OGH vom 17.09.2013, 7Ob18/13t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. S***** A*****, vertreten durch Dr. Helmut Grubmüller, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Manfred Angerer und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Feststellung, über den Wiedereinsetzungsantrag der klagenden Partei den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Anträge
1. auf Unterbrechung „des Verfahrens“ bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag
2. auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Erstattung einer Revisionsbeantwortung
werden abgewiesen.
Die gleichzeitig erstattete Revisionsbeantwortung wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Oberste Gerichtshof stellte der Klägerin mit Beschluss vom gemäß § 507a Abs 2 Z 3 ZPO die Beantwortung der außerordentlichen Revision frei. Der Beschluss wurde dem Klagevertreter elektronisch am zugestellt. Eine Revisionsbeantwortung wurde innerhalb der 4 wöchigen Frist nicht erstattet. Der Oberste Gerichtshof hat am über die von der Beklagten erhobene Revision entschieden.
Nunmehr beantragt die Klägerin wie im Spruch ersichtlich und erstattet gleichzeitig eine Revisionsbeantwortung. In der Kanzlei des Klagevertreters werde täglich nur zwischen 8:00 Uhr und 9:00 Uhr der elektronische Rechtsverkehr abgefragt und ausgedruckt. Der Freistellungsbeschluss sei erst um 9:46 Uhr zugestellt worden und sei am darauffolgenden Arbeitstag, dem , offenbar irrtümlich von der im Sekretariat Beschäftigten nicht ausgedruckt worden. Sie habe vielmehr irrtümlich den Vermerk „erledigt“ angebracht, sodass der Fehler bis zur Zustellung des Urteils des Obersten Gerichtshofs nicht aufgefallen sei. Die Fehlleistung der Beschäftigten sei darauf zurückzuführen, dass sie wegen ihrer zahnenden Tochter wenig Schlaf gefunden habe. In der Kanzlei des Klagevertreters sei ein derartiger Irrtum noch nie vorgekommen. Der Klagevertreter kontrolliere ständig stichprobenartig die ordnungsgemäße Bearbeitung der einlangenden Schriftstücke.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 507a Abs 3 Z 2 ZPO ist die Revisionsbeantwortung beim Obersten Gerichtshof einzubringen, wenn dieser dem Revisionsgegner deren Einbringung nach § 508a Abs 2 ZPO freistellte. Der Wiedereinsetzungsantrag wurde daher gemäß § 148 Abs 1 ZPO richtigerweise beim Obersten Gerichtshof gestellt (RIS Justiz RS0111775). Dem Antrag kommt jedoch keine Berechtigung zu.
Irrtümer und Fehler von Kanzleiangestellten von Rechtsanwälten sind diesen zuzurechnen und ermöglichen eine Wiedereinsetzung nur, wenn sie trotz der Einhaltung der berufsgebotenen Sorgfaltspflicht des Anwalts bei der Kontrolle der Termin- und Fristenevidenz und trotz bisheriger objektiver Eignung und Bewährung der Kanzleiangestellten unterlaufen sind (RIS Justiz RS0036813). Ein einmaliges Versehen eines bewährten und verlässlichen Mitarbeiters steht der Bewilligung der Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht entgegen, wenn dem Anwalt kein Sorgfalts , Organisations und Kontrollversehen vorgeworfen werden muss. Grobes Verschulden eines Parteienvertreters bei der Versäumung einer befristeten Prozesshandlung ist im Wiedereinsetzungsverfahren der Partei zuzurechnen (vgl RIS Justiz RS0111777). Ein solches wird regelmäßig darin erblickt, wenn der unterlaufene Fehler auf einer mangelhaften Organisation beruht (2 Ob 112/10z; Gitschthaler in Rechberger ³, § 146 ZPO Rz 23 mwN). Berufsmäßige Parteienvertreter (Rechtsanwälte) unterliegen dabei dem erhöhten Haftungsmaßstab des § 1299 ABGB (2 Ob 112/10z).
Dem Klagevertreter ist bereits nach dem Vorbringen ein grobes Organisationsversehen anzulasten, weil er keine Vorkehrungen dagegen getroffen hat, dass eine befristete Prozesshandlung schon allein deshalb unterbleibt, weil der unbedachte Vermerk „erledigt“ gesetzt wird. Ein Rechtsanwalt muss eine Organisation schaffen, die es ermöglicht, auch solche offensichtlich leicht vorkommende Versehen im Nachhinein nachvollziehen und kontrollieren zu können. Er muss dafür sorgen, dass ein zugestelltes, noch nicht ausgedrucktes und noch dazu fristauslösendes Schriftstück nicht einfach völlig außer Evidenz geraten kann, ohne dass ihm überhaupt eine Kontrolle, ob ihm alle eingelangten Schriftstücke auch vorgelegt werden, möglich ist.
Da selbst der von der Wiedereinsetzungswerberin behauptete Sachverhalt nicht dazu führen könnte, die beantragte Wiedereinsetzung zu bewilligen, ist der Antrag ohne Durchführung eines Bescheinigungsverfahrens abzuweisen. Ein „Verfahren“ ist nach zugestellter Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof nicht anhängig. Die verspätete Revisionsbeantwortung, die im Übrigen keine Ausführungen enthält, auf die der Oberste Gerichtshof nicht ohnedies in seinem Urteil eingegangen ist, ist zurückzuweisen.