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OGH vom 17.06.1986, 4Ob69/85

OGH vom 17.06.1986, 4Ob69/85

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl und Dr.Kuderna sowie die Beisitzer Dr.Walter Haindl und Johann Herzog als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Michaela K***, Angestellte, Wien 16., Arnethgasse 105/4/20,

vertreten durch Hermann Peter, Leitender Sekretär der Gewerkschaft der Privatangestellten in Wien 1., Deutschmeisterplatz 2, wider die beklagte Partei J. K*** Gesellschaft mbH in Wien 1., Kohlmarkt 5, vertreten durch Dr.Michael Auer und Dr.Ingrid Auer, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 75.352,-- brutto sA abzüglich S 3.616,10 netto (Rekursstreitwert S 58.541,--) infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom , GZ44 Cg 157/84-14, womit das Teilurteil des Arbeitsgerichtes Wien vom , GZ5 Cr 1276/83-8, aufgehoben wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und in der Sache selbst das Teilurteil des Erstgerichtes bestätigt..

Die Klägerin ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.566,30 (darin S 646,-- Barauslagen und S 447,30 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit S 3.353,50 (darin S 400,-- Barauslagen und S 268,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zwischen der am geborenen Klägerin und der beklagten Partei wurde mit Wirkung vom ein Lehrvertrag im Lehrberuf "Bürokaufmann" abgeschlossen. Die Klägerin begann mit dem angeführten Tag ihre Beschäftigung als Lehrling und erhielt bis zu ihrem Ausscheiden die im Kollektivvertrag vorgesehene Lehrlingsentschädigung. Die Begründung eines Angestelltendienstverhältnisses war von keiner Seite ins Auge gefaßt worden.

Mit Bescheid der Lehrlingsstelle der Wiener Handelskammer vom wurde die Eintragung des Lehrvertrages gemäß § 20 Abs 3 lit a in Verbindung mit den §§ 2 a (gemeint offenbar: § 2 Abs 2 lit a) und 3 a des Berufsausbildungsgesetzes (BAG) verweigert, zugleich aber ausgesprochen, daß die bisher zurückgelegte Zeit vom (richtig: ) bis gemäß § 20 Abs 5 BAG im vollen Ausmaß auf die Lehrzeit im Lehrberuf "Bürokaufmann" angerechnet werde. Infolge Berufung der beklagten Partei wurde dieser Bescheid vom Amt der Wiener Landesregierung mit Berufungsbescheid vom mit der Maßgabe bestätigt, daß die Eintragung des Lehrvertrages mit Lehrzeitbeginn "gemäß § 20 Abs 3 lit a BAG im Zusammenhalt mit § 3 a Abs 1 dieses Gesetzes" verweigert werde.

Schon mit Schreiben vom hatte die Klägerin den Lehrvertrag gemäß "§ 15 Abs 4 lit b BAG 1" (gemeint offenbar: 1. Fall) vorzeitig aufgelöst.

Mit der am überreichten Klage begehrt die Klägerin von der beklagten Partei die Zahlung von insgesamt

S 75.352,-- brutto abzüglich S 3.616,10 netto sA. Davon sind Gegenstand des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens die auf Grund ihres vorzeitigen, zufolge "mangelnder Ausbildung" gerechtfertigten Austritts geltend gemachten Ansprüche an Differenz zwischen den tatsächlich ausgezahlten Bezügen und dem kollektivvertraglichen Mindestgehalt einer Angestellten des Gewerbes, Verwendungsgruppe 1,

1. und 2.Verwendungsgruppenjahr, für die Zeit vom bis von S 38.311,-- und eine Kündigungsentschädigung (3 Monatsbezüge) von S 20.230,--, zusammen S 58.541,--. Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin habe die sich aus dem Lehrverhältnis ergebenden Pflichten verletzt und die ihr aufgetragenen Arbeiten, wenn überhaupt, nur sehr mangelhaft ausgeführt. Von einer Qualifikation als kaufmännische Angestellte könne keine Rede sein, weil die Klägerin nur solche Leistungen erbracht habe, die für die Führung des Betriebes von bloß untergeordneter Bedeutung waren. Die beklagte Partei ihrerseits sei ihrer gesetzlichen Ausbildungspflicht nachgekommen; sie habe dabei die Richtlinien der Wiener Handelskammer für den Lehrberuf "Bürokaufmann" genau eingehalten und nichts getan, was die Befürchtung gerechtfertigt hätte, die Erreichung des Ausbildungszieles könnte vereitelt oder doch erheblich erschwert werden. Die Auflösungserklärung vom sei mangels Zustimmung des gesetzlichen Vertreters der Klägerin rechtsunwirksam. Das Fehlen des in § 3 a BAG vorgeschriebenen Feststellungsbescheides habe die beklagte Partei deshalb nicht zu verantworten, weil sie von der Wiener Handelskammer die telefonische Auskunft erhalten habe, daß bei Nachweis der entsprechenden Fachkenntnisse - über welche die beklagte Partei verfüge - der Feststellungsbescheid auch nachträglich bearbeitet werden könne und dies "keinen Hinderungsgrund darstellen" würde. Da somit am kein Auflösungsgrund bestanden habe, sei die Klägerin ungerechtfertigt ausgetreten. Nach Ansicht der beklagten Partei sei jedoch das Lehrverhältnis gemäß § 14 Abs 2 lit c BAG ex lege erloschen und deshalb eine vorzeitige Auflösung nicht möglich gewesen. Nicht nur aus diesem Grund, sondern auch wegen Fehlens eines Verschuldens der beklagten Partei sei ein Ersatzanspruch nach § 1162 b ABGB ausgeschlossen. Davon abgesehen habe die Klägerin auch keinen Schaden erlitten, weil ihr die Zeit vom bis auf ihre Lehrzeit als Bürokaufmann zur Gänze angerechnet und sie im übrigen leistungsgerecht entlohnt worden sei. Das Erstgericht wies mit Teilurteil das Begehren der Klägerin auf Zahlung einer Entgeltdifferenz von S 38.311,-- und einer Kündigungsentschädigung von S 20.230,--, zusammen S 58.541,-- brutto sA, ab. Von den eingangs wiedergegebenen Sachverhaltsfeststellungen ausgehend, verneinte es einen Anspruch der Klägerin auf die Differenz zwischen der Lehrlingsentschädigung und dem kollektivvertraglichen Mindestgehalt einer Angestellten, weil die Parteien den Abschluß eines Lehrverhältnisses beabsichtigten und die Klägerin demgemäß nicht die Leistungen einer Handelsangestellten, sondern nur die wirtschaftlich minder verwertbare Leistung eines Lehrlings zu erbringen gehabt habe. Durch die Nichteintragung des Lehrvertrages habe die Klägerin keine finanziellen Nachteile erlitten, weil ihr die im Betrieb der beklagten Partei zurückgelegte Zeit als Lehrzeit angerechnet worden sei und sie ihre Lehre demgemäß fristgerecht zum Abschluß bringen könne. Mangels eines wichtigen Grundes zur vorzeitigen Auflösung des Lehrverhältnisses bestehe auch der Anspruch auf Kündigungsentschädigung nicht zu Recht: Der die Eintragung des Lehrvertrages ablehnende Bescheid der Lehrlingsstelle sei im Zeitpunkt der Austrittserklärung noch nicht erlassen gewesen; im übrigen stehe auf Grund der bescheidmäßigen Anrechnung der tatsächlich zurückgelegten Zeit als Lehrzeit für das Gericht bindend fest, daß die Klägerin im Betrieb der beklagten Partei ausreichend ausgebildet wurde.

Infolge Berufung der Klägerin hob das Berufungsgericht das angefochtene Teilurteil auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück; zugleich sprach es aus, daß das Verfahren erst nach Rechtskraft dieses Beschlusses fortzusetzen sei. Das Berufungsgericht führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem durch und nahm dabei den gleichen Sachverhalt als erwiesen an wie das Prozeßgericht erster Instanz. Ergänzend traf es noch folgende weitere Feststellungen:

Das Austrittsschreiben vom wurde von der Mutter der Klägerin, Flora K***, mitunterfertigt.

Die beklagte Partei hat am bei der Wiener Handelskammer einen Antrag auf Erlassung eines Bescheides nach § 3 a Abs 1 BAG gestellt. Die Voraussetzungen für eine positive Erledigung dieses Antrages waren jedoch damals nicht gegeben; die am Lokalaugenschein beteiligten Organe der Wiener Handelskammer und der Kammer für Arbeiter und Angestellte gewannen vielmehr den Eindruck, daß im Standort Wien I., Kohlmarkt 5/2/13, die Geschäfte nicht in der Weise geführt wurden, daß eine Ausbildung im Sinne des Berufsbildes für den Lehrberuf "Bürokaufmann" gewährleistet gewesen wäre. In der Folge hat die beklagte Partei am im Laufe eines Telefongespräches mit der Lehrlingsstelle den Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides nach § 3 a BAG zurückgezogen. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hielt das Berufungsgericht die Rechtsrüge der Klägerin für begründet. Da die Mutter der Klägerin das Schreiben vom mitunterfertigt habe, sei der vorzeitige Austritt rechtswirksam gewesen; er sei aber auch berechtigt: Die Klägerin, welche sich in ihrem Austrittsschreiben auf § 15 Abs 4 lit b BAG berufen habe, habe im erstinstanzlichen Verfahren "mangelnde Ausbildung" geltend gemacht, so daß auch der Austrittsgrund des § 15 Abs 4 lit d BAG in Betracht komme. Im Zeitpunkt der vorzeitigen Auflösung des Lehrverhältnisses sei zwar das Verfahren über den Antrag der beklagten Partei auf Erlassung eines Feststellungsbescheides nach § 3 a Abs 1 BAG noch anhängig, mit einer positiven Erledigung dieses Antrages jedoch kaum zu rechnen gewesen. Für die Klägerin sei es zwar absehbar gewesen, daß die Eintragung des Lehrvertrages gemäß § 20 Abs 3 lit a BAG verweigert werden würde; sie habe aber nicht mit Sicherheit vorhersehen können, ob ihr die bei der beklagten Partei zurückgelegte Zeit gemäß § 20 Abs 5 BAG auf die Lehrzeit angerechnet würde. Da ein Zuwarten bis zur Erlassung dieses Bescheides im Fall einer negativen Erledigung einen weiteren Zeitverlust bedeutet hätte, sei sie infolge der Unfähigkeit der beklagten Partei, den erfolgreichen Abschluß der Lehre sicherzustellen, zum vorzeitigen Austritt berechtigt gewesen. Die beklagte Partei habe die Klägerin unter Mißachtung des § 3 a Abs 1 BAG noch vor dem Vorliegen des vorgeschriebenen rechtskräftigen Feststellungsbescheides beschäftigt; sie habe deshalb alle Folgen zu tragen, die sich aus der Verweigerung der Eintragung des Lehrvertrages ergeben. Daraus folge aber die Berechtigung des Begehrens auf Zahlung einer - der Höhe nach von dem der Klägerin gebührenden Entgelt abhängigen und daher insoweit noch nicht spruchreifen - Kündigungsentschädigung nach § 1162 b ABGB..

Mit der rechtskräftigen Verweigerung der Eintragung des Lehrvertrages sei das Lehrverhältnis der Klägerin gemäß § 14 Abs 2 lit c BAG rückwirkend beendet worden. Damit könne aber der Lehrvertrag selbst dann nicht mehr die Grundlage für die Entlohnung des Lehrlings bilden, wenn nach der - einen anderen Regelungszweck verfolgenden - Bestimmung des § 20 Abs 5 BAG die tatsächlich zurückgelegte Zeit als Lehrzeit angerechnet wurde. Daß der Wille der Parteien nicht auf die Begründung eines Angestelltenverhältnisses gerichtet war, sei unerheblich. Da die Klägerin im Geschäftsbetrieb der beklagten Partei - eines Kaufmanns kraft Rechtsform - für den Beruf eines Bürokaufmannes ausgebildet werden sollte, müsse davon ausgegangen werden, daß sie kaufmännische Dienste im Sinne des § 1 Abs 1 AngG geleistet habe; sie habe daher gemäß § 6 Abs 1 AngG Anspruch auf das angemessene Entgelt einer kaufmännischen Angestellten, bei dessen Ermittlung die kollektivvertraglichen Gehaltssätze herangezogen werden könnten. Dem könne auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, daß die Klägerin nur Arbeiten von untergeordneter Bedeutung geleistet habe. Daß sie über keinen Lehrabschluß verfügte, sei für ihre Einreihung in das Beschäftigungsgruppenschema des Kollektivvertrages ebensowenig von Bedeutung wie der Umstand, daß sie während des Besuches der Berufsschule dem Arbeitsplatz ferngeblieben war (§ 8 Abs 3 AngG). Die noch fehlenden Feststellungen über die Höhe des der Klägerin gebührenden kollektivvertraglichen Entgelts werde das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren nachzuholen haben.

Gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des Teilurteils erster Instanz abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerin hat keine Rekursbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Gemäß § 20 Abs 1 Satz 1 BAG hat der Lehrberechtigte ohne unnötigen Aufschub, jedenfalls aber binnen drei Wochen nach Beginn des Lehrverhältnisses, den Lehrvertrag bei der zuständigen Lehrlingsstelle zur Eintragung anzumelden. Gemäß § 20 Abs 2 BAG hat die Lehrlingsstelle, falls keine Erhebungen notwendig sind, ohne unnötigen Aufschub, längstens aber sechs Wochen nach Einlangen der Anmeldung des Lehrvertrages die Eintragung des Lehrvertrages vorzunehmen oder einen Versagungsbescheid nach § 20 Abs 3 BAG zu erlassen. Leidet der Lehrvertrag an Formgebrechen oder an behebbaren sachlichen Mängeln, so hat die Lehrlingsstelle je nach der Sachlage einen der Vertragspartner oder beide aufzufordern, die Formgebrechen zu beheben oder den Vertrag zu ändern und hiefür eine angemessene Frist zu setzen. Wird die Eintragung des Lehrvertrages rechtskräftig verweigert (oder die Löschung einer bereits erfolgten Eintragung rechtskräftig verfügt), dann endet das Lehrverhältnis gemäß § 14 Abs 2 lit c BAG vor Ablauf der vereinbarten Lehrzeit.

Auch im vorliegenden Fall hat also die von der Lehrlingsstelle

der Wiener Handelskammer gemäß § 20 Abs 3 lit a BAG - nämlich wegen

Fehlens des nach § 3 a Abs 1 BAG vor der erstmaligen Ausbildung

eines Lehrlings vorgeschriebenen

Feststellungsbescheides - rechtskräftig ausgesprochene Verweigerung

der Eintragung des Lehrvertrages gemäß § 879 Abs 1 ABGB die

Nichtigkeit dieses Lehrvertrages bewirkt und damit das

Lehrverhältnis der Klägerin, welches sich bis dahin in einem

rechtlichen Schwebezustand befunden hatte, gemäß § 14 Abs 2

lit c BAG rückwirkend beseitigt (SZ 56/35 = Arb.10.224 =

JBl.1984, 49 = RdW 1983, 85 = SozM I B 157 = ZAS 1984, 140

[zustimmend Müller]; Arb.10.374 = JBl.1985, 690 = RdW 1985, 316 =

ZAS 1985, 151 [die von Peter Bydlinski in ZAS 1985, 153 ff gegen diese Entscheidung geäußerten Bedenken betreffen nicht den hier vorliegenden Fall einer von Anfang an bestehenden Gesetzwidrigkeit des Lehrvertrages iS des § 20 Abs 3 lit a BAG]; Arb.10.378; Kinscher, BAG 2 , 78 § 14 Abs 2 lit c Anm.3; Berger-Rohringer, BAG 98 § 12 Anm.6, 214 f § 20 Anm.30, 31; vgl. auch die EB zur BAG-Novelle 1978, 708 BlgNR 14.GP 28, abgedruckt bei Kinscher aaO Anm.2). Daß der Klägerin zugleich die vom bis zurückgelegte Zeit gemäß § 20 Abs 5 BAG im vollen Ausmaß auf die Lehrzeit angerechnet wurde, ändert an dieser Rechtslage nichts. Die angeführte Bestimmung hat lediglich den Zweck, den Lehrling nach Möglichkeit vor einem Zeitverlust zu schützen, wenn er im berechtigten Vertrauen auf das rechtsgültige Bestehen des Lehrvertrages in ein nichtiges Lehrverhältnis Zeit investiert hat (EB zur RV des BAG, 876 BlgNR 11.GP); eine solche Anrechnung bewirkt aber keine nachträgliche Sanierung des gesetzwidrigen Lehrverhältnisses und verleiht dem angerechneten Zeitraum nicht die rechtliche Qualität einer "Lehrzeit" (Arb.10.374 w.o.; Berger-Rohringer aaO 215 Anm.33, 34). Die daraus resultierende Frage, welche Ansprüche dem Lehrling für die während des nichtigen Lehrverhältnisses dem Lehrberechtigten tatsächlich geleisteten Dienste zustehen, hat der Oberste Gerichtshof in Arb.10.374 = w.o. dahin beantwortet, daß in einem solchen Fall die schon erbrachten, ihrer Natur nach nicht mehr rückstellbaren Arbeitsleistungen nach den Regeln des Bereicherungsrechtes (§§ 877, 1431 ff ABGB) zu vergüten sind. Auch die Klägerin hat also für ihre Arbeitsleistungen im Betrieb der beklagten Partei Anspruch auf eine solche Vergütung; sie kann dabei nicht nur einen "dem verschafften Nutzen angemessenen Lohn" (§ 1431 ABGB), sondern - unabhängig vom Eintritt eines vermögensmäßig erfaßten Nutzens - ein angemessenes Entgelt verlangen. Unter diesem Gesichtspunkt hätte die Klägerin aber nur dann Anspruch auf die Differenz zwischen der tatsächlich gezahlten Lehrlingsentschädigung und dem kollektivvertraglichen Entgelt einer (jugendlichen) Angestellten, wenn sie während der fraglichen Zeit nicht wie ein Lehrling beschäftigt, sondern von der beklagten Partei zumindest überwiegend zu reiner Angestelltentätigkeit herangezogen worden wäre; derartiges hat aber die Klägerin weder in erster noch in zweiter Instanz behauptet. Es ist daher davon auszugehen, daß sie während ihrer Tätigkeit im Unternehmen der beklagten Partei wie ein Lehrling verwendet und demgemäß - mit mehr oder weniger großem Erfolg - nur zu solchen Tätigkeiten herangezogen wurde, wie sie dem Berufsbild eines Bürokaufmann-Lehrlings im ersten Lehrjahr entsprechen. In diesem Fall kann dann aber die im Kollektivvertrag vorgesehene Lehrlingsentschädigung als Maßstab für die Höhe des angemessenen Entgelts herangezogen werden, wird doch bei deren Bemessung nicht nur der Ausbildungszweck des Lehrverhältnisses, sondern auch der Umstand berücksichtigt, daß der Lehrling gerade am Beginn seiner Lehrzeit erst allmählich nützlich und erfolgreich für den Lehrberechtigten eingesetzt und tätig werden kann (so gleichfalls schon Arb.10.374 = w.o.). Der Anspruch der Klägerin auf die Entgeltdifferenz im Betrag von S 38.311,-- sA besteht daher - auch aus dem hilfsweise geltend gemachten Rechtsgrund des Schadenersatzes - schon dem Grunde nach nicht zu Recht.

Die rückwirkende Beseitigung des Lehrverhältnisses schließt aber

auch einen Erfolg des Begehrens auf Zahlung einer

Kündigungsentschädigung von S 20.230,-- sA aus: Der Lehrvertrag

zwischen den Parteien war infolge Fehlens des in § 3 a Abs 1 BAG

vorgeschriebenen Feststellungsbescheides von Anfang an nichtig; er

konnte daher jederzeit durch einseitige Erklärung eines der beiden

Vertragspartner mit sofortiger Wirkung beendet werden, ohne daß

daraus irgendwelche Ansprüche aus dem Titel der (vorzeitigen)

Vertragsauflösung abgeleitet werden konnten (so auch die

Rechtsprechung zur verbotswidrigen Beschäftigung ausländischer

Arbeitnehmer; siehe insbesondere SZ 45/58 = Arb.9.009 =

RdA 1973, 133 ua). Das gilt besonders auch für den hier geltend

gemachten Anspruch auf Kündigungsentschädigung wegen begründeten

vorzeitigen Austritts, welcher schon nach dem Wortlaut des

§ 1162 b ABGB ("..... behält dieser ..... seine vertragsgemäßen

Ansprüche ..... für den Zeitraum, der bis zur Beendigung ..... durch

Ablauf der Vertragszeit oder durch ordnungsgemäße Kündigung hätte verstreichen müssen") ein rechtswirksam begründetes Arbeits-(Lehr-)Verhältnis voraussetzt, nicht aber einen dem Gesetz widersprechenden Zustand, auf dessen Beibehaltung keiner der beiden Vertragspartner bestehen kann. An dieser Rechtsauffassung, welche auch eine analoge Anwendung des § 1162 b ABGB auf den hier vorliegenden Fall ausschließt, ist trotz der von Migsch in RdA 1973, 135 ff gegen die Entscheidung SZ 45/58 erhobenen rechtspolitischen Bedenken auch weiterhin festzuhalten; sie ist im übrigen für den Bereich der Ausländerbeschäftigung durch das AuslBG BGBl.1975/218 bestätigt worden, dessen § 29 dem ohne Beschäftigungsbewilligung beschäftigten Ausländer nur "für die Dauer der Beschäftigung" die gleichen Ansprüche wie auf Grund eines gültigen Arbeitsvertrages gibt.

Dem berechtigten Rekurs der beklagten Partei war daher Folge zu geben und gemäß § 519 Abs 2 Satz 2 ZPO in der Sache selbst das Ersturteil zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 und 52 ZPO.