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OGH vom 29.03.2006, 3Ob58/06k

OGH vom 29.03.2006, 3Ob58/06k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Harald H*****, und 2) Christl H*****, beide vertreten durch Dr. Markus Ch. Weinl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Gemeinde B*****, vertreten durch Dr. Christian Fuchs, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Einwendungen gemäß § 35 EO gegen einen betriebenen Anspruch von 13.142,72 EUR sA, infolge Revisionen der klagenden Parteien (Revisionsinteresse 4.572,98 EUR sA) und der beklagten Partei (Revisionsinteresse 8.569,74 EUR sA) gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 202/05b-17, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Reutte vom , GZ 2 C 1921/04a-11, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision der klagenden Parteien wird zurückgewiesen. Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben. Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 732,23 EUR (darin 122,04 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Beschluss vom bewilligte das Erstgericht der beklagten Partei zur Hereinbringung deren vollstreckbaren Forderung von 13.142,72 EUR sA und der mit 525,36 EUR bestimmten Kosten die Forderungsexekution gegen die Kläger. Dieser Entscheidung lag als Exekutionstitel ein Anerkenntnisurteil des Landesgerichts Innsbruck vom zugrunde. Damit waren die nunmehrigen Kläger zur ungeteilten Hand verurteilt worden, der betreibenden Partei 13.142,72 EUR samt 4 % Zinsen seit und 2.593,36 EUR an Prozesskosten zu zahlen. Die Berufung der Kläger gegen dieses Urteil blieb erfolglos. Sie wurden deshalb zur ungeteilten Hand auch zum Ersatz der mit 320,81 EUR bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens an die betreibende Partei verurteilt. Der Exekutionstitel ist seit vollstreckbar. Die Kläger leisteten auf die titulierte Kapitalforderung - durch Überweisungen - bereits am eine Teilzahlung von 7.000 EUR und am eine weitere Teilzahlung von 1.569,74 EUR an die beklagte Partei zu Handen deren Vertreters. Zuvor hatten sie den Beklagtenvertreter - unter Betonung ihrer Zahlungswilligkeit - um Mitteilung ersucht, ob dessen Mandantin bereit sei, „mit der restlichen Bezahlung bis zum Abschluss der anhängigen Verfahren zuzuwarten". Jene Zahlungen wurden dem Bankkonto des Beklagtenvertreters am 5. August und am gutgeschrieben. Der Beklagtenvertreter überwies beide Beträge - letzteren unter Abzug von 122,50 EUR, insoweit somit lediglich 1.447,24 EUR - an den Klagevertreter zurück. Der Betrag von 7.000 EUR wurde - begleitet von einem anwaltlichem Schriftverkehr, in dem der Klagevertreter die Nichtannahme der Teilzahlung als Schikane bezeichnete - insgesamt dreimal hin- und zurücküberwiesen. Nach der dritten Überweisung drohte der Beklagtenvertreter dem Klagevertreter an, er werde ihn persönlich auf Unterlassung klagen, sollte er den rücküberwiesenen Betrag neuerlich überweisen. In einem Schreiben des Klagevertreters an den Beklagtenvertreter nach der ersten Rücküberweisung der 7.000 EUR behaupteten die Kläger sodann, in Höhe des Rests der Kapitalforderung der beklagten Partei von 4.572,98 EUR eine Gegenforderung zu haben. Der Betrag von 7.000 EUR wurde dem Konto des Klagevertreters letztmalig wieder am , jener von 1.447,24 EUR am gutgeschrieben. In Ansehung der Zahlung von 7.000 EUR begründete der Beklagtenvertreter die Rücküberweisung ausdrücklich damit, dass die beklagte Partei zur Annahme einer Teilzahlung nicht verpflichtet sei. Der Betrag von 1.569,74 EUR werde in Anrechnung auf die Kapitalschuld der Kläger gleichfalls nicht angenommen; es handle sich dabei um die Retournierung jener Leistung, die die betreibende Partei an die Kläger auf Grund eines von Letzteren in einem anderen Verfahren erwirkten Kostenzuspruchs habe zahlen müssen. Davon seien jedoch 122,50 EUR abzuziehen gewesen, die der betreibenden Partei an Rekurskosten zuerkannt worden seien. Die Kläger verneinten eine solche Abzugsberechtigung. Sie hinterlegten in der Folge 7.000 EUR und 1.569,74 EUR bei Gericht; dieses nahm diese Beträge mit den Beschlüssen vom 9. November und gemäß § 1425 ABGB an. Deren Ausfolgung „wird auf Antrag der Erlagsgegnerin" - der betreibenden Partei - „oder auf Grund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung erfolgen". Sie sind fruchtbringend angelegt. Ein Ausfolgungsantrag wurde bisher nicht gestellt. Die Annahme von Teilzahlungen bewirkt in „einer Rechtsanwaltskanzlei ... einen höheren administrativen Aufwand" als die Entgegennahme einer Vollzahlung.

Die Kläger begehrten in ihrer Oppositionsklage den Ausspruch, dass die betriebene Forderung von 13.142,72 EUR samt Zinsen von 414,81 EUR und Exekutionskosten von 525,36 EUR erloschen sei. Sie brachten vor, Teilbeträge von 7.000 EUR und 1.569,74 EUR gezahlt und diese nach deren Rücküberweisung gerichtlich hinterlegt zu haben. Gegen den Rest der betriebenen Forderung von 4.572,98 EUR hätten sie - aus dem Titel des Schadenersatzes - mit einer Kostenersatzforderung gegen die betreibende Partei aus noch anhängigen Prozessen zwischen den Streitteilen aufgerechnet, weil sie an ihren anwaltlichen Vertreter bisher einen Betrag zumindest in dieser Höhe hätten leisten müssen. Die beklagte Partei wendete ein, zur Annahme von Teilzahlungen nicht verpflichtet gewesen zu sein. Die Annahme von Teilzahlungen verursache einen höheren Aufwand als die Buchung einer Vollzahlung. Daher seien die Rücküberweisungen der Teilzahlungen zu Recht erfolgt. Infolgedessen komme dem gerichtlichen Erlag dieser Beträge keine schuldbefreiende Wirkung zu. Die von den Klägern ins Treffen geführte Aufrechnung scheide aus, weil keines der in der Klage angeführten Verfahren rechtskräftig beendet sei. Es mangle daher an rechtskräftigen Kostenzusprüchen zu Gunsten der Kläger. Eine wirksame Aufrechnung setzte jedoch eine fällige Gegenforderung voraus. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach dessen Ansicht kommt eine Aufrechnung mit Kostenersatzansprüchen aus Gerichtsverfahren in Ermangelung von Kostenzusprüchen, die eine Kompensation rechtfertigen könnten, nicht in Betracht. Die beklagte Partei sei ferner gemäß § 1415 ABGB nicht verpflichtet gewesen, Teilzahlungen auf die betriebene Forderung anzunehmen. Das Recht, Teilzahlungen zurückzuweisen, unterliege nur den durch das Schikaneverbot gezogenen Grenzen. Schikane sei hier zu verneinen.

Das Berufungsgericht wies die Klage in Ansehung eines Teilbegehrens von 525,36 EUR (Exekutionskosten) zurück; im Übrigen gab es dem Klagebegehren mit einem Teilbetrag von 8.569,74 EUR sA statt und bestätigte ferner das Ersturteil betreffend das Mehrbegehren von 4.572,98 EUR sA. Die ordentliche Revision ließ es zu. Rechtlich führte es aus, ein aus den §§ 41 ff ZPO abgeleiteter Anspruch auf Kostenersatz beruhe auf öffentlichem Recht. Ein solcher könne daher "nicht aus dem Titel des Schadenersatzes aufgerollt werden". Dessen Durchsetzung könne vielmehr lediglich im kostenrechtlichen Nebenverfahren gemäß §§ 52 ff ZPO erfolgen. Die von den Klägern in Ansehung eines Teils der betriebenen Forderung von 4.572,98 EUR sA angestrebte Kompensation scheitere daher nicht nur an der mangelnden Fälligkeit der geltend gemachten Gegenforderung, sondern auch an der Unzulässigkeit des Rechtswegs.

Die Zurückweisung der beiden Teilzahlungen durch die beklagte Partei sei indes rechtsmissbräuchlich erfolgt, habe diese „doch nicht davon ausgehen" dürfen, sie werde „durch eine Forderungsexekution die gesamte Forderung auf einmal einbringlich machen" können, sodass für sie und ihren Vertreter „die von ihr offensichtlich als unzumutbar beschwerlich erachtete längere Evidenthaltung des Aktes und Zinsenberechnung je nach Teilleistungen" unvermeidlich gewesen sei. Die Kläger seien daher ab Überweisung der Teilbeträge in dieser Höhe nicht mehr in Verzug gewesen, weil der nach § 1425 ABGB gerechtfertigte Gerichtserlag schuldbefreiende Wirkung gehabt habe. Ein Oppositionsgrund in Ansehung der Exekutionskosten von 525,36 EUR bestehe nicht; insofern sei vielmehr der Rechtsweg unzulässig, weil die Aberkennung solcher Kosten nur nach § 75 EO erfolgen könne. Die Entscheidung hänge von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab, weil es an einer jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Berechtigung der Nichtannahme von Teilzahlungen mangle.

Die Revision der Kläger ist unzulässig; jene der beklagten Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

I. Zur Revision der Kläger

1. Die Kläger bezeichneten ihr Rechtsmittel als „außerordentliche Revision" und meinen, das Berufungsgericht „hätte die Revision ... aufgrund einer wesentlichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf Seiten der klagenden Parteien zulassen müssen". Sie übergehen damit, dass das Berufungsgericht nicht bloß die Revision der beklagten Partei gegen den klagestattgebenden Teil der in zweiter Instanz ergangenen Entscheidung zuließ, sondern ganz allgemein aussprach, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es löste die Zulassungsfrage daher nicht auf dem Boden eines parteispezifischen Selektionsprozesses (vgl insofern zum Revisionsrekurs Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 528 ZPO Rz 26). Das erörterte Rechtsmittel ist somit prozessual gleichfalls als ordentliche Revision zu behandeln. Daraus folgt gemäß § 510 Abs 3 ZPO, dass in einer Zurückweisung wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage die Zurückweisungsgründe auszuführen sind.

2. Die Rechtsmittelwerber versuchen auf vielen Seiten, ihren Standpunkt zu begründen, sie hätten gegen die beklagte Partei einen Kostenersatzanspruch aus dem Titel des Schadenersatzes oder auf Grund anderer nicht näher erläuterter materiell-rechtlicher Bestimmungen, weil sie, ohne in den zwischen den Streitteilen anhängigen anderen Prozessen bereits einen vollstreckbaren Kostenersatzanspruch erwirkt zu haben, ihrem Prozessbevollmächtigen „zumindest EUR 4.572,98" als „Honorarakonto" gezahlt hätten und die Prozessführung der beklagten Partei in jenen Verfahren auf einer frei erfundenen Behauptung über eine Dienstbarkeit beruhe. Diesen Anspruch hätten sie gegen die betriebene Forderung aufrechnen dürfen. Als Stütze für ihre Sicht der Rechtslage berufen sie sich auf M. Bydlinski (in Fasching/Konecny² II/1 Vor §§ 40 ff ZPO Rz 2, § 41 ZPO Rz 2). Nach dessen Ausführungen soll ein prozessualer Kostenersatzanspruch nicht öffentlich-rechtlicher Natur, sondern „ein materieller Ersatzanspruch eigener Art bzw ein aus dem Eingriff in eine fremde Rechtssphäre abgeleiteter Schadenersatzanspruch" sein.

2. 1. Richtig ist, dass M. Bydlinski die in der Revision nur bruchstückhaft referierte Auffassung vertritt, die Kläger übergehen jedoch, dass dieser Autor - trotz des von ihm verfochtenen rechtlichen Wesens prozessualer Kostenersatzansprüche - zum Ergebnis gelangt, solche Ansprüche könnten „nicht mit eigener Klage, sondern nur in kostenrechtlichen Nebenverfahren der §§ 52 ff ZPO geltend gemacht werden" (aaO Vor §§ 40 ZPO Rz 2), über Prozesskosten sei daher nur nach §§ 41 ff ZPO „unter Ausschluss des Rechtswegs (Klagewegs) zu entscheiden"; es bestehe keine „über die gerichtliche Kostenbestimmung hinausgehende Ersatzpflicht" (aaO Vor §§ 40 ZPO Rz 4). Die Bestimmungen der Prozessordnung über den Kostenersatz seien „die spezielleren" gegenüber Vorschriften des ABGB und anderen primär materiellen Rechtsvorschriften. Deshalb sei „eine 'Korrektur' oder 'Ergänzung' einer gerichtlichen Kostenentscheidung unter Berufung auf abweichende materiell-rechtliche Regeln grundsätzlich nicht möglich" (aaO Vor §§ 40 ZPO Rz 2).

3. Nach der Rechtsprechung entsteht ein prozessualer Kostenersatzanspruch entweder erst mit Rechtskraft einer ergangenen Kostenentscheidung (RIS-Justiz RS0035914) oder bedingt durch den Prozesserfolg bereits mit Vornahme der einzelnen Prozesshandlungen (RIS-Justiz RS0051738; s zur Problemlage ferner M. Bydlinski aaO § 41 ZPO Rz 3 f). Gegenstand eines Schadenersatzanspruchs können Prozesskosten dagegen nur sein, wenn darüber - anders als in anhängigen Prozessen über deren Kosten - nicht nach den Bestimmungen der Zivilprozessordnung abzusprechen ist (RIS-Justiz RS0022827). 3. 1. Die von den Klägern behauptete Kostenersatzforderung, mit der sie gegen den betriebenen Anspruch aufgerechnet haben wollen, ist daher nach den bisherigen Erwägungen entweder noch nicht entstanden oder nicht fällig (s zu Letzterem M. Bydlinski aaO § 41 ZPO Rz 4). In beiden Fällen musste eine Aufrechnung nach § 1439 ABGB scheitern (s dazu etwa nur Griss in KBB § 1439 ABGB Rz 1 bis 3). Außer den Klägern vertritt erkennbar niemand die Ansicht, eine Verfahrenspartei habe auf Grund ihrer Prozesshandlungen in einem anhängigen Zivilprozess parallel zum prozessualen Kostenersatzanspruch einen davon unabhängigen - und vor Ergehen einer gerichtlichen Kostenentscheidung sogleich aufrechenbaren - materiell-rechtlichen Anspruch in gleicher Höhe.

4. Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 508a Abs 1 ZPO bei Prüfung der Zulässigkeit der Revision an einen Ausspruch des Berufungsgerichts gemäß § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden. Die Entscheidung über die Revision der Kläger hängt, wie begründet wurde, nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab. Deren Rechtsmittel ist somit zurückzuweisen.

II. Zur Revision der beklagten Partei

1. Recht auf Zurückweisung von Teilzahlungen

1. 1. Die beklagte Partei hält im Revisionverfahren daran fest, das Recht, Teilzahlungen zurückzuweisen, sei nur durch das Schikaneverbot beschränkt. Ein schikanöses Verhalten sei ihr aber nach den Umständen dieses Falls nicht anlastbar. Die Kläger hätten ihre Geldschuld nur durch eine vollständige Leistung „ordnungsgemäß" erfüllen können. 1. 2. Der Zweck des § 1415 erster Satz ABGB, wonach Teilzahlungen nicht angenommen werden müssen, wird im Schrifttum in der Vermeidung der mit solchen Leistungen für den Gläubiger verbundenen Mühen (Gschnitzer in Klang² VI 381; Harrer/Heidinger in Schwimann² § 1415 ABGB Rz 1; Koziol in KBB § 1415 ABGB Rz 1; Reischauer in Rummel³ § 1415 ABGB Rz 6, 8) und Aufwendungen (Koziol aaO) gesehen. Deshalb treten Reischauer (aaO) und Koziol (aaO) für eine teleologische Reduktion der erörterten Norm in Fällen ein, in denen die Annahme von Teilleistungen - so etwa nach der Überweisung eines Teils einer Geldschuld auf ein Bankkonto - weder nennenswerte Mühen noch Aufwendungen verursacht; diesfalls seien Teilleistungen auf Geldschulden grundsätzlich anzunehmen.

Harrer/Heidinger, die den referierten Regelungszweck „heute aus guten Gründen als zweifelhaft" ansehen, halten indes an dem - nur durch das Schikaneverbot begrenzten - Recht des Gläubigers, Teilzahlungen zurückzuweisen, mit der Begründung fest, die vorgeschlagene teleologische Reduktion sei in Wahrheit eine „teleologische Aufhebung" einer ihrem Wortlaut nach eindeutigen Norm (aaO § 1415 ABGB Rz 1), obgleich „ein vernünftig handelnder Gläubiger ... eine Teilzahlung in aller Regel" annehmen werde (aaO § 1415 ABGB Rz 5). Gegen das eine teleologische Reduktion ablehnende Argument führt Reischauer (aaO § 1415 ABGB Rz 8) ins Treffen, dass § 1415 erster Satz ABGB außerhalb von Geldzahlung einen weiten Anwendungsbereich behalte. Überdies erfordere das Zurückweisen eines Teils und die spätere Übernahme des gesamten Betrags nicht weniger Kraftaufwand als die Übernahme zu zwei verschiedenen Terminen in Teilen. Die Rücküberweisung und die spätere Entgegennahme des gesamten Betrags sei mühevoller, als die Annahme von Teilzahlungen auf Grund zweier Überweisungen. Es liege ferner ein „Wandel der Normsituation" vor, weil sich das Wesen des Geldverkehrs seit 1811 grundlegend geändert habe. Der heutige bargeldlose Zahlungsverkehr und seine Techniken bereiteten Geldempfängern keine nennenswerten Mühen. 1. 3. Das Oberlandesgericht Wien folgte in der Entscheidung 12 R 168/01s (= RIS-Justiz RS0000017) der zuvor referierten Ansicht Reischauers und beschränkte dort den Anwendungsbereich der erörterten Norm auf „Nicht-Geldschulden", es erblickte jedoch letztlich in der Zurückweisung der in jenem Fall maßgebenden ersten Teilzahlung durch den Gläubiger einen dem Schikaneverbot nach § 1295 Abs 2 ABGB zuwider laufenden Rechtsmissbrauch. Der Oberste Gerichtshof nahm zur Möglichkeit einer teleologischen Reduktion des § 1415 erster Satz ABGB bisher nicht Stellung.

1. 4. Den weiteren Ausführungen ist voranzustellen, dass ein Gesetz nach der stRsp des Obersten Gerichtshofs - selbst im Rahmen historischer Auslegung - nach der "ihm eigenen Vernünftigkeit", also teleologisch "gemäß den erkennbaren Zwecken und dem Grundgedanken einer Regelung" zu verstehen ist. Als Auslegungsziel sind letztlich aber immer (nur) "die heute rechtlich maßgebenden relevanten Sinngehalte der Norm zu suchen". Sind objektiv-teleologische Kriterien maßgebend, so gehen sie einer isolierten subjektiv-historischen Auslegung vor, solange dabei weder widersprüchliche Ergebnisse erzielt noch offenbare Wertungswidersprüche in der Rechtsordnung provoziert werden (RIS-Justiz RS0109735).

1. 5. Seit In-Kraft-Treten des § 1415 erster Satz ABGB am 1. Jänner 1812 - die Stammfassung ist nach wie vor geltendes Recht - hat sich der Zahlungsverkehr, wie bereits Reischauer und das Oberlandesgericht Wien in der Entscheidung 12 R 168/01s festhielten, zumindest in Ansehung der bargeldlosen Abwicklung mittels Banküberweisungen grundlegend geändert. Die Verbuchung der teilweisen Tilgung einer Geldforderung auf Grund von Banküberweisungsbelegen ist für den Gläubiger jedenfalls dann mit keiner nennenswerten Mühe verbunden, wenn höhere Beträge im Verhältnis zur Gesamtschuld als Teilzahlungen überwiesen werden, also nicht etwa sukzessive eine „Unzahl kleiner Beträge" (Reischauer aaO § 1415 ABGB Rz 8) angewiesen wird. Dass der Gläubiger eine teilweise getilgte Forderung weiterhin in Evidenz halten muss, ist bei der Interessenabwägung bedeutungslos, hat er eine Evidenz doch auch im Fall einer Forderung, auf die keine Teilzahlungen geleistet wurden, aufrecht zu erhalten. 1. 6. Abgesehen von den erörterten faktischen Änderungen im Zahlungsverkehr änderte sich seit In-Kraft-Treten des ABGB auch das die Frage nach der Zulässigkeit von Teilzahlungen betreffende Normumfeld. Nach Art 39 Abs 2 WG 1955 darf der Wechselinhaber eine Teilzahlung nicht zurückweisen. Gleiches gilt gemäß Art 34 Abs 2 SchG 1955 für den Inhaber eines Schecks. Insofern merkte das Oberlandesgericht Wien in der Entscheidung 12 R 168/01s zutreffend an, diese Normen seien im erörterten Kontext im Licht der „im Allgemeinen nicht gerade schuldnerfreundlichen Bestimmungen" des Wechsel- und des Scheckgesetzes zu würdigen. Abgesehen von diesen als Stütze für eine teleologische Reduktion des § 1415 erster Satz ABGB ins Treffen geführten Normen (Koziol aaO; Reischauer aaO § 1415 ABGB Rz 8), haben insofern bestimmte weitere Umstände nach der geltenden Rechtslage erhebliches Gewicht. So dürfen Verbraucher Kredite gemäß § 12a KSchG und § 33 Abs 8 BWG ganz oder teilweise vorzeitig - durch die Verkürzung deren Laufzeit zinsenbegünstigt - tilgen (Kathrein in KBB § 12a KSchG Rz 2; Koziol aaO). Im Schrifttum wird ferner darauf hingewiesen, dass nach § 261 Abs 1 EO die Wegnahme von Geld durch das Vollstreckungsorgan im Fall der Pfändung zu Gunsten eines einzigen Gläubigers als (Teil-)Zahlung des Verpflichteten wirkt. Der betreibende Gläubiger darf demnach eine auf diese Weise exekutiv erwirkte Zahlung auch dann nicht zurückweisen, wenn damit nur ein Teil der betriebenen Forderung getilgt wird (Gschnitzer aaO 380; Koziol aaO; idS auch Mohr in Angst, EO § 261 Rz 5; Reischauer aaO § 1415 ABGB Rz 19). Im Übrigen kann gemäß § 1438 ABGB mit einer geringeren auch gegen eine höhere Forderung mit teilweiser Tilgungswirkung aufgerechnet werden (Dullinger in Rummel³ § 1438 ABGB Rz 13, 16; Gschnitzer aaO 380; Koziol aaO; Reischauer aaO § 1415 ABGB Rz 12). Die Aufrechnung wirkt aber grundsätzlich wie eine wechselseitige Zahlung (Dullinger aaO § 1438 ABGB Rz 13; vgl dazu ferner Griss aaO § 1438 ABGB Rz 6). Jedenfalls die Aufrechnung mit einer unbestrittenen Forderung steht einer Zahlung gleich (1 Ob 58/98f = SZ 72/25).

1. 7. Nach der unter 1. 4. erläuterten Auslegungsmaxime ist die Regelung des § 1415 erster Satz ABGB (Stammfassung) angesichts deren unter 1. 2. begründeten ratio nicht mehr so wie am 1. Jänner 1812 bei In-Kraft-Treten des ABGB zu verstehen. Das folgt zum einen aus der zuvor erörterten Rechtsentwicklung, zum anderen aber auch aus der gebotenen Bedachtnahme auf die durch § 261 Abs 1 EO und § 1438 ABGB getragenen Grundsätze, die das Recht auf Zurückweisung von Teilzahlungen einschränken. Nach Ansicht des erkennenden Senats ist daher die Regelung des § 1415 erster Satz ABGB iS der referierten Lehre teleologisch zu reduzieren. Alle bisherigen Erwägungen sind somit - beschränkt auf den im Anlassfall maßgebenden Sachverhalt - folgendermaßen zusammenzufassen:

Der Gläubiger einer Geldforderung ist gemäß § 1415 erster Satz ABGB nicht berechtigt, der Tilgung dienende Teilzahlungen des Schuldners im Zahlungsverkehr durch Überweisungen auf Bankkonten zurückzuweisen, wenn mit deren Annahme - wie im Fall der Überweisung weniger größerer Beträge im Verhältnis zur Gesamtschuld - weder nennenswerte Mühen noch besondere Aufwendungen verbunden sind. Solche Zahlungen wirken teilweise schuldbefreiend.

1. 8. Gerade das hier zwischen Rechtsanwälten geübte, von einem Schriftverkehr begleitete „Überweisungspingpong" zeigt, wieviel mehr Energie und Mühe - gegenüber relativ einfachen Buchungsvorgängen nach der Annahme von Teilzahlungen - ein Gläubiger einzusetzen bereit ist, um der Ansicht des Schuldners, die Zurückweisung geleisteter Teilzahlungen verletze das Schikaneverbot, - letztlich sogar unter Androhung der Einbringung einer Unterlassungsklage - entgegenzutreten.

Das Erstgericht hielt es für notorisch, dass die Buchung einer Vollzahlung weniger Mühe macht, als die Buchung weniger Teilzahlungen. Soweit ist bloß zu betonen, dass dieser bloß marginale Unterschied bei der Interessenabwägung nicht ins Gewicht fällt. Demzufolge war die beklagte Partei im Anlassfall verpflichtet, die Überweisung der maßgebenden - im Verhältnis zur Gesamtschuld nicht geringfügigen - Beträge anzunehmen.

2. Ergebnis

2. 1. Auf Grund der voranstehend begründeten teleologischen Reduktion des § 1415 erster Satz ABGB betreffend Teilzahlungen von Geldschulden im bargeldlosen Zahlungsverkehr über Bankkonten ist das Zurückweisungsrecht des Gläubigers, wenn ihm die Leistungsannahme keine nennenswerte Mühe bereitet, nicht durch das Schikaneverbot beschränkt (s dazu RIS-Justiz RS0033272), sondern der Gläubiger ist nach allen bisherigen Ausführungen zur Annahme der Teilzahlungen verpflichtet. Solche Zahlungen wirken daher teilweise schuldbefreiend (s sonst zur Ablehnung einer Teiltilgungswirkung RIS-Justiz RS0033316). Der Teilerfolg des Klagebegehrens hängt demnach nicht davon ab, ob die Zurückweisung der beiden Teilzahlungen als Rechtsmissbrauch zu beurteilen wäre, die beklagte Partei hatte vielmehr kein Zurückweisungsrecht. Das Berufungsgericht gab daher dem Klagebegehren im Ergebnis zutreffend teilweise statt, weshalb der Revision nicht Folge zu geben ist.

2. 2. Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO.