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OGH 19.06.2013, 7Ob18/13t

OGH 19.06.2013, 7Ob18/13t

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. S***** A*****, vertreten durch Dr. Helmut Grubmüller, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Manfred Angerer und andere, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 28/12f-24, womit das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom , GZ 13 C 33/11m-20, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.123,36 EUR (darin enthalten 304,56 EUR an USt und 1.296 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist freiberufliche Zahnärztin. Sie hatte keine Erfahrungen auf dem Finanzmarkt. Im Jahr 2001 wurde sie durch einen Artikel in der Zeitschrift „Gewinn“ auf die von der S***** GmbH (in der Folge S*****-Gruppe) - einer deutschen Kredit- und Versicherungsmaklerin mit Zweigniederlassung in Österreich - beworbene „Sicherheits-Kompakt-Pension“ aufmerksam. Über Initiative der Klägerin fanden Beratungsgespräche mit einem Mitarbeiter der S*****-Gruppe statt. Dieser erklärte der Klägerin ausführlich das System der „Sicherheits-Kompakt-Pension“, einer bankfinanzierten Privatpension. Das Konzept bestehe aus vier „optimal aufeinander abgestimmten und intelligent miteinander verknüpften“ Einzelverträgen, und zwar einer privaten Pensionsversicherung, einem Bankkredit, einem Tilgungsinstrument und einer Risikoversicherung.

Eine Broschüre enthält die „vereinfachte Konzeptdarstellung“: Danach wird das Produkt in voller Höhe durch einen Kredit finanziert. Daraus wird sowohl ein Einmalerlag für eine unkündbare, lebenslange, sofort beginnende Versorgungspensions-Versicherung, bei der die Pensionszahlung lebenslang an den Versicherungsnehmer erfolgt, als auch ein Einmalerlag für eine Tilgungsversicherung auf Kapitalauszahlungsbasis aufgebracht. Die Ablaufleistung soll ausreichend sein, um das gesamte Kreditvolumen am Ende der gewünschten Ansparphase (10 bis 18 Jahre) an die Bank zurückführen zu können. Zusätzlich wird eine Risikoablebensversicherung abgeschlossen, die im vorzeitigen Todesfall ausreicht zusammen mit der garantierten Mindestrückzahlung das Gesamtdarlehen zu tilgen. Unter Berücksichtigung aller Zahlungsströme ist während der Finanzierungsphase eine geringe Zuzahlung nötig, danach steht die Pension zur freien Verfügung. Die Tilgung des Darlehens ist von Anfang an gesichert. Im Ergebnis ist für diese Pension erheblich weniger zu bezahlen als bei einer konventiellen Vorsorgeform.

Der Mitarbeiter der S*****-Gruppe unterbreitete der Klägerin die für sie erstellten „Sicherheits-Kompakt-Pension/Berechnungsdaten“. Danach sollte sie Fremdkapital über 648.969 EUR in CHF aufnehmen. Ein Teilbetrag von 333.333 EUR sollte in eine Pensionsversicherung mit Gewinnbeteiligung bei der U*****-Lebensversicherung AG mit sofortiger Auszahlung (monatlich garantiert 990 EUR, variabler, kalkulierter Pensionsgewinnanteil: 680 EUR) angelegt werden. Die „Kreditkosten“ seien steuerlich absetzbar. Ab dem 15. Jahr sollte einschließlich des Pensionsgewinnanteils eine jährliche Pension von 20.000 EUR für 45 Jahre garantiert ausbezahlt werden. Ein weiterer Teilbetrag von 256.588 EUR sollte an die C***** Ltd (in der Folge C*****-Group), eine britische Versicherungsgesellschaft, ausbezahlt und in das Produkt Wealthmaster Noble als Tilgungsträger veranlagt werden. Nach 15 Jahren sollte durch Einmalauszahlung der Kredit rückgeführt werden und ein Überschuss zur Auszahlung gelangen.

Der Klägerin wurden keine Beispielsrechnungen mit geringeren Renditen als 6,5 % vorgelegt. Es wurde von einer Durchschnittsrendite von 7,5 % ausgegangen, die zu einem Überschuss von 125.880 EUR geführt hätte. Der Mitarbeiter der S*****-Gruppe argumentierte, dass die C*****-Group in vergangenen Jahren Renditen von über 10 % erzielt habe und er sicherte eine Mindestrendite von 6,5 % zu. Über die Folgen niedriger Prozentsätze sprach er nicht. Der Mitarbeiter der S*****-Gruppe besprach das Finanzierungskonzept auch mit dem Steuerberater der Klägerin.

Der deklarierte Wertzuwachs der C*****-Group schwankte zwischen 1995 und 2000 zwischen 6,75 % und 5 % und betrug 2000/2001 etwa 5 %.

Zwischen der Beklagten und der S*****-Gruppe bestand ein Kooperationsvertrag, auf dessen Basis die Beklagte für die Vermittlung von Kreditgeschäften Provisionszahlungen leistete. Der Leiter der Filiale der Beklagten in H***** hielt bei einer Veranstaltung der S*****-Gruppe vor Steuerberatern ein Gastreferat über endfällige Kredite und deren Risiken. Die Beklagte hatte das Finanzierungskonzept der S*****-Gruppe intern geprüft und das Konzept mit 6 % Rendite als trag- und finanzierbar erachtet.

Dem Mitarbeiter der S*****-Gruppe gelang es, die Klägerin von diesem Anlage- und Finanzierungsmodell zu überzeugen, sodass sie sich an die Beklagte wegen der Kreditfinanzierung wandte. Nach Prüfung der Kreditwürdigkeit der Klägerin fand am in ihrer Ordination in W***** ein Gespräch zwischen ihr, dem Mitarbeiter der S*****-Gruppe und dem Filialleiter der Beklagten zum Thema Kreditverträge statt. Der Filialleiter machte die Klägerin auf die Risiken der Fremdfinanzierung aufmerksam, insbesondere auf das durch die Kombination eines Fremdwährungskredites mit einem separaten Tilgungsträger verbundene doppelte Risikopotential. Er klärte die Klägerin über das Fremdwährungskreditmodell auf, wies sie darauf hin, dass sich der Tilgungsträger anders entwickeln könnte, als von der S*****-Gruppe prognostiziert und händigte ihr entsprechende Aufklärungsunterlagen aus. In der „separaten Erklärung bei Fremdwährungskreditmodellen mit Verbraucherstatus“ ist ausdrücklich ausgeführt, dass bei dieser Kombination (von Fremdwährungskredit und Tilgungsträger) zu beachten sei, „dass es zu einer Kumulation von nachteiligen Entwicklungen sowohl bei den Kreditkosten als auch beim zu erwartenden Wertzuwachs des Tilgungsträgers kommen und dadurch eine erhebliche wirtschaftliche Belastung für den/die Kreditnehmer eintreten kann“. Zum Tilgungsträger selbst machte der Filialleiter keine Angaben und gab auch keine Empfehlungen ab.

Die Klägerin schloss mit der Beklagten im September 2001 zwei am endfällige Fremdwährungskredite (CHF) im Gegenwert von 300.139 EUR und 348.830 EUR zur Finanzierung der „Sicherheits-Kompakt-Pension“ ab. Unter „Kreditrückführung/Kreditreduzierung/Rate“ ist festgehalten, dass „der Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung mit der C*****-Group bzw U***** - im Folgenden Tilgungsträger genannt - integrierender Vertragsbestandteil ist. Für diesen Tilgungsträger wird eine Nettorendite von 6 % p.a. angenommen. ... Vorgesehen ist die Kapitaltilgung nach Ablauf der 15-jährigen Versicherungsdauer in Form der Ausschüttung aus dem ao Tilgungsträger zuzüglich allfälliger angesammelter Gewinnanteile/Schlussbonus. Sie verpflichten sich, einen eventuell verbleibenden Restbetrag unverzüglich zu begleichen“.

Die Beklagte nahm auftragsgemäß die entsprechenden Überweisungen an die C*****-Group und die „U*****“ vor. Die C***** Group veranlagte das Geld in das Produkt Wealthmaster Noble.

Die Beklagte überprüfte regelmäßig die Entwicklung des Tilgungsträgers der C*****-Group und informierte die Klägerin darüber. Mit Schreiben vom teilte sie mit, dass sie von der C*****-Group eine Berechnung über den aktuellen Wert und die voraussichtliche Ablaufleistung angefordert habe. Unter Anführung der konkreten Beträge kam die Beklagte in dem Schreiben zum Ergebnis, dass eine Unterdeckung von 390.160 EUR gegeben sei. „Da somit die Rückführung aus der C*****-Polizze aus heutiger Sicht nicht gewährleistet erscheint, teilen wir Ihnen mit, dass die uns als Sicherstellung zur Verfügung gestellte U***** Lebensversicherung und Z***** Lebensversicherung als Tilgungsträger heranzuziehen sein werden. Auch in diesem Fall kommt es noch zu einer Unterdeckung von 59.000 EUR, für die eine monatliche Ansparung in der Höhe 370 EUR zur Deckung notwendig wäre. Sollten Sie die U***** Versicherung 2007 frei haben wollen, erhöht sich die erforderliche monatliche Ansparungssumme auf 1.220 EUR“.

Die Klägerin wusste zu diesem Zeitpunkt, dass die zugesagten Renditen nicht eingehalten werden, sich also der Tilgungsträger nicht so entwickelt wie prognostiziert. Sie wandte sich daraufhin an den Mitarbeiter der S*****-Gruppe, der ihr versicherte, dass momentan noch kein Handlungsbedarf bestehe. In den ersten fünf Jahren bestehe aufgrund der Poolkosten eine höhere Unterdeckung, die von einem Schlussbonus abgefedert werde. Danach kontaktierte die Klägerin den Filialleiter, der ihr sagte, dass die vom Mitarbeiter der S*****-Gruppe noch immer prognostizierte Entwicklung des Tilgungsträgers nicht realistisch sei. Sie vertraute jedoch dem Mitarbeiter der S*****-Gruppe und gab der Beklagten die geforderten weiteren Sicherheiten. Am wurde die Klägerin vom Mitarbeiter der S*****-Gruppe telefonisch darüber informiert, dass mit einer Nettorendite von 5 bis 5,5 % zu rechnen sei. Im Februar 2007 konvertierte die Klägerin die Kredite in EUR, im September 2008 wieder in CHF.

Im Februar 2009 wurde der Klägerin von der Beklagten mitgeteilt, dass eine Unterdeckung von 320.000 EUR bestehe. Im Sommer 2009 begann die Klägerin im Urlaub mit Recherchen und stellte auf Grund zahlreicher Artikel im Internet fest, dass es in Deutschland Prozesse und schon Urteile gegen die C*****-Group gab, in denen dieser vorgeworfen wurde, mit vermeintlichen zweistelligen Vergangenheitsrenditen argumentiert und dadurch ein falsches Bild von den Risiken des Geschäfts vermittelt zu haben.

Am fragte die Beklagte bei der Klägerin an, wie sie die Unterdeckung von rund 170.000 EUR im Jahr 2016 ausgleichen wolle.

Der Klägerin wird aus der ihr gewählten Veranlagung ein Schaden entstehen.

Mit der am eingebrachten Klage begehrt die Klägerin - soweit hier von Bedeutung - es möge festgestellt werden, dass die Beklagte für jeden Schaden aus den beiden Kreditverträgen und der damit im Zusammenhang stehenden Anlage eines Teilbetrags von 256.588 EUR in einen Tilgungsträger der C*****-Group hafte, hilfsweise, es werde festgestellt, dass die Beklagte für jeden Schaden hafte, der daraus entstehe, dass den Kreditverträgen als Sicherheit der Tilgungsträger Produkt Wealthmaster Noble als Sicherheit zugrundegelegt worden sei. Die Klägerin habe sich vom Filialleiter der Beklagten überreden lassen, die Verträge zur Schaffung der „Sicherheits-Kompakt-Pension“ abzuschließen. Er habe eine Entwicklung des Tilgungsträgers und damit besondere Ertragschancen vorgetäuscht, von denen er zum damaligen Zeitpunkt schon gewusst habe, dass sie unrichtig seien. Der Tilgungsträger der C*****-Group sei für die Pensionsvorsorge nicht geeignet.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin sei bereits bei Anbahnung der Geschäftsbeziehung mit der Beklagten zum Abschluss des Anlagemodells nach Beratung durch den Mitarbeiter der S*****-Gruppe fest entschlossen gewesen. Trotz Aufklärung durch den Filialleiter der Beklagten über die besonderen Risiken der gewählten Kreditfinanzierung habe die Klägerin dieses Anlage- und Finanzierungsmodell gewählt. Eine darüber hinausgehende Aufklärungsverpflichtung habe für die Beklagte nicht bestanden. Die Klägerin habe die Kreditverträge in vollem Bewusstsein der Risiken gewählt und müsse das Spekulationsrisiko selbst tragen. Der Anspruch der Klägerin sei überdies verjährt, weil ihr spätestens im Jahr 2005 bekannt gewesen sei, dass sich das von der S*****-Gruppe ausgearbeitete Modell nicht wie von ihr erwartet entwickelt habe.

Das Erstgericht wies das Haupt- und das Eventualbegehren ab. Die nur finanzierende Bank treffe zwar Aufklärungspflichten, diese dürften jedoch nicht überspannt werden. Die Beklagte sei hier nicht als Anlageberaterin tätig geworden, weil sie sich in den Vertrieb des Anlagemodells in keiner Weise aktiv eingeschaltet habe. Es sei nicht Aufgabe der kreditgewährenden Bank, den Kreditnehmer über alle möglichen Risiken des finanzierten Geschäfts zu informieren. Wer eine risikoträchtige Beteiligung erwerbe, dem müsse klar sein, dass dies nicht ohne jedes eigene Risiko geschehe. Die Aufklärung der Beklagten sei ausreichend gewesen. Der Anspruch sei überdies verjährt. Der die Verjährungsfrist auslösende Primärschaden bestehe darin, dass die Klägerin nicht in einen Tilgungsträger mit einer Rendite von mindestens 6,5 % investiert habe. Entscheidend für den Beginn der Verjährungsfrist sei daher, zu welchem Zeitpunkt dies der Klägerin bekannt geworden sei. Die Risikoträchtigkeit ergebe sich schon dann, wenn das Darlehen rein rechnerisch nicht mehr ohne zusätzliche Vermögensminderung bedient werden könne. Ein nach Erkennen der Risikoträchtigkeit des gewählten Finanzierungskonzepts eingetretener weiterer Schaden sei als bloßer Folgeschaden zu qualifizieren, dessen Verjährung gleichfalls mit der Kenntnis vom Eintritt des Erstschadens beginne. Der Schadenseintritt sei 2005 auf Grund des Schreibens der Beklagten erkennbar und der Anspruch 2010 verjährt gewesen.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es dem Hauptbegehren stattgab. Die Beklagte sei als (Mit-)Anlageberaterin zu beurteilen. Die enge Verflechtung der Beklagten mit der S*****-Gruppe ergebe sich auf Grund des Kooperationsvertrags, der daraus resultierenden Empfehlung der Beklagten als Kreditgeberin, der Provisionszahlungen nach Kreditvertragsabschluss sowie aus dem Vortrag des Filialleiters über „endfällige Kredite und deren Risken“ bei einer Veranstaltung der S*****-Gruppe für Steuerberater. Die Beklagte habe das Finanzierungskonzept der S*****-Gruppe geprüft und mit einer - ursprünglich der Höhe nach falsch angenommenen - Rendite von 6 % für finanzierbar erachtet. Ihr Filialleiter habe die Klägerin nicht ausreichend beraten. Er hätte das für ihn zumindest als Verschleierung des Risikogrades erkennbar gewesene (falsche) Beratungsverhalten der S*****-Gruppe berichtigen und eine vollständige Aufklärung der Klägerin, die eine sichere Vorsorge angestrebt habe, herbeiführen müssen.

Der Klagsanspruch sei auch nicht verjährt. Die Klägerin habe dem Schreiben der Beklagten zwar entnehmen können, dass sich die Rendite des Tilgungsträgers „aus heutiger Sicht“ (noch?) nicht so entwickelt hätte, wie ursprünglich prognostiziert. Der Filialleiter habe sich aber darauf beschränkt, die vom Mitarbeiter der S*****-Gruppe prognostizierte Entwicklung des Tilgungsträgers nur als „nicht realistisch“ zu beurteilen, ohne dieser Meinung fachlich fundiertes Gewicht entgegenzusetzen. Er hätte die bereits 2001 notwendige Aufklärung nachholen müssen, auch wenn die Beklagte weitere Sicherheiten von der Klägerin gefordert habe. Er hätte der Klägerin detaillierte, richtige Informationen über den Eintritt eines Schadens und die Rolle der Beklagten als (Mit-)Anlageberaterin geben und ihr insbesondere Ausstiegsmöglichkeiten aufzeigen müssen. Nur dann hätte die Verjährungsfrist zu laufen begonnen. Da der Klägerin ein Feststellungsinteresse zuzubilligen sei, bestehe das Hauptbegehren unabhängig von der (oben kursiv wiedergegebenen) Feststellung, dass der Filialleiter keine Angaben zum Tilgungsträger gemacht und auch keine Empfehlungen abgegeben habe, zu Recht.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil sich seine Entscheidung im Rahmen der oberstgerichtlichen Judikatur halte.

Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beteiligt sich am Revisionsverfahren nicht.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt.

Auf die Frage, ob der Klagsanspruch zu Recht besteht, kommt es nicht an, weil er jedenfalls verjährt ist:

Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 Satz 1 ABGB beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem dem Geschädigten sowohl der Schaden und insbesonders der Schädiger als auch die Schadensursache bekannt geworden ist (RIS-Justiz RS0034951, RS0034374). Sie beginnt schon dann, wenn dem Berechtigten der Kausalzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem eingetretenen Schaden erkennbar war oder erkennbar sein musste, wenn also die objektive Möglichkeit der Klagseinbringung gegeben war. Die Kenntnis der Höhe des Schadens ist hiezu nicht erforderlich. Es genügt die Möglichkeit der Ermittlung desselben (RIS-Justiz RS0034366). Im Fall der Verschuldenshaftung muss der Geschädigte auch Klarheit über das Verschulden des Schädigers haben. Der Geschädigte darf sich jedoch nicht einfach passiv verhalten und es darauf ankommen lassen, dass er von der Person des Ersatzpflichtigen eines Tages zufällig Kenntnis erhält (RIS-Justiz RS0065360). Den Geschädigten trifft eine Erkundungspflicht, wenn er die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann. Ist dies der Fall, gilt die Kenntnisnahme schon als in dem Zeitpunkt erlangt, in dem sie ihm bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre (RIS-Justiz RS0034327).

Die kurze Verjährung von Ersatzansprüchen beginnt nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des Schadens zu laufen (RIS-Justiz RS0083144). Mit dessen positiver Kenntnis wird sie aber nach ständiger Rechtsprechung auch schon dann in Gang gesetzt, wenn der Geschädigte die Höhe seines Schadens noch nicht beziffern kann und wenn ihm noch nicht alle Schadensfolgen bekannt oder diese auch noch nicht zur Gänze eingetreten sind. Der drohenden Verjährung muss der Geschädigte mit einer Feststellungsklage begegnen (RIS-Justiz RS0087615).

Zur Frage, wann die Verjährungsfrist bei Schäden im Zusammenhang mit einer Veranlagung zu laufen beginnt, hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach Stellung genommen:

Geht man davon aus, dass eine risikolose Veranlagung gewünscht wurde, so tritt der Schaden in dem Moment ein, in dem sich herausstellt, dass die erworbenen Papiere tatsächlich risikobehaftet sind, also die gewünschte Eigenschaft nicht erfüllt ist. Dieser Zeitpunkt ist unabhängig davon, ob nach einer Zukunftsprognose aus damaliger Sicht auf eine positivere Kursentwicklung zu hoffen war oder nicht, als maßgebender Termin für den Schadenseintritt anzusehen. Erhält der Geschädigte Kenntnis von Kursverlusten, so muss ihm zugleich auch klar sein, dass er sein Geld anstatt für ein von ihm gewünschtes risikoloses Wertpapier für ein Kursschwankungen unterworfenes Wertpapier ausgegeben hatte (7 Ob 253/97z).

Entscheidend ist, zu welchem Zeitpunkt der Geschädigte erkennt, dass ein Gesamtkonzept den Zusagen nicht entsprochen hat. Die Risikoträchtigkeit eines Gesamtkonzepts liegt jedenfalls dann vor, wenn sich dieses rein rechnerisch nicht mehr ohne zusätzliche Vermögensverminderung im Vergleich zur (herkömmlichen) Tilgung des Darlehens und Geldmittelbeschaffung vor dem Umschuldungs- und Finanzierungskonzept entwickeln konnte. Ein nach Erkennen der Risikoträchtigkeit eintretender weiterer Schaden ist als bloßer Folgeschaden zu qualifizieren, dessen Verjährung gleichfalls mit der Kenntnis vom Eintritt des Primärschadens beginnt (6 Ob 103/08b [zust Madl, ÖBA 2013, 282]). Es ist also für den Lauf der Verjährungsfrist entscheidend, zu welchem Zeitpunkt der Anleger erkennt, dass sein Investment - entgegen den Zusicherungen - nicht risikolos ist, sondern die Gefahr eines Kapitalverlusts in sich birgt (10 Ob 39/11z [zust Madl aaO]).

Das Berufungsgericht hat die dargelegten Rechtsgrundsätze zwar zutreffend dargestellt, sie aber unrichtig auf den vorliegenden Sachverhalt angewandt, was aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifen ist.

Bereits im August 2005 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sich der Wertzuwachs des Tilgungsträgers nicht so entwickelt, wie dies prognostiziert und den Berechnungen zugrundegelegt wurde, sodass das Darlehen nicht ohne weitere zusätzliche Zahlungen der Klägerin (samt Realisierung von Sicherheiten) getilgt werden kann. Sie wurde auf eine Unterdeckung von 390.160 EUR (!) hingewiesen und es wurden von ihr weitere Sicherheiten gefordert. Damit war ihr bekannt, dass die zugesagten wesentlichen Eigenschaften des Anlageprodukts, nämlich dass die Darlehensbeträge durch den Tilgungsträger ausgeglichen werden können und sogar ein beachtlicher Überschuss erwirtschaftet wird, nicht gegeben sind. Es beginnt daher im Sinn der dargelegten Judikatur die Verjährungsfrist mit dem Zeitpunkt dieser Mitteilung zu laufen. Die Klägerin war nun über alles informiert, was zur Begründung eines Schadenersatzanspruchs führen könnte. Zumindest hätten ihr bei entsprechender Nachforschung alle den nun behaupteten Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte begründenden Umstände bekannt sein können, auch wenn die genaue Höhe des Schadens damals (ebenso wenig wie heute) noch nicht feststand. Der Filialleiter bestärkte nämlich die Klägerin nicht etwa darin, dass mit der Zeit eine Besserung der Situation eintreten werde, sondern verwies im Gegenteil darauf, dass eine Wende zum Positiven (anders als vom Mitarbeiter der S*****-Gruppe dargelegt) unrealistisch sei. Dass die Klägerin dennoch den Angaben des Mitarbeiters der S*****-Gruppe mehr Glauben schenkte, ohne eigene Erkundigungen einzuziehen, hat keinen Einfluss auf den Beginn der Verjährungsfrist. Ob der Klägerin „Ausstiegsmöglichkeiten“, also Wege der Schadensminderung aufgezeigt wurden oder nicht, hat auf diesen Fälligkeitszeitpunkt keinen Einfluss. Selbst der Hinweis auf eine solche Option hätte nichts daran geändert, dass die Klägerin nun über den Eintritt des Primärschadens, nämlich die eklatante Unterdeckung, informiert war. Überdies erklärte ihr sogar der Mitarbeiter der S*****-Gruppe am , dass mit einer Nettorendite von (bloß) 5 bis 5,5 % zu rechnen sei. Selbst diese liegt deutlich unter der zugesagten Rendite von 6,5 %. Auch durch diese Mitteilung musste der Klägerin klar sein, dass die zugesagten Eigenschaften des Anlageprodukts nicht zutreffen. Im Zeitpunkt der Klagseinbringung war daher die dreijährige Verjährungsfrist abgelaufen. Dies hat das Erstgericht zutreffend erkannt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. S***** A*****, vertreten durch Dr. Helmut Grubmüller, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Manfred Angerer und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Feststellung, über den Wiedereinsetzungsantrag der klagenden Partei den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Anträge

1. auf Unterbrechung „des Verfahrens“ bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag

2. auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Erstattung einer Revisionsbeantwortung

werden abgewiesen.

Die gleichzeitig erstattete Revisionsbeantwortung wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Oberste Gerichtshof stellte der Klägerin mit Beschluss vom gemäß § 507a Abs 2 Z 3 ZPO die Beantwortung der außerordentlichen Revision frei. Der Beschluss wurde dem Klagevertreter elektronisch am zugestellt. Eine Revisionsbeantwortung wurde innerhalb der 4-wöchigen Frist nicht erstattet. Der Oberste Gerichtshof hat am über die von der Beklagten erhobene Revision entschieden.

Nunmehr beantragt die Klägerin wie im Spruch ersichtlich und erstattet gleichzeitig eine Revisionsbeantwortung. In der Kanzlei des Klagevertreters werde täglich nur zwischen 8:00 Uhr und 9:00 Uhr der elektronische Rechtsverkehr abgefragt und ausgedruckt. Der Freistellungsbeschluss sei erst um 9:46 Uhr zugestellt worden und sei am darauffolgenden Arbeitstag, dem , offenbar irrtümlich von der im Sekretariat Beschäftigten nicht ausgedruckt worden. Sie habe vielmehr irrtümlich den Vermerk „erledigt“ angebracht, sodass der Fehler bis zur Zustellung des Urteils des Obersten Gerichtshofs nicht aufgefallen sei. Die Fehlleistung der Beschäftigten sei darauf zurückzuführen, dass sie wegen ihrer zahnenden Tochter wenig Schlaf gefunden habe. In der Kanzlei des Klagevertreters sei ein derartiger Irrtum noch nie vorgekommen. Der Klagevertreter kontrolliere ständig stichprobenartig die ordnungsgemäße Bearbeitung der einlangenden Schriftstücke.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 507a Abs 3 Z 2 ZPO ist die Revisionsbeantwortung beim Obersten Gerichtshof einzubringen, wenn dieser dem Revisionsgegner deren Einbringung nach § 508a Abs 2 ZPO freistellte. Der Wiedereinsetzungsantrag wurde daher gemäß § 148 Abs 1 ZPO richtigerweise beim Obersten Gerichtshof gestellt (RIS-Justiz RS0111775). Dem Antrag kommt jedoch keine Berechtigung zu.

Irrtümer und Fehler von Kanzleiangestellten von Rechtsanwälten sind diesen zuzurechnen und ermöglichen eine Wiedereinsetzung nur, wenn sie trotz der Einhaltung der berufsgebotenen Sorgfaltspflicht des Anwalts bei der Kontrolle der Termin- und Fristenevidenz und trotz bisheriger objektiver Eignung und Bewährung der Kanzleiangestellten unterlaufen sind (RIS-Justiz RS0036813). Ein einmaliges Versehen eines bewährten und verlässlichen Mitarbeiters steht der Bewilligung der Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht entgegen, wenn dem Anwalt kein Sorgfalts-, Organisations- und Kontrollversehen vorgeworfen werden muss. Grobes Verschulden eines Parteienvertreters bei der Versäumung einer befristeten Prozesshandlung ist im Wiedereinsetzungsverfahren der Partei zuzurechnen (vgl RIS-Justiz RS0111777). Ein solches wird regelmäßig darin erblickt, wenn der unterlaufene Fehler auf einer mangelhaften Organisation beruht (2 Ob 112/10z; Gitschthaler in Rechberger³, § 146 ZPO Rz 23 mwN). Berufsmäßige Parteienvertreter (Rechtsanwälte) unterliegen dabei dem erhöhten Haftungsmaßstab des § 1299 ABGB (2 Ob 112/10z).

Dem Klagevertreter ist bereits nach dem Vorbringen ein grobes Organisationsversehen anzulasten, weil er keine Vorkehrungen dagegen getroffen hat, dass eine befristete Prozesshandlung schon allein deshalb unterbleibt, weil der unbedachte Vermerk „erledigt“ gesetzt wird. Ein Rechtsanwalt muss eine Organisation schaffen, die es ermöglicht, auch solche offensichtlich leicht vorkommende Versehen im Nachhinein nachvollziehen und kontrollieren zu können. Er muss dafür sorgen, dass ein zugestelltes, noch nicht ausgedrucktes und noch dazu fristauslösendes Schriftstück nicht einfach völlig außer Evidenz geraten kann, ohne dass ihm überhaupt eine Kontrolle, ob ihm alle eingelangten Schriftstücke auch vorgelegt werden, möglich ist.

Da selbst der von der Wiedereinsetzungswerberin behauptete Sachverhalt nicht dazu führen könnte, die beantragte Wiedereinsetzung zu bewilligen, ist der Antrag ohne Durchführung eines Bescheinigungsverfahrens abzuweisen. Ein „Verfahren“ ist nach zugestellter Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof nicht anhängig. Die verspätete Revisionsbeantwortung, die im Übrigen keine Ausführungen enthält, auf die der Oberste Gerichtshof nicht ohnedies in seinem Urteil eingegangen ist, ist zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2013:0070OB00018.13T.0619.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
NAAAD-65353

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