OGH vom 27.05.2020, 7Ob70/20z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** R*****, vertreten durch Mag. Martin Paar, Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei R*****-AG *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 49/19a12, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 63 Cg 12/19p8, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.332,54 EUR (darin enthalten 222,09 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Zwischen den Streitteilen besteht ein „TopManager“Rechtsschutzversicherungsvertrag mit Versicherungsbeginn . Der Kläger war in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der R***** P***** GmbH und der R***** GmbH versichert. Dem Vertrag liegen die Besonderen Bedingungen für die „TopManager“RechtsschutzVersicherungen (TMRB 2016) zugrunde. Diese lauten auszugsweise:
„B. Besonderer Teil – Teil 3; Dienstvertrags-Rechtsschutz-Versicherung – Standarddeckung
§ 1 Gegenstand der Versicherung
Der Versicherungsschutz umfasst die gerichtliche und, soweit vereinbart, die außergerichtliche Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers aus dem der versicherten Funktion zugrunde liegenden Dienstvertrag. Durch besondere Vereinbarung kann der Versicherungsschutz auf mehrere Dienstverträge ausgedehnt werden.
[...]
§ 5 Wartezeit
Für Versicherungsfälle, die vor Ablauf von drei Monaten bei der gerichtlichen und, soweit vereinbart, vor Ablauf von sechs Monaten bei der außergerichtlichen Wahrnehmung rechtlicher Interessen ab dem vereinbarten Versicherungsbeginn eintreten, besteht kein Versicherungsschutz.
§ 7 Eintritt des Versicherungsfalls
Als Versicherungsfall gilt der tatsächliche oder behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers, Gegners oder eines Dritten gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften. Der Versicherungsfall gilt zu dem Zeitpunkt als eingetreten, zu dem eine der genannten Personen begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen.
Des Weiteren gilt:
Erstreckt sich der für den Versicherungsfall maßgebliche Verstoß über einen Zeitraum, ist dessen Beginn maßgeblich. War dieser Zeitraum jedoch länger als ein Jahr vor Beginn des Versicherungsschutzes beendet, bleibt der für diesen Zeitraum maßgebliche Verstoß für die Feststellung des Versicherungsfalles außer Betracht.“
Der Kläger war Hauptgesellschafter der R***** & P***** GmbH und von bis zum Verkauf seiner Gesellschaftsanteile mit Abtretungsvertrag vom
– im Firmenbuch eingetragen am – Alleingesellschafter. Von der Gesellschaftsgründung am bis war er selbständig, danach nur mehr kollektivvertretungsbefugter Geschäftsführer. Am wurde er als Geschäftsführer im Firmenbuch gelöscht.
Mit Klage vom begehrt der Kläger von der R***** & P***** GmbH (in Hinkunft Arbeitgeberin) zu 35 Cga 73/18h des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht die Zahlung von 317.468,17 EUR sA an Gehaltsansprüchen 2018 und 2019 inklusive Sonderzahlungen, Abfertigung, Urlaubsersatzleistung und einer immateriellen Entschädigung für das erlittene Ungemach wegen der ungerechtfertigten Entlassung vom . Er brachte darin unter anderem vor:Nach dem Verkauf seiner Gesellschaftsanteile an der Arbeitgeberin seien von dieser neben dem Kläger zwei weitere Geschäftsführer bestellt worden. Im Zuge von Budgetbesprechungen seien unüberbrückbare Differenzen zwischen dem Kläger und einem weiteren Geschäftsführer über die zukünftige Unternehmensentwicklung der Arbeitgeberin zu Tage getreten. Da der Kläger in der Vergangenheit bereits gesundheitliche Schwierigkeiten feststellen und erkennen habe müssen, dass die Zusammenarbeit mit einem der anderen Geschäftsführer nicht möglich sein werde, seien Gespräche über die Auflösung des Geschäftsführervertrags zwischen den Streitteilen begonnen worden. Der Kläger habe daraufhin durch die Klagevertreterin den Entwurf einer Aufhebungsvereinbarung erstellen lassen. Für den , 16:00 Uhr, sei eine Besprechung in den Räumlichkeiten der Arbeitgeberin anberaumt worden, welche der Erörterung dieses Entwurfs dienen sollte. Im Zuge dieser Besprechung seien vom anderen Geschäftsführer gegenüber dem Kläger massive – auch strafrechtlich relevante – Vorwürfe erhoben worden. Aufgrund dieser Vorwürfe habe der Kläger die Vergleichsgespräche abgebrochen. Daraufhin sei er als Geschäftsführer entlassen worden.
In ihrem vorbereitenden Schriftsatz vom begründete die beklagte Arbeitgeberin die Entlassung des Klägers unter anderem wie folgt: Der Kläger habe mehrfach Entlassungsgründe gesetzt, die seine Vertrauenswürdigkeit derart reduziert hätten, dass eine weitere Zusammenarbeit mit ihm nicht möglich und auch nicht mehr zumutbar sei. Er habe nach Abtretung seiner Gesellschaftsanteile an die beiden neuen Gesellschafter seine Tätigkeit so ausgeführt, als wäre er selbst noch Alleingesellschafter der Arbeitgeberin. Er habe den Gesellschaftern und den anderen Geschäftsführern keinen Einblick in die Geschäftsbücher gewährt und auf diesbezügliche Anfragen immer vertröstet, um seine Machenschaften zu verdecken. Die beklagte Arbeitgeberin führte sodann eine Vielzahl von Verhaltensweisen zur Begründung des Entlassungsgrundes der Vertrauensunwürdigkeit des Klägers an: Im Zusammenhang mit einem Finanzverfahren des Finanzamtes Feldkirch, in welchem die Finanzgebahrung der Arbeitgeberin für die Jahre 2014–2016 und 2017 überprüft worden sei, hätten sich massive Nachzahlungen in Form von Haftungsbescheiden ergeben. Ihre Grundlage seien verdeckte Gewinnausschüttungen an den Kläger bzw außerbücherliche Zurechnungen an Dritte gewesen. Der Kläger habe dem Finanzamt gegenüber angegeben, die Arbeitgeberin komme für die vom Finanzamt festgestellte und nachgeforderte Kapitalertragssteuer auf. Er habe sich offensichtlich durch die Übertragung dieser Steuerlast auf die Arbeitgeberin seiner Zahlungsverpflichtung entziehen und die Arbeitgeberin mit diesen Kosten belasten wollen; nach Abtretung seiner Gesellschaftsanteile habe er seinen 60. Geburtstag gefeiert und die Kosten über die Arbeitgeberin abgerechnet; er habe einer Mitarbeiterin ein Darlehen in Höhe von 32.000 EUR gewährt und dieses ohne Rücksprache mit den weiteren Geschäftsführern ausgebucht; er habe mit dem Abtretungsvertrag vom die Domain der Arbeitgeberin übernommen und im Februar oder März 2018 an eine Gesellschaft, die in seinem Alleineigentum steht, übertragen; er habe – nicht abgesprochen – eine eigene Handkasse geführt, die einen Fehlbetrag von 15.000 EUR aufgewiesen habe; die Arbeitgeberin führe für Kunden auch An- bzw Ummeldungen von Kraftfahrzeugen zu einem Unkostenbeitrag von 20 EUR pro Fall durch, die der Kläger inkassiert, aber nicht abgeliefert habe; er habe ohne Genehmigung und Rücksprache mit sich selbst bzw mit einer Gesellschaft, die in seinem Alleineigentum steht, einen mündlichen Untermietvertrag für einen Büroraum abgeschlossen, dafür aber kein Entgelt an die Arbeitgeberin bezahlt; er habe zumindest seit dem Jahr 2015 Vorbereitungen getroffen, um die Neugesellschafter zu übervorteilen, indem er seine Vereinbarungen zum Abfertigungsanspruch, Kündigungsfrist, Mietvertrag etc nicht offengelegt habe.
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Beklagte ihm aufgrund und im Umfang des Rechtsschutzversicherungsvertrags Kostendeckung für das Verfahren 35 Cga 73/18h des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht zu gewähren habe. Der Kläger sei am im Zuge der Vergleichsverhandlungen ungerechtfertigt als Geschäftsführer der Arbeitgeberin entlassen worden. Der Rechtsvertreter des Klägers habe der Beklagten mit Schreiben vom den Klagsentwurf wegen Gehalts-, Abfertigungs- und Urlaubsersatzansprüchen übermittelt. Die Beklagte habe am den Versicherungsschutz mit dem Hinweis, „soweit nicht Vorvertraglichkeit vorliege“, gewährt. Am habe die Beklagte rückwirkend die Deckung abgelehnt, weil laut vorbereitendem Schriftsatz der Arbeitgeberin der Versicherungsfall bereits im Jahr 2015 bzw jedenfalls vor Wirksamkeit des Versicherungsschutzes eingetreten sei. Tatsächlich stelle erst die Entlassung am den Versicherungsfall dar. Die Entlassung müsse unverzüglich erfolgen; hier habe die Arbeitgeberin erst mit Schriftsatz vom auf die Klage reagiert und sei dort kein Vorbringen zur Rechtzeitigkeit der Entlassung enthalten.
Die Beklagte beantragt die Klagsabweisung. Der Versicherungsfall sei bereits vor Ablauf der Wartefrist verwirklicht. Maßgeblich für den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls sei nämlich der Sachverhalt, der für die Entlassung des Klägers von der ehemaligen Arbeitgeberin behauptet werde. Es seien nicht nur der letzte, sondern auch vorangehende Entlassungstatbestände im Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht relevant.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Laut den – für die Frage des Eintritts des Versicherungsfalls beachtlichen – Angaben im vorbereitenden Schriftsatz der Arbeitgeberin des Klägers führten dem Kläger vorgeworfene Verhaltensweisen vor dem Ablauf der Wartezeit der gegenständlichen Versicherung zur Entlassung. Ob diese Vorwürfe gerechtfertigt seien, sei im Deckungsprozess aber nicht weiter zu überprüfen. Die Deckungsablehnung der Beklagten sei wegen Vorvertraglichkeit zu Recht erfolgt.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. In dem vom Kläger angestrebten Aktivprozess seien die von der Arbeitgeberin zur Leistungsverweigerung herangezogenen Einwände zur Festlegung des Versicherungsfalls heranzuziehen. Die einzelnen dem Kläger vorgeworfenen Entlassungsgründe lägen nach dem Vorbringen der Beklagten im Arbeitsgerichtsprozess vor dem Ablauf der Wartezeit der gegenständlichen Rechtsschutzversicherung.
Das Berufungsgericht sprach nachträglich aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur vorliegend zu beurteilenden Klausel nicht vorliege.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte begehrt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
1. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914, 915 ABGB) auszulegen und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers (RS0050063) und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks der Bestimmung (RS0050063 [T6, T 71]; RS0112256 [T10]). Es findet deshalb auch die Unklarheitenregelung des § 915 ABGB Anwendung. Unklarheiten gehen daher zu Lasten der Partei, von der die Formulierungen stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RS0050063 [T3]). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen (RS0008901).
2.1.1 Nach Art 7 TMRB 2016 – Besonderer Teil – Teil 3, gilt der tatsächliche oder behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers, Gegners oder eines Dritten gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften als Versicherungsfall. Er gilt in dem Zeitpunkt als eingetreten, zu dem einer der genannten Personen begonnen hat oder begonnen haben soll gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen.
2.1.2 Insoweit entspricht die Bestimmung Art 2.3 ARB – in sämtlichen Fassungen –, sodass auf die dazu ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. Für den Eintritt des Versicherungsfalls bedarf es eines gesetzwidrigen oder vertragswidrigen Verhaltens eines Beteiligten, das als solches nicht sofort oder nicht ohne Weiteres nach außen zu dringen braucht. Ein Verstoß ist ein tatsächlich objektiv feststellbarer Vorgang, der immer dann, wenn er wirklich vorliegt oder ernsthaft behauptet wird, den Keim eines Rechtskonflikts in sich trägt. Damit beginnt sich die vom Rechtsschutzversicherer übernommene Gefahr konkret zu verwirklichen. Es kommt nicht darauf an, ob der Handelnde sich des Verstoßes bewusst ist oder infolge von Fahrlässigkeit oder unverschuldet nicht bewusst war. Es soll sich um einen möglichst eindeutig bestimmbaren Vorgang handeln, der in seiner konfliktauslösenden Bedeutung für alle Beteiligten, wenn auch erst nachträglich, erkennbar ist. Es kommt weder auf den Zeitpunkt an, zu dem die Beteiligten von ihm Kenntnis erlangten, noch darauf, wann aufgrund des Verstoßes Ansprüche geltend gemacht oder abgewehrt werden (RS0114001).
2.2.1 Weiters regelt Art 7 TMRB Besonderer Teil – Teil 3, dass, sofern sich der für den Versicherungsfall maßgebliche Verstoß über einen Zeitraum erstreckt, dessen Beginn maßgeblich ist. War dieser Zeitraum jedoch länger als ein Jahr vor Beginn des Versicherungsschutzes beendet, bleibt der für diesen Zeitraum maßgebliche Verstoß für die Feststellung des Versicherungsfalls außer Betracht.
2.2.2 Die Bestimmung stellt klar, dass in dem Fall, in dem der Rechtsverstoß kürzere oder längere Zeit andauert, der Versicherungsfall mit dem Beginn des jeweiligen Zeitraums eintritt. Bei solchen Dauerverstößen beginnt der Versicherungsfall mit dem Eintritt des Zustands oder in dem Moment, in dem der Versicherungsnehmer oder sein Gegner die Möglichkeit erlangt, den Zustand zu beseitigen; der Zeitpunkt der Beseitigungsaufforderung ist irrelevant (7 Ob 32/18h mwN).
2.2.3 Ist kein einheitliches Verstoßverhalten des Schädigers erkennbar, handelt es sich bei den einzelnen schädigenden Verhalten jeweils um einen rechtlich selbständigen Verstoß. War nach der Sachlage schon beim ersten Verstoß mit weiteren gleichartigen Verstößen zu rechnen, liegen in der Regel nicht mehrere selbständige Verstöße, sondern es liegt ein einheitlicher Verstoß im Rechtssinn vor. Dies kann sowohl bei vorsätzlichen Verstößen der Fall sein, bei denen vom Willen des Handelnden von vornherein der Gesamterfolg umfasst ist und auf dessen „stoßweise Verwirklichung“ durch mehrere gleichartige Einzelhandlungen gerichtet ist, wie auch bei Fällen gleichartiger fahrlässiger Verstöße, die unter wiederholter Außerachtlassung derselben Pflichtenlage begangen werden (RS0111811). Handelt es sich um rechtlich unselbständige Verstöße, die sich als Teil eines einheitlichen Gefahrverwirklichungsvorgangs darstellen, dies ist insbesondere dann der Fall, wenn rückblickend schon beim ersten Verstoß mit weiteren gleichartigen Verstößen zu rechnen war, liegt ein einheitlicher Verstoß vor, der einem Dauerverstoß gleichgestellt ist (Cornelius-Winkler in Harbauer Rechtsschutzversicherung9§ 4 ARB 2010 Rn 166).
2.3.1 Art 7 TMRB Besonderer Teil – Teil 3 regelt damit zwar den Beginn und die zeitliche Begrenzung eines Dauerverstoßes und damit eines einem solchen gleichgestellten Verstoßes, er enthält aber im Gegensatz zu Art 2.3 ARB weder eine Regelung dahin, dass bei mehreren (rechtlich selbstständigen) Verstößen der erste adäquat ursächliche Verstoß maßgebend ist.
3.1 Entlässt das Unternehmen den versicherten Geschäftsführer wegen behaupteter Pflichtverletzungen, so ist nicht die Entlassung, sondern der Beginn der Pflichtverletzungen der Versicherungsfall, weil diese die rechtliche Auseinandersetzung ausgelöst haben (vgl Obarowski in Harbauer, Rechtsschutzversicherung9§ 4 USRB Rn 13 zur soweit vergleichbaren deutschen Bedingungslage).
3.2 Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass für die Beurteilung der Frage, ob Versicherungsschutz zu gewähren ist, entscheidend ist, ob die Behauptung des Gegners des Versicherungsnehmers Grundlage der außergerichtlichen Auseinandersetzung oder des Prozesses ist. Ist dies der Fall, dann gilt der Versicherungsfall im Zeitpunkt des (vom Gegner des Versicherungsnehmers behaupteten) Beginns des Verstoßes des Versicherungsnehmers als eingetreten (RS0082167).
3.3 Der Kläger meint im Wesentlichen – im Gegensatz zu den ARB – beschränke sich der Versicherungsschutz nach den TMRB von vornherein auf das enge Feld von Rechtsstreitigkeiten aus dem der versicherten Funktion zugrunde liegenden Dienstvertrag, weshalb dem Rechtsschutzversicherer sowohl der präsumtive Anspruchsgegner als auch die konkrete Grundlage einer möglichen künftigen rechtlichen Auseinandersetzung bereits bei Vertragsabschluss bekannt seien. Daraus folge, dass bei der Beurteilung des Versicherungsfalls nach den TMRB nicht auf das Vorbringen des Dienstgebers abzustellen sei.
Der Kläger bietet damit kein aus der Vertragslage ableitbares Argument, das eine Einschränkung der dargestellten Rechtsprechung zur Frage des Eintritts des Versicherungsfalls bei „TopManager“Rechtsschutz-Versicherungen“ plausibel machen würde.
3.4 Die Vorinstanzen haben demnach für die Beurteilung des Eintritts des Versicherungsfalls zutreffend auf die von der Arbeitgeberin behauptetermaßen der Entlassung zugrunde gelegten Pflichtverletzungen des Klägers im zu deckenden Verfahren abgestellt.
4.1 Unstrittig ist, dass der Versicherungsschutz im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der dreimonatigen Wartefrist am begann. Die Arbeitgeberin des Versicherungsnehmers sprach die Entlassung am aus.
4.2 Sie gründet die Entlassung auf eine Mehrzahl von Pflichtverletzungen, die die Vertrauenswürdigkeit des Klägers so reduziert hätten, dass eine weitere Zusammenarbeit mit ihm nicht möglich sei.
4.3 Essentielles Tatbestandsmerkmal jeder gerechtfertigten Entlassung ist, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers wegen des Entlassungsgrundes unzumutbar geworden ist (RS0029009 [T5]). An das Verhalten von Arbeitnehmern in leitender Position wird dabei durchgängig ein strenger Maßstab angelegt (vgl RS0029341, RS0029652). Eine Schädigungsabsicht oder ein Schadenseintritt ist beim Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit nicht erforderlich; entscheidend ist vielmehr die Vertrauensverwirkung (RS0029531 [T3]). Bei dem Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit muss das Gesamtbild des Verhaltens des Dienstnehmers berücksichtigt werden. Es darf nicht jeder einzelne Vorfall für sich allein beurteilt und damit das Gesamtergebnis zerpflückt werden (RS0029790).
4.4 Macht der Arbeitgeber – wie hier – den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit geltend, dem er eine Vielzahl behaupteter Pflichtverletzungen zugrunde legt, dann handelt es sich bei dem sich daraus ergebenden
– inkriminierten – Gesamtverhalten des Dienstnehmers um einen Dauerverstoß. In einem solchen Fall tritt der Versicherungsfall mit dem Beginn des Verstoßes, das heißt der behaupteten – vom Arbeitgeber die Vertrauensunwürdigkeit und damit die Entlassung begründenden – Pflichtverletzungen ein. Der Beginn des Verstoßes liegt hier vor Abschluss der gegenständlichen Rechtsschutzversicherung, begannen doch schon die behaupteten Gewinnausschüttungen 2014 und dauerten bis Mai 2017 fort. Davon, dass keinem der behaupteten Pflichtverletzungen das Gewicht eines eigenständigen – noch dazu nach Ablauf der Wartefrist eingetretenen – Entlassungsgrundes zukommt, geht der Kläger selbst aus.
5. Der Kläger verweist auch zutreffend, dass im Deckungsprozess eine Vorwegnahme der Beweiswürdigung und der Ergebnisse des Haftpflichtprozesses bei Beurteilung der Erfolgsaussichten grundsätzlich nicht in Betracht kommt (RS0081927). Ob die Arbeitgeberin des Klägers die Entlassungsgründe unverzüglich geltend machte ist daher für die Frage des Eintritts des Versicherungsfalls ebenso wenig relevant wie jene, ob die behaupteten Pflichtverletzungen des Klägers den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit letztlich rechtfertigen werden.
6. Der Revision war daher der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 41, 50 ZPO.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:0070OB00070.20Z.0527.000 |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.