Suchen Hilfe
OGH 10.02.2017, 1Ob73/16s

OGH 10.02.2017, 1Ob73/16s

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1. A***** G*****, 2. L***** G*****, beide *****, vertreten durch die Christandl Rechtsanwalt GmbH, Graz, 3. R***** W*****, 4. B***** W*****, beide *****, vertreten durch Dr. Gerd Mössler, Rechtsanwalt in Klagenfurt, 5. Ing. P***** M*****, 6. R***** K*****, beide vertreten durch Dr. Erich Holzinger, Rechtsanwalt in Liezen, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Parteien R***** reg. GenmbH, *****, vertreten durch die Brandl & Talos, Rechtsanwälte GmbH, Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17–19, 1011 Wien, sowie der Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. E***** & ***** GmbH, 2. Prof. MMag. Dr. D***** W*****, 3. Mag. E***** W*****, alle *****, vertreten durch die Ruggenthaler, Rest & Borsky Rechtsanwälte OG, Wien, 4. B***** GmbH, 5. Dkfm. Dr. H***** B*****, beide *****, diese vertreten durch Dr. Heinz Stöger, Rechtsanwalt in Wien, 6. E***** GmbH, 7. Mag. J***** E*****, beide *****, 8. Mag. D***** S*****, 9. Dkfm. M***** P*****, alle vertreten durch Dr. Gustav Etzl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 38.743,59 EUR sA (erst- und zweitklagende Parteien), 828.373,55 EUR sA (dritt- und viertklagende Parteien), 262.832,83 EUR sA, in eventu Zug um Zug gegen Übergabe von Genussscheinen (fünftklagende Partei) und 44.372,76 EUR sA, in eventu Zug um Zug gegen Übergabe von Genussscheinen (sechstklagende Partei), jeweils in eventu auch wegen Feststellung, über die Revisionen der klagenden Parteien und der auf deren Seite beigetretenen Nebenintervenientin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 14 R 112/15s-50, mit dem über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 30 Cg 25/10g-28 (AZ 30 Cg 27/10a, AZ 30 Cg 23/11i), abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Dr. A*****-W***** (in der Folge Dr. A-W) wurde mit Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom wegen der Verbrechen des gewerbsmäßigen und schweren Betrugs nach den §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB, der Untreue nach den §§ 153 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB und wegen betrügerischer Krida nach § 156 Abs 1 und 2 iVm § 161 Abs 1 StGB sowie wegen der Vergehen nach § 255 Abs 1 Z 1 und Z 4 Aktiengesetz, nach § 15 Abs 1 Z 1 KMG und der Fälschung von Beweismitteln nach § 293 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren und mit einem weiteren Urteil wegen der Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach den §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 Finanzstrafgesetz zu einer Geldstrafe verurteilt. Er stand hinter der A*****-Unternehmensgruppe, deren wichtigste Teile die A***** I***** AG(A-I AG) und die A***** G***** AG (bis A***** Management-Beteiligungs AG; idF nur A-G AG) waren.

I. Allgemein

1. Firmenstruktur und Geschäftsfeld

Die A-I AG ging 1993 durch Umwandlung aus der 1990 gegründeten A-I GmbH hervor. Die Aktien wurden ab 1995 an der Wiener Börse eingeführt. Nach Gründung der A-G AG hielt diese rund 75 % der Aktien der A-I AG, die restlichen 25 % standen im Streubesitz. Tatsächlich waren 95,71 % der Aktien der A-I AG direkt oder indirekt Dr. A-W zuzurechnen bzw wurden von ihm kontrolliert.

Die A-I AG war von 1991 bis 2001 sowohl Emittentin als auch Vertriebsgesellschaft der A***** (in der Folge A-W) Genussscheine und fungierte seit einer Umstrukturierung 2001, im Zuge deren die A-G AG gegründet wurde, nur noch als Vertriebsgesellschaft der Genussscheine der A-G AG. Die A-I AG finanzierte sich im Wesentlichen über erhöhte und nicht fremdübliche Provisionserträge aus der A-G AG und die Agio-Beträge der Genussscheinkunden. Das operative Geschäft mit Erträgen aus Wertpapieren für 2001 bis 2008 endete negativ.

2. Der A-W „Genussschein“

2.1 Allgemein

Die A-I GmbH begab bereits 1991 Kapitalanteilsscheine (Genussscheine analog § 174 Abs 3 Aktiengesetz). 1998 emittierte die A-I AG wiederum Genussscheine und legte die Emissionen aus 1991 und 1998 im Jahr 1999 zusammen. Seit 2001 emittiert nicht mehr die A-I AG, sondern die A-W Management-Beteiligungs AG (später A-G AG) diese Genussscheine.

2.2 A-W Werturkunden

Die Kapitalanteilsscheine der Emission 1991 wurden zunächst in sogenannten „A-W Werturkunden“ verbrieft, ab unter der Bezeichnung „A-W Index“. Die Emission des Jahres 1991 wurde zur Gänze von Dr. A-W persönlich übernommen und von ihm als Privatperson weiterveräußert. Für die Vermittlung war seit 1991 die A-I AG, die zugleich als Emittentin fungierte, zuständig.

Für den Fall des Rückkaufs der Werturkunden wurde den Kunden ein im Vorhinein vereinbarter fixer jährlicher Zinssatz auf ihr zur Verfügung gestelltes Kapital gutgeschrieben. Die Höhe der Verzinsung stand mit der Entwicklung des Kurses der A-I Aktie in keiner Verbindung. Auch zwischen dem Kurswert des Kapitalanteilsscheins und dem Kurswert der A-I Aktie bestand keine Relation.

2.3 A-W Index

1995 änderte sich die Vermarktung der emittierten Kapitalanteilsscheine. Ab diesem Zeitpunkt wurden die Werturkunden zunächst zusätzlich und später ausschließlich unter dem Namen „A-W Index“ vertrieben. Die Genussscheinbedingungen blieben gleich. Als Erstausgabepreis wurden 7.000 S genannt. Dieser lag deutlich über dem Kurswert eines Kapitalanteilsscheins der A-W Werturkunden von zuletzt 34,31 EUR pro Stück und war der Höhe nach nicht nachvollziehbar. In Werbeprospekten wurde der A-W Index wie folgt beworben: „Mit der Beteiligung am A-W Index hat jeder Investor die Möglichkeit, sich mit Wertpapieren bei kleiner Einlage an den Gewinnchancen bei Futures, Optionen und Aktien zu beteiligen; A-W Index – der innovative Fonds“. Weiters hieß es auf der Homepage, dass der A-W Index jene Kennzahl sei, die den Genussscheinkurs darlege. Tatsächlich spiegelte diese Kennzahl zu keinem Zeitpunkt nachvollziehbar die Wertentwicklung der zugrundeliegenden Depotwerte wieder, sondern wurde von Dr. A-W nach subjektiven Kriterien festgesetzt.

II. Das Geschäftsmodell der A-W Gesellschaften

1. Allgemein

Der im Konzessionsverfahren vorgelegte Geschäftsplan umfasste zwei Geschäftsfelder:

Beteiligungsgeschäft (ausschließlich Eigen-investitionen der A-I AG und kein Wertpapierhandel für Kunden) sowie Vermögensberatung, Vermittlung und Vermögensverwaltung im Sinne des § 1 Abs 1 19 lit a bis c BWG. Dies beziehe sich auf „weltweite“ Produkte.

Tatsächlich befasste sich die A-I AG – abgesehen von den dem Beteiligungsgeschäft zuzurechnenden Tätigkeiten – ausschließlich mit der Vermittlung der eigenen Genussscheine (ab 2001 jener der A-G AG) an Fremdanleger, und zwar bis zum Zusammenbruch im Oktober 2008.

2. Der Genussscheinverkauf bis Juni 2001

Die Genussscheinemissionen der Jahre 1991 und 1998 wurden zur Gänze von Dr. A-W persönlich übernommen, der sie als Privatperson – zuerst verbrieft in A-W Werturkunden, später als „A-W Index“ – an Fremdanleger weiterveräußerte. Insgesamt hatte er im Zuge der Emissionen 1991 und 1998 60.000 Genussscheine für gesamt 10 Millionen S von der A-I AG erworben. Der A-I AG flossen aus diesen Emissionen 10 Millionen S zu.

In der Hauptversammlung vom fasste der Vorstand den Beschluss, die bisherigen Kapitalanteilsscheine der Emission 1991 und die Genussscheine der Emission 1998 zu neuen A-W Genussscheinen zusammenzulegen, dies unter der Bezeichnung „A-W-Genussscheine/Serie 1999“. Die der Erstemission 1991 entstammenden 20.000 Stück Kapitalanteilsscheine zum Nennbetrag von je 100 S, sollten in 140.000 Stück (Split von 1:7), die 40.000 A-W-Genussscheine der Emission 1998 in 280.000 Stück (Split von 1:7) nennwertlose A-W-Genussscheine mit einem rechnerischen Wert von je 1 EUR umgewandelt werden. Die neu geschaffenen Genussscheine wurden nicht den Inhabern der Emissionen 1991 und 1998 zugeteilt, sondern zur Gänze an Dr. A-W, der dadurch in die Lage versetzt wurde, weitere Genussscheine zugunsten seines Privatvermögens an Fremdanleger zum selbst berechneten Genussscheinkurs weiterzuverkaufen. Er hatte für die Zuteilung der 360.000 neu geschaffenen Genussscheine der Serie 1999 keine weiteren Zahlungen in das Vermögen der A-I AG zu leisten und besaß danach statt 246 Stück 360.246 Stück (360.000 Stück aus dem Split sowie 246 Stück aus den Emissionen 1991 und 1998, die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht an Dritte weiterveräußert waren). Bis zum flossen die Erlöse aus den Verkäufen der Genussscheine auf ein Privatkonto des Dr. A-W (dazu gleich unten), von dem damals auch die Rückkäufe abgewickelt wurden, sodass die Ver- und Rückkäufe der A-W Genussscheine bis dahin keinen Eingang in das Rechnungswesen der A-I AG fanden.

3. Die wesentlichen Zahlungsflüsse und das Vorgehen beim Kauf eines A-W-Genussscheins bis

Ein am Erwerb eines Genussscheines interessierter Anleger zahlte zunächst den von ihm als Investition beabsichtigten Betrag auf das Konto Nr ***** bei der Nebenintervenientin auf Seiten der Kläger, lautend auf „Dr. A***W***“ ein. Dass dieses Konto tatsächlich Dr. A-W persönlich zuzurechnen war, war dem Kaufauftrag nicht zu entnehmen. Im Kaufauftrag wurde dieses als ATS-Konto mit dem Namen „A***W*** – A***** Index“ bezeichnet.

Das auf dem vorgenannten Konto erliegende Guthaben wurde auf verschiedene Konten bei der Nebenintervenienten überwiesen, und zwar als Erfolgshonorar bzw Agioübertrag auf ein Konto der A-I AG, auf ein Konto des Vorstands der A-I AG und auf ein weiteres Konto des Dr. A-W. Das Guthaben des letztgenannten Kontos wurde zur Anschaffung sowohl in- als auch ausländischer Wertpapiere verwendet, die auf dem Depot mit der Depotnummer 60.014.248 lagen.

Dieses Depot wurde als „Sondervermögen“ der Gesellschaft qualifiziert. Darauf wurden laufend Käufe und Verkäufe getätigt. Es handelt sich um ein Privatdepot des Dr. A-W. Am verpfändete Dr. A-W dieses Depot („Sondervermögen“) an die A-I AG zu Gunsten der A-W Genussscheinkunden.

4. Kursentwicklung, Kursbildung und Werthaltigkeit der A-W-Genussscheine

Im Jänner 1995 wurde der erste Kurs des A-W Index von der A-I AG mit 7.000 S veröffentlicht. Für die Ermittlung des Kurswertes gibt es keine objektiven Anhaltspunkte. Jedenfalls von Jänner 1995 bis Oktober 2008 (Zusammenbruch) stieg der von der A-I AG monatlich veröffentlichte „A-W Index“ im Sinne einer den Genussscheinkurs/wert darstellenden Kennzahl stetig. Er wurde per Jänner 1998 mit 818,95 EUR veröffentlicht und belief sich zuletzt auf 3.275 EUR. Er bewegte sich niemals nach unten. Dadurch ergab es sich, dass die veröffentlichten Jahreswertzuwächse seit 1995 stets bei über 12 % p.a. lagen.

Bei Verkauf der A-W-Genussscheine seit wurde bei einer durchschnittlichen Performance von 12 % p.a. ein Erfolgshonorar von 10 % plus Umsatzsteuer auf die Kurssteigerung zugunsten der A-I AG einbehalten. Dieses Erfolgshonorar wurde direkt vom Kurswert bei Rückverkauf in Abzug gebracht.

Basis dieser veröffentlichten Kurswerte waren bis zur Erstnotierung an der Frankfurter Börse am monatliche Berechnungsblätter für die Kursermittlung des A-W Index, nach denen die Kursermittlung anhand „fundamentaler Faktoren“ und unter Berücksichtigung von Angebot und Nachfrage jeweils einmal monatlich erfolgte. Zu diesen Berechnungsblättern sollte es später im Prüfbericht der Bundeswertpapieraufsicht (BWA) lauten, dass darin keine nachvollziehbaren Berechnungen, sondern lediglich eine Prozentzahl, die die Veränderungen der Berechnungs-positionen im positiven/negativen Bereich darstelle, enthalten sei, sodass es nicht möglich sei, festzustellen, wie der Kurs tatsächlich ermittelt worden sei. Von einer korrekten Vorgangsweise bei der Kursfestsetzung für den A-W Genussschein könne daher, so später die BWA in ihrem Prüfbericht, nicht ausgegangen werden.

5. „Kapitalgarantie und Rückverkaufsrecht“

Bis 2001 hatte die A-I AG im Zusammenhang mit dem Verkauf der A-W-Genussscheine ausdrücklich und regelmäßig eine 100 % Kapitalgarantie gegenüber den Genussscheinkunden beworben: Im standardisierten Bestätigungsschreiben an Kunden der A-I AG bei Kauf von A-W-Genussscheinen im Zeitraum bis Juni 2001 hieß es: „Der A-W Index bietet ihnen eine 100%ige Kapitalgarantie, kombiniert mit einem unlimitierten Gewinnpotential.“ Eine ähnliche Erklärung gibt die A-I AG auch im Werbefolder ab: „Die A-I AG gibt eine 100%ige Kapitalgarantie auf ihr eingezahltes Vermögen exklusive Agio.“

Es handelte sich dabei um die Werbelinie der A-I AG bis Mitte 2001. Eine derartige Kapitalgarantie war tatsächlich in den Genussscheinbedingungen der A-W-Genussscheine nie enthalten.

Erstmalig wurde ein Rückverkaufsrecht in § 8 Abs 2 der Genussscheinbedingungen der Serie 1999 geregelt. Garantiert wurde dabei zwar nicht das eingesetzte Kapital, sondern der „Rückkauf zum Ausgabepreis“. Der bei Rückverkauf maßgebende Ausgabepreis entsprach dem „am Verkaufsstichtag geltenden Börsepreis bzw tatsächlich dem im Monat des Rückverkaufs von der A-I AG bekanntgegebenen Monatskurs“. Da der Genussscheinkurs seit 1995 stetig stieg, erfolgte der Rückkauf faktisch nicht zum eingesetzten Kapital, sondern zum gestiegenen Kurswert. Aus der Differenz zwischen dem eingesetzten Kapital und dem gestiegenen Kurswert (Rückkaufpreis) errechnete sich der Veranlagungsgewinn für den Genussscheininhaber.

III. Konzessionierungsverfahren

Die BWA war ab 1998 mit der Konzessionierung und ab Mai 2000 mit der Prüfung der A-I AG befasst.

Die A-I AG beantragte am die Erteilung einer Konzession gemäß § 19 Abs 2 WAG zur Erbringung sämtlicher in § 1 Abs 1 Z 19 lit a bis lit c BWG genannten Dienstleistungen (Finanzdienstleistungsgeschäft).

Nach Ergänzungsaufträgen und deren Erfüllung erteilte die BWA mit Bescheid vom die Konzession zur Erbringung folgender Dienstleistungen:

Beratung über die Veranlagung von Kundenvermögen (§ 1 Abs 1 Z 19 lit a BWG),

Verwaltung von Kunden-Portefeuilles mit Verfügungsvollmacht im Auftrag des Kunden (§ 1 Abs 1 Z 19 lit b BWG) und

Vermittlung von Geschäftsgelegenheiten zum Erwerb oder zur Veräußerung von einem oder mehrerer der in § 1 Abs 1 Z 7 lit b bis f BWG genannten Instrumente (§ 1 Abs 1 Z 19 lit c BWG).

Am beantragte die A-I AG die Konzession dahingehend zu erweitern, dass ihr auch gestattet werde, Dienstleistungen über natürliche Personen als freie Mitarbeiter zu erbringen.

Mit Bescheid vom gab die BWA diesem Antrag unter Auflagen statt. Um keine Konzessionspflicht der Partner zu begründen, hatte die A-I AG mit jedem Partner eine Partnervereinbarung abzuschließen.

Anhaltspunkte für den privaten Genussscheinverkauf durch Dr. A-W an Fremdanleger waren aus den Konzessionierungsunterlagen und dem Konzessionsverfahren nicht zu entnehmen.

Die A-I AG legte ihre Konzession am zurück.

IV. Vor-Ort-Prüfung, Prüfungshandlungen und Prüfbericht gemäß § 24 Abs 2 WAG der BWA

Der Prüfungsauftrag zur Durchführung einer Vor-Ort-Prüfung gemäß § 24 Abs 2 WAG bei der A-I AG stammt vom . Die Vor-Ort-Prüfung wurde in den Räumlichkeiten der A-I AG am 15. 5. und am durchgeführt. Der Fokus der Vor-Ort-Prüfung lag auf der Einhaltung des WAG, insbesondere der Wohlverhaltensregeln (§§ 11 bis 18 WAG).

Der (formelle) Anlass für die Vor-Ort-Prüfung wurde in einem Aktenvermerk der BWA vom wie folgt festgehalten:

„Laut dem im Konzessionsierungsverfahren vorgelegten Geschäftsplan sowie dem Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 1998 betreibt die A-W Aktienhandel bzw befindet sich im Jahresabschluss ein Posten Forderungen aus Termingeschäften gegen die F***** Bank SA mit Sitz in F*****. Obwohl im Hearing zugesichert wurde, dass ein Handel mit Wertpapieren nicht erfolgt und dass nur eigenes Vermögen veranlagt wird, ist zu prüfen, inwieweit diese Aussagen den Tatsachen entsprechen. Nur im Zuge einer Vor-Ort-Prüfung ist es möglich, festzustellen, ob die A-I AG Bankgeschäfte betreibt. Im Hinblick darauf, dass die A-I AG auch Emittentin ist, ist die Frage des möglichen Auftretens von Interessenskonflikten (zum Beispiel Empfehlungen der eigenen Aktien zum Zweck der Erhöhung der Nachfrage an der Börse und Kursbeeinflussung) von besonderer Bedeutung. Es ist nur durch Einsicht in Kundendokumente eine Aussage darüber möglich, auf welcher Grundlage Kunden Veranlagungsentscheidungen getroffen haben bzw ob
– unzulässige – Empfehlungen den jeweiligen Aufträgen der Kunden vorausgingen. Ebenfalls nur durch eine Prüfung kann sich die BWA ein der Wirklichkeit entsprechendes Bild über die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen durch die A-I AG machen und eventuell vorhandene Missstände aufdecken.“

Kundenbeschwerden gegenüber der BWA hatte es damals nicht gegeben.

Rechtlich ungeklärt war zum damaligen Zeitpunkt, ob für den Wertpapierhandel eine Bankkonzession erforderlich ist. Auch mit dieser Frage wurde die Vor-Ort-Prüfung begründet. Die Prüfung erfolgte nach den Bestimmungen des WAG und des BörseG, wobei seitens der Organe der BWA die Themen „Kursbildung, Rückkaufsverpflichtung und Kapitalgarantie“ als Anhaltspunkte gesehen wurden, zu überlegen, ob strafrechtlich anzeigepflichtige Umstände vorlagen. Der Leiter der Rechtsabteilung [der BWA] sah im Hinblick auf die [Anm: oben beschriebene] Art der Wertbildung der Genussscheine zunächst auch keine Alternativen zu einer Strafanzeige.

In einem Aktenvermerk vom wurden von einem Organ der BWA insgesamt 18 Punkte zur Aufklärung des Geschäftsmodells zusammengefasst. [Anm: Es handelte sich dabei um eine Auflistung von Fragen, wie sie sich im Zuge der Vor-Ort-Prüfung aus den vorangestellten Sachverhaltselementen ergeben haben.]

Am fand ein Gespräch der BWA mit Dr. A-W zur Abklärung dieser Fragen statt, bei dem dieser unter anderem zur Kapitalgarantie und zum „Sondervermögen“ Stellung nahm. Zu letzterem erklärte er, dieses sei ein Sicherheitsfonds, um die Liquidität der Gesellschaft nicht zu belasten. Bevor jedoch alle Punkte der Liste vom geklärt werden konnten, verweigerte er auf Anraten seines Rechtsanwalts die Beantwortung weiterer Fragen, sodass das Gespräch abgebrochen wurde.

Die BWA nahm den Abbruch des Gesprächs zur Kenntnis und ersuchte am schriftlich um ergänzende Beantwortung der offenen Fragen.

Nachdem der Wirtschaftsprüfer der A-I AG für das Jahr 2000 am von der Kapitalgarantie und deren Umfang laut Auskunft des Dr. A-W anlässlich seiner Befragung Kenntnis erlangt hatte, machte er am von seiner Redepflicht gemäß § 273 HGB (nunmehr § 273 UGB) Gebrauch. Er sah den Bestand der A-I AG im Hinblick auf das bisherige Vorgehen beim Genussscheinverkauf gefährdet, sollte diese Garantie in Anspruch genommen werden. Danach nahm der Wirtschaftsprüfer zu den Fragen der BWA laut Schreiben vom teilweise Stellung.

Am wurde die BWA durch einen Wirtschaftsprüfer über die Verpfändung eines Depots aus dem Sondervermögen im Wirtschaftsjahr 2000 informiert.

In einer weiteren Besprechung vom wurde den Organen der BWA erstmals die Umstrukturierung der Unternehmensgruppe A-W vorgestellt. Aus dieser Umstrukturierung zogen der Direktor der BWA und der mit der Prüfung befasste Abteilungsleiter den Schluss: „Angesichts der Situation im Zusammenhang mit den Genussscheinen, wie sie sich nunmehr darstellt, scheint der Verdacht, dass Dr. A-W in unzulässiger Weise Bankgeschäfte tätigt, nicht mehr gegeben zu sein.“

Zusammen mit dem bereits mit aufgenommenen Handel der Genussscheine an der Frankfurter Börse sahen die Organe der BWA die Gesetzmäßigkeit des Börsenhandels gegeben und die Bedenken gegen die bis dahin erfolgte Kursbildung ausgeräumt.

Am hielt der Leiter der Rechtsabteilung der BWA in einem mehrseitigen Aktenvermerk die Empfehlung fest, von einer Anzeigeerstattung Abstand zu nehmen, weil der BWA keine hinreichenden Anhaltspunkte für den Verdacht strafbarer Handlungen vorlägen. Dabei setzte er sich unter anderem mit der Methode zur Berechnung des Kurses der Genussscheine auseinander und gelangte dabei zum Ergebnis, dass die Kursermittlung außerhalb der Prüfkompetenz der BWA liege und eine fehlende Werthaltigkeit auch nur sehr schwer bis gar nicht beweisbar wäre, weil hierfür das gesamte Vermögen der A-I AG zum jeweiligen Stichtag einer Bewertung unterzogen werden müsste.

Der endgültige Prüfbericht der BWA umfasste 55 Seiten und ging am an die A-I AG. Darin lautet es zusammengefasst:

„1. Auf dem Depot Nr. 60.014.248, dessen Inhaber Dr. A-W ist, befinden sich unter anderem auch Aktien der A-I AG, zum Stichtag waren das 22,6 %, zum Stichtag 25,88 % und zum Stichtag 29,32 % der Anteile an Stimmrechten an der A-I AG. Dr. A-W hatte dadurch eine qualifizierte Beteiligung an der A-I AG erworben, ohne eine Anzeige gemäß § 91 Abs 1 BörseG an die BWA zu erstatten. Es besteht der Verdacht, dass dadurch gegen § 91 Abs 1 BörseG verstoßen wurde.

2. Das Unternehmen hatte zum Zeitpunkt der Vor-Ort-Prüfung keine geeigneten Kontroll- und Mitteilungsverfahren zur Vermeidung von Geldwäschereitransaktionen. Darüber hinaus hat das Unternehmen seine Mitarbeiter mit den Bestimmungen zur Verhinderung von Geldwäsche nicht vertraut gemacht. Es besteht der Verdacht, dass dadurch gegen § 21 Abs 1 WAG in Verbindung mit § 40 Abs 4 BWG verstoßen wurde.

3. Im Hinblick auf die nicht lückenlos nachvollziehbare Kursbildung beim A-W Genussschein durch die A-I AG besteht der Verdacht des Verstoßes gegen § 13 Z 1 WAG.

4. Die bei den Erläuterungen zu den Punkten 59 angeführten Kunden XXX haben sich lediglich dazu bereit erklärt, nur geringe Wertschwankungen zu akzeptieren. Die Kundin XXX wollte darüber keine bzw nur geringe Wertschwankungen in Kauf nehmen. Die Kunden XXX haben zwar angegeben, dass sie nicht bereit sind, alle Informationen anzugeben, die Angaben wurden dennoch vollständig eingeholt und festgehalten. Auch diese Kunden wollten nur geringe Wertschwankungen akzeptieren. Da all diese Kunden dennoch den A-W Genussschein erworben haben, besteht der Verdacht, dass diesen Kunden der Erwerb des Genussscheins entgegen ihren eigentlichen, mit den geplanten Geschäften verfolgten Zielen empfohlen wurde. Es besteht der Verdacht, dass dadurch gegen § 14 Z 1 WAG verstoßen wurde.“

Nach Abschluss der Prüfung und noch im Laufe der Umstrukturierungen wurde das Thema Kapitalgarantie mit Schreiben vom erneut von der BWA aufgegriffen, weil diese aufgrund des Internetauftritts schloss, dass der A-W Index mit einer Kapitalgarantie beworben wurde und sah darin einen deutlichen Widerspruch zu Auskünften der A-I AG im Prüfverfahren. Aufgrund dieses Einschreitens der BWA wurden die Aussagen über das Bestehen einer 100%igen Kapitalgarantie am von der Homepage der A-I AG entfernt. Der Wegfall der Kapitalgarantie wurde an die A-W Genussscheininhaber nicht kommuniziert.

V. Verwaltungsstrafverfahren

Mit Straferkenntnis vom belangte die die Aufsichtsbehörde Dr. A-W wegen der Unterlassung von Meldungen gemäß § 91 Abs 1 BörseG (Meldung des Erwerbs/der Veräußerung einer Beteiligung an den Aktiengesellschaften mit Sitz in Österreich, deren Aktien an einer österreichischen Börse amtlich notieren) an die BWA binnen 7 Tagen bei Übersteigen/Unterschreiten von qualifizierten Beteiligungen und der Meldungen gemäß § 93 Abs 1 BörseG (Veröffentlichung von wesentlichen Änderungen der Stimmrechtsverhältnisse durch die Aktiengesellschaft im Amtsblatt der Wiener Zeitung) binnen 9 Tagen im Zusammenhang mit der von ihm persönlich im Sondervermögen gehaltenen wesentlichen Beteiligung an der A-I AG. Es wurde eine Geldstrafe von 660 EUR festgesetzt.

In zwei weiteren Verwaltungsstraferkenntnissen wurden auf Basis der Erkenntnisse aus der Vor-Ort-Prüfung 2000 Verstöße gegen § 13 Z 1 und Z 3 WAG festgestellt. Die Verurteilung erfolgte einerseits aufgrund von Mängeln in den Anlegerprofilen eines Kunden, im Wesentlichen aber für das Bewerben des A-W Genussscheins mit den Worten: „Der A-W Index bietet ihnen eine 100%ige Kapitalgarantie, kombiniert mit einem unlimitierten Gewinnpotential.“ Durch die beworbene, jedoch nicht vorhandene Kapitalgarantie sei es zur Gefährdung von Vermögen von Anlegern einerseits und zur Täuschung potentieller und veranlagter Anleger gekommen.

VI. Umstrukturierung des Jahres 2001

1. Ausgangslage

Im unmittelbaren Zusammenhang mit den Prüfungshandlungen der BWA veräußerte Dr. A-W seine restlichen 360.246 Genussscheine der Serie 1999 am an die A-I AG zum Preis von 1 EUR pro Genussschein zurück. Damit war der private Genussscheinhandel durch ihn über Vermittlung der A-I AG beendet.

Veranlasst durch die drohende Ausübung der Redepflicht seitens des Wirtschaftsprüfers im Zusammenhang mit den von Dr. A-W bei seiner Befragung durch die BWA angegebenen Garantien in Höhe von zwischen 500 und 700 Millionen S stellte dieser am im Zusammenhang mit dem Rückverkauf eine Put-Option für die von ihm persönlich an Fremdanleger verkauften Genussscheine zugunsten der A-I AG aus, die der A-I AG das Recht gab, sollte die A-I AG Genussscheine von den Kunden zurückkaufen, die zurückgekauften Genussscheine mit dem Ankaufkurs an Dr. A-W zu verkaufen. Tatsächlich hatte die A-I AG bereits im November 2000 die Rückkäufe der noch bis Oktober 2000 von ihm privat verkauften und zurückgekauften Genussscheine übernommen, was nur möglich war, weil der Verkaufserlös aus dem Weiterverkauf der am zurückgekauften Genussscheine in das Vermögen der A-I AG floss.

Im geprüften Jahresabschluss per der A-I AG wurde das Genussscheinkapital trotz Emission der Serie 1999 und dem seitdem bestehenden Rückkaufsrecht im Eigenkapital ausgewiesen.

2. Umstrukturierung

Diese betrafen im Wesentlichen die Gründung der A-G AG, die Einbringung des „Sondervermögens“ von Dr. A-W und der Stammaktien in die neu gegründete A-G AG, den Umtausch der bestehenden Genussscheine an der A-I AG in solche an der A-G AG und die (formale) Trennung des Aufgabenbereichs zwischen A-I AG (Verkauf, Vermittlung und Beratung) und A-G AG (Emittentin für die Veranlagung der Kundengelder aus dem Genussscheinverkauf).

Als Vorbereitung dieser Maßnahmen richtete die A-I AG am eine Beteiligungsmeldung gemäß § 20 BWG an die BWA, die dazu keine Bedenken äußerte. Die Umstrukturierung wurde ihr gegenüber als Sanierung der strittigen Vorgehensweise hinsichtlich des Genussschein-verkaufs in der Vergangenheit dargestellt.

Als Gegenwert zugunsten der neu gegründeten A-G AG für die Übernahme des bestehenden Genussscheinkapitals der A-I AG und der damit verbundenen Verpflichtungen gegenüber den Genussscheininhabern wurden angeführt: 3.378.491 EUR in bar aus dem Privatvermögen des Dr. A-W, 38,2 % der Stammaktien der A-I AG und weitere in seinem „Sondervermögen“ stehenden 30,8 % der Stammaktien und 75,02 % der Vorzugsaktien an der A-I AG. Die eingebrachten 89 % der Stammaktien und 75 % der Vorzugsaktien an der A-I AG wurden damals zu ihrem Börsenkurs mit rund 862 Millionen S (62,6 Millionen EUR) bewertet. Der Aktie der A-I AG war schon damals kein Handelswert beizumessen. Der Aktienkurs wurde nie am freien Markt gebildet. Das „Sondervermögen“ wurde, nachdem es zeitlich unmittelbar nach der BWA-Prüfung bereits zugunsten der Genussscheininhaber an die A-I AG verpfändet worden war, in die neu gegründete A-G AG als Sacheinlage eingebracht. Somit wurde zumindest ein Teil der Einnahmen aus der privaten Genussscheinbegebung des Dr. A-W in Form von rund 46 Millionen S und diversen Wertpapieren zurück in die A-W Gesellschaften geführt. Einen erheblichen Teil der Sacheinlage machen dabei aber A-I Aktien aus. Der Börsenwert der A-I Aktie war aber bereits damals nicht zu realisieren.

Die A-I AG war nach Abschluss dieser Umstrukturierungen von den Haftungen gegenüber den Genussscheinkunden entlastet. Die Folgen des privaten Genussscheinhandels in der Vergangenheit wurden dadurch aber nicht saniert.

Mit Schreiben vom setzte die A-I AG die BWA vom Umtausch der Genussscheine der A-I AG in solche der A-G AG in Kenntnis und erläuterte, dass die Erstnotiz der A-W-Genussscheine der A-G AG an der Frankfurter Börse am erfolgt sei und der Umtausch bis abgeschlossen sein werde.

VII. Genussscheine Serie 2001

Mit Beschluss der Hauptversammlung vom der A-G AG wurde der Vorstand ermächtigt, in bis zu 420.000 nennbetragslosen Genussscheinen verbriefte Genussrechte unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre auszugeben. Vom Juni 2001 bis Oktober 2008 wurden die Genussscheine der Serie 2001 nicht mehr von der A-I AG, sondern von der A-G AG ausgegeben. Nach dem Bericht deren Vorstands sollten die neu auszugebenden Genussscheine gegen bestehende Genussrechte an der A-I AG umgetauscht werden. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass die Gesellschaft für die neu auszugebenden Genussrechte einen Gegenwert erhält, der dem Ausgabebetrag entspricht. Die Genussscheine der Serie 2001 wurden in den Freiverkehr der Frankfurter Wertpapierbörse aufgenommen. Während nach den Genussscheinbedingungen des Jahres 1999 der Ausgabebetrag eines Genussscheins 1 EUR betrug und zur Gänze bar einzuzahlen war, sollte der Ausgabebetrag nun durch Einlieferung von je einem alten Genussschein der A-I AG auf ein von der A-G AG eröffnetes Wertpapierdepot aufzubringen sein.

Als wesentlichste Änderung der Bedingungen waren seit 2001 die Genussscheininhaber nach den Genussscheinbedingungen nicht mehr berechtigt, ihre Genussscheine nach Ablauf eines Jahres an die Gesellschaft zu verkaufen. Rückkäufe erfolgten nur noch freiwillig, was erst bei Einstellung des Rückkaufs im Oktober 2008 publik wurde.

VIII. Handel an der Frankfurter Börse

Bereits am wurden die Genussscheine der Serie 1999 an der Frankfurter Börse eingeführt. Nach deren Umtausch 2001 notierten die A-W Genussscheine des Jahres 2001 der A-G AG seit an der Börse in Frankfurt. Die Kursentwicklung des A-W Genussscheins blieb sowohl von der Einführung des A-W Genussscheins an der Frankfurter Börse als auch vom Wechsel der Genussscheinserie und der Genussscheinemittentin am völlig unberührt. Wie der Einstandspreis des A-W Genussscheins der Serie 1999 nahtlos an den Kurs laut den Berechnungsblättern anschloss, setzte sich auch in den folgenden Jahren die Kursentwicklung in der gleichen Weise fort. Auch nach Börsenotierung setzte sich der gleichmäßige, vom Marktgeschehen völlig unbeeinflusste Aufwärtstrend der Kurse für die A-W-Genussscheine ungebrochen fort. Die A-I AG veröffentlichte seitdem den Börsekurs des Monatsletzten als Kurswert des Genussscheins für den Folgemonat. Ohne den gezielten An- und Verkauf von A-W-Genussscheinen durch die A-W Unternehmensgruppe war der Genussscheinmarkt an der Frankfurter Börse de facto illiquid. Der wesentliche Genussscheinverkauf erfolgte auch nach dem über Vermittlung der A-I AG.

IX. Geschäftstätigkeit der A-G AG und der A-I AG ab 2001

Aus der Veranlagung des Vermögens der Genussscheininhaber wurden durch Handelsgewinne, Dividenden, Zinsen und manchmal auch Optionen bescheidene Gewinne erzielt. Der Erfolg aus dem Genussscheinhandel der A-G AG wurde in den Jahren 2001 bis 2008 nicht in der Gewinn- und Verlustrechnung der Gesellschaft, sondern nur im Eigenkapital steuerneutral erfasst, sorgte aber aufgrund des Übersteigens der Verkäufe zum stetig steigenden Genussscheinkurs zu einem massiven Anstieg des bilanziell ausgewiesenen Eigenkapitals.

Die wichtigste Ergebniskomponente der A-I AG war das Finanzdienstleistungsgeschäft (Provisionen), das den Vertrieb der A-W-Genussscheine umfasste. Provisionen wurden entweder direkt (Agio, Erfolgshonorar) oder indirekt (Vermittlungsprovisionen) aus den Einzahlungen der Genussscheininhaber aufgebracht. Aus der Veranlagung des Kapitals wurden durch Wertpapierhandel, Dividenden, Zinsen und manchmal Optionen Erträge erzielt.

X. Veranlagung der Kläger und hypothetischer Kausalverlauf bei rechtmäßigem Alternativverhalten (weitere Prüfung, Strafanzeige durch die BWA)

1. Erst- und Zweitklägerin:

Der Erst- und die Zweitklägerin erwarben gemeinsam folgende Genussscheine:

a) Kaufdatum Anzahl 13, Zertifikat Nr 1547, Kurswert 11.753,56 EUR, Agio 587,70 EUR, Kaufpreis inklusive Agio 12.341,26 EUR.

b) Kaufdatum Anzahl 12, Zertifikat Nr  10437, Kurswert 25.229,40 EUR, Agio 1.261,47 EUR, Kaufpreis inklusive Agio 26.490,87 EUR.

c) Kaufdatum Anzahl 1, Zertifikat Nr 16254, Kurswert 2.705,40 EUR, Agio 135,27 EUR, Kaufpreis inklusive Agio 2.840,67 EUR, gesamt 41.672,80 EUR.

Von den 12 am gekauften Genussscheinen verkauften die Erst- und Zweitkläger einen Genussschein am an die A-G AG zurück und erlangten einen Verkaufserlös abzüglich Spesen von 2.929,25 EUR.

Die Veranlagungen des Erst- und der Zweitklägerin erfolgten aus Ersparnissen. Hätten sie das Geld nicht in A-W-Genussscheine investiert, hätten sie es auf Sparbüchern belassen.

2. Dritt- und Viertklägerin:

Der Drittkläger tätigte folgende A-W Genussscheinkäufe:

a) Kaufdatum Anzahl 11, Zertifikat Nr 17.141, Kurswert 30.608,05 EUR, Agio Null, Kaufpreis gesamt 30.608,05 EUR.

b) Kaufdatum Anzahl 9, Zertifikat Nr 20.404, Kurswert 27.378 EUR, Agio Null, Kaufpreis gesamt 27.378 EUR, gesamt 57.986,05 EUR.

Gemeinsam mit der Viertklägerin tätigte der Drittkläger folgende Genussscheinkäufe:

a) Kaufdatum Anzahl 200, Zertifikat Nr 13.107, Kurswert 479.660 EUR;

b) Kaufdatum Anzahl 50, Zertifikat Nr 17.280, Kurswert 139.127,50 EUR, Anzahl 50, Zertifikat Nr 20.347, Kurswert 152.100 EUR, gesamt 770.887,50 EUR.

Es kam zu keinen Rückkäufen.

Der Dritt- und die Viertklägerin hatten die angesparten und veranlagten Beträge zuvor auf einem Bankkonto und einem Festgeldkonto. Hätten sie nicht in A-W-Genussscheine veranlagt, hätten sie das Geld für Zwecke eines späteren Hausbaus auf der Bank belassen.

3. Fünft- und Sechstkläger:

Der Fünftkläger erwarb folgende Genussscheine:

a) Kaufdatum Anzahl 31, Ankaufspreis inklusive Agio [richtig:] 99.960,12 EUR,

b) Kaufdatum 14 Stück, Ankaufspreis inklusive Agio 45.681,23 EUR,

c) Kaufdatum 35 Stück, 117.191,48 EUR, gesamt 262.832,83 EUR.

Der Sechstkläger erwarb folgende Genussscheine:

a) Kaufdatum 4 Stück, Ankaufspreis inklusive Agio 2.931,39 EUR, Anzahl 6 Stück, Ankaufspreis inklusive Agio 11.714,79 EUR,

b) Kaufdatum Anzahl 5 Stück, Ankaufspreis inklusive Agio 13.129,48 EUR,

c) Kaufdatum Anzahl 5 Stück, Ankaufspreis inklusive Agio 16.537,10 EUR, gesamt 44.372,76 EUR.

Ein Rückverkauf ist nicht aktenkundig.

Der Fünftkläger hatte das Geld zuvor auf einem Sparbuch. Hätte er nicht in A-W-Genussscheine investiert, hätte er das Geld am Sparbuch belassen.

Der Sechstkläger hatte das Geld zuvor ebenfalls auf Sparbüchern.

Eine weitere Prüfung durch die BWA, insbesondere der Art der Ermittlung des Genussscheinkurses und dann – mangels Aufklärbarkeit – Erstattung einer Strafanzeige oder eine umgehende Erstattung einer Strafanzeige durch die BWA, hätten mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu geführt, dass der Genussscheinverkauf spätestens mit Beginn des Jahres 2002 zum Erliegen gekommen und die Kläger – ausgenommen die bereits 1996 und 1998 erfolgten Genussscheinkäufe – keine Genussscheine mehr erwerben hätten können. Hätte die BWA die Prüfung der Ermittlung des Genussscheinkurses fortgesetzt, hätte sie deren mangelnde Eignung unschwer festgestellt. Diese Feststellung wäre das Ergebnis einer mathematischen Überprüfung der Kursberechnung durch Dr. A-W gewesen. „Der Beweis, die Kurse von 1991 bis 2000 rechnerisch nachzuweisen und deren Deckung im Vermögen der A-I AG zu verlangen, hätte nie gelingen können.“

Am wurde über das Vermögen der A-G AG und der A-I AG das Konkursverfahren eröffnet. Die Genussscheine sind mittlerweile wertlos.

XI. Vorbringen der Parteien

Die Kläger begehrten aus dem Titel der Amtshaftung jeweils Schadenersatz für ihre aus ihrer Veranlagung in A-W-Genusscheine erlittenen Vermögensschäden, hilfsweise die Feststellung der Haftung der Beklagten aus der Verletzung behördlicher Aufsichtspflichten in diesem Zusammenhang.

Dazu brachten sie – stark verkürzt – im Wesentlichen vor, die Bundeswertpapieraufsicht (in weiterer Folge: BWA) und deren Nachfolgebehörde, die Finanzmarktaufsicht (in weiterer Folge: FMA) seien ihrer Aufsichtspflicht über die A-I AG und die A-G AG entgegen § 24 WAG nicht pflichtgemäß nachgekommen, und zwar insbesondere im Zusammenhang mit der Kursbildung des A-W-Genusscheins, der Existenz eines „Sondervermögens“ in Ansehung der A-I AG, einer in der Werbung behaupteten „Kapitalgarantie“ und einem ebenso behaupteten Rückverkaufsrecht der Erwerber, dem bilanziell als „Eigenkapital“ der Gesellschaft ausgewiesenen Genussscheinkapital, der Durchführung eines ohne Bankenkonzession betriebenen Wertpapierhandels der A-I AG und der A-G AG sowie hoch riskanten Optionsgeschäften beider Gesellschaften, und im Widerspruch zu den Genussscheinbedingungen stehender irreführender Werbung.

Die BWA habe vor allem nach der von ihr in den Jahren 2000/2001 vorgenommenen Vor-Ort-Prüfung pflichtwidrig von der Erstattung einer Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft abgesehen und dadurch gegen § 84 StPO aF verstoßen, der als Schutzgesetz dem Opferschutz diene. Auch die Organe der FMA hätten ihre Prüfpflichten und die behördliche Anzeigepflicht des § 84 StPO aF unvertretbar verletzt. Bei einem pflichtgemäßen früheren Vorgehen gegen das betrügerische System des Dr. A-W hätten die Gesellschaften ihre systematische Anlegertäuschung nicht bis Oktober 2008 – dem Zeitpunkt des Zusammenbruchs des Systems durch die Verweigerung weiterer Genussscheinrückkäufe – fortsetzen können.

Die BWA habe sich mit der Vornahme einer Umstrukturierung des A-W-Firmengeflechts zufrieden gegeben, obwohl diese an den wesentlichen Feststellungen der 2000/2001 vorgenommenen Vor-Ort-Prüfung weder etwas geändert noch tatsächlich das Schädigungspotenzial aus den in der Vor-Ort-Prüfung aufgezeigten Missständen reduziert habe. Auch hätten Organe des Finanzamts Klagenfurt unvertretbar pflichtwidrig Prüfpflichten der österreichischen Finanzverwaltung verletzt.

Die Beklagte wendete – zusammengefasst – im Wesentlichen ein, dass FMABG sei als Aufsichtsgesetz kein Schutzgesetz für bloße Vermögensschäden Dritter. Schutzzweck des FMABG sei nur die Finanzmarktstabilität, nicht aber einzelne Anlegerinteressen. Die Befugnisse der
– erst ab eingerichteten – FMA seien weit über die Befugnisse ihrer Vorgängerbehörde BWA hinausgegangen. Zahlreiche Kompetenzen seien der FMA erst in den Jahren ab 2005 übertragen worden.

Die A-G AG als – spätere – Emittentin der A-W-Genussscheine sei nie ein konzessioniertes Unternehmen gewesen und daher auch nie der laufenden Aufsicht und Kontrolle der BWA oder der FMA unterlegen, weshalb in Ansehung der A-G AG Vorwürfe einer Pflichtverletzung jedenfalls unberechtigt seien. Weder die BWA noch die FMA seien außerdem jemals befugt gewesen, eine Aufsicht über die am Finanzmarkt bestehenden Produkte auszuüben. Es sei nicht Aufgabe dieser Behörden gewesen, ein Verbot irgendwelcher Kapitalmarktprodukte auszusprechen, die möglicherweise ein Verlustrisiko beinhalten. Die Ausgabe von Genussscheinen habe nie irgendeiner Konzession der Behörde bedurft. Es habe sich bei den Genussscheinen bloß um eine Finanzierung am Kapitalmarkt durch Beteiligungskapital gehandelt, aber nicht um konzessionspflichtige Bankgeschäfte im Sinne des § 1 BWG. Der Handel mit A-W-Genussscheinen sei zu Gunsten und zu Lasten des Privatvermögens des Dr. A-W erfolgt, weshalb auch insoweit kein konzessionspflichtiges Bankgeschäft ersichtlich gewesen sei.

Vor dem Inkrafttreten der §§ 22b bis 22e FMABG im Jahr 2006 habe die Aufsichtsbehörde ohnehin nicht wegen konzessionslosem, gegen das BWG verstoßendem Betrieb von Bankgeschäften durch Untersagung einschreiten dürfen, zumal keine der beiden Gesellschaften ein Kreditinstitut gewesen und erst durch diese Regelungen des FMBAG eine gesetzliche Grundlage zur Prüfung solcher Geschäftstätigkeiten geschaffen worden sei, die trotz Konzessionspflicht konzessionslos vorgenommen werden. Die Aufsichtsbehörde habe außerdem auch auf die inhaltliche Richtigkeit der von den bestellten Wirtschaftsprüfern jeweils geprüften und mit einem vollen Bestätigungsvermerk versehenen Jahresabschlüsse sowie den Aufsichtsberichten der Wirtschaftsprüfer nach dem WAG vertrauen dürfen.

Erst seit dem bestehe überhaupt eine Berechtigung – aber jedenfalls keine Verpflichtung – der FMA, bei einem begründeten Verdacht gemäß §§ 4 und 16 KMG eine Kontrolle hinsichtlich irreführender Werbung auszuüben. Eine Verpflichtung zum aktiven Nachforschen, ob irreführende Werbung bestehe, gebe es aber ohne Vorliegen hinreichender Anzeichen bis in die Gegenwart nicht. Die Emittentin der Genussscheine für die Jahre ab 2001 – nämlich die A-G AG – sei mangels einer Konzession gar nicht der Aufsicht der BWA/FMA unterlegen, weshalb der Behörde schon von vornherein nicht vorwerfbar sei, dass sie den Ausweis des Genussscheinkapitals als Eigenkapital der Emittentin in deren Bilanz nicht beanstandet habe.

Soweit sich dieser Vorwurf auf eine fehlende Prüfung bei der A-I AG – einem konzessionierten WPDLU – beziehe, habe die Aufsichtsbehörde allerdings jeweils auf die inhaltliche Richtigkeit der Prüfberichte der Wirtschaftsprüfer und deren Aufsichtsberichte vertrauen dürfen. Weder der Genussschein-Split – im Zuge der Genussscheinemission 1999 – noch die Umstrukturierung oder der auf die Umstrukturierung folgende Umtausch der Genussscheine in Genussscheine der neuen Emittentin A-G AG sei in den Tätigkeitsbereich der BWA gefallen. Diese habe keine Befugnis zur aktienrechtlichen, unternehmensrechtlichen oder rechnungslegungsrechtlichen Beurteilung von Sachverhalten gehabt. Nachdem die FMA in den Jahren 2004/2005 den gewerblichen Wertpapierhandel der A-I AG entdeckt habe, habe sie 2004/2005 auch ein verwaltungsstrafbehördliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, das wegen der Notwendigkeit, umfassende Unterlagen beizuschaffen, eine gewisse Zeit in Anspruch genommen habe. Die FMA habe daraufhin ein Straferkenntnis erlassen, das aber bis zur letztinstanzlichen Entscheidung durch den VwGH am nicht durchgesetzt habe werden können. Im Jahr 2008 habe die FMA allerdings ein weiteres verwaltungsbehördliches Strafverfahren wegen unerlaubten Wertpapierhandels eingeleitet und die rechtlichen Möglichkeiten daher voll ausgeschöpft.

Bei der Vor-Ort-Prüfung 2000/2001 hätten die Mitarbeiter der BWA lediglich diverse Auffälligkeiten festgestellt, die sie in ihrem Prüfbericht ordnungsgemäß festgehalten hätten und die mögliche Gesetzesverstöße nicht ausschließen hätten können. Diese Verdachtsmomente seien pflichtgemäß einer rechtlichen Beurteilung unterzogen worden. Im Aktenvermerk vom sei der Leiter der Rechtsabteilung der BWA vertretbar zum Schluss gekommen, dass bei der A-I AG keine ausreichenden Anhaltspunkte für den Verdacht einer nach dem (Kriminal-)Strafrecht strafbaren Handlung vorlägen, die zu einer Anzeigepflicht nach § 84 StPO aF führen müssten. Dem Dr. A-W schließlich verurteilenden Strafgericht seien dagegen weitaus umfassendere Erhebungen der Strafverfolgungsbehörden vorgelegen, als der BWA zur Verfügung gestanden seien. Außerdem erfasse der Schutzzweck des § 84 StPO aF ebenso wenig wie § 78 StPO neu die von den Klägern geltend gemachten Vermögensschäden.

Da die A-W-Genussscheine ab September 2000 an der Frankfurter Börse notiert hätten, sei deren Kursbildung jedenfalls ab diesem Zeitpunkt der Aufsicht der deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFIN) unterlegen, nicht aber der Aufsicht der österreichischen Behörden. Allerdings sei die A-G AG ohnehin nicht der behördlichen Aufsicht unterlegen, weil sie eben über keinerlei Konzessionierung verfügt habe: Nach § 24 WAG bestehe die laufende Aufsicht der BWA/FMA nur über konzessionierte Unternehmen.

Durch die im Zuge der Vor-Ort-Prüfung 2000/2001 erfolgte grundlegende Umstrukturierung seien die von der BWA aufgezeigten Kritikpunkte – insbesondere des „privaten“ Genussscheinhandels durch Dr. A-W, des Zuflusses der Verkaufserlöse an diesen statt an die Emittentin der Genussscheine, und die Verwendung nicht nachvollziehbarer „Berechnungsblätter“ zur Festsetzung der Preise der Genussscheine durch Dr. A-W tatsächlich behoben worden. Dadurch seien keine für die Anleger mit diesen Sachverhalten verbundenen Gefahren mehr zu befürchten gewesen: Das Genussscheinkapital sei nämlich in das Eigentum der A-G AG übertragen worden und die weitere Kursbildung des A-W Genussscheins durch dessen Aufnahme an der Börse Frankfurt sodann an dieser Börse erfolgt. Der Verdacht eines Verstoßes gegen § 13 Abs 1 WAG aF wegen der Kursberechnungsmethode mittels „Berechnungsblättern“ habe sich lediglich auf den Zeitraum vor der Einführung der Genussscheine an der Frankfurter Börse bezogen. Nach der Börseeinführung am hätten die monatlichen „Berechnungsblätter“ für die Kursermittlung der Genussscheine hingegen keine Verwendung mehr gefunden. Die A-G AG als nach dem Umtausch der bestehenden Genussscheine neue Emittentin habe als solche die bestehenden Verpflichtungen gegenüber den Anlegern übernommen.

XII. Entscheidungen der Vorinstanzen

Das Erstgericht gab dem (Haupt-)Zahlungs-begehren der Erst- und Zweitkläger mit 26.402,29 EUR sA, dem der der Dritt- und Viert- und Fünftkläger zur Gänze und dem des Sechstklägers mit 41.441,37 EUR sA statt. Die Zahlungsmehrbegehren der Erst- und Zweitkläger von 12.341,26 EUR sA und des Sechstklägers von 2.931,39 EUR sA wies es ab. Diese – unangefochten in Rechtskraft erwachsenen – Abweisungen betreffen die Genussscheinkäufe der Erst- und Zweitkläger vom und des Sechstklägers vom .

Das Erstgericht ging dabei von den auf den Seiten 108 bis 220 seiner Urteilsausfertigung enthaltenen Feststellungen aus und folgerte rechtlich, aus ihrer von Mai 2000 bis Mai 2001 dauernden Prüfung habe für die BWA der massive „Verdacht“ im Sinne des § 84 StPO aF bestanden bzw bestehen müssen, dass Dr. A-W den Kurs der Genussscheine bis zur Börsenotierung grob unsachlich und nicht nachvollziehbar festgesetzt habe, weshalb der Verdacht einer malversiven Bildung des Genussscheinkurses bestanden habe. Außerdem habe die Prüfung als weitere Indizien für ein malversives System ergeben, dass die Erlöse der Genussscheine als „Sondervermögen“ auf einem Privatdepot des Dr. A-W erlagen. Darüber hinaus sei zu Tage getreten und es habe sich herausgestellt, dass eine Kapitalgarantie beworben wurde, die sich nicht in den Genussscheinbedingungen gefunden habe. Weiters habe Dr. A-W als Vorstandsvorsitzender der geprüften Gesellschaft bei einer Befragung der Behörde über Anraten seines Rechtsanwalts die Beantwortung weiterer Fragen eingestellt. Die durch die Umstrukturierung neu geschaffene Gesellschaft A-G AG sei mangels Konzessionierung der Aufsicht der BWA entzogen gewesen. Insbesondere wegen der nicht nachvollziehbaren Berechnung des Genussscheinkurses durch die Berechnungsblätter wäre die BWA nach § 84 StPO aF verpflichtet gewesen, eine Strafanzeige zu erstatten. Ob sie zur sofortigen Strafanzeige verpflichtet gewesen wäre oder die Anzeigengrundlage durch weitere Erhebungen verbreitern hätte dürfen, könne dahingestellt bleiben: Jedenfalls hätte sie so lange prüfen müssen, als ihr Verdacht auf Verstöße gegen das WAG oder auf strafrechtliche Verstöße nicht entkräftet gewesen wäre. Zumindest in Ansehung der nicht nachvollziehbaren Berechnung des Genussscheinkurses sei trotz der „Umstrukturierung“ des Unternehmens die Unterlassung weiterer Prüfungen und einer Strafanzeige unvertretbar rechtswidrig gewesen. Aufgrund des hypothetischen Kausalverlaufs, dass ein durch die Strafanzeige eingeleitetes Strafverfahren innerhalb etwa eines halben Jahres zu einer derartigen Publizität geführt hätte, dass Anleger vom Erwerb der Genussscheine Abstand genommen hätten, sei davon auszugehen, dass bei pflichtgemäßem Handeln der Behörden die Anleger (Kläger) ab Anfang 2002 keine Genussscheine mehr gekauft hätten und ihnen daher keine Vermögensschäden mehr entstehen hätten können.

Aus den Verwaltungsverfahren ergäben sich hingegen keine Anhaltspunkte für ein unvertretbares Vorgehen der Behörden. Auch für den Zeitraum vor den in der Prüfung 2000/2001 gewonnenen Erkenntnissen seien den Behörden keine Aufsichtspflichtverletzungen vorwerfbar. Dafür, dass die Finanzbehörden in den Jahren 2001/2002 zu einer Strafanzeige nach § 84 StPO aF verpflichtet gewesen wären, habe das Beweisverfahren keine Ergebnisse geliefert.

Die Beklagte hafte im Ergebnis für die Schäden der Kläger aus deren ab dem getätigten Investitionen, weshalb alle eingeklagten Investitionen ersatzfähig seien, mit Ausnahme der Genussscheinkäufe der Erst- und Zweitkläger vom und des Genussscheinkaufs des Sechstklägers vom . Der Einwand verlustreicher Alternativveranlagungen der Kläger sei rechtlich irrelevant, weil die Kläger bei rechtmäßigem Alternativverhalten der Behörde gar nicht veranlagt hätten.

Das von der Beklagten angerufene Gericht zweiter Instanz gab deren Berufung Folge und wies die Klagebegehren zur Gänze ab:

Im Bereich des Amtshaftungsrechts löse nicht jede rechtswidrige Handlung einen Ersatzanspruch aus, sondern nur eine solche, die dem handelnden Organ vorwerfbar sei. Hier bestünden zwar keine Zweifel, dass die von den Klägern geltend gemachte Vermögensschäden vom Schutzzweck des § 2 Abs 1 Z 2 WAG erfasst seien. Auch sei die Kausalität der Unterlassung für den eingetretenen Schaden aufgrund der übernommenen Feststellungen zum hypothetischen Kausalverlauf bei rechtmäßigem Alternativverhalten erwiesen, doch sei es nicht unvertretbar gewesen, dass die Behörde von weiteren Maßnahmen abgesehen habe. Aufgabe der Aufsicht sei nicht so sehr die Bestrafung des für den wahrgenommenen Missstand Verantwortlichen, sondern vielmehr die Beendigung eines regelwidrigen Zustands gewesen. Mit der grundlegenden „Umstrukturierung“ der Unternehmens- und Gesellschaftsorganisation für die Zukunft habe die Behörde vom Erreichen dieses Ziels ausgehen dürfen. Aus einer ex-ante-Sicht sei daher nicht mehr zu befürchten gewesen, dass Käufern von A-W-Genussscheinen in Zukunft Schaden drohen werde, weshalb jedenfalls ab dem Zeitpunkt der „Umstrukturierung“ der Unternehmensorganisation kein weiterer Prüfungs- oder sonstiger Handlungsbedarf bestanden habe. Nur wenn alle anderen Maßnahmen nicht zielführend oder wirkungslos gewesen und nur eine Strafanzeige als geeignetes Mittel übrig geblieben wäre, wären die Behörde zur Anzeige verpflichtet gewesen. Die Unterlassung der Anzeige sei den Organen der BWA aus Sicht des § 2 WAG nicht vorwerfbar.

Zwar sei nach der Vor-Ort-Prüfung der „unübliche, willkürliche und nicht nachvollziehbare“ Berechnungsmodus des Werts der Genussscheine offensichtlich ungeklärt und der daran geknüpfte Verdacht eines Verstoßes gegen § 13 Z 1 WAG im Raum stehen geblieben. Ein allenfalls durch die Leistung überhöhter Kaufpreise damals bereits eingetretener Schaden hätte aber weder durch eine künftig korrekte Kursbildung an der Frankfurter Börse, noch durch sonstige Aufsichtsmaßnahmen beseitigt werden können; die einzige (theoretische) Möglichkeit der allenfalls geschädigten Anleger, ihren Schaden ersetzt zu bekommen, hätte in einem Privatbeteiligtenzuspruch in einem einzuleitenden Strafverfahren oder in einem daran anschließenden Zivilprozess bestanden. Wie minimal die Chancen der Geschädigten seien, tatsächlich Schadenersatz vom Täter eines derart groß angelegten Betrugs zu erlangen, sei aus zahlreichen ähnlichen Fällen allgemein bekannt.

Zur Strafverfolgung und Ermittlung von strafbaren Tatbeständen sei die BWA in der Vergangenheit nur im engen Rahmen des § 2 Abs 1 Z 4 und 5 WAG berufen gewesen, also im Wesentlichen bei den Verwaltungsstraftatbeständen der §§ 48 und 48a BörseG, die hier nicht zum Tragen kämen. Somit bleibe nur ein möglicher Verstoß gegen die generelle Anzeigepflicht nach § 84 StPO aF. Vermögensschäden der Kläger, die sie durch den Verlust ihrer Geldanlagen erlitten hätten, seien aber weder vom Schutzzweck des § 84 StPO aF noch von dem in seinem Sinngehalt identischen § 78 StPO idgF erfasst, sodass es am Rechtswidrigkeitszusammenhang fehle.

Weder der von den Klägern inkriminierte (banken-)konzessionslose Handel mit Wertpapieren noch die Durchführung von riskanten Optionsgeschäften durch die A-I AG und die A-G AG seien für die Aufrechterhaltung oder den Zusammenbruch des betrügerischen Systems kausal gewesen, sodass die Frage, ob die FMA den ohne (Bank-)Konzession geführten Wertpapierhandel in dem von ihr ab dem Jahr 2005 geführten Verwaltungsstrafverfahren früher hätte untersagen müssen, für den Schaden der Kläger im Ergebnis irrelevant sei. Eine rechtliche Befugnis zur Untersagung eines im Sinne des § 98 Abs 1 BWG konzessionslos betriebenen Wertpapierhandels habe die FMA im Übrigen erst durch die gesetzliche Regelung des § 22d FMABG (BGBl I 2006/48) erhalten, der am in Kraft getreten sei.

Eine Kontrollbefugnis im Zusammenhang mit (irreführender) Werbung und Verkaufsprospekten sei der FMA erst ab dem Inkrafttreten des § 4 KMG idF BGBl I 2005/78 am zugekommen. Ohne das Vorliegen hinreichender Anzeichen habe sie aber auch ab diesem Zeitpunkt keine Pflicht zur aktiven Nachforschung getroffen, ob die Werbegrundsätze eingehalten seien. Auch fehlten Anhaltspunkte dafür, dass der FMA ab dem bis zum „System-Zusammenbruch“ im Oktober 2008 tatsächlich irgendeine konkrete unrichtige oder irreführende Werbung für A-W-Genussscheine zur Kenntnis gelangt wäre. Ein Anlass für die Entfaltung einer Kontrolltätigkeit hinsichtlich einer Werbung steht daher nicht fest und sei von den Klägern im Übrigen auch nicht behauptet worden. Selbst § 4 Abs 6 KMG hätte – in Verbindung mit § 16 Z 3 KMG – im Übrigen bloß die Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens ermöglicht, nicht jedoch eine Untersagung oder Unterbindung der unzulässigen Werbung.

Die ordentliche Revision sei für jedes der verbundenen Verfahren zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage bestehe, ob der Schutzzweck der behördlichen Anzeigepflicht des § 84 StPO aF auch bloße Vermögensschäden umfasse, die durch eine Straftat eingetreten seien oder einzutreten drohten.

Dagegen richten sich die Revisionen der Kläger und der Nebenintervenientin auf Seiten der Kläger jeweils mit einem auf Wiederherstellung des Ersturteils gerichteten Antrag; in eventu beantragten sie die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Die Beklagte erstattete zu allen Rechtsmitteln Revisionsbeantwortungen und beantragte, den Rechtsmitteln keine Folge zu geben.

Die Nebenintervenienten auf Seiten der Beklagten haben sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Die Revisionen sind aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie sind aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

I. Zum Schutzzweck des § 84 StPO aF:

1. Vorbemerkung

Das hier anzuwendende Wertpapier-aufsichtsgesetz (WAG, BGBl 1996/753), formulierte in § 2 Abs 1 den generellen Auftrag an die BWA, nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen jene Maßnahmen zu ergreifen, die zur Erfüllung der in den Z 1 bis 4 dieser Bestimmung formulierten Aufgaben in Wahrnehmung der Wertpapieraufsicht erforderlich sind. Diese Verpflichtung besteht unabhängig von der jede Behörde treffenden Verpflichtung nach § 84 StPO aF.

Die Verpflichtung zur Erstattung einer Strafanzeige setzt den Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden strafbaren Handlung voraus und damit einen bereits verwirklichten Sachverhalt, der hinsichtlich seiner strafrechtlichen Relevanz zu beurteilen ist. Damit kann entgegen der Auffassung der zweiten Instanz nicht argumentiert werden, die Verpflichtung zur Strafanzeige bestehe erst dann, wenn das WAG sonst der Aufsichtsbehörde keine Mittel zur Erreichung der darin formulierten Ziele zur Verfügung stelle. Aus der Annahme des Berufungsgerichts, nach der Umstrukturierung habe für die BWA vertretbar kein Prüfbedarf mehr bestanden, kann daher auch im Lichte des § 2 Abs 1 WAG nicht auf den Entfall der Verpflichtung zur Erstattung einer Strafanzeige geschlossen werden. Lagen die Voraussetzungen des § 84 Abs 1 StPO aF vor, konnte die Verpflichtung zur Anzeige – soweit hier von Interesse – nur aus den in Abs 2 leg cit genannten Gründen entfallen. Eine Beseitigung von aus Verstößen gegen das WAG resultierenden Regelwidrigkeiten war demgegenüber ohne Belang für eine die Behörde treffende Pflicht nach § 84 StPO aF. Die Frage, ob sie im Sinn des § 84 StPO aF angesichts der bei der Vor-Ort-Prüfung hervorgekommenen Umstände verpflichtet gewesen wäre, Strafanzeige zu erstatten, oder vertretbar davon ausgehen durfte, es habe kein (hinreichender) Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden Straftat bestanden, kann letztlich aber unbeantwortet bleiben, wie im Folgenden zu zeigen ist.

2. Vorbringen der Revisionswerber

Der Erstkläger und die Zweitklägerin machen in diesem Zusammenhang im Wesentlichen geltend, § 84 Abs 1 StPO aF „generiere“ eine generelle Anzeigepflicht, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestehe, dass durch eine Straftat ein Offizialdelikt verwirklicht worden sei. Davon bestehe nach § 84 Abs 2 Z 2 StPO aF eine Ausnahme insoweit als diese entfalle, wenn und solange hinreichende Gründe für die Annahme vorlägen, die Strafbarkeit der Tat werde binnen kurzem durch schadensbereinigende Maßnahmen entfallen, was nur bei Vermögensdelikten zum Tragen kommen könne und deutlich mache, dass sich der Schutzzweck auf Vermögen des durch die verdächtige Vorgehensweise Betroffenen erstrecke. Außerdem sei hier der Schutzzweck der Anzeigepflicht mit jenem des WAG zu kombinieren bzw zu komplettieren: Weil es nach § 2 Abs 1 Z 2 WAG Aufgabe der BWA gewesen sei, für den Schutz der Anleger zu sorgen, müsse auch der Schutzzweck der Anzeigepflicht etwaige Vermögensschäden mitumfassen.

Auch der Drittkläger und die Viertklägerin betonen die Ausnahme von der Anzeigepflicht gemäß § 84 Abs 2 Z 2 StPO aF und ergänzen, diese Bestimmung solle sicherstellen, dass der Geschädigte möglichst rasch Ersatz für seinen Vermögensschaden erhalte. Damit könne nicht angenommen werden, dass Vermögensschäden vom Schutzzweck der Anzeigepflicht nicht erfasst seien.

Fünft- und Sechstkläger leiten aus dem gesetzlichen Wirkungsbereich der Aufsichtsbehörde ab, dass gerade der Schutz der Anleger als potentielle Opfer eines Betrugs die Anzeigepflicht begründe, weswegen deren Vermögensschäden vom Schutzzweck der Bestimmung über die Anzeigepflicht jedenfalls erfasst seien. Auch erschöpfe sich der Zweck der Anzeigepflicht nicht schon im Strafverfolgungsinteresse des Staates, sondern diene auch Zwecken der Prävention und solle daher künftige Schäden
– wie auch die vorliegenden – vermeiden, sodass sich der Schutzzweck der Norm auch darauf erstrecke.

Die Nebenintervenientin stützt sich auf die Materialien zu § 84 Abs 2a StPO aF, wonach eine Anzeige immer dann zu erstatten sei, wenn der Schutz des Verletzten (des Opfers) oder einer anderen Person vor (weiterer) Gefährdung dies erforderlich mache und danach „jeder durch eine strafbare Handlung Verletzte grundsätzlich Anspruch auf gleichen staatlichen Schutz haben soll“. Auch beziehe sich die Ausnahme des § 84 Abs 2 Z 2 StPO aF gerade auf Vermögensdelikte und mache ebenfalls deutlich, dass die Anzeige eben nicht bloß den Schutz der psychischen und physischen Integrität bezwecke, sondern auch unmittelbar den des Vermögens.

3. Vorbringen der Beklagten

Die Beklagte tritt in ihren Revisionsbeantwortungen den Argumenten der Revisionswerber entgegen und verweist im Wesentlichen darauf, dass der Zweck der Anzeigepflicht nicht in der Verhinderung von Vermögensschäden liege, sondern der Durchsetzung des Strafverfolgungsinteresses des Staates und des Offizialprinzips diene, der als juristische Person einen Behördenapparat benötige, um seine Schutzaufgaben zu erfüllen.

4. Schutzzweck allgemein

4.1 Schutzgesetze im Sinn des § 1311 ABGB sind abstrakte Gefährdungsverbote, die dazu bestimmt sind, die Mitglieder eines Personenkreises gegen Verletzungen von Rechtsgütern zu schützen (RIS-Justiz RS0027710). Sowohl der Geschädigte als auch die Art des Schadens und die Form seiner Entstehung müssen vom

Schutzzweck erfasst sein (RIS-Justiz RS0027553 [T7, T18]).

4.2 Die Beschränkung der Zahl der zur Erhebung von Schadenersatzansprüchen Berechtigten erfolgt aufgrund des Schutzzwecks der Normen (

Rechtswidrigkeits-zusammenhang). Dieser ist ein selbständiges Abgrenzungskriterium der Schadenersatzhaftung neben der Rechtswidrigkeit und der Kausalität. Ohne die eingrenzende Wirkung des Schutzzwecks drohte die Uferlosigkeit der Haftpflicht. Aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens ist daher nur für jene verursachten Schäden zu haften, die vom

Schutzzweck der Verbotsnorm erfasst werden, weil sie gerade diese Schäden verhindern wollte. Die Fragestellung der Normzweckprüfung ist teleologisch ausgerichtet und stellt primär darauf ab, welcher Zweck mit der in ihrem primären Normgehalt festgehaltenen Anordnung verfolgt wird; soll nicht die Schutzzweckprüfung jeglichen Aussagegehalt verlieren, darf sie keinesfalls bei einer bloßen Paraphrasierung des Gesetzestextes stehen bleiben: Nicht jeder Schutz, den die Verhaltensnorm tatsächlich bewirkt, ist auch von deren

Schutzzweck erfasst (RIS-Justiz RS0022813 [T10, T16]; RS0027553 [T14]; RS0031143 [T7, T19, T22]).

5. Zur Anzeigepflicht nach § 84 StPO aF bzw § 78 idgF:

5.1 Der § 84 StPO aF in der vom bis zum geltenden Fassung (BGBl I 2000/108) entspricht weitgehend dem § 78 StPO in der noch geltenden Fassung. Er lautete:

„(1) Wird einer Behörde oder öffentlichen Dienststelle der Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden strafbaren Handlung bekannt, die ihren gesetzmäßigen Wirkungsbereich betrifft, so ist sie zur Anzeige an eine Staatsanwaltschaft oder Sicherheitsbehörde verpflichtet.

(2) Keine Pflicht zur Anzeige nach Abs. 1 besteht,

1. wenn die Anzeige eine amtliche Tätigkeit beeinträchtigen würde, deren Wirksamkeit eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf, oder

2. wenn und solange hinreichende Gründe für die Annahme vorliegen, die Strafbarkeit der Tat werde binnen kurzem durch schadensbereinigende Maßnahmen entfallen.

(2a) Die Behörde oder öffentliche Dienststelle hat jedenfalls alles zu unternehmen, was zum Schutz des Verletzten oder anderer Personen vor Gefährdung notwendig ist; erforderlichenfalls ist auch in den Fällen des Abs. 2 Anzeige zu erstatten.

(3) Die Anzeigepflicht der Sicherheitsbehörden bleibt unberührt.“

5.2 Eine Anzeigepflicht bestand (besteht) demnach für Taten, die „dem Leiter durch eine amtliche Tätigkeit [...] bekannt werden“ (etwa Bertel in Bertel/Venier § 78 StPO Rz 2; Koller in Schmölzer/Mühlbacher § 78 StPO Rz 11). Es müssen eben nach Abs 1 leg cit Umstände betroffen sein, die in den gesetzmäßigen Wirkungsbereich der Behörde fallen (vgl Bertel aaO; Schwaighofer in Fuchs/Ratz, WK-StPO § 78 Rz 11 f).

5.3 Die Beklagte bezweifelt nicht, dass die den Organen der BWA im Zuge der Vor-Ort-Prüfung bekanntgewordenen Umstände in den Wirkungsbereich dieser Behörde fielen, womit die Voraussetzungen für eine Verpflichtung zur Anzeigenerstattung grundsätzlich gegeben waren.

5.3.1 Gemäß § 1 Abs 1 AHG haften die dort genannten Rechtsträger für den Schaden, den die als ihre Organe handelnden Personen „wem immer“ schuldhaft zugefügt haben (zur einschränkenden Auslegung dieses Begriffs s RIS-Justiz RS0022416). Selbst bei einer unvertretbaren Verletzung von Rechtsvorschriften sind aber nur jene Schäden zu ersetzen, deren Eintritt die übertretene Vorschrift gerade verhindern wollte oder deren Verhinderung zumindest mitbezweckt ist (RIS-Justiz RS0050038 [T21]).

5.3.2 Ob im Rahmen der Amtshaftung eine Norm auch den Schutz des Geschädigten intendiert oder auch nur mitbezweckt, hängt maßgeblich davon ab, ob bereits eine rechtliche Sonderverbindung zwischen dem Geschädigten und dem Rechtsträger, dessen Organe eine Amtspflicht verletzt haben sollen, besteht, oder ob die Erfüllung öffentlicher Aufgaben eine so große und unbestimmte Zahl von Personen betrifft, dass diese der Allgemeinheit gleichzusetzen sind (RIS-Justiz RS0049993). Es muss daher geprüft werden, ob die Pflichten des Rechtsträgers nur im Interesse der Allgemeinheit oder auch im Interesse einzelner Betroffener normiert sind (1 Ob 232/11s = immolex 2012/90, 283 [krit Hagen] = RIS-Justiz RS0050038 [T27]).

5.3.3 Der primäre Zweck des Strafverfahrensrechts liegt in der Verwirklichung des materiellen Strafrechts im Einzelfall mit der richtigen Bewertung von Tat und Täter zum Zwecke gerechter Sanktion (Markel in Fuchs/Ratz, WK-StPO § 1 Rz 3). Es wurde daher bereits judiziert, dass nicht alle Bestimmungen der Strafprozessordnung dem Schutz des durch eine Straftat Geschädigten dienen (RIS-Justiz RS0050078). Mit der Möglichkeit, für in einer Straftat wurzelnde Ansprüche bereits im Strafprozess vollstreckbare Titel zu schaffen, tritt das Strafprozessrecht aber auch in Beziehung zum materiellen Zivilrecht (Markel aaO § 1 Rz 10), sodass das Strafverfahren – zwar nicht in erster Linie – aber „am Rande“ auch der Durchsetzung privatrechtlicher Ansprüche dienen kann (1 Ob 143/07x).

5.3.4 Ob eine (konkrete) Bestimmung der StPO dem Schutz des durch eine Straftat Geschädigten dient, ist nach dem Zweck der Amtspflicht wertend zu beurteilen. Soweit er sich nur auf Interessen der Allgemeinheit erstreckt, können Einflüsse des Verfahrensausgangs auf individuelle Interessenslagen nur als – die Amtshaftung des belangten Rechtsträgers nicht begründende – Reflexwirkung pflichtgemäßen Verhaltens beurteilt werden (1 Ob 313/01p = SZ 2002/128; 1 Ob 148/02z; 1 Ob 200/04z; 1 Ob 232/11s; 1 Ob 171/14z). Auf eine Rechtspflicht gerade einem solchen Dritten gegenüber kann daraus noch nicht geschlossen werden (1 Ob 142/06y = SZ 2006/150 mwN).

5.3.5 Das Recht des Staates auf Strafverfolgung (in einem bestimmten Fall) gemäß den prozessualen Bestimmungen ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Amtsdelikten des StGB ein konkretes Recht zur Verwirklichung des staatlichen Strafanspruchs (vgl RIS-Justiz RS0096766 gegenteilig aber

13 Os 87/89). Die Bestimmung des § 84 Abs 1 StPO aF bzw nunmehr § 78 Abs 1 StPO ist Teil derjenigen Normen des Verfahrensrechts, die der Verwirklichung dieses Anspruchs dienen. Der Beklagten ist daher darin beizupflichten, dass die Anzeigepflicht primär der Durchsetzung des Strafverfolgungsinteresses des Staates und des Offizialprinzips dient (vgl dazu Medigovic, Unterlassung der Anzeige nach § 84 StPO – Amtsmissbrauch?, JBl 1992, 420 [424]; Wessely, Zur Anzeigepflicht der Gemeindeaufsichtsbehörde nach § 84 StPO, ZfV 1996, 815 [820]). Die Regelung des § 84 Abs 2 Z 2 StPO aF ändert daran schon deswegen nichts, weil sie lediglich normiert, dass keine Pflicht zur Anzeige besteht, wenn hinreichende Gründe für die Annahme vorliegen, der Schaden werde binnen kurzem bereinigt, womit die Strafbarkeit der Tat entfällt. Die Revisionswerber verweisen in diesem Zusammenhang selbst darauf, dass damit im hier interessierenden Kontext primär die tätige Reue nach § 167 StGB angesprochen ist. Sind die Voraussetzungen nach dieser Bestimmung erfüllt, liegt ein persönlicher Strafaufhebungsgrund vor und die Strafbarkeit wegen der Tat entfällt (

Kirchbacher in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 167 Rz 128). Die Ausnahme von der Anzeigepflicht ist hier Folge des Entfalls des staatlichen Anspruchs auf Strafverfolgung wegen schadensbereinigender Maßnahmen. Das hat im Regelfall zur Voraussetzung, dass ein solcher Schaden bereits eingetreten sein muss (dazu Kirchbacher aaO Rz 8). Aus dieser Ausnahme von der Anzeigepflicht kann daher nicht abgeleitet werden, dass damit auch nur mitbezweckt wäre, den Eintritt künftiger Vermögensschädigungen zu hindern. Interessen Dritter sind als Reflexwirkung insoweit nur mittelbar berührt, sodass auch nicht auf eine Rechtspflicht zur Anzeige im Interesse zukünftig Geschädigter geschlossen werden könnte.

5.3.6 Nichts anderes ergibt sich, wenn man den mit der StPO-Novelle 2000 (BGBl I 2000/108) eingefügten und mit in Kraft getretenen Abs 2a (entspricht nunmehr § 78 Abs 3 StPO) dieser Bestimmung in die Überlegungen miteinbezieht. Darin wird zunächst ganz allgemein der Behörde oder öffentlichen Dienststelle die Verpflichtung auferlegt, alles zu unternehmen, was zum Schutz des Verletzten oder anderer Personen vor Gefährdung notwendig ist, und festgehalten, dass auch in den Fällen des Abs 2 Anzeige zu erstatten ist, wenn sich dieses Ziel nicht anders erreichen lässt.

Mit dieser Bestimmung sollte – im Sinne der im (damaligen) Regierungsprogramm vereinbarten Zielsetzung eines verstärkten Schutzes von Kindern und Jugendlichen – das Anliegen verdeutlicht werden, ein starkes Signal für den Opferschutz zu setzen. Wörtlich lautet es dazu im Bericht des Justizausschusses (289 BlgNR 21. GP 3):

„Daher soll noch deutlicher dem Missverständnis begegnet werden, dass § 84 Abs. 2 Z 1 StPO primär dem Schutz des Vertrauensverhältnisses jener Behörden und öffentlichen Dienststellen diene, deren Mitarbeiter vielfach deswegen früher als Sicherheitsbehörden und Staatsanwaltschaft von einem strafrechtlich relevanten Fehlverhalten erfahren, weil sie auf Grund berufsrechtlicher Bestimmungen zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Schon aus dem Gesetzeswortlaut soll ersichtlich sein, dass die auf ein Vertrauensverhältnis aufbauende Beratungs- und Betreuungstätigkeit nicht von sachfremden Überlegungen abhängig sein darf und beamtete Berater wie Betreuer jedenfalls verpflichtet sind, alles in ihrem jeweiligen Fachbereich Erforderliche zu veranlassen, um mögliche (weitere) Gefährdungen von Opfern strafbarer Handlungen abzuwenden. Das Vertrauensverhältnis wird daher nur so weit geschützt, als es dem wohlverstandenen Interesse des Verletzten dient, primär jenem, vor ähnlichen Angriffen geschützt zu sein; Richtlinie für das weitere Vorgehen der betroffenen Behörde oder Dienststelle müssen jedenfalls die Interessen des Opfers sein. Das Vertrauensverhältnis darf somit keineswegs Selbstzweck, sondern immer nur ein Mittel sein, das die adäquate und bestmögliche Betreuung und Hilfestellung für die in ihren Rechten verletzte Person sowie die Möglichkeit des Aufbaus eines neuen Vertrauensverhältnisses zu künftigen Opfern und deren Umgebung zum Ziel hat.“

Nach den Gesetzesmaterialien (AB aaO) sollte § 84 Abs 2a StPO daher den Gedanken des Opferschutzes stärker betonen und klarstellen, dass der Schutz des Verletzten und anderer Personen vor (weiterer) Gefährdung Vorrang vor dem durch Abs 2 geschützten Vertrauensverhältnis genießt und daher Anzeige zu erstatten ist, wenn nur diese ausreichenden Schutz bietet (Schwaighofer aaO Rz 21, 25). Die Anzeigeerstattung ist daher ein Instrument, das dem Schutz von Opfern dienen kann, und als solches bei der Abwägung der Interessen des Opfers in den Kreis der Überlegungen einzubeziehen ist (AB aaO). Ungeachtet des weiten Wortlauts in § 84 Abs 2a StPO erster Halbsatz versteht sich diese Bestimmung daher in erster Linie als Einschränkung der in Abs 2 dieser Norm geregelten Ausnahme von der Anzeigepflicht (siehe dazu AB aaO 3), wenn ohne die Anzeige eine erhebliche Gefahr besteht, dass es zu – künftigen – (weiteren) Angriffen auf die physische und psychische Integrität von (insbesondere minderjährigen) Personen kommt (vgl Schwaighofer aaO Rz 26).

Ob § 84 StPO aF insoweit als Schutzgesetz im Sinne des § 1311 ABGB angesehen werden könnte, muss nicht untersucht werden. Für den vorliegenden Fall genügt es daher festzuhalten, dass den Gesetzesmaterialien zu § 84 Abs 2a StPO keine Hinweise entnommen werden können, diese Einschränkung der Ausnahme von der Anzeigepflicht verfolge andere Interessen als jene der Wahrung der physischen und psychischen Integrität von durch eine strafbare Handlung Verletzten. Zutreffend hat daher bereits das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass aus der Einschränkung des Abs 2a des § 84 StPO nicht abgeleitet werden kann, die Anzeigepflicht nach Abs 1 dieser Bestimmung würde den Schutz von Vermögensschäden, die erst durch zukünftiges Handeln verursacht werden (nur solche könnten selbst nach der Argumentation der Kläger verhindert werden) auch nur mitbezwecken. Als bloße Reflexwirkung pflichtgemäßen Verhaltens begründet der Umstand, dass – wie sich aus den Feststellungen des Erstgerichts zum hypothetischen Kausalverlauf ergibt – die Kläger im Fall einer Anzeigenerstattung durch die BWA die Genussscheine erst gar nicht erworben hätten und damit in ihrem Vermögen auch nicht geschädigt worden wären, demnach keine Haftung der Beklagten.

6. Als Zwischenergebnis kann daher festgehalten werden, dass die Bestimmung des § 84 StPO aF über die Anzeigepflicht bei richtigem Verständnis nicht den Zweck verfolgte, den Eintritt von nach dem Zeitpunkt der unterlassenen Strafanzeige eintretenden Vermögensschäden zu hindern. Potentiell künftig am Vermögen Geschädigte sind vom Schutzzweck dieser Bestimmung nicht erfasst, weshalb das Berufungsgericht zutreffend den Rechtswidrigkeitszusammenhang der der Beklagten angelasteten unterlassenen Anzeige wegen der den Organen der BWA bei der Vor-Ort-Prüfung bekanntgewordenen Umstände mit von den Klägern aus nachfolgenden Investitionen abgeleiteten Vermögensschäden verneinte. Ergänzender Feststellungen, wie vom Fünft- und Sechstkläger in diesem Zusammenhang gefordert, bedurfte es nicht.

II. Zu den übrigen von den Revisionswerbern geltend gemachten Haftungsgrundlagen

1. Auf eine Haftung der Beklagten wegen eines Organen der Finanzbehörden vorwerfbaren Fehlverhaltens kommen die Kläger und die Nebenintervenientin in ihren Revisionen nicht mehr zurück.

2.1 Die Kläger und die Nebenintervenienten auf deren Seite relevieren in ihren Revisionen im Wesentlichen Umstände, wie sie bereits im Zuge der Vor-Ort-Prüfung in den Jahren 2000/2001 zutage getreten waren, und leiten daraus ab, dass es unvertretbar gewesen sei, eine weitere Prüfungstätigkeit zu unterlassen, und verbinden diesen Vorwurf sinngemäß mit der Behauptung, dass der Schaden bei pflichtgemäßem Verhalten der Organe der Aufsichtsbehörde unterblieben wäre.

2.2 Damit ist insoweit das

WAG idF BGBl 1996/753 anzuwenden, weil die danach erfassten Vorgänge vor dem Inkrafttreten des

WAG 2007 mit liegen. § 3 Abs 1 FMABG idFd Novelle BGBl I 2008/136 kommt nicht zum Tragen, weil sich der zu beurteilende Sachverhalt vor seinem Inkrafttreten am verwirklichte.

3.1 

Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass die Aufsicht über Wertpapierdienstleistungsunternehmen (WPDLU) auch dem rechtzeitigen Erkennen und Abstellen von Missständen sowie der Abwendung drohender Gefahren dient und das schuldhafte Unterlassen notwendiger Maßnahmen zu Amtshaftungsansprüchen geschädigter Anleger führen kann, weil § 24 Abs 1 WAG in der hier anzuwendenden Fassung ausdrücklich anordnete, dass bei der Überwachung der Einhaltung dieses Gesetzes durch WPDLU nicht nur auf das volkswirtschaftliche Interesse an einem funktionsfähigen Kapitalmarkt, sondern auch auf die „Interessen der Anleger“ Bedacht zu nehmen ist. Dabei geht es um den Schutz der Anleger vor solchen Risken, die sich bei ordnungsgemäßem Verhalten der Aufsichtsbehörde regelmäßig nicht ergeben hätten (1 Ob 187/08v; 1 Ob 232/08m).

Kommen diese wegen einer Verletzung der auch zu ihrem Schutz statuierten Aufsichtspflichten zu Schaden, haftet der Bund nach den Bestimmungen des AHG (RIS-Justiz RS0124469). Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs haben dabei die Kläger als Geschädigte nicht nur den Eintritt des Schadens und dessen Höhe, sondern auch den Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Schädigers (hier: der BWA) und dem Schadenseintritt zu behaupten und zu beweisen (RIS-Justiz RS0022862).

3.2 Nach § 2 Abs 1 WAG war es Aufgabe der BWA aufgrund der ihr nach diesem Bundesgesetz und dem Börsegesetz 1989 (BörseG, BGBl 1989/555) zukommenden Meldungen nach Maßgabe der Bestimmungen dieser Bundesgesetze alle Untersuchungen durchzuführen und jene Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um ua bei der Erbringung von Dienstleistungen gemäß § 11 Abs 1 WAG (das sind gewerbliche Dienstleistungen, die mit Wertpapieren oder der sonstigen Veranlagung des Vermögens von Kunden in Zusammenhang stehen) die Wahrung der Interessen der Anleger im Sinne der §§ 12 bis 18 (also insbesondere der sogenannten „Wohlverhaltensregeln“) zu gewährleisten (§ 2 Abs 1 Z 2 WAG).

3.

3 Zur Erfüllung der ihr nach der bereits erwähnten Bestimmung des § 24 Abs 1 WAG übertragenen Aufgabe, die Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes durch unter anderem Wertpapier-dienstleistungsunternehmen zu überwachen und dabei auf das volkswirtschaftliche Interesse an einem funktionsfähigen Kapitalmarkt und auf die Interessen der Anleger Bedacht zu nehmen, konnte die BWA jederzeit von den ihrer Aufsicht unterstehenden Unternehmen und ihren Organen Auskünfte über alle Geschäftsangelegenheiten fordern, in die Bücher, Schriftstücke und Datenträger dieser Unternehmen Einsicht nehmen, von den Abschlussprüfern und gesetzlichen Prüfungseinrichtungen Prüfungsberichte und Auskünfte einholen und durch die Abschlussprüfer oder durch eigene Prüfer alle erforderlichen Prüfungen vornehmen lassen (§ 24 Abs 2 WAG).

3.4 Auf dieser Bestimmung beruhte der Prüfauftrag bei der A-I AG, die als konzessioniertes WPDLU der Aufsicht des BWA unterstand. Als mögliche Maßnahmen, um erkannte Regelwidrigkeiten zu beseitigen, standen der BWA gemäß § 24 Abs 3 WAG insbesondere die in § 70 Abs 4 Z 1 bis 3 BWG genannten Maßnahmen zur Verfügung. Danach hatte sie sinngemäß, wenn eine Konzessionsvoraussetzung (hier gemäß § 20 WAG) nach Erteilung der Konzession nicht mehr vorlag oder sonst Bestimmungen des WAG oder bestimmter anderer Gesetze verletzt wurden,

- dem WPDLU unter Androhung einer Zwangsstrafe aufzutragen, den rechtmäßigen Zustand binnen jener Frist herzustellen, die im Hinblick auf die Umstände des Falls angemessen war;

- im Wiederholungs- oder Fortsetzungsfall den Geschäftsleitern des Kreditinstituts die Geschäftsführung ganz oder teilweise zu untersagen, es sei denn, dass dies nach Art und Schwere des Verstoßes unangemessen gewesen wäre, und die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands durch nochmaliges Vorgehen gemäß Z 1 erwartet werden konnte; in diesem Fall war die erstverhängte Zwangsstrafe zu vollziehen und der Auftrag unter Androhung einer höheren Zwangsstrafe zu wiederholen;

- die Konzession zurückzunehmen.

Der BWA stand daher ein mehrstufiges Verfahren zur Verfügung, um im Interesse der Anleger einen regelwidrigen Zustand zu beenden und die Einhaltung der in den §§ 12 bis 18 WAG normierten Wohlverhaltensregeln zu gewährleisten. Es steht außer Frage, dass die der BWA vor und im Zuge der Vor-Ort-Prüfung bekannt gewordenen Umstände Anlass gaben, im Rahmen der ihr durch das Gesetz eingeräumten Möglichkeiten, auf die Beseitigung der als rechtswidrig erkannten Umstände, zu dringen, um Malversationen, wie sie letztlich zu den von den Klägern geltend gemachten Schäden geführt haben, zu verhindern. Von den ihr nach § 70 Abs 4 BWG zur Verfügung gestandenen Maßnahmen hat die Aufsichtsbehörde unstrittig keinen Gebrauch gemacht.

4.1 Eine bei pflichtgemäßer Überlegung aller Umstände

vertretbare Rechtsanwendung mag zwar rechtswidrig sein, begründet aber kein Verschulden (RIS-Justiz RS0050216). Dementsprechend kann in der Regel nur ein Abweichen von einer klaren Gesetzeslage oder ständigen Rechtsprechung, das unvertretbar ist und keine sorgfältige Überlegung erkennen lässt, einen Amtshaftungsanspruch zur Folge haben (RIS-Justiz RS0049912; RS0049955 [T8]). Der Senat hat in einem ähnlich gelagerten Fall bereits entschieden, dass sich die Aufsichtsbehörde bei entsprechenden Verdachtsmomenten keinesfalls auf ein bestimmtes standardisiertes Vorgehen beschränken dürfe, sondern diesen im (durchaus weiten) Rahmen ihrer Befugnisse nachzugehen habe (1 Ob 186/11a). Ob ein bzw welches Vorgehen durch Organe der BWA geboten gewesen wäre, ist ebenso wie die Frage nach der Vertretbarkeit ihres Handelns (oder Unterlassens) ex ante betrachtet zu beurteilen (1 Ob 187/08v; 1 Ob 232/08m).

4.2 Massive Bedenken, wie sie auch im vorliegenden Fall durch die Vor-Ort-Prüfung zutage getreten sind, können regelmäßig nicht durch bloße gegenteilige Erklärungen von Organen des beaufsichtigten Unternehmens oder deren Beteuerung, in Zukunft anders vorzugehen, zerstreut werden. Vielmehr sind alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Richtigkeit der Behauptungen zu überprüfen. Anders als in dem zu 1 Ob 186/11a entschiedenen Fall begnügte sich die Aufsichtsbehörde im vorliegenden gerade nicht mit Erklärungen oder Beteuerungen der verantwortlichen Organe. Ihr Einschreiten hatte vielmehr zur Folge, dass das bisherige System grundlegend geändert wurde. Grundlage für die Entscheidung nach Abschluss der Vor-Ort-Prüfung, von weiteren Schritten Abstand zu nehmen, waren aus damaliger Sicht daher nicht etwa bloße Ankündigungen oder Beschwichtigungen, sondern eine grundlegend geänderte Emmissions- und Vertriebsstruktur. Damit gelangte das Berufungsgericht aber zutreffend zum Ergebnis, dass die Organe der BWA letztlich vertretbar davon ausgehen durften, dass den Zielsetzungen des WAG auch ohne weitere Prüfschritte und/oder Maßnahmen gemäß § 70 Abs 4 BWG entsprochen war:

5.1 Ausgangspunkt für die Vor-Ort-Prüfung waren laut Aktenvermerk vom insbesondere mögliche Interessenskonflikte, weil die A-I AG zum damaligen Zeitpunkt nicht nur WPDLU, sondern auch Emittentin war.

Dieser Interessenskonflikt war mit der noch während der Prüftätigkeit durch Organe der BWA begonnenen Umstrukturierung durch Gründung der A-G AG und den Umtausch der Genussscheine in solche der neugegründeten Aktiengesellschaft behoben, bevor die Aufsichtsbehörde eine der in § 70 Abs 4 Z 1 bis 3 BWG genannten Maßnahmen ergreifen musste.

5.2 Es trifft zu, wie letztlich auch das Berufungsgericht betonte, dass die im Zuge der Prüfungstätigkeit als „unüblich, willkürlich und nicht nachvollziehbar“ erkannte Methode zur Berechnung des Genussscheinwerts durch Verantwortliche der A-I AG nicht aufgeklärt wurde und den Verdacht eines Verstoßes gegen § 13 Z 1 WAG begründete. Mit der Zulassung der Genussscheine zum Handel an der Börse war aber auch insoweit eine gänzlich andere Beurteilungsgrundlage gegeben als sie sich für die Organe der BWA bei Aufnahme ihrer Prüftätigkeit zeigte.

5.3 Die BWA hat die bis zum Handel an der Börse angewendete Methode der Kursbildung in ihrem Prüfbericht beanstandet und deswegen sowie wegen der ebenfalls beanstandeten Werbung mit einer Kapitalgarantie ein Verwaltungsstrafverfahren wegen des Verdachts von Verstößen gegen § 13 Z 1 und Z 3 WAG eingeleitet. Eine ihr im Juni 2001 bekannt gewordene Werbung mit einer „Kapitalgarantie“ auf der Internetseite der A-I AG hat sie verfolgt und deren Entfernung bewirkt.

6.1 Ungeachtet dessen vertreten die Revisionswerber die Auffassung, dass es unvertretbar gewesen sei, von weiteren Prüfschritten/Maßnahmen abzusehen. Gemeinsam ist den Rechtsmitteln, dass darin zwar pauschal auf die Instrumente des § 70 Abs 4 BWG verwiesen wird, jedoch Hinweise fehlen, welche konkreten Prüfschritte, die dann zu Maßnahmen des § 70 Abs 4 BWG führen hätten müssen, aufgrund welcher den Organen der BWA aus damaliger Sicht tatsächlich vorliegender Informationen zu erfolgen gehabt hätten.

6.2 Alle Revisionswerber vertreten den Standpunkt, dass die Unklarheiten in der Kursbildung der Genussscheine mit Einführung der Genussscheine an der Frankfurter Wertpapierbörse (FWB) mit November 2000 nicht beseitigt gewesen seien. Sie stützen sich dabei insbesondere auf die Feststellung des Erstgerichts, wonach deren Wert am Monatsende für das nächstfolgende Monat festgelegt worden sei. Der Kurs hätte daher nahtlos an den Wert angeschlossen, wie er zuvor (Anm: in der von der BWA beanstandeten Weise) ermittelt worden sei.

Die Nebenintervenientin behauptet in diesem Zusammenhang auch eine Aktenwidrigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts, weil dieses davon ausgegangen sei, dass der Kurs an der FWB durch Angebot und Nachfrage bestimmt worden sei.

6.3.1 Dazu ist wie folgt Stellung zu nehmen:

6.3.2 Der Aufsicht unterlag die A-I AG als konzessioniertes WPDLU. Im Interesse der Anleger war daher sicherzustellen, dass diese ihre Dienstleistungen – aus der Sicht des Prüfungszeitpunkts zukünftig – mit der erforderlichen Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit im Interesse ihrer Kunden erbringt (§ 13 Z 1 WAG) und ihren Kunden alle zweckdienlichen Informationen zukommen lässt (§ 13 Z 4 WAG).

6.3.3 Am wurden die Genussscheine der Serie 1999 an der Frankfurter Börse eingeführt. Nach deren Umtausch 2001 notierten die A-W-Genussscheine des Jahres 2001 der A-G AG seit an der FWB. Der Handel erfolgte im Freiverkehr.

6.3.4 Nach § 78 dBörsengesetz (BörsG) idF BGBl I 1998, 2682 [Nr 62] konnte die Börse für Wertpapiere, die weder zum amtlichen noch zum geregelten Markt zugelassen oder einbezogen waren, einen Freiverkehr zulassen, wenn durch Handelsrichtlinien eine ordnungsmäßige Durchführung des Handels und der Geschäftsabwicklung gewährleistet erschien (Abs 1). Nach Abs 2 dieser Bestimmung waren Preise für Wertpapiere, die während der Börsenzeit an einer Wertpapierbörse im Freiverkehr ermittelt wurden, Börsenpreise. Die nähere Ausgestaltung oblag damit den von der Börse zu erlassenden Richtlinien. Der Handel im Freiverkehr unterlag der Aufsicht des Börsenrats.

Für die Zeit von bis galt für den Freiverkehr (ua an der FWB) § 57 dBörsG, der durch einen Verweis auf § 24 Abs 2 dBörsG für den Börsenpreis festlegte, dass dieser ordnungsgemäß zustande kommen und der wirklichen Marktlage des Börsenhandels entsprechen müsse. Grundsätzlich sollte die Kursfestsetzung daher auch im Freiverkehr im Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage erfolgen.

Die Kläger haben die Genussscheine, soweit daraus abgeleitete Ansprüche noch Gegenstand des Revisionsverfahrens sind, nach dem erworben.

6.3.5 Die Organe der BWA griffen im Zuge ihrer Prüftätigkeit die Ungereimtheiten im Zusammenhang mit der Kursfestsetzung (Festsetzung durch den Verantwortlichen der Emittentin) auf und lasteten der ihrer Aufsicht unterstellten A-I AG an, dass sie ihre Kunden nicht informiert und damit gegen § 13 WAG verstoßen habe. Mit der Aufnahme des Handels im Freiverkehr der FWB war der von der BWA als gesetzwidrig erkannte Zustand beendet (vgl § 70 Abs 4 Z 1 BWG), ohne dass es eines ausdrücklichen Auftrags bedurft hätte. Ausgehend von der oben wiedergegebenen Rechtslage zum Handel im Freiverkehr an der FWB bestand ohne konkrete Anhaltspunkte für Auffälligkeiten im Zusammenhang mit der Kursbildung ex ante für Organe der BWA auch keine Veranlassung für weitergehende Schritte gegenüber dem WPDLU. Dass den Organen der BWA die festgestellten und von den Revisionswerbern aufgegriffenen Umstände der Kursbildung bekannt geworden wären (arg aus § 2 Abs 1 WAG: „zukommenden Meldungen“) und damit ungeachtet der gesetzlichen Rahmenbedingungen allenfalls Anlass zu Zweifel im Zusammenhang mit der Kursbildung im Freiverkehr an der Börse bestanden haben könnte, kann den Feststellungen nicht entnommen werden und wird von den Revisionswerbern auch gar nicht behauptet.

6.3.6 Waren die Organe der BWA über die Art der Kursfestlegung auch nach Einführung der Genussscheine an der FWB erst gar nicht informiert, kann auch eine entscheidungswesentliche (dazu RIS-Justiz RS0043265) Aktenwidrigkeit nicht erkannt werden, wenn das Berufungsgericht entsprechend den für den Handel im Freiverkehr an der FWB allgemein geltenden Grundsätzen zugrunde legte, dass der Kurs durch Angebot und Nachfrage gebildet worden sei.

6.3.7 Soweit in einzelnen Revisionen in diesem Zusammenhang auf in den Feststellungen des Erstgerichts unter Berufung auf das Gutachten des Sachverständigen enthaltene Ausführungen reflektiert wird, wonach nach dem ein neues kriminelles System innerhalb der A-W Unternehmensgruppe begonnen habe, weil sich das malversive System im Zusammenhang mit der Kursbildung nicht geändert und eine „Hinausstrukturierung“ aus der Aufsicht der BWA stattgefunden habe, liegen Wertungen vor, die bei gebotenere ex-ante-Beurteilung keine Rückschlüsse auf den Kenntnisstand von Organen der Beklagten und damit auf eine mögliche Unvertretbarkeit des Organhandelns zulassen.

Mit dem Vorwurf, dass die von der BWA wahrgenommenen Ungereimtheiten in der Kursbildung in der Vergangenheit (gemeint bis zur Aufnahme des Handels an der FWB) nicht saniert worden seien, sprechen die Revisionswerber letztlich Fragen der Anzeigepflicht nach § 84 Abs 1 StPO aF an, zumal nicht angenommen werden kann, dass allenfalls vor der Umstrukturierung bereits eingetretene Schäden im Sinne des § 84 Abs 2 Z 2 StPO aF bereinigt worden wären. Dazu wurde aber bereits Stellung genommen.

6.4 Die Revisionswerber vertreten zudem die Auffassung, das Unterlassen weiterer Prüfschritte durch Organe der BWA sei auch deswegen unvertretbar gewesen, weil sie Kenntnis vom festgestellten „Sondervermögen“ gehabt hätten. Hätten sie den Aufbau und die Verwendung der Mittel des Sondervermögens seit 1991 durch Kontoauszüge über die Einzahlungen und die Verwendung als Auszahlungen geprüft, wäre dessen Irregularität klar geworden.

Gemeinsam ist den Rechtsmitteln in diesem Zusammenhang, dass sie sich mit der Argumentation des Berufungsgerichts, wonach das „Sondervermögen“ im Zuge der Umstrukturierung in die neugegründete A-G AG eingebracht und damit wegen des Umtausches der Genussscheine letztlich auch der (verbliebenen) Emittentin zugeführt worden sei, nicht auseinandersetzen, sondern pauschal das Unterlassen von Maßnahmen gemäß § 70 Abs 4 BWG als unvertretbar monieren. Aufgrund welcher tatsächlichen Umstände die Organe der BWA auch nach Abschluss der Umstrukturierung und Übertragung des Vermögens auf die A-G AG in diesem Zusammenhang vom Vorliegen eines rechtswidrigen Zustands bei dem ihrer Aufsicht unterstehenden WPDLU auszugehen gehabt und damit unvertretbar weitere Prüfschritte unterlassen hätten, ist damit nicht erkennbar.

Soweit sie auch hier die von der Behörde bis zur Sanierung als rechtswidrig erkannte Umstände als solche heranziehen, die den Verdacht von Amts wegen zu verfolgender strafbaren Handlungen begründeten, sprechen sie erneut den bereits erörterten Themenbereich der Verpflichtung zur Anzeigenerstattung an, deren Verletzung aber – wie zu I. dargelegt – in keinem Rechtswidrigkeitszusammenhang mit den geltend gemachten Schäden steht. Darauf muss nicht mehr näher eingegangen werden.

7. Auf die übrigen Argumente der Revisionswerber ist getrennt einzugehen.

7.1.1 Der Erst- und die Zweitklägerin, der Dritt- und die Viertklägerin sowie die Nebenintervenientin sehen im Unterlassen weiterer Prüfschritte nach Abschluss der Vor-Ort-Prüfung auch deswegen ein unvertretbares Organverhalten, weil für die in der Werbung angepriesene „Kapitalgarantie“ in der Bilanz keine Rückstellungen getätigt worden und dieser Umstand den Organen der BWA bekannt gewesen sei. Es hätte auffallen müssen, dass in dem der BWA damals von einem Wirtschaftsprüfer übermittelten Gutachten auf die falschen Genussscheinbedingungen Bezug genommen worden sei.

7.1.2 Daraus kann ein unvertretbares Unterlassen von Maßnahmen im Sinne des § 70 Abs 4 BWG zur Herstellung eines rechtskonformen Zustands schon deshalb nicht abgeleitet werden, weil nach den Feststellungen die der Aufsicht der BWA unterstellte A-I AG nach Abschluss dieser Umstrukturierungen von ihren Haftungen gegenüber den Genussscheinkunden befreit war. Ab diesem Zeitpunkt bedurfte es daher keiner Rückstellungen für Verpflichtungen gegenüber Genussscheinkunden. Soweit sie unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Insolvenzverfahren meinen, die hier in Rede stehenden Gesellschaften hätten als Konzernbestandteile eine wirtschaftliche Einheit dargestellt, übergehen sie, dass die Entscheidungen 8 Ob 104/11v (= SZ 2011/136) und 8 Ob 105/11s ausdrücklich klarstellen, dass dieser Umstand nichts an der rechtlichen Selbständigkeit und getrennten Rechtssubjektivität der Gesellschaften änderte.

7.2.1 Der Dritt- und die Viertklägerin verweisen in ihrer Revision zudem auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , 2007/17/0208, mit dem eine Beschwerde des Dr. A-W in einem gegen ihn als Verantwortlichen mit Bescheid der Finanzmarktaufsicht (FMA) als Nachfolgerin der BWA eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren als unbegründet abgewiesen wurde. Er war für schuldig befunden worden, es zu verantworten zu haben, dass die A-I AG im Zeitraum vom bis gewerblich ohne die erforderliche Konzession der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) Handel im eigenen Namen und auf eigene Rechnung mit Wertpapieren betrieben habe.

7.2.2 Daraus folgt zunächst nur, dass die FMA dem Verdacht einer Übertretung des § 98 Abs 1 iVm § 1 Abs 1 Z 7 lit e BWG, BGBl 1993/639, nachgegangen ist und diesen Verstoß mit einem Strafbescheid geahndet hat. Inwieweit sich daraus ergeben soll, dass die FMA „in grob fahrlässiger Weise“ geduldet habe, dass der Wertpapierhandel konzessionslos betrieben werde, wie die Kläger meinen, kann daher nicht nachvollzogen werden.

Zwar konnte die FMA unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens bei einem Verdacht einer Übertretung ua gemäß § 98 Abs 1 BWG mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands jeweils notwendigen Maßnahmen, wie die Schließung von Teilen des Betriebs oder die Schließung des gesamten Betriebs verfügen, wenn die den verdächtigen Geschäftsbetrieb ausübenden Unternehmen der Aufforderung zur Herstellung eines der Rechtsordnung entsprechenden Zustands nicht innerhalb der gesetzten Frist nachkamen. Diese Befugnis hat die FMA aber erst mit Inkrafttreten des § 22d FMABG (BGBl I 2006/48) am erhalten. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom (dazu AZ 2009/17/0079) an der in der Entscheidung 2007/17/0208 vom geäußerten Rechtsansicht trotz der in der Literatur daran geäußerten Bedenken festgehalten. Losgelöst von der Feststellung des Erstgerichts, wonach der (banken-)konzessionslose Wertpapierhandel, wie er dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs zugrunde lag, weder für die Aufrechterhaltung noch für den Zusammenbruch des Systems kausal gewesen ist, sodass schon nicht zu erkennen ist, inwieweit dieser Handel für die Schäden der Kläger ursächlich gewesen sein soll, lässt sich daraus nicht ableiten, die Organe der FMA hätten unvertretbar gehandelt, wenn sie vor erstmaliger Klärung der maßgeblichen Rechtsfragen durch den Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom (also nicht schon während des laufenden Verwaltungsstrafverfahrens) nach dem nicht im Sinne des § 22d Abs 1 FMABG vorgegangen sind.

7.2.3 Grundsätzlich zutreffend geben die Kläger die Voraussetzungen für die Prospektpflicht gemäß § 2 Abs 1 KMG wieder. Dazu machen sie geltend, die zu Werbezwecken aufgelegten Prospekte hätten die Bestimmungen des KMG ignoriert, was der BWA/FMA auffallen hätte müssen. Ihre Genussscheine hätten sie erst nach dem Inkrafttreten des § 4 KMG idF BGBl I 2005/78 mit erworben.

Nach § 4 Abs 6 KMG konnte die FMA kontrollieren, ob bei der Werbung für ein öffentliches Angebot von Wertpapieren oder eine Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt die Grundsätze der Abs 2 bis 5 leg cit beachtet werden. Ausdrücklich ist dabei festgehalten, dass sie diese Tätigkeit insbesondere bei begründetem Verdacht eines Verstoßes gegen die Bestimmungen gemäß § 4 Abs 1 bis 5 ausübt. Dass der FMA vor Ankauf der Genussscheine durch die Kläger Umstände bekanntgeworden wären, die einen begründeten Verdacht im Sinn dieser Bestimmung erwecken hätten müssen, lässt sich weder den Feststellungen noch den Ausführungen der Revisionswerber entnehmen. Soweit sie die Verletzung von vorvertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten relevieren, übersehen sie, dass eine Haftung der beklagten Republik aus Vertrag nicht zu beurteilen ist. Inwieweit § 11 KMG (Prospekthaftung) zum Tragen kommen soll, ist schon deshalb nicht zu erkennen, weil die Beklagte nicht zum Kreis der nach Abs 1 leg cit potentiell Haftpflichtigen zählt.

7.2.4 Letztlich lassen die Kläger die Frage unbeantwortet, inwiefern ein Einschreiten der FMA von Einfluss auf den Schadensverlauf gewesen wäre, besteht doch die Sanktion eines Verstoßes gegen die Vorschrift des § 4 KMG in der Verhängung einer Geldstrafe (§ 16 Z 3 KMG), nicht jedoch in der Untersagung oder Unterbindung von unzulässiger Werbung. Ebenso droht einem Anbieter, der nicht rechtzeitig den Prospekt oder die nach § 6 KMG ändernden oder ergänzenden Angaben nach diesem Bundesgesetz der Meldestelle übersendet, nur die Verhängung einer Geldstrafe (§ 16 Z 6 KMG). Auch insoweit bleibt offen, wie ein Einschreiten der FMA wegen des in der Revision behaupteten Verstoßes gegen die Prospektpflicht geeignet gewesen wäre, den Schadenseintritt zu hindern.

7.3 Der Fünft- und der Sechstkläger machen über die bereits behandelten Argumente hinaus noch geltend, dass die Organe der BWA den Anlegern den Wegfall der Kapitalgarantie nicht kommuniziert hätten, und meinen dazu, allein das Veranlassen der Entfernung einer von der BWA beanstandeten Werbung sei nicht ausreichend für den Schluss darauf, dass sich ein Unternehmen auf Dauer an die Regeln halten werde. Welches haftungsbegründende Verhalten von Organen der BWA damit angesprochen sein soll, bleibt dabei unklar. Warum sie verpflichtet gewesen sein sollten, nachdem sie im Jahr 2001 die Entfernung der Werbung mit einer Kapitalgarantie von der Homepage erwirkt hatten, den „äußerst undurchsichtigen Umständen […] durch geeignete Maßnahmen bis hin zu jenen des § 70 Abs 4 BWG nachzugehen“, bleibt nach den Behauptungen der Revisionswerber völlig offen. Zu den Möglichkeiten nach § 22c FMABG, idF BGBl I 2006/48, wird gleich im Folgenden Stellung genommen. An dieser Stelle genügt es festzuhalten, dass auch die Revisionswerberin einen gesetzlichen Anknüpfungspunkt, der die Aufsichtsbehörde verpflichtet hätte, generell potentielle Investoren über Ungereimtheiten zu informieren, nicht anzuführen vermag.

7.4 Die Nebenintervenientin macht in ihrer Revision noch geltend, die Bilanzierung des Genussscheinkapitals als Eigenkapital hätte so erhebliche Verdachtsmomente aufkommen lassen müssen, dass sich die Organe der BWA nicht darauf beschränken hätte dürfen, die erheblichen Verdachtsmomente wegen „mangelnder Prüfungskompetenz zu ignorieren“. Aus den sonstigen Ausführungen in diesem Zusammenhang ist erschließbar, dass sie damit Fragen im Zusammenhang mit der Bilanzierung des Genussscheinkapitals anspricht. Dazu hat bereits das Berufungsgericht festgehalten, dass sich die Organe der BWA – und nach ihr der FMA – zur Frage der Bilanzierung des Genussscheinkapitals als Eigenkapital (der A-I AG) auf die von unabhängigen Wirtschaftsprüfern als Abschlussprüfer inhaltlich geprüften und durchgehend mit uneingeschränkten Bestätigungsvermerken versehenen Jahresabschlüsse samt den von den Wirtschaftsprüfern entsprechend der Vorschrift des § 23 Abs 2 und Abs 4 WAG erstellten Prüfberichten (vertretbar) verlassen durften. Darüber hinaus gilt auch hier, dass das nach dem Abschluss der Umstrukturierung der Aufsicht der BWA unterliegende WPDLU nicht mehr Emittentin von Genussscheinen war, sodass sich Fragen der Bilanzierung von Eigenkapital in diesem Zusammenhang für die Zeit danach nicht stellten. Schon aus diesem Grund muss der Verweis auf die Entscheidung 1 Ob 34/13a ins Leere gehen. Inwieweit dennoch ein unvertretbares Unterlassen von weiteren Prüfschritten und Maßnahmen gemäß § 70 Abs 4 BWG durch Organe der BWA vorgelegen haben soll, ergibt sich aus den Feststellung der Tatsacheninstanzen nicht und bleibt auch nach den Ausführungen der Revision unklar.

Richtig ist zwar, dass der FMA als Rechtsnachfolgerin der BWA aufgrund des mit BGBl I 2006/48 eingefügten § 22c FMABG ab die Möglichkeit zukam, Sanktionen, die unter anderem wegen Verstöße gegen § 98 Abs 1 BWG, § 94 Abs 1 WAG 2007 oder § 48 Abs 1 Z 1 BörseG verhängt wurden, und die Namen der Personen oder Unternehmen gegen die sie erlassen wurden öffentlich bekanntzugeben. Das setzte nach Z 2 dieser Bestimmung ein mit Bescheid abgeschlossenes Verfahren voraus. Auch § 94 Abs 4 WAG 2007 geht von einem abgeschlossenen Verfahren aus, wenn darin der FMA die Möglichkeit eingeräumt wurde, Maßnahmen oder Sanktionen, die sie bei einem Verstoß gegen Bestimmungen dieses Gesetzes oder aufgrund von § 48 Abs 5 BörseG verhängte, bekanntzumachen. Welche Rechtsakte angesichts der bereits angesprochenen Feststellung des Erstgerichts, wonach der (banken-)konzessionslose Wertpapierhandel für das Funktionieren des Systems nicht kausal war (siehe oben Punkt 7.2.2), hier konkret in Frage gekommen wären und inwieweit eine öffentliche Bekanntgabe überhaupt einen Einfluss auf den Schadensverlauf nehmen hätte können, kann den Ausführungen der Nebenintervenientin nicht entnommen werden. Im Fall einer Amtshandlung in einem laufenden Verfahren hatte die Behörde die Nennung der Namen betroffener Beteiligter grundsätzlich aber zu unterlassen (§ 22c Z 1 FMABG).

III. Ergebnis und Zusammenfassung

Der erkennende Senat teilt die Ansicht des Berufungsgerichts, wonach es vertretbar war, dass die Organe der Behörde nach der im Zuge der Vor-Ort-Prüfung begonnenen und mit dem nach dem Schreiben vom bis abgeschlossen Umtausch der Genussscheine beendeten Umstrukturierung von weiteren Prüfschritten und der Einleitung von Maßnahmen gemäß § 70 Abs 4 BWG abgesehen haben. Aus der gebotenen Betrachtung ex ante waren die bei der Prüfung wahrgenommenen rechtswidrigen Zustände (vgl § 70 Abs 4 Z 1 BWG) beseitigt, weshalb aus damaliger Sicht die Annahme, es bestehe kein weiterer Prüfungs- oder sonstiger Handlungsbedarf, nicht als unvertretbar beurteilt werden kann.

Da die Vermögensschäden der Kläger auch nicht vom Schutzzweck der Bestimmung über die Verpflichtung zur Anzeige bei Bekanntwerden von Amts wegen zu verfolgender strafbarer Handlungen erfasst sind, hat es bei dem die Klage abweisenden Urteil des Berufungsgerichts zu bleiben.

Den Revisionen ist damit ein Erfolg zu versagen.

IV. Der Kostenvorbehalt beruht darauf, dass das Erstgericht gemäß § 52 Abs 1 ZPO die Kostenentscheidung bis zur rechtskräftigen Erledigung der Hauptsache vorbehalten hat (§ 52 Abs 3 ZPO).

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätinnen Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien R***** W*****, und B***** W*****, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17–19, 1011 Wien, sowie die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. E***** GmbH, 2. Prof. MMag. Dr. D***** W*****, 3. Mag. E***** W*****, vertreten durch die Ruggenthaler, Rest & Borsky Rechtsanwälte OG, Wien, 4. B***** W***** GmbH, 5. Dkfm. Dr. H***** B*****, diese vertreten durch Dr. Heinz Stöger, Rechtsanwalt in Wien, 6. E***** GmbH, 7. Mag. J***** E*****, 8. Mag. D***** S*****, 9. Dkfm. M***** P*****, alle vertreten durch Dr. Gustav Etzl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 828.373,55 EUR sA, in eventu auch wegen Feststellung, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 30 Cg 27/10a des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Oberste Gerichtshof ist zur Entscheidung über die Wiederaufnahmsklage nicht zuständig.

Die Wiederaufnahmsklage wird an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien überwiesen.

Text

Begründung:

Mit dem Urteil vom , AZ 1 Ob 73/16s, bestätigte der Oberste Gerichtshof die mehrere verbundene Verfahren betreffende Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 14 R 112/15s-50, mit der unter anderem das auf Zahlung von 828.373,55 EUR sA gerichtete Haupt- sowie das Eventualbegehren der Kläger abgewiesen wurden, womit das von den nunmehrigen Wiederaufnahmsklägern eingeleitete Vorverfahren zu AZ 30 Cg 27/10a des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien rechtskräftig beendet wurde. Er legte dabei die von der zweiten Instanz übernommenen Feststellungen des Erstgerichts zugrunde.

Rechtliche Beurteilung

Die Kläger begehren mit ihrem als Klage nach § 530 ZPO zu wertenden, selbst verfassten Antrag die Wiederaufnahme des der Entscheidung 1 Ob 73/16s zugrundeliegenden Verfahrens sowie die Bewilligung der Verfahrenshilfe. Als Wiederaufnahmsgrund machen sie neue Tatsachen und Beweismittel gemäß § 530 Abs 1 Z 7 ZPO und damit keinen Wiederaufnahmsgrund geltend, der ausschließlich die Revisionsentscheidung des Obersten Gerichtshofs vom beträfe. Die Wiederaufnahmsklage ist daher bei derjenigen Tatsacheninstanz des Vorprozesses einzubringen, welche die von dem Anfechtungsgrund betroffenen Feststellungen getroffen hatte (RIS-Justiz RS0044559). Für die Behandlung der vorliegenden Wiederaufnahmsklage ist daher nach § 532 Abs 2 ZPO das Prozessgericht erster Instanz zuständig.

Auch für Wiederaufnahmsklagen gilt der in § 474 Abs 1 ZPO verankerte allgemeine Grundsatz, dass das angerufene unzuständige Gericht das in Form einer Klage zu führende Rechtsmittel im weiteren Sinn (hier: Wiederaufnahmsklage) nicht zurückweisen darf, sondern an das zuständige Gericht von Amts wegen überweisen muss (RIS-Justiz RS0041882). Das Erstgericht wird auch die Zustellung der vorliegenden Entscheidung zu veranlassen haben (4 Ob 5/12g; 5 Ob 107/14t ua).

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00073.16S.0210.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
DAAAD-64409