OGH vom 28.10.1987, 3Ob516/87
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichthofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am verstorbenen Hilda Anna B***, Geschäftsinhaberin, zuletzt wohnhaft gewesen in Pöggstall 91, infolge Revisionsrekurses der Miterbin Ursula S***, Angestellte, sowie der durch sie vertretenen Kinder mj. Hannes S***, geboren am , und mj. Karin S***, geboren am , alle Pöggstall 91 und vertreten durch Dr. Franz Müller, Rechtsanwalt in Kirchberg am Wagram, gegen den Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgerichtes vom , GZ R 21, 22/87-51, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Melk vom , GZ A 435/83-45 und -46, teilweise bestätigt wurden, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs der Miterbin Ursula S*** wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird, soweit damit der Beschluß des Erstgerichtes ON 46 in seinem zweiten Teil (Verbücherungsanordnung) bestätigt wurde, dahin abgeändert, daß dieser zu lauten hat:
"Auf Grund des Ergebnisses der Verlassenschaftsabhandlung wird nachstehende Grundbuchseintragung vorzunehmen sein:
Bei der Liegenschaft EZ. 210 Grundbuch Pöggstall, Haus Nr. 91, mit den Grundstücken 119 Bauarea und 158/2 Garten, die Einverleibung des Eigentumsrechtes für Bärbel B***, geboren am , mit der Beschränkung durch die Verpflichtung, die Liegenschaft einem ihrer Kinder oder einem der beiden Kinder ihrer Schwester Ursula S***, nämlich Hannes S***, geboren am , und Karin S***, geboren am , zu erhalten". Im übrigen wird der Revisionsrekurs zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die am verstorbene Hilda Anna B*** hatte zwei eheliche Töchter, die am geborene Ursula S*** und die am geborene Bärbel B***, gesch. B***. Ursula S*** hat zwei eheliche Kinder, den am geborenen Hannes und die am geborene Karin. Bärbel B*** hat ein Kind, die am geborene Katharina. Die Erblasserin hat eine als Testament bezeichnete letztwillige Verfügung getroffen, in der es unter anderem heißt:
"Ich .... bitte um folgende Durchführung meines letzten Willens nach meinem Tode: Mein Haus mit Garten soll allein meine Tochter Bärbel B*** erhalten, jedoch mit der Bitte an sie, diesen Besitz zu erhalten, entweder für ein eigenes Kind von ihr, oder aber für eines meiner beiden Enkelkinder Hannes oder Karin.
........
Mein Geschäft mit sämtlichen Waren soll meine Tochter Ursula
bekommen, jedoch meine Tochter Bärbel aus dem Warenerlös innerhalb
von zwei Jahren 40 % des gesamten Warenwertes auszuzahlen.
........"
Ursula S*** und Bärbel B*** haben auf Grund des Gesetzes je zur Hälfte des Nachlasses bedingte Erbserklärungen abgegeben. Sie gingen davon aus, daß die letztwillige Verfügung der Verstorbenen keine Erbseinsetzung enthält, und haben erklärt, die ihnen zugedachten Legate anzunehmen.
Ursula S*** hat hiezu den Standpunkt vertreten, die Vermächtnisse stellten keine Vorausvermächtnisse, sondern Hineinvermächtnisse und damit eine Teilungsanordnung dar; der Nachlaß falle daher wertmäßig, mit Ausnahme der Vermächtnisse zugunsten dritter Personen, die beide Erben gleich belasten, zu gleichen Teilen den beiden gesetzlichen Erbinnen zu. Zum Zwecke der Erfüllung ihres Erbteils begehrte Ursula S*** einen im Außerstreitverfahren festzusetzenden Wertausgleich. Bärbel B*** führte demgegenüber aus, es handle sich bei den letztwilligen Verfügungen, soweit sie die Erbinnen beträfen, um Vorausvermächtnisse. Die letztwillige Anordnung enthalte keinen Hinweis, daß der Nachlaß gleichteilig aufzuteilen sei. Der begehrte Wertausgleich widerspreche dem letzten Willen der Erblasserin. Mit (Mantel-)Beschluß vom , ON 45, hat das Erstgericht unter anderem (Punkt 7) Ursula S*** hinsichtlich der von ihr gestellten Wertausgleichsansprüche auf den Zivilrechtsweg verwiesen, (Punkt 9) die Einantwortungsurkunde ausgefertigt und (Punkt 11) die Veranlassenschaftsabhandlung für beendet erklärt und angekündigt, daß der Akt dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern in Wien zur Gebührenbemessung übermittelt werde. Das Erstgericht vertrat den Standpunkt, die letztwillige Verfügung enthalte Vorausvermächtnisse an die Erben; es fehle jeder Hinweis dafür, daß die Erblasserin eine Erbteilungsvorschrift habe treffen wollen. Ursula S*** sei daher mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg zu verweisen gewesen.
Mit Beschluß vom gleichen Tag, ON 46, wurde der Nachlaß auf Grund des Gesetzes an Ursula S*** und Bärbel B*** je zur Hälfte eingeantwortet und angeordnet, daß auf Grund des Ergebnisses der Verlassenschaftsabhandlung bei der Liegenschaft EZ 210 Grundbuch Pöggstall, Haus Nr. 91, das Eigentumsrecht für Bärbel B*** (ohne Beschränkung) einzuverleiben sein werde. In der Begründung führte das Erstgericht aus, die Anordnung der Erblasserin betreffend ihr Haus mit Garten enthalte keine fideikommissarischen Substitution, sondern nur einen unverbindlichen Wunsch. Eine grundbücherliche Eintragung einer fideikommissarischen Substitution zugunsten der mj. Hannes und Karin S*** habe daher zu unterbleiben. Den Rekursen der Miterbin Ursula S*** und der Kinder Hannes und Karin S*** gab die zweite Instanz im Umfang der Punkte 7, 9 und 11 des Beschlusses ON 45 und des Beschlusses ON 46 nicht Folge. Weder bei Anordnung eines Vorausvermächtnisses, noch bei einer als Aufteilungsvorschrift gedachten Einzelzuwendung liege ein Rechtsgrund vor, den von einer solchen Anordnung betroffenen Erben zu einer Ausgleichszahlung an einen Miterben zu veranlassen. Erachte sich Ursula S*** durch die letztwillige Anordnung in ihrem Pflichtteilsanspruch verkürzt, sei es ihr überlassen, allfällige Ansprüche im Prozeßweg zu erheben und durchzusetzen. Zwar wäre die Verbücherungsanordnung nicht in die Einantwortungsurkunde aufzunehmen gewesen; doch habe das Erstgericht die grundbücherliche Eintragung einer fideikommissarischen Substitution zugunsten der beiden Kinder Hannes und Karin S*** zu Recht abgelehnt. Die Anordnung einer solchen Substitution könne der letztwilligen Verfügung nicht entnommen werden, weil die Erblasserin keinen bestimmten Nacherben ernannt, sondern die Auswahl der Erbin (Vermächtnisnehmerin) überlassen habe. Zwar werde in der Rechtsprechung eine Anordnung, bei der die Auswahl des Nacherben (Nachlegatars) dem Vorerben (Vorlegatar) überlassen werden soll, als Auflage angesehen. Eine Auflage begründe jedoch keinen Rechtsanspruch Dritter. Die mj. Hannes und Karin S*** könnten daher nicht begehren, daß zu ihren Gunsten das Substitutionsband auf der Liegenschaft angemerkt werde.
Ursula S*** und die Kinder Hannes und Karin S*** bekämpfen den Beschluß der zweiten Instanz, soweit mit diesem ihrem Rekurs gegen die Entscheidung des Erstgerichtes nicht Folge gegeben wurde, mit Revisionsrekurs aus dem Rekursgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit mit dem Antrag, ihn dahin abzuändern, daß die Einverleibung des Eigentumsrechtes für Bärbel B*** mit der Beschränkung durch die fideikommissarische Substitution zugunsten des mj. Hannes und der mj. Karin S*** bewilligt und dem Rekursgericht aufgetragen werde, über die Ausgleichsansprüche der Ursula S*** zu entscheiden; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Eine offenbare Gesetzwidrigkeit erblicken die Rekurswerber darin, daß die zweite Instanz die letztwillige Verfügung der Erblasserin " .... mit der Bitte, diesen Besitz zu erhalten, entweder für ein eigenes Kind von ihr oder aber für eines meiner beiden Enkelkinder Hannes oder Karin" nicht als Anordnung einer fideikommissarischen Substitution gewertet und daß sie bei einer Qualifikation dieser Bestimmung als Auflage den auf Grund dieser Auflage Berechtigten keine Rechtsmittelbefugnis eingeräumt habe. Liege eine fideikommissarische Substitution oder eine Auflage vor, so hätte die Einantwortungsurkunde vor dem Vorliegen des Testamentserfüllungsausweises nicht erlassen werden dürfen. Offenbar gesetzwidrig sei auch die Verweisung der Miterbin auf den Zivilrechtsweg. Die Rechtsfrage, ob ein Vorausvermächtnis oder ein Hineinvermächtnis vorliege, sei im Außerstreitverfahren zu klären. Eine Verweisung auf den Prozeßweg komme nur in Betracht, wenn Tatsachen strittig seien.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Miterbin ist teilweise berechtigt, nicht aber der der Kinder.
Eine offenbare Gesetzwidrigkeit iS des § 16 AußStrG liegt nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird.
Eine solche offenbare Gesetzwidrigkeit bei der Beurteilung der materiellen Rechtslage hat im vorliegenden Fall zur nicht ausdrücklichen, aber erkennbaren Verneinung der Rekurslegitimation der Miterbin Ursula S*** (im eigenen Namen) als Auflageberechtigte in der Frage der Verbücherung der Auflage zugunsten ihrer Kinder geführt:
Nach § 608 ABGB kann der Erblasser seinen Erben verpflichten,
daß er die angetretene Erbschaft nach seinem Tode oder in andern
bestimmten Fällen, einem zweiten ernannten Erben überlasse. Aus
§ 564 ABGB ergibt sich aber, daß der Erblasser die Auswahl des
Nacherben nicht dem Vorerben überlassen kann (EvBl 1961/1;
NZ 1977, 78 ua). Die letztwillige Verfügung der Erblasserin enthält
hier weder eine bestimmte, noch auch eine bestimmbare Einsetzung
eines Nacherben, sondern nur die "Bitte", den Besitz einem von mehreren Enkelkindern zu erhalten. Ist deshalb das Rekursgericht zum Ergebnis gekommen, eine fideikommissarische Substitution sei nicht angeordnet worden, so kann darin eine offenbare Gesetzwidrigkeit nicht gefunden werden.
Wie allerdings bereits vom Rekursgericht erörtert wurde, sieht die Rechtsprechung eine Anordnung, bei der die Auswahl des Nacherben (Nachlegatars) dem Vorerben (Vorlegatar) überlassen wird, nicht als nichtig an, sondern beurteilt sie als Auflage (EvBl 1961/1; NZ 1977, 78; NZ 1987, 130). An dieser rechtlichen Qualifikation vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß die erblasserische Tochter Bärbel B*** die Auswahl des Auflagebegünstigten aus einem bestimmten Personenkreis zu treffen hat (NZ 1987, 130). Zu der Frage, ob die eingangs wiedergegebene letztwillige Verfügung der Erblasserin eine solche Auflage oder aber nur eine unverbindliche Bitte darstellt, haben sich beide Erbinnen nur auf die Urkunde und damit auf deren Wortlaut berufen und keine sonstigen Beweise angeboten. Wenngleich der Streit über die Bedeutung einer derartigen Erklärung sonst nur auf dem Rechtsweg geklärt werden kann (EvBl 1980/60 ua), ist daher hier die bloße Urkundenauslegung als Beantwortung einer Rechtsfrage im Verlassenschaftsverfahren abschließend möglich, weil die Entscheidung nicht von sonstigen streitigen Umständen iS des § 2 Abs 2 AußStrG abhängt (RZ 1963, 14; 8 Ob 517, 518/86).
Daß die Erblasserin ihre Anordnung, " .... den Besitz zu
erhalten .... ", in die Form einer Bitte gekleidet hat, ändert umso
weniger etwas an ihrer Wirksamkeit, als die letztwillige Verfügung
in ihrer Gesamtheit in dieser Form getroffen wurde ("Ich .... bitte
um folgende Durchführung meines letzten Willens ...."). Es kommt nicht auf die Verwendung von im Gesetz gebrauchten Worten oder der Befehlsform an; eine bestimmt ausgedrückte letztwillige Anordnung ist wirksam, wenn sie auch in die Form eines Wunsches oder einer Bitte gefaßt ist (Welser in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 711; EvBl 1964/423; 3 Ob 585/79; 1 Ob 735/83 ua). Zumindest nach der Gleichartigkeit der Wortwahl in den ersten beiden Absätzen der letztwilligen Verfügung besteht kein Zweifel, daß die von der Erblasserin an ihre Tochter Bärbel B*** (nunmehr wieder B***) gerichtete Bitte eine bestimmte Anordnung enthält.
Hat der Erblasser jemandem einen Nachlaß unter einem Auftrag zugewendet, so ist dieser Auftrag als eine auflösende Bedingung anzusehen, daß durch die Nichterfüllung des Auftrages der Nachlaß verwirkt werden solle (§ 709 ABGB).
Substitutionen und Anordnungen, die ihnen nach den §§ 707 bis 709 ABGB gleichzuhalten sind - also auch Auflagen - müssen auf die ihnen unterworfenen Güter in den öffentlichen Büchern eingetragen werden (§ 158 Abs 1 AußStrG).
Zwar fehlt den beiden Kindern Hannes und Karin S*** die Rekurslegitimation nach § 9 AußStrG, weil die bloße Auflage keinen Rechtsanspruch Dritter begründet (Kralik, Erbrecht, 268 mwN; JBl 1967, 371; NZ 1977, 78). § 817 ABGB bestimmt jedoch, daß dann, wenn kein Vollzieher des letzten Willens ernannt ist (oder der Ernannte sich dem Geschäfte nicht unterzieht), es dem Erben unmittelbar obliegt, den Willen des Erblassers so viel möglich zu erfüllen, oder die Erfüllung sicherzustellen und sich darüber auszuweisen. Es kann daher auch ein Miterbe (als Auflageberechtigter) die Erfüllung gegenüber einem anderen Miterben betreiben (Kralik aaO, Gschnitzer in Klang2 III 696). Ursula S*** ist daher als Miterbin berechtigt, das Interesse der Erblasserin an der Erfüllung der angeordneten Auflage wahrzunehmen. Es war deshalb die vom Erstgericht in die Einantwortungsurkunde aufgenommene Verbücherungsanordnung durch Aufnahme der dem letzten Willen zwar nicht durch das behauptete Substitutionslegat, wohl aber durch die Auflage entsprechenden Beschränkung des Eigentumsrechtes abzuändern und zu ergänzen (JBl 1957, 359 und SZ 40/94). Die von der Erblasserin verfügte und hier angeordnete Beschränkung ist als Veräußerungs- und Belastungsverbot anzusehen.
Die Verweisung der Erbin Ursula S*** mit den von ihr behaupteten Ansprüchen gegen die Miterbin Bärbel B*** auf den Zivilrechtsweg ist hingegen nicht offenbar gesetzwidrig erfolgt. Soweit sie geltend macht, sie sei durch die letztwillige Anordnung in ihrem Pflichtteilsrecht verkürzt worden und habe deshalb einen Zahlungsanspruch gegen Bärbel B***, ist ihr entgegenzuhalten, daß Pflichtteilsansprüche nicht im Außerstreitverfahren, sondern nur im Prozeß geltend gemacht werden können; im Verlassenschaftsverfahren ist der Noterbe auf die ihm durch die Bestimmungen der §§ 784, 804 und 812 ABGB eingeräumten Rechte beschränkt (SZ 51/179 ua). Aber auch bei der Verweisung des von der Miterbin behaupteten Ausgleichsanspruches auf den Zivilrechtsweg kann den Vorinstanzen weder offenbare Gesetzwidrigkeit noch Nullität vorgeworfen werden. Besteht zwischen den Erbinnen bei Beurteilung der Frage, ob die letztwillige Zuwendung des "Hauses samt Garten" an Bärbel B*** als Vorausvermächtnis oder als Teilungsanordnung anzusehen ist, und demzufolge auch darüber, ob Ursula S*** gegenüber Bärbel B*** ein Ausgleichsanspruch in Geld zusteht (vgl. hiezu Kralik, Erbrecht 208), keine Einigkeit, so ist nach keiner eindeutigen Anordnung des Gesetzes der Außerstreitrichter zur Entscheidung über diesen Streit berufen, zumal nicht ausschließlich Rechtsfragen zu klären sein werden (§ 2 Abs 2 Z 7 AußStrG; vgl. JBl 1976, 367 ua).