spruchreif sei, rechtfertige allerdings nicht die Aufhebung der Eintragungsverfügung, weil nach § 12 Abs. 1 AußStrG - weiche Vorschrift auch in Handelsregistersachen anwendbar sei - Verfügungen über nichtstreitige Angelegenheiten ohne Rücksicht auf ihre Rechtskraft sofort in Vollzug gesetzt werden könnten. Wenn sich nachträglich herausstellen sollte, daß die Eintragung unzulässig war, weil eine wesentliche Voraussetzung der Eintragung fehlte, komme nach Rechtskraft des das Eintragungsgesuch abweisenden Beschlusses nur eine amtswegige Löschung gemäß § 142 FGG in Betracht, wobei es der Einleitung eines Löschungsverfahrens nicht bedürfe.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Michael S wohl Folge, wies aber den Antrag auf Eintragung der Michael S Ges. m. b. H. in das Handelsregister ab.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Gemäß Art. 9 EVHGB sind in Angelegenheiten, die von den Gerichten nach dem 7. Abschnitt des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu behandeln sind, also auch in Handelsregistersachen - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen -, die Vorschriften der §§ 1 bis 19 AußStrG anzuwenden. Wie im Jud. 203 ausführlich begrundet wurde, gilt die Vorschrift des § 14 AußStrG auch für aufhebende Beschlüsse des Rekursgerichtes, sofern das Gegenteil nicht ausdrücklich bestimmt ist. Letzteres trifft in Handelsregistersachen nicht zu. Der Revisionsrekurs ist daher zulässig; er ist auch - allerdings nicht im Sinne des Rekursantrages - begrundet.
Der Rechtsmittelwerber meint, daß das Rekursgericht zu Unrecht angenommen habe, es handle sich bei den von der Gesellschaft beabsichtigten Geschäften, namlich dem Ankauf von Rechnungen und deren Geltendmachung, um das sogenannte Factoringgeschäft. Das Wesen des Factoringvertrages liege darin, daß der "Factor" nicht bloß bestimmte einzelne Forderungen eines anderen Unternehmens erwerbe, sondern daß hiedurch grundsätzlich alle Forderungen, die in diesem Geschäftsbetrieb während der Dauer des Vertragsverhältnisses entstehen, erfaßt werden. Ein solches Geschäft sei erst dann rentabel, wenn der Partner einen Jahresumsatz von mindestens 4.000.000 S erreiche. Auf ein solches Geschäft könne sich aber die Michael S Ges. m. b. H. nicht einlassen, da sie nur ein Stammkapital von 100.000 S habe. Der Ankauf einzelner Forderungen sei aber kein genehmigungspflichtiges Bankgeschäft.
Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß der Umfang eines von der Ges. m. b. H. betriebenen Geschäftes durch den im Gesellschaftsvertrag angegebenen Gegenstand des Unternehmens in keiner Weise bestimmt, also auch nicht beschränkt wird. Wie das Rekursgericht nichtig erkannte, kann eine Ges. m. b. H., bei der der Betrieb von Bankgeschäften, einschließlich der gewerbsmäßigen Kreditgewährung und der Finanzierungsgeschäfte, zum Gegenstand des Unternehmens gehört, gemäß § 3 Abs. 2 GmbHG nur dann eingetragen werden, wenn die staatliche Genehmigung des Gesellschaftsvertrages erfolgt ist. Ebenso erkannte das Rekursgericht zutreffend, daß im Gesetz über das Kreditwesen (KWG) die Bank- und Sparkassengeschäfte nicht abschließend aufgezählt sind (arg.: "... sind insbesondere ..."). Es bestehen daher auch keine Bedenken gegen die vom Rekurswerber nicht einmal bekämpfte Auffassung, daß Geschäfte auf Grund sogenannter Factoringverträge zu den Bankgeschäften zählen. Die unter der amerikanischen Bezeichnung , Factoring" geübte Geschäftstätigkeit besteht im wesentlichen im Ankauf von Buchforderungen, wobei dieses Geschäft nur deshalb kein Diskontgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Z. 3 des in der BRD nunmehr gültigen Gesetzes über das Kreditwesen vom BGBl. I, 881 ist, weil die Forderungen nicht in Wechsel oder Schecks verbrieft sind (vgl. Schönle, Bank- und Börsenrecht 171). Allerdings erschöpft sich das Factoringgeschäft nicht in einem bloßen Kaufvertrag; je nach der Gestaltung des Vertrages kann es auch ein Auftragsverhältnis umfassen und können ihm nach dem Willen der Parteienverschiedene - vom Rekursgericht richtig aufgezeigte - "Funktionen" zukommen (vgl. Koziol, Rechtsfragen beim Factoringgeschäft, QuHGZ 1972 H 4, 313). Da nun der nach § 3 GmbHG im Gesellschaftsvertrag anzuführende Gegenstand des Unternehmens nur eindeutig den Bereich zu bezeichnen hat, in dem die Gesellschaft tätig werden soll, ohne daß es notwendig wäre, die einzelnen Geschäfte anzuführen, die die Gesellschaft abzuschließen beabsichtigt (vgl. Baumbach - Hueck, GmbHG[3],23;
Hachenburg,GmbH[6], 157. Gellis, Komm. z. GmbHG 18), kann es nicht zweifelhaft sein, daß eine Ges. m. b. H " deren Gegenstand des Unternehmens nach dem Gesellschaftsvertrag der "Ankauf von Rechnungen, deren Geltendmachung und Eintreibung" ist, auch berechtigt wäre, Finanzierungsgeschäfte zu betreiben und Factoringverträge abzuschließen. Auf den Umfang der von der Ges. m. b. H. tatsächlich beabsichtigten Finanzierungsgeschäfte sowie darauf, ob der Abschluß von Factoringverträgen für sie im Hinblick auf das vorhandene Gesellschaftsvermögen rentabel sein könnte, kommt es nicht an.
Da nun eine Ges. m. b. H., die nach dem im Gesellschaftsvertrag angegebenen Gegenstand ihres Unternehmens Factoringgeschäfte abzuschließen, also Bankgeschäfte zu betreiben in der Lage ist, vor ihrer Eintragung in das Handelsregister einer staatlichen Genehmigung ihres Gesellschaftsvertrages bedarf, entspricht ihre Eintragung in das Handelsregister so lange nicht dem Gesetz, als sie weder die Erteilung dieser staatlichen Genehmigung ihres Gesellschaftsvertrages nachweisen noch eine Bestätigung der zuständigen Aufsichtsbehörde vorlegen kann, daß der im Gesellschaftsvertrag angegebene Gegenstand ihres Unternehmens im besonderen Fall nicht den Betrieb von Bankgeschäften umfasse, weshalb die Genehmigung des Gesellschaftsvertrages gemäß § 3 Abs. 2 GmbHG nicht erforderlich sei.
Die Michael S Ges. m. b. H. konnte nun vor ihrer Eintragung in das Handelsregister keine dieser Bestätigungen vorlegen. Sie hat auch weder in ihrem Eintragungsgesuch noch im vorliegenden Rekurs überzeugend anzuführen vermocht, warum auf sie die erwähnte Vorschrift nicht anzuwenden sei, sie hat auch in ihrem Rekurs weder die eine noch die andere Bestätigung nachgebracht.
Im Hinblick auf die Rekursausführungen des Antragstellers kann auch auf seine vom Rekursgericht für erforderlich gehaltene Anhörung zum Rekurs der Handelskammer verzichtet werden, so daß die Sache entscheidungsreif ist, allerdings entgegen der Meinung des Rekurswerbers im Sinne einer Abweisung seines Eintragungsgesuches.
Da im Außerstreitverfahren eine reformatio in peius zulässig ist, konnte an die Stelle des Aufhebungsbeschlusses des Rekursgerichtes die der Sach- und Rechtslage entsprechende Entscheidung treten.
Wie das Rekursgericht gleichfalls zutreffend erkannte, kann die bereits erfolgte Eintragung in das Handelsregister jedoch nicht mehr rückgängig gemacht werden; das Erstgericht wird daher von amtswegen die vollzogene Eintragung zu löschen haben.