OGH vom 03.06.1980, 4Ob59/80
Norm
GeneralKollV § 2 Z 1;
GeneralKollV § 2 Z 2;
GeneralKollV § 2 Z 4;
GeneralKollV § 2 Z 5;
Kopf
SZ 53/88
Spruch
Ob der Arbeitnehmer im Sinne des § 2 Z. 2 des Generalkollektivvertrages über den Entgeltbegriff vor dem Urlaubsantritt "regelmäßig Überstunden geleistet" hat, ist auf Grund eines Beobachtungszeitraumes von 13 Wochen zu beurteilen, falls nicht besondere Umstände - z. B. Krankheit, Urlaub, saisonale Unterschiede o. dgl. - die Heranziehung eines längeren Zeitraumes geboten erscheinen lassen
4 Ob 59, 60/80 (LGZ Wien 44 Cg 213/79; ArbG Wien 6 Cr 187/79)
Text
Der Kläger begehrt von der beklagten Partei - seinem ehemaligen Arbeitgeber - letztlich die Zahlung eines Betrages von 6100 S brutto samt Anhang an restlichem Urlaubsentgelt und Urlaubsentschädigung. Von diesem Gesamtbetrag entfällt ein Teilbetrag von 1396.50 S an restlichem Urlaubsentgelt auf einen vom Kläger in der Zeit vom 10. bis verbrauchten Urlaub von 18 Werktagen (in Hinkunft "April-Urlaub" genannt) und ein weiterer Teilbetrag von 613.20 S an restlichem Urlaubsentgelt auf einen in der Zeit vom 3. bis verbrauchten Urlaub von 12 Werktagen ("Juli- Urlaub"). Beide Restbeträge ergeben sich daraus, daß die Beklagte Partei Überstunden, die nach Ansicht des Klägers regelmäßig geleistet wurden, bei der Berechnung des Urlaubsentgeltes nicht berücksichtigt hatte.
Ein dritter Teilbetrag von 4090.72 S entfällt auf eine restliche Urlaubsentschädigung für einen im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Kläger noch nicht verbrauchten Urlaubsanspruch von 24 Werktagen. Von diesem letztgenannten Teilbetrag entfallen nach Auffassung des Klägers 1226.41 S ebenfalls auf das bei der Berechnung der Urlaubsentschädigung nicht berücksichtigte Entgelt für angeblich regelmäßig geleistete Überstunden. Der restliche Teilbetrag von 2864.31 S ist ein - vom Kläger nicht näher aufgeklärter - Differenzbetrag auf die nach Meinung des Klägers ihm - neben dem oben erwähnten Betrag von 1226.41 S - gebührende Urlaubsentschädigung. Unter diesem Titel hat der Kläger einen Betrag von 17 188 S erhalten; nach seiner Auffassung gebührt ihm jedoch eine Urlaubsentschädigung von insgesamt 21 278.72 S. Der Kläger führt im einzelnen die von ihm verrichteten Überstunden und das hiefür gebührende Entgelt an; er errechnet den Überstundendurchschnitt und das sich daraus ergebende durchschnittliche Überstundenentgelt auf der Basis eines (dem Urlaub vorangegangenen) Berechnungszeitraumes von 12 Monaten.
Die beklagte Partei beantragte Klageabweisung. Sie bestritt, daß der Kläger die von ihm behaupteten Überstunden verrichtet habe sowie den Charakter der Regelmäßigkeit dieser Überstunden im Sinne des § 6 UrlG. Wegen der schlechten Auftragslage habe der Kläger in letzter Zeit kaum mehr Überstunden verrichtet und hätte während der Zeit des Urlaubes, falls er ihn nicht angetreten hätte, Überstunden nicht leisten müssen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren hinsichtlich eines - nicht näher aufgeschlüsselten - Bruttobetrages von 1924.82 S samt Anhang statt und wies das Mehrbegehren von 4175.60 S samt Anhang ab. Es traf folgende noch wesentliche Feststellungen:
Der seit 1975 bei der beklagten Partei beschäftigte Kläger wurde zum gekundigt. Im Jahr 1977 verrichtete er fast in jedem Monat Überstunden. Infolge eines Rückganges der Aufträge wurde die Zahl der Überstunden im Jahr 1978 reduziert. In den Monaten März, April und Juni 1978 leistete der Kläger keine Überstunden mehr. In der Zeit vom Jänner 1978 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses verrichtete er 28 1/2 Überstunden und erhielt hiefür 5097.20 S Überstundenentgelt bezahlt. In einer am protokollierten "Betriebsvereinbarung" vereinbarten die beklagte Partei und der Angestelltenbetriebsrat, daß für die Berechnung des Urlaubsentgelts Überstunden und einschlägige Zulagen innerhalb eines bestimmten Einschauzeitraumes heranzuziehen seien. Dieser Zeitraum wurde mit 1. November bis 31. Oktober des jeweiligen Folgejahres, für das Jahr 1978 jedoch für die Zeit vom 1. Jänner bis 31. Oktober vereinbart.
In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht von dieser Vereinbarung und der darin festgelegten Berechnungsweise und somit von einem "Einschauzeitraum" vom 1. Jänner bis aus. Auf diese Weise gelangte es - unter Berücksichtigung des Endes des Arbeitsverhältnisses mit - zu einem dem Kläger zuzusprechenden Betrag von 1924.82 S.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil, das in seinem dem Klagebegehren stattgebenden Teil unangefochten geblieben war, hinsichtlich eines (abgewiesenen) Teilbetrages von 594.70 S samt Anhang als Teilurteil und hob das erstgerichtliche Urteil im übrigen, das ist hinsichtlich eines abgewiesenen Teilbetrages von 3580.90 S samt Anhang sowie im Kostenpunkt unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und Fällung einer neuen Entscheidung zurück. Es führte das Verfahren gemäß § 25 Abs. 1 Z. 3 ArbGerG neu durch und traf mit Ausnahme der Feststellungen über die vom Kläger im Jahr 1978 geleisteten Überstunden und das hiefür erhaltene Überstundenentgelt die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht. Ergänzend stellte es fest: Der Kläger verbrauchte im Jahr 1978 einen Urlaub in der Dauer von 18 Werktagen in der Zeit vom
10. bis 29. April und einen weiteren Urlaub von 12 Werktagen in der Zeit vom 3. bis 15. Juli; im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hatte er noch einen offenen Urlaubsanspruch von 24 Werktagen. Die zwischen dem Angestelltenbetriebsrat und der beklagten Partei abgeschlossene Vereinbarung vom enthält keine Bestimmung über ihren Wirksamkeitsbeginn.
In rechtlicher Hinsicht ging das Berufungsgericht davon aus, daß mangels einer Feststellung über die Höhe des zwischen den Parteien vereinbarten Monatsgehaltes eine Berechnung der dem Kläger - ohne Rücksicht auf etwaige regelmäßig geleistete Überstunden - zustehenden Urlaubsentschädigung nicht möglich sei. Aus diesem Grund müsse das erstgerichtliche Urteil hinsichtlich des vom Kläger - ohne Rücksicht auf regelmäßig geleistete Überstunden - an Urlaubsentschädigung begehrten Differenzbetrages von 2864.31 S aufgehoben werden.
Die übrigen rechtlichen Ausführungen des Berufungsgerichtes lassen sich dahin zusammenfassen, daß für die Beantwortung der Frage, ob regelmäßig geleistete Überstunden im Sinne des § 6 UrlG vorliegen, mangels Anwendbarkeit der vorerwähnten "Betriebsvereinbarung" - welche ja erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien vereinbart worden sei - ein Beobachtungszeitraum von 13 Wochen und nicht - wie der Kläger meine - ein solcher von 12 Monaten heranzuziehen sei. Der gleiche Zeitraum sei für die Berechnung des durchschnittlichen Überstundenentgelts zu berücksichtigen. Hinsichtlich des April-Urlaubes sei die Frage der Verrichtung regelmäßig geleisteter Überstunden zu bejahen, weil der Kläger nach seinem Vorbringen im Jänner 1978 sieben und im Feber 1978 16 1/2 Überstunden verrichtet habe; nach den Behauptungen der beklagten Partei habe er im Jänner 1978 16 1/2 und in der ersten Aprilwoche fünf Überstunden verrichtet. In beiden Fällen lägen noch regelmäßig geleistete Überstunden vor, es sei denn, der beklagten Partei gelänge der Nachweis, daß Überstunden infolge einer wesentlichen Änderung des Arbeitsanfalles nicht oder nur in in geringerem Ausmaß in der auf den Urlaub entfallenden Zeit zu leisten gewesen wären. Da nicht feststehe, welches Überstundenentgelt der Kläger im Beobachtungszeitraum erhalten habe, müsse das erstgerichtliche Urteil auch hinsichtlich eines weiteren Teilbetrages von 716.59 S (restliches Urlaubsentgelt für den April-Urlaub) aufgehoben werden.
Hinsichtlich des Juli-Urlaubes und der Urlaubsentschädigung stunden jedoch dem Kläger auf der Grundlage der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsauffassung über den Beobachtungs- und Berechnungszeitraum von 13 Wochen nach dem Vorbringen beider Parteien weitere Beträge deshalb nicht zu, weil der Kläger unter beiden Annahmen ohnehin mehr erhalten habe, als ihm gebühre.
Der Oberste Gerichtshof gab weder der Revision noch dem Rekurs des Klägers Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Gegenstand des Revisions- und des Rekursverfahrens ist allein die Rechtsfrage, wie weit ein Überstundenentgelt als regelmäßiges Entgelt im Sinne des § 6 UrlG und des § 2 Z. 2 des Generalkollektivvertrages über den Entgeltbegriff des § 6 UrlG anzusehen und demgemäß bei der Berechnung des Urlaubsentgeltes und der Urlaubsentschädigung zu berücksichtigen ist. Die in den Rechtsmittelausführungen vorgetragene Meinung des Klägers läßt sich dahin zusammenfassen, daß zwar nur regelmäßig geleistete Überstunden in die Berechnung einzubeziehen seien, für die Beurteilung ihres regelmäßigen Charakters aber nicht ein Zeitraum von 13 Wochen, sondern ein solcher von 12 Monaten heranzuziehen sei, weil die Ansprüche auf Urlaub und auf Urlaubsentschädigung auf diesen Zeitraum abgestellt seien, auch bei Provisionen ein solcher Zeitraum berücksichtigt werde und ein Zeitraum von nur 13 Wochen weder in der Sache noch in irgendeiner Bestimmung begrundet sei.
Dieser Auffassung sind folgende Überlegungen entgegenzusetzen: Gemäß § 6 UrlG (BGBl. 390/1976) behält der Arbeitnehmer während seines Urlaubes den Anspruch auf das Entgelt (Abs. 1). Der Gesetzgeber unterscheidet hiebei zwischen einem nach Wochen, Monaten oder längeren Zeiträumen bemessenen Entgelt (Abs. 2) und den anderen Fällen eines Entgelts (Abs. 3). Im erstgenannten Fall darf das Entgelt für die Urlaubsdauer nicht gemindert werden, "in allen anderen Fällen" (Abs. 3) ist für die Urlaubsdauer das regelmäßige Entgelt (weiter) zu zahlen. Ein Teilausschnitt dieses Entgelts "in allen anderen Fällen" wird im Abs. 4 leg. cit. geregelt. Bei Akkord- , Stück- oder Gedinglöhnen, ferner bei akkordähnlichen oder sonstigen leistungsbezogenen Prämien oder Entgelten ist das Urlaubsentgelt nach dem Durchschnitt der letzten 13 voll gearbeiteten Wochen unter Ausscheidung von nur ausnahmsweise geleisteten Arbeiten zu berechnen.
Diesen gesetzlichen Bestimmungen läßt sich deutlich die Absicht des Gesetzgebers entnehmen, daß der Arbeitnehmer durch den Urlaubsantritt keinen wirtschaftlichen Nachteil erleiden (Klein - Martinek, Urlaubsrecht, 91) und daher das vor dem Urlaubsantritt regelmäßig bezogene Entgelt in grundsätzlich gleicher Höhe für die Zeit seines Urlaubes weiterbeziehen soll.
Der Begriff des Entgelts im Sinne des § 6 UrlG wurde in dem zwischen der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft und dem ÖGB über den Entgeltbegriff abgeschlossenen, am in Kraft getretenen Generalkollektivvertrag näher geregelt (siehe RdA 1978, 149 ff.). Gemäß § 2 Z. 1 dieses Kollektivvertrages gelten als Entgelt im Sinne des § 6 UrlG nicht Aufwandsentschädigungen sowie näher bezeichnete Sachbezüge und Leistungen, die im vorliegenden Zusammenhang aber ohne Bedeutung sind. Gemäß § 2 Z. 2 dieses Kollektivvertrages gelten als Bestandteil des regelmäßigen Entgelts im Sinne des § 6 UrlG auch Überstundenpauschalien sowie Leistungen für Überstunden, die auf Grund der Arbeitszeiteinteilung zu erbringen gewesen wären, wenn der Urlaub nicht angetreten worden wäre. Hat der Arbeitnehmer vor dem Urlaubsantritt regelmäßig Überstunden geleistet, so sind diese bei der Entgeltbemessung im bisherigen Ausmaß zu berücksichtigen, es sei denn, daß sie infolge einer wesentlichen Änderung des Arbeitsanfalles (z. B. wegen Saisonende oder Auslaufen eines Auftrages) nicht oder nur in geringerem Ausmaß zu leisten gewesen wären. Nach Z. 5 des § 2 dieses Kollektivvertrages sind für die Berechnung der in das Urlaubsentgelt einzubeziehenden Überstunden die dafür geltenden kollektivvertraglichen Durchschnittszeiträume anzuwenden.
Auch diese Bestimmungen des Generalkollektivvertrages lassen deutlich die Absicht der Normgeber erkennen, daß der Arbeitnehmer während seines Urlaubes das zuletzt bezogene Entgelt ungemindert weiterbeziehen soll. Dieser mit der vorerwähnten Absicht des Gesetzgebers des Urlaubsgesetzes übereinstimmende Normzweck muß nun der Beurteilung der Frage, was unter diesem Begriff zu verstehen ist, zugrunde gelegt werden, da der Begriff der "regelmäßig geleisteten Überstunden" nicht näher erläutert wird und da die Prozeßparteien Behauptungen über eine Arbeitszeiteinteilung oder über hiefür allenfalls in Betracht kommende kollektivvertragliche Durchschnittszeiträume im Sinne der Z. 5 des § 2 des angeführten Kollektivvertrages nicht aufgestellt haben. Zu prüfen ist daher zunächst, welcher Zeitraum für die Beantwortung der Frage, ob regelmäßig Überstunden geleistet wurden, heranzuziehen ist. Der vorerwähnten Absicht des Gesetzgebers und der Kollektivvertragsparteien entspricht jedoch ein kürzerer Beobachtungszeitraum eher als ein längerer Zeitraum, weil sich der Gedanke der Kontinuität des Entgelts im erstgenannten Fall besser verwirklichen läßt. Da in den Fällen des § 6 Abs. 4 UrlG für die Berechnung der darin genannten Entgeltsarten - unter welchen das Überstundenentgelt allerdings nicht enthalten ist - ein Zeitraum von 13 Wochen (rund 3 Monaten) vorgesehen ist, erscheint dieser Zeitraum grundsätzlich besser geeignet, ein entsprechendes Bild über die zuletzt regelmäßig verrichteten Überstunden zu bieten, als dies ein Zeitraum von einem Jahr vermag. Nur wenn aus besonderen Gründen (etwa Krankheit, Urlaub, saisonale Unterschiede usw.) ein solcher Zeitraum für eine derartige Beurteilung nicht ausreicht, wird ein dem Gedanken der Kontinuität besser entsprechender längerer Zeitraum heranzuziehen sein (vgl. Basalka in Adametz - Basalka - Mayr - Stummvoll, Kommentar zum Urlaubsgesetz 1977, 86 b; ferner RdA. 1978, 151). Innerhalb des vorerwähnten Zeitraumes müssen die Überstunden in einer Form verteilt sein, daß sich ihr regelmäßiger Charakter, d.
h. die, wenn auch nicht gleichmäßige, Wiederholung von Überstunden innerhalb dieses Zeitabschnittes, erkennen läßt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes kann ohne nähere Prüfung dieser Umstände derzeit noch nicht beurteilt werden, ob der Kläger vor dem April-Urlaub regelmäßig Überstunden im dargelegten Sinn verrichtet hat.
Da die gleichen Überlegungen auch für die Beurteilung des Berechnungszeitraumes im Sinne des § 2 Z. 5 des Generalkollektivvertrages gelten, kann der Auffassung des Berufungsgerichtes über die Heranziehung eines grundsätzlich gleich langen Zeitraumes, nämlich eines solchen von 13 Wochen, zugestimmt werden. Provisionen unterscheiden sich infolge ihres aus ganz verschiedenen Gründen, die vom Arbeitnehmer oft nicht beeinflußt werden können, stark schwankenden Ausmaßes vom Überstundenentgelt so erheblich, daß die Kollektivvertragsparteien wohl aus diesem Grund einen Berechnungszeitraum von 12 Monaten festgelegt haben (§ 2 Z. 4). Eine analoge Anwendung dieser Kollektivvertragsbestimmung auf das Überstundenentgelt wäre daher nicht gerechtfertigt.