OGH vom 30.08.2017, 3Ob79/17i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch Gütlbauer, Sieghartsleitner, Pichlmair, Rechtsanwälte in Wels, wider die beklagten Parteien 1. N*****, vertreten durch Dr. Thomas Herzog, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, und 2. I*****, wegen Unzulässigkeit der Exekution (§ 35 EO), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom , GZ 22 R 333/16a-48, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision des Klägers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf und ist deshalb als nicht zulässig zurückzuweisen. Das ist wie folgt zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO):
1. Unwirksamkeit des Versäumungsurteils gegen die Zweitbeklagte:
1.1. Der Kläger zieht nicht in Zweifel, dass die beiden Beklagten aufgrund des Erbteilungsübereinkommens (ETÜ), das ua von den Streitteilen abgeschlossen wurde, zur Durchsetzung der beiden gegen ihn betriebenen Forderungen der Erbengemeinschaft im eigenen Namen legitimiert sind.
1.2. Das Berufungsgericht interpretierte das ETÜ dahin, dass die Beklagten zu einem gemeinsamen Vorgehen für die Erbengemeinschaft (im Sinne einer kollektiven Vertretung) verpflichtet wurden.
Auf diese Auslegung und deren Ergebnis geht die außerordentliche Revision nicht ein, sondern beharrt bloß unter Hinweis auf §§ 888 ff ABGB auf der Teilbarkeit der betriebenen Forderungen. Nicht nur, dass es deshalb an einer gesetzmäßigen Ausführung der Rechtsrüge fehlt (RISJustiz RS0043603; RS0041719 [T1 bis T 4]), übergeht der Kläger damit auch, dass die Frage der Teilbarkeit oder Unteilbarkeit der Erfüllung nach dem Willen beider Parteien beziehungsweise nach dem dem Kontrahenten bei Vertragsabschluss bekannten oder erkennbaren Willen einer Partei zu beurteilen ist (RISJustiz RS0018438; RS0017923). Diese Beurteilung hat nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu erfolgen und wirft daher regelmäßig keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (RISJustiz RS0018438 [T5]). Dem Berufungsgericht ist angesichts des Wortlauts des ETÜ (arg „gemeinsam verfügungsberechtigt“) keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen.
Ungeachtet der Teilbarkeit der betriebenen Geldforderungen erforderte deshalb deren materiellrechtlich notwendige gemeinsame Betreibung durch beide Beklagte die Erhebung der Oppositionsklage auch gegen beide Beklagte als notwendige Streitgenossen (so auch Jakusch in Angst/Oberhammer EO³ § 35 Rz 83/1).
1.3. Da die Säumnis der Zweitbeklagten somit für den Prozessablauf unbeachtlich war, weil die Erstbeklagte rechtzeitig handelte, hätte kein Versäumungsurteil gegen die Zweitbeklagte gefällt werden dürfen und konnte das gegen sie ergangene Versäumungsurteil auch nicht in Rechtskraft erwachsen. Dieses gesetzwidrige Versäumungsurteil ist nicht weiter zu beachten, weil die Erstbeklagte mit Wirkung auch für die Zweitbeklagte die Fortsetzung des Prozesses betrieben hat, und konnte nach dem sogenannten prozessualen Günstigkeitsprinzip nicht wirksam werden (RISJustiz RS0035701 [T3]; 2 Ob 137/04t; Schneider in Fasching/Konecny3 II/1 § 14 ZPO Rz 111).
2. Kein schlüssiges Tatsachengeständnis der Beklagten:
2.1. Der Kläger wiederholt den schon in der Berufung erhobenen Vorwurf, seine anspruchsbegründenden Behauptungen, seien in erster Instanz nur unsubstantiiert bestritten worden, weshalb sämtliche Negativfeststellungen des Erstgerichts dazu als überschießend zu qualifizieren und seine Behauptungen zugrundezulegen gewesen wären.
2.2. Grundsätzlich bedürfen alle Tatsachen eines Beweises, die nicht ausdrücklich (§ 266 ZPO) oder schlüssig (§ 267 ZPO) zugestanden worden sind. Tatsachen, die nicht zugestanden aber auch nicht ausdrücklich bestritten worden sind, bedürfen deshalb grundsätzlich eines Beweises (RISJustiz RS0039955; jüngst: 2 Ob 8/16i). Das bloße Unterbleiben der Bestreitung reicht somit für sich allein für die Annahme eines Tatsachengeständnisses nicht aus (RISJustiz RS0039955 [T3]). Auch bloß unterbliebenes ausdrückliches, also sogenanntes unsubstantiiertes Bestreiten ist nur dann ausnahmsweise als Geständnis anzusehen, wenn im Einzelfall gewichtige Indizien dafür sprechen (RISJustiz RS0039941 [T3, T 4, T 5]; RS0039955 [T2]; RS0039927). Die Frage, ob § 267 ZPO zutreffend angewendet wurde oder nicht, ob also ein schlüssiges Tatsachengeständnis vorlag oder nicht, ist eine Verfahrensfrage und die Überprüfung dieses Ermessens daher nur im Rahmen der Verfahrensrüge möglich (RISJustiz RS0040078).
2.3. Da bereits das Berufungsgericht einen derartigen Verfahrensfehler des Erstgerichts verneinte, kann er nicht neuerlich mit der außerordentlichen Revision geltend gemacht werden (RISJustiz RS0042963). Der rechtlichen Beurteilung sind daher auch die vom Kläger zu Unrecht als überschießend beanstandeten, für den Obersten Gerichtshof bindenden Negativfeststellungen des Erstgerichts zugrunde zu legen.
3. Zur Eventualmaxime:
3.1. Die Bestimmung des § 35 Abs 3 EO verlangt die Behauptungen aller dem Verpflichteten zur Zeit der Klageerhebung bekannten Einwendungen bei sonstigem Ausschluss schon in der Klage und nicht erst in der folgenden mündlichen Verhandlung, in der die Klage vorgetragen wird. Entsprechendes gilt wegen des Gebots der Waffengleichheit auch für den Beklagten, von dem zu verlangen ist, dass er in einem eingebrachten vorbereitenden Schriftsatz bereits alle seine Einwendungen gegen die geltend gemachten Oppositionsgründe vorbringt (RISJustiz RS0119637 [T1, T 3]).
3.2. Schon das Erstgericht beachtete den (erst unmittelbar vor Schluss der Verhandlung erhobenen) Einwand der mangelnden Fälligkeit der vom Kläger geltend gemachten Gegenforderungen aus der Verteilung. Auch ein Verstoß gegen die Eventualmaxime verwirklicht einen Verfahrensmangel (RISJustiz RS0041951 [T3, T 6]), der vom Kläger bereits in der Berufung geltend zu machen gewesen wäre. Da der angebliche Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens, in der Berufung nicht beanstandet wurde, kann dies in der außerordentlichen Revision nicht mehr nachgeholt werden (RISJustiz RS0043111).
Abgesehen davon wies die Erstbeklagte schon in ihrem ersten Schriftsatz darauf hin, dass die erbquotenmäßige Auszahlung an alle Miterben erst nach Lukrierung des Geldvermögens und Abdeckung bestehender Verbindlichkeiten zu erfolgen habe. Der erst später dazu erhobene Einwand mangelnder Fälligkeit stellt damit nur neues rechtliches Vorbringen dar, das keine Erweiterung der Tatsachenbehauptungen erforderte und nicht gegen die Eventualmaxime verstieß (RISJustiz RS0001307 [T7]; RS0001331 [T3] = 3 Ob 105/11d). Dieser Einwand wurde von den Vorinstanzen daher zu Recht beachtet.
3.3. Der Kläger stützte das Erlöschen der beiden betriebenen Forderungen in der Oppositionsklage ua auf Preisminderung und/oder Irrtumsanfechtung im Umfang von 45.480 EUR und 48.100 EUR ohne zu diesen Ansprüchen in der Klage oder im weiteren Verfahren eine Aufrechnung zu behaupten oder zu erklären. Eine solche lässt sich zu diesen Ansprüchen auch nicht aus dem vorprozessualen Schreiben Beilage ./A entnehmen.
Daher stellt die Argumentation in der außerordentlichen Revision, der Kläger habe mit den Preisminderungsansprüchen aufgerechnet und dies auch vorgebracht, unabhängig von § 35 Abs 3 EO eine aktenwidrige und unzulässige Neuerung dar, auf die nicht weiter einzugehen ist.
3.4. Auf eine bereits vorgenommene Aufrechnung (nur) mit dem Betrag von 48.100 EUR aus dem Titel des Schadenersatzes (Ersatz des vom früheren Mieter geschuldeten, aber uneinbringlichen Aufwands zur Sanierung des Wohnungseigentumsobjekts) berief sich der Kläger erstmals in seinem (dritten) Schriftsatz vom . Er verstieß damit allerdings gegen die Eventualmaxime, weil dieses Vorbringen nicht nur eine Spezifizierung des Klagevorbringens darstellte, sondern die Erhebung eines neuen Einwands aufgrund neuer Tatsachenbehauptungen (vgl RISJustiz RS0001307). Soweit gegen die Eventualmaxime verstoßendes Vorbringen im Revisionsverfahren – wie hier – eine Rolle spielt, ist darauf nicht Bedacht zu nehmen, wenn die Vorinstanzen dieses Vorbringen zwar behandelten, dieses jedoch in der Sache erfolglos blieb. Nichts anderes gilt, soweit dieses Vorbringen von den Vorinstanzen – wenn auch ohne ausdrückliche Berufung auf § 35 Abs 3 EO – im Ergebnis zu Recht ohnehin nicht beachtet wurde (RISJustiz RS0008666 [T2] = 3 Ob 182/05v).
Es bedarf daher weder einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit diesem verspätet geltend gemachten Oppositionsgrund noch diesbezüglicher Feststellungen.
4. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die in der Oppositionsklage geltend gemachten Gestaltungsrechte der Preisminderung und Irrtumsanfechtung stellten keine tauglichen Oppositionsgründe dar, wird in der Revision nicht in Frage gestellt.
5. Zur Fälligkeit der Gegenforderungen über 12.000 EUR und 9.720 EUR:
5.1. Die Vorinstanzen legten das ETÜ dahin aus, der Anspruch aller Miterben (daher auch des Klägers und seines Bruders) auf Auszahlung aus der um Verbindlichkeiten bereinigten Verteilungsmasse sei erst fällig, wenn der Kläger die übernommene Verpflichtung zur Zahlung der beiden (betriebenen) Kaufpreise von 160.000 EUR und 89.100 EUR für die mit dem ETÜ erworbene(n) Liegenschaft(santeile) an die Verteilungsmasse vollständig erfüllt habe.
Dieses Auslegungsergebnis ist schon deshalb jedenfalls vertretbar, weil erst nach Ermittlung des Saldos aus allen Eingängen in die Verteilungsmasse und den Auszahlungen für Verbindlichkeiten daraus feststeht, wie hoch die Ansprüche der einzelnen Miterben sind. Für den Kläger folgt dies auch daraus, dass er sich – ungeachtet einer auch ihm zustehenden Quote – zur Leistung der jeweils ungekürzten Kaufpreise „gemäß Punkt I.“ des ETÜ, der die Regelung der Fälligkeit der Quoten der Miterben enthält, verpflichtete.
5.2. Die außerordentliche Revision tritt diesem Auslegungsergebnis gar nicht entgegen, sondern hält den Einwand mangelnder Fälligkeit deshalb für unbegründet, weil unstrittig eine Zwischenverteilung von den Beklagten vorgenommen worden sei, bei der er nichts erhalten habe. Soweit erkennbar, erblickt der Kläger darin offensichtlich eine nachträgliche Änderung der im ETÜ vereinbarten Fälligkeit der Quoten. Selbst wenn einzelne Miterben vor Fälligkeit Auszahlungen erhalten haben sollten, ist darin aber keinesfalls zwingend eine Abänderung der zwischen allen Miterben getroffenen Vereinbarung zu erblicken; im Übrigen hat sich der Kläger in erster Instanz nie auf eine solche (schlüssige ?) Änderung des ETÜ berufen, sodass auch darauf wegen Verstoßes gegen das Neuerungsverbot nicht näher einzugehen ist.
5.3. Dass eine wirksame Aufrechnung die Fälligkeit der Hauptforderung, gegen die aufgerechnet werden soll, voraussetzt (RISJustiz RS0033731; RS0033762; Griss/P. Bydlinski in KBB5§ 1439 ABGB Rz 4), bestreitet die Revision aber gar nicht. Darauf, ob die Abgabe der Aufrechnungserklärung zu den Gegenforderungen über 12.000 EUR und 9.720 EUR im Schreiben Beilage ./A unstrittig ist, kommt es daher nicht an. Ein Erlöschen der betriebenen Forderungen im Umfang der beiden genannten Gegenforderungen ist somit zu verneinen.
6. Zur Gegenforderung von 28.000 EUR:
6.1. Zur Aufrechnung mit einer Gegenforderung an angeblich entgegen einer Vereinbarung vorenthaltenen Mieten ab im Gesamtumfang von 28.000 EUR ist dem Ersturteil – im Revisionsverfahren nicht bekämpfbar und – für den Obersten Gerichtshof bindend – zu entnehmen, dass weder die Höhe der (ohnehin nur pauschal für mehrere Bestandobjekte) behaupteten monatlichen Bestandzinse von 900 EUR noch deren Vereinnahmung durch die Beklagten oder eine diesbezügliche Vereinbarung festgestellt werden konnte. Dem Kläger ist daher der Nachweis dieser Gegenforderung nicht gelungen, und zwar unabhängig davon, für welchen Zeitraum sie gebühren soll.
6.2. Auch die Behauptung der außerordentlichen Revision, es gehe nicht um das Lukrieren der Mieten vor Juni 2013, sondern um die Übernahme der Bankguthaben, die auch die Mieten ab enthielten, die Geltendmachung allfälliger noch nicht geleisteter Mietzinse ab März 2012 und die ab einschließlich Juli 2013 auf den erblichen Bankkonten, über die die Beklagten verfügten, eingegangenen Mietzinse, stellt erneut eine unbeachtliche Neuerung dar.
7. Die Ausführungen des Klägers in erster Instanz zur Frage, wer nach dem ETÜ die Grunderwerbssteuer zu tragen habe, sind als Rechtsausführungen zur Auslegung des ETÜ zu qualifizieren und können deshalb nicht Gegenstand eines prozessualen Anerkenntnisses sein (RISJustiz RS0111277 [T1, T 4 bis T 6]). Die gar nicht beanstandete Auslegung des Erstgerichts, die Grunderwerbssteuer unter die Formulierung „sämtliche mit dem vorstehenden Grundstückserwerb und der Herstellung der Grundbuchsordnung verbundenen Kosten“ zu subsumieren, weshalb sie vom Kläger allein zu tragen sei, stellt jedenfalls keine unvertretbare Fehlbeurteilung dar, sodass auch der Bestand dieser Gegenforderung zu verneinen ist.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00079.17I.0830.000 |
Schlagworte: | Exekutionsrecht |
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