OGH vom 11.10.1995, 3Ob64/95
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei G*****, vertreten durch Dr.August Wippel, und Dr.Andreas Wippel Rechtsanwälte in Neunkirchen, wider die verpflichtete Partei C*****, vertreten durch Dr.Georg Fialka, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 935.620,41 sA, infolge Rekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgerichtes vom , GZ R 576/94-28, womit der Rekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Neunkirchen vom , GZ E 2628/94w-2, zurückgewiesen wurde, den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
1. Der Rekurs wird zurückgewiesen, soweit er sich auf die Bewilligung der Exekution zur Hereinbringung einer S 920.955,-- sA übersteigenden Forderung bezieht.
2. Im übrigen wird dem Rekurs nicht Folge gegeben.
Die verpflichtete Partei hat die Kosten des Rekurses selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Rekurswerberin ist eine Aktiengesellschaft mit dem Sitz in der Schweiz. Im österreichischen Handelsregister war eine Zweigniederlassung der Rekurswerberin eingetragen, deren Firma aus der Firma der Rekurswerberin und einem auf die Eigenschaft als Zweigniederlassung hinweisenden Zusatz bestand. Außerdem war der Name eines Einzelprokuristen mit der Beschränkung der Prokura auf den Betrieb der Zweigniederlassung eingetragen. Die die Rekurswerberin betreffenden aufrechten Eintragungen des Handelsregisters wurden in die Datenbank des auf ADV umgestellten Firmenbuchs übertragen, wobei diese Übertragung am abgeschlossen war. Die Rekurswerberin ist Eigentümerin mehrerer Liegenschaften, wobei sie in den Einlagen mit nicht bedeutsamen Abweichungen jeweils mit ihrer Firma bezeichnet wird. Eine Bezeichnung mit der Firma der Zweigniederlassung ist im Grundbuch nicht enthalten.
Die betreibende Partei, eine Gemeinde, stellte den Antrag, ihr aufgrund von ihr errichteter Rückstandsausweise über die Beträge von S 20.292,--, S 10.457,41, S 2.028,--, S 1.586,--, S 571.641,-- und S 349.314,-- zur Hereinbringung der Forderung von S 935.620,41 sA die Exekution durch Zwangsversteigerung der erwähnten Liegenschaften zu bewilligen. Die Rückstandsausweise über die Beträge von S 571.641,-- und S 349.314,-- haben Aufschließungsabgaben für verschiedene am Sitz der Zweigniederlassung gelegene Grundstücke zum Gegenstand. Die verpflichtete Partei wird in den Rückstandsausweisen und im Exekutionsantrag jeweils mit der Firma der Rekurswerberin, der der Zusatz "AG" angefügt war, bezeichnet. Als Anschrift wird die Anschrift der Zweigniederlassung angegeben.
Das Erstgericht bewilligte die beantragte Exekution. Die Exekutionsbewilligung wurde der verpflichteten Partei am dadurch zugestellt, daß die Sendung an der Anschrift der Zweigniederlassung an eine auf dem Rückschein als "Empfänger" bezeichnete Person, bei der es sich, wie die verpflichtete Partei im Revisionsrekurs selbst ausführt, um den Prokuristen der Zweigniederlassung handelte, ausgefolgt wurde.
Gegen die Exekutionsbewilligung erhob die verpflichtete Partei unter der im Exekutionantrag angeführten Bezeichnung einen am zur Post gegebenen Rekurs, wobei sich der Rechtsanwalt der verpflichteten Partei auf die ihm erteilte Bevollmächtigung berief. Dem Rekurs wurde vom Rekursgericht mit Beschluß vom nicht Folge gegeben.
Am langte beim Erstgericht ein am zur Post gegebener Schriftsatz ein, in dem sich die Einschreiterin als "verpflichtete Partei und Eigentümerin der in Exekution gezogenen Liegenschaften" bezeichnete. Im Anschluß daran wird die Firma der Rekurswerberin mit dem Beisatz "SA" und mit einer Anschrift in Zürich angeführt. In dem Schriftsatz wird bekanntgegeben, daß die Einschreiterin einen bestimmten, vom ersten Rechtsanwalt verschiedenen Rechtsanwalt Vollmacht erteilt hat, und sodann vorgebracht, daß sie erst am durch Einsicht in das Grundbuch von der bewilligten Zwangsversteigerung erfahren habe. Die Einschreiterin beantragte die Zustellung aller bisher gefaßten Beschlüsse an ihren Vertreter und "vorsichtshalber" die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; zugleich führt sie einen Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung aus.
Das Rekursgericht berichtigte infolge dieses Rekurses die Bezeichnung der verpflichteten Partei auf die Bezeichnung, die dem bezogenen Schriftsatz zu entnehmen ist, und wies den Rekurs zurück. Die Zweigniederlassung besitze keine eigene Rechtspersönlichkeit. Eine Klage könne nach der Entscheidung Rsp 1933/27 der inländischen Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung auch dann zugestellt werden, wenn die Hauptniederlassung in Anspruch genommen werden solle. Dies müsse auch für das Exekutionsverfahren gelten. Die Exekutionsbewilligung sei daher bereits am mit Wirkung für die Hauptniederlassung zugestellt worden, weshalb der zweite Rekurs verspätet sei. Unter diesen Umständen müsse nicht untersucht werden, ob das Rechtsmittelrecht nicht schon durch die Einbringung des ersten Rekurses verbraucht worden sei.
Rechtliche Beurteilung
Der von der verpflichteten Partei unter der Firma der Hauptniederlassung gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Rekurs ist zum Teil unzulässig und im übrigen nicht berechtigt.
Ansprüche aus verschiedenen Exekutionstiteln sind nicht gemäß § 55 JN zusammenzurechnen und daher für die Frage der Zulässigkeit eines Rechtsmittels gesondert zu beurteilen (RZ 1991/62; RZ 1988/10; EvBl 1983/139 ua). Der Rekurs ist daher gemäß dem nach § 78 EO anzuwendenden, auch für Zurückweisungsbeschlüsse maßgebenden (RPflE 1991/149; JUS 1985 H 3, 14) § 528 Abs 2 Z 1 ZPO unzulässig, soweit er die S 50.000,-- nicht übersteigernden Forderungen betrifft. Da die betreibende Partei diese Forderungen in ihrem Exekutionsantrag nicht gesondert ausgewiesen hat und dies auch in der Exekutionsbewilligung nicht geschah, muß zugunsten der Rekurswerberin davon ausgegangen werden, daß die S 50.000,-- übersteigenden Forderungen zur Gänze betrieben werden und daher zur Gänze den Gegenstand der Entscheidung des Rekursgerichtes bildeten, weshalb der Rekurs nur unzulässig ist, soweit er den über die Summe dieser beiden Forderungen hinausgehenden Teil der betriebenen Forderung betrifft.
Im Revisionsrekurs wird die Rechtsansicht vertreten, daß die Zustellung des Exekutionsbewilligungsbeschlusses an den auf die Vertretung der inländischen Zweigniederlassung beschränkten Einzelprokuristen Uwe D***** keine Rechtswirkungen für die verpflichtete Partei habe hervorrufen können. Dem kann nicht gefolgt werden.
Ob einer Zweigniederlassung eigene Rechtspersönlichkeit zukommt, bestimmt sich nach dem Recht ihres, der Zweigniederlassung entsprechenden Sitzstaates (Schwimann in GesRZ 1981, 148; derselbe in Rummel2, Rz 10 zu § 12 IPRG), hier somit nach österreichischem Recht. Nach österreichischem Recht hat aber selbst die registrierte Zweigniederlassung einer ausländischen Handelsgesellschaft keine eigene Rechtspersönlichkeit, Träger der Rechte und Pflichten ist vielmehr die ausländische Gesellschaft (ecolex 1991, 395; HS 10.029; SZ 47/139 mwN; SZ 40/113 ua; Schenk in Straube2 Rz 4 zu §§ 13, 13a aF HGB). Was nun die Vertretungsverhältnisse einer solchen inländischen Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft betrifft, hat allerdings der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung GesRZ 1975, 101 ganz allgemein ausgesprochen, daß sich die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse und damit auch die Vertretungsmacht ihrer inländischen Organe immer nach österreichischem Recht bestimmen. Diese Entscheidung wurde in der Lehre vielfach kritisiert: So führte Schuhmacher in ÖZW 1976, 92 aus, daß der vom Obersten Gerichtshof dargelegte Rechtssatz in dieser Allgemeinheit wohl nicht stimmen könne; da die Zweigniederlassung keine eigene Rechtspersönlichkeit habe, sei für ihre gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse grundsätzlich vom ausländischen Gesellschaftsstatut auszugehen. Kastner/Doralt/Nowotny Gesellschaftsrecht5 214 Jabornegg in Schiemer/Jabornegg/Strasser AktG3, Rz 8 zu § 37 differenzieren: Auf die Vertretungsbefugnissen von Organmitgliedern sei § 10 IPRG, von gewillkürten Vertretern § 49 IPRG anzuwenden. Einzig diese Auslegung wird der Bestimmung des § 12 IPRG gerecht, wonach die Rechts- und Handlungsfähigkeit einer Person nach ihrem Personalstatut zu beurteilen ist. Die Entscheidung GesRZ 1975, 101 kann daher nur mit diesen Einschränkungen aufrecht erhalten werden. § 12 IPRG regelt das gesamte internationale Gesellschaftsrecht (Schwimann in Rummel2 Rz 4 zu § 12 IPRG). Der Sitz der verpflichteten Partei ist in der Schweiz, sodaß sich die gesetzliche und organschaftliche Vertretungsmacht nach dem Recht der Schweiz bestimmte. Allein die verpflichtete Partei hat in der Person des Uwe D***** einen Einzelprokuristen beschränkt auf die Zweigniederlassung bestellt. Der Prokurist ist aber gewillkürter Stellvertreter (vgl Kastner/Doralt/Nowotny aaO FN 147). Damit wird aber das für die Voraussetzungen und Wirkungen dieser gewillkürten Stellvertretung anzuwendende Recht nach § 49 Abs 2 IPRG bestimmt; es ist somit das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Stellvertreter nach dem dem Dritten erkennbaren Willen als Geschäftsherr tätig werden soll, somit hier österreichisches Recht. § 49 Abs 1 HGB ermächtigt den Prokuristen zu allen Arten von gerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, sodaß § 93 Abs 2 ZPO folgerichtig anordnet, daß in Rechtssachen, die sich auf den Betrieb des Handelsgewerbes einer Person beziehen, die Zustellung an den Prokuristen geschehen kann. Da sich die betriebenen öffentlichen Abgaben auf den Betrieb der Zweigniederlassung beziehen, konnte demnach auch die Zustellung der Exekutionsbewilligung wirksam an den auf die Zweigniederlassung beschränkten Einzelprokuristen erfolgen (vgl für die Zustellung von Klagen Wahle in Anm zu Rspr 1933/27; BGHZ 4, 62, 65; Kraft in Kölner Komm2 Rz 22 zu § 44 AktG.
In diesem Fall kann dann der Einzelprokurist auch eine für den Geschäftsherrn verbindliche Prozeßvollmacht erteilen (EvBl 1975/209 = RZ 1975, 91).
Der Rechtsanwalt, der den ersten Rekurs einbrachte, hat sich auf die ihm erteilte Bevollmächtigung berufen. Die Rekurswerberin hat zur Wirksamkeit der behaupteten Bevollmächtigung kein Tatsachenvorbringen erstattet. Sie nimmt erkennbar an, daß die Bevollmächtigung durch den für ihre Zweigniederlassung bestellten Prokuristen erteilt wurde, was auch aus einer vom Erstgericht eingeholten telefonischen Auskunft des Rechtsanwalts hervorgeht. Mangels anderer Verfahrensergebnisse ist nach dem Gesagten daher davon auszugehen, daß auch dem Rechtsanwalt, der den ersten Rekurs eingebracht hat, eine für die verpflichtete Partei wirkende Prozeßvollmacht erteilt wurde. Es ist deshalb schon der erste Rekurs als im Namen der Rekurswerberin eingebracht anzusehen. Hierauf hat es keinen Einfluß, wann die Rekurswerberin von der Bewilligung der Zwangsversteigerung erfahren hat, weil dies nur für das Verhältnis zum Prokuristen, nicht aber auch zu einem Dritten von Bedeutung sein kann. Ist aber schon die Einbringung des ersten Rekurses der Rekurswerberin zuzurechnen, so steht die Rechtskraft der hierüber ergangenen Entscheidung der Zulässigkeit des zweiten Rekurses entgegen. Unerheblich ist dabei, daß das Erstgericht über den Antrag auf Wiedereinsetzung, mit dem der Rekurs verbunden wurde, noch nicht entschieden hat, weil die - überdies § 58 Abs 2 EO widersprechende - Bewilligung der Wiedereinsetzung ohne Einfluß auf die Zulässigkeit des Rekurses wäre.
Der zweite Rekurs ist daher unzulässig und wurde deshalb vom Rekursgericht mit Recht zurückgewiesen, wobei es auf die von ihm behandelnde Frage der Verspätung, die erst nach der Zulässigkeit eines Rechtsmittels zu prüfen ist (EF 32.498 ua), nicht ankommt. Auf die Unzulässigkeit des zweiten Rekurses war Bedacht zu nehmen, weil aufgrund des gegen den Zurückweisungsbeschluß erhobenen Rechtsmittels die rechtliche Beurteilung der Sache von Amts wegen in jeder Richtung zu prüfen war (vgl SZ 59/126; EF 52.251; EvBl 1985/154 je mwN).
Der Ausspruch über die Kosten des dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegten Rekurses beruht auf § 78 EO iVm den §§ 40 und 50 ZPO.