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OGH vom 22.05.1974, 1Ob90/74

OGH vom 22.05.1974, 1Ob90/74

Norm

ABGB § 6;

ABGB § 7;

ABGB § 733;

ABGB § 754;

Außerstreitgesetz § 9;

Kopf

SZ 47/65

Spruch

In das Vermögen des Vaters eines unehelichen Kindes sind auf Grund des Gesetzes nur die unehelichen Kinder ersten Grades erbberechtigt; es besteht also kein Eintrittsrecht der Kinder des vorverstorbenen unehelichen Kindes

Zur Auslegung einer Gesetzesstelle sind alle Instrumente, die das Verstehen fördern können, insbesondere auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, heranzuziehen. Ein Rechtssatz, der im Gesetz nicht einmal angedeutet ist, kann jedoch auch nicht im Wege der Auslegung Geltung erlangen

Das erbserklärte Erbe ist zur Anfechtung des Beschlusses, mit dem die Erbserklärung eines anderen, die der seinen widerstreitet, angenommen wurde, berechtigt

(KG Ried im Innkreis R 14/74; BG Ried im Innkreis A 347/73)

Text

Zum Nachlaß des am unter Hinterlassung einer ihm nur kirchlich angetrauten Gattin verstorbenen und ohne eheliche Kinder gewesenen Erblassers gaben die elf nunmehrigen Rechtsmittelwerber auf Grund der Testamente vom 22. Feber 1968 und unbedingte Erbserklärungen zu je einem Neuntel bzw. je einem Achtzehntel des Nachlasses ab, die bisher vom Erstgericht noch nicht angenommen wurden.

Hermann Karl W ist der eheliche Sohn des im Zweiten Weltkrieg gefallenen Hermann W, eines unehelichen Sohnes des Erblassers, zu dem dieser die Vaterschaft anerkannt hatte. In einem an das Erstgericht gerichteten Schriftsatz vom bezeichnete er sich als Pflichtteilsberechtigter und beantragte die Errichtung eines Inventars und die Schätzung des Nachlasses. Mit Schriftsatz vom behauptete Hermann Karl W, daß der sonst kinderlose Erblasser mit dem Bundesgesetz BGBl. 1970/342 in der Person seines unehelichen Kindes einen Noterben erhalten habe. Alle vor dem , dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des genannten Gesetzes, errichteten letztwilligen Anordnungen seien daher gemäß § 778 ABGB gänzlich entkräftet. Das Testament vom 22. Feber 1968, aber auch dessen Ergänzung vom , seien daher ungültig. Er erklärte sich daher auf Grund des Gesetzes zum gesamten Nachlaß des Erblassers bedingt unter der Rechtswohltat des Inventars als Erbe.

Das Erstgericht wies den Antrag des Hermann Karl W, seine Erbserklärung anzunehmen, ab. Nach § 754 ABGB i. d. F. des Bundesgesetzes BGBl. 1970/342 habe das uneheliche Kind unter gewissen Voraussetzungen zum Nachlaß seines Vaters ein gesetzliches Erbrecht. Unter einem unehelichen Kind im Sinne dieser Gesetzesstelle sei aber nur ein Kind ersten Grades, nicht aber dessen Nachkommen zu verstehen.

Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es die von Hermann Karl W auf Grund des Gesetzes zum gesamten Nachlaß bedingt abgegebene Erbserklärung zu Gericht annahm. Durch das Bundesgesetz BGBl. 1970/342 sollte dem unehelichen Kind dann ein gesetzliches Erbrecht eingeräumt werden, wenn der Vater keine Witwe und keine ehelichen Kinder hinterlassen habe. Nach der Neufassung des § 754 Abs. 2 ABGB habe ein uneheliches Kind, vorbehaltlich der Bestimmungen über das gesetzliche Erbrecht der Witwe, ein gesetzliches Erbrecht wie ein eheliches Kind, doch gingen ihm die ehelichen Nachkommen und die diesen erbrechtlich Gleichgestellten vor. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Bundesgesetzes über die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes seien nur uneheliche Kinder des Vaters ersten Grades erbberechtigt. Diese Auffassung stehe jedoch mit dem Gesetz im Widerspruch. Gemäß § 42 ABGB seien unter dem Namen "Kinder" alle Verwandten in absteigender Linie begriffen. Wenn daher § 754 ABGB die unehelichen Kinder im Erbrecht gleichstelle, so müßten auch die Bestimmungen über das Erbrecht der ehelichen Kinder auf die unehelichen Kinder angewendet werden. Dies bedeute, daß § 733 ABGB auch für die unehelichen Kinder zu gelten habe. Diese Gesetzesstelle räume aber den ehelichen Kindern das Eintrittsrecht ein; es seien also die Enkel des Erblassers zur gesetzlichen Erbfolge berufen, wenn ihr Vater vorverstorben sei. Auch bei der Erbfolge nach der unehelichen Mutter sei der Grundsatz der Repräsentation bei der Erbfolge anerkannt. Wenn nun durch die Neuregelung das Erbrecht der unehelichen Kinder gegenüber ihrem Vater eingeführt worden sei, sei daraus zu schließen, daß das Eintrittsrecht auch für die Kinder eines unehelichen Kindes gelten müsse. Aus der Formulierung des neuen Gesetzes sei kein Hinweis zu entnehmen, daß das Eintrittsrecht in solchen Fällen ausgeschlossen werden solle.

Der Oberste Gerichtshof stellte über den Revisionsrekurs der erbserklärten Testamentserben den erstgerichtlichen Beschluß wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Was zunächst die Anfechtungslegitimation der Rechtsmittelwerber betrifft, ist es ständige Rechtsprechung, daß diese jedermann zuzuerkennen ist, dessen Interesse durch die Entscheidung des Rekursgerichtes verletzt wird. Verzögerungen und Kostenaufwand stellen zweifellos Verletzungen eines solchen Interesses dar. Die Annahme einer Erbserklärung kann zu einer Unterbrechung des Verlassenschaftsverfahrens führen, die schon als Verzögerung die Interessensphäre eines anderen erbserklärten Erben berührt. Der erbserklärte Erbe ist daher zur Anfechtung des Beschlusses, mit dem die Erbserklärung eines anderen, die der seinen widerstreitet, angenommen wurde, berechtigt (RZ 1966, 68; SZ 26/174 u. a.). Nur dem berufenen Erben, der noch keine Erbserklärung abgegeben hat, kommt grundsätzlich keine Parteistellung im Verlassenschaftsverfahren zu (EvBl. 1972/164; SZ 42/50; SZ 27/164 u. a.), weil es nicht angeht, einem Erbanwärter, der einerseits die Abgabe einer Erbserklärung vermeidet, andererseits die Parteistellung und die damit verbundenen Befugnisse einzuräumen (1 Ob 201/73; 6 Ob 42, 43/68). Darauf, ob die Erbserklärung auch schon vom Gericht angenommen wurde, kommt es nicht an. Den Rechtsmittelwerbern ist damit die Legitimation, die Entscheidung der zweiten Instanz zu bekämpfen, zuzuerkennen.

Bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes, BGBl. 1970/342, am gewährte § 754 ABGB "in Rücksicht auf die Mutter und die Verwandten der Mutter, unehelichen Kindern bei der gesetzlichen Erbfolge in das frei vererbliche Vermögen gleiche Rechte wie den ehelichen". Dem Rekursgericht ist beizupflichten, daß hiezu gelehrt wurde, daß das eheliche Kind eines unehelichen Kindes, wie es Hermann Karl W ist, nicht nur seine Mutter, sondern auch seine Großmutter und deren Verwandte beerbte, wenn auch sein Elternteil sie beerbt hätte (Gschnitzer, Erbrecht, 11; Ehrenzweig[2] 11/2, 388; in diesem Sinne wohl auch Weiß in Klang[2] III, 763, 736). Zu dem Nachlaß des Vaters und der väterlichen Verwandten gebührte den unehelichen Kindern hingegen keine gesetzliche Erbfolge. Die Neuregelung des § 754 ABGB beließ in ihrem Abs. 1 die Regelung der erbrechtlichen Ansprüche unehelicher Kinder zum Nachlaß der Mutter und ihrer Verwandten trotz geringfügiger stilistischer Umformulierungen gleich. Hingegen wurde dem unehelichen Kind nunmehr auch zum Nachlaß seines Vaters, vorbehaltlich der Bestimmungen über das gesetzliche Erbrecht der Witwe, ein gesetzliches Erbrecht eingeräumt. Auch dieses sollte, wenn - wie im vorliegenden Falle - keine ehelichen Nachkommen oder diesen erbrechtlich Gleichgestellte vorhanden sind, dem gesetzlichen Erbrecht des ehelichen Kindes gleich sein.

Zwischen § 754 Abs. 1 ABGB und § 754 Abs. 2 ABGB besteht aber außer den erwähnten Einschränkungen zugunsten der Witwe und bei Konkurrenz mit ehelichen Kindern noch ein weiterer wesentlicher Unterschied:

Während das uneheliche Kind ein gesetzliches Erbrecht zum Nachlaß der Mutter und ihrer Verwandten hat, steht ihm ein gesetzliches Erbrecht nur zum Nachlaß des Vaters, nicht aber auch zum Nachlaß der Verwandten des Vaters zu (§ 754 Abs. 3 ABGB); es besteht hier also kein Repräsentationsrecht (Meyer, Das Recht des unehelichen Kindes, 91). Umgekehrt steht auch den Verwandten des Vaters zum Nachlaß eines unehelichen Kindes kein gesetzliches Erbrecht zu (§ 756 Abs. 3 ABGB). Daraus ergibt sich unmißverständlich der eine zwischen den extremen Forderungen, dem unehelichen Kind zum Nachlaß des Vaters überhaupt kein Erbrecht zu gewähren einerseits und ihm ein unbeschränktes Erbrecht einzuräumen andererseits (Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 6 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XII. GP, 32) vermittelnde Lösung anstrebende Wille des Gesetzgebers, das eingeschränkte gesetzliche Erbrecht ausschließlich zwischen dem Vater und seinem unehelichen Kind, nicht aber weiter gelten zu lassen. Das Eintrittsrecht des § 733 ABGB, das es ermöglicht, daß die Enkel an Stelle eines vorverstorbenen ehelichen Kindes gesetzliche Erben sein können, ist aber ein typisches Recht, das sich aus der Verwandtschaft ergibt. Ebensowenig wie dem unehelichen Kind zum Nachlaß seiner väterlichen Großeltern ein gesetzliches Erbrecht zusteht (§ 754 Abs. 3 ABGB), kann daher auch dem ehelichen Kind des unehelichen Kindes eines Erblassers ein gesetzliches Erbrecht zukommen. Daß dies die Absicht des Gesetzgebers war, ergibt sich daraus, daß die Regierungsvorlage des Bundesgesetzes über die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes in den hier maßgeblichen Sätzen unverändert Gesetz wurde, obwohl in den Erläuterungen hiezu (92), wie schon das Rekursgericht zitierte, ausdrücklich erwähnt worden war, daß auf Grund des Gesetzes in das Vermögen des Vaters eines unehelichen Kindes nur die unehelichen Kinder ersten Grades erbberechtigt sein sollen. Im ersten Grad verwandt sind aber nur Vater und Sohn, nicht aber Großvater und Enkel (§ 41 ABGB; Wolff in Klang[2] I/1, 278; Gschnitzer, Familienrecht, 2; Koziol - Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts[2] II, 102). Da § 754 Abs. 2 ABGB, wie erwähnt, ausdrücklich nur auf den Nachlaß des unehelichen Vaters abstellt, kann der Auffassung des Rekursgerichtes, die Erläuterungen stunden im Widerspruch zum Gesetz, nicht beigepflichtet werden. Zur Auslegung einer Gesetzesstelle ist es aber stets geboten, alle Instrumente zu mobilisieren, die das Verstehen fördern können (Mayer - Maly, Auslegung und Verstehen, JBl. 1969, 415); hiezu sind daher insbesondere auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage heranzuziehen (SZ 44/161). Nur ein Rechtssatz, der im Gesetz nicht einmal angedeutet ist, kann auch nicht im Wege der Auslegung Geltung erlangen (EvBl. 1972/159; SZ 39/103 u. a.). Wie sehr das Gesetz allein auf das persönliche Verhältnis zwischen Vater und unehelichem Kind abgestellt hat, ergibt sind nicht zuletzt aus der vom Justizausschuß im § 754 Abs. 2 ABGB eingefügten Bestimmung, daß ein Urteil auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit eines Anerkenntnisses der Vaterschaft, das die Großeltern gegen das uneheliche Kind erwirkt haben (§ 164 b Abs. 1 zweiter Satz ABGB), das gesetzliche Erbrecht des unehelichen Kindes zum Nachlaß des Vaters nicht berührt (vgl. 755 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XII. GP, 6). Erwähnt sei auch noch die Auffassung Ents, eines wesentlichen Mitarbeiters bei der Ausarbeitung des Entwurfes zum späteren BGBl. 1970/342, in ÖJZ 1970/144, daß der damalige deutsche Gesetzesentwurf, der dem unehelichen Kind und seinen Abkömmlingen einen Ersatzanspruch in der Höhe des Wertes des gesetzlichen Erbteils zuerkennen wollte, über den damaligen österreichischen Entwurf hinausgegangen sei.

Kann damit aber Hermann Karl W nicht gesetzlicher Erbe sein, hat das Rekursgericht seine Erbserklärung zu unrecht angenommen. Nach ständiger Rechtsprechung ist nämlich zwar grundsätzlich jede in der vorgeschriebenen Form abgegebene Erbserklärung vom Gericht anzunehmen, nicht aber eine solche, bei der von vornherein feststeht, daß der Erklärende nicht erbberechtigt ist und ihm daher der Nachlaß auf keinen Fall eingeantwortet werden kann (EvBl. 1970/55 und 225; EvBl. 1967/321 SZ 35/92 u. v. a.).