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OGH vom 24.04.2019, 7Ob49/19k

OGH vom 24.04.2019, 7Ob49/19k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. R***** F*****, vertreten durch Dr. Georg-Christian Gass und Dr. Alexander M. Sutter, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 10.780,96 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 182/18v-31, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 61 Cg 20/18d-23, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom , GZ 61 Cg 20/18d-26, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 860,58 EUR (darin enthalten 143,43 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist niedergelassener Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Zwischen den Streitteilen besteht eine Betriebsunterbrechungsversicherung mit einer Versicherungssumme von 181.682 EUR. Als versichert gelten „die während der Dauer der Ordinationsunterbrechung nicht erwirtschafteten Betriebserträge abzüglich der in der Unterbrechungszeit nicht anfallenden Kosten, maximal 1/360 der vereinbarten Versicherungssumme je Tag“. Dem Versicherungsvertrag liegen die Klipp & Klar Bedingungen, Unternehmer & Erfolgreich Betriebsunterbrechungsversicherung für freiberuflich Tätige und Selbständige, Fassung 02/2001 (in Hinkunft FP01) zugrunde, die auszugsweise lauten:

Artikel 1

Was ist versichert? Wo und wann besteht Versicherungsschutz? Was gilt als Versicherungsfall?

1. Betriebsunterbrechung

Wird eine gänzliche oder teilweise Unte

2. Personenschaden

Unter Personenschaden versteht man die völlige (100%ige) Arbeitsunfähigkeit der namentlich genannten, für den Betrieb verantwortlichen und leitenden Person infolge

Artikel 3

Was ist ein Unterbrechungsschaden?

1. Der Unterbrechungsschaden errechnet sich aus dem während der Dauer der Betriebsunterbrechung, längstens jedoch während der Haftungszeit, in dem Betrieb nicht erwirtschafteten (entgangenen) versicherten Deckungsbeitrag (siehe Artikel 4). Davon werden ersparte (nicht anfallende) versicherte Kosten und zuzüglich Schadenminderungskosten im Sinne des Artikel 8 abgezogen.

[...]

Artikel 4

Was ersetzen wir?

1. Deckungsbeitrag im Sinne dieser

2. Die Betriebserträge umfassen die Umsatzerlöse

3. Variable Kosten sind Kosten, die als Folge der Betriebsunterbrechung wegfallen oder sich vermindern

4. Person

5. Bei der Ermittlung des versicherten Deckungsbeitrages bl

° Erträge, die mit dem versicherten […] Dienstleistungsbetrieb nicht unmittelbar zusammenhängen (betriebsfremde und außerordentliche Erträge).

° betriebsfremde und außerordentliche Aufwendungen.

Artikel 5

Was ist der Versicherungswert? Wie hoch soll die Versicherungssumme sein?

Der Versicherungswert im Sinne des § 52 VersVG wird durch den Deckungsbeitrag gemäß Artikel 4 bestimmt, den der Versicherungsnehmer ohne Unterbrechung des Betriebes während der dem Eintritt des […] Personenschadens folgenden 12 Monate erwirtschaften würde. Die Versicherungssumme hat dem Versicherungswert zu entsprechen, […]. Für Versicherungsfälle gemäß Artikel 1 – völlige Arbeitsunfähigkeit wegen [...] Unfall […] – gilt der Versicherungswert als Taxe gemäß § 57 VersVG.

Artikel 6

Wann beginnt und wann endet der Unterbrechungsschaden?

1. Haftungszeit

Unsere Haftungszeit beginnt bei Eintritt der Betriebsunterbrechung. Sie dauert für Unterbrechungsschäden gemäß Artikel 1 – Personenschaden

[...]

Artikel 7

Was umfasst unsere Leistungspflicht?

1. Personenschaden

Für Versicherungsfälle – gemäß Artikel 1 Personenschaden – wird pro Tag 1/360 des Versicherungswertes geleistet.

[...]

Artikel 8

Welche Aufwendungen des Versicherungsnehmers werden ersetzt?

1. Aufwendungen, die der Versicherungsnehmer zur Abwendung oder Minderung des Unterbrechungsschadens macht, haben wir zu ersetzen.

° soweit sie den Umfang unserer Entschädigungspflicht verringern

[...]“

Der Kläger war aufgrund seiner bei einem Motorradunfall am erlittenen Verletzungen von diesem Tag bis zum [142 Tage] arbeitsunfähig. Der Deckungsbeitrag des Betriebs des Klägers betrug im Jahr 2014 388.523,22 EUR und im Jahr 2015 432.554,10 EUR.

Der Kläger hätte mit seinem Betrieb ohne Eintritt seiner Arbeitsunfähigkeit einen Deckungsbeitrag

° von bis von 173.748,98 EUR (= täglich 1.223,58 EUR),

° von bis von 435.262,59 EUR (= täglich 1.192,50 EUR) und

° von bis von 477.523,15 EUR (= täglich 1.308,28 EUR) erwirtschaften können.

Tatsächlich erwirtschaftete der Kläger einen Deckungsbeitrag von bis von 112.617,11 EUR (= täglich 793,08 EUR).

Der Kläger begehrte zuletzt die Zahlung von 10.780,96 EUR sA. Die Beklagte habe 142/360 des Versicherungswerts (181.682 EUR), sohin 71.663,14 EUR (= 504,67 EUR x 142) zu leisten. Abzüglich des von der Beklagten bereits bezahlten Betrags ergebe sich die Klagsforderung. Der Deckungsbeitrag, den der Versicherungsnehmer ohne Unterbrechung des Betriebs während der dem Eintritt des Personenschadens folgenden 12 Monate erwirtschaftet hätte (Art 5 FP01), betrage 477.523,50 EUR bzw täglich 1.308,28 EUR.

Die Beklagte bestritt das Klagsvorbringen und beantragte Klagsabweisung. Die vereinbarte Tagestaxe von 504,67 EUR übersteige den wirklichen Versicherungswert erheblich. Der tatsächlich beim Kläger eingetretene Unterbrechungsschaden im Sinn des Art 3 FP01 belaufe sich auf täglich 428,75 EUR. Der Unterbrechungsschaden von insgesamt 60.862,48 EUR sei von der Beklagten zur Gänze beglichen worden.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung eines weiteren Betrags von 249,69 EUR sA. Das Mehrbegehren von 10.531,27 EUR sA wies es ab. Es erachtete unter Anwendung des § 57 VersVG den tatsächlichen Schaden aufgrund des Einsatzes von Ersatzkräften während der Arbeitsunfähigkeit des Klägers mit täglich 430,50 EUR (= 173.748,98 EUR - 112.617,11 EUR : 142) um 14,7 % niedriger als die vereinbarte Taxe von 504,67 EUR, sodass nur der tatsächlich entstandene Schaden zu ersetzen sei. Der entgangene Deckungsbeitrag (= Schaden) im Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit [29. Mai bis ] betrage 61.131,87 EUR [= 173.748,98 EUR - 112.617,11 EUR]. Davon habe die Beklagte bereits 60.882,18 EUR an Kapital bezahlt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Unstrittig sei, dass für den hier zu beurteilenden Versicherungsfall einer Betriebsunterbrechung durch völlige Arbeitsunfähigkeit des Klägers wegen seines Unfalls eine Taxe von 504,67 EUR vereinbart worden sei. Bei einer 142-tägigen Unterbrechung stünde daher dem Kläger eine Ersatzleistung von insgesamt 71.663,14 EUR zu. Zu vergleichen sei aber nur der taxierte und der wirkliche Versicherungswert. Ersterer betrage unstrittig 181.682 EUR und entspreche 504,67 EUR täglich. Zweiterer errechne sich aus der Differenz zwischen dem Deckungsbeitrag für den 12-monatigen Zeitraum ab Eintritt des Personenschadens ( bis zum ) ohne Unterbrechung [477.523,15 EUR] und jenem mit Unterbrechung [477.523,15 EUR - 173.748,98 EUR + 112.617,11 EUR = 416.391,28 EUR] und betrage 61.131,87 EUR bzw 430,15 EUR täglich. Aus diesem Vergleich ergebe sich eine Überhöhung der vereinbarten Taxe (71.663,14 EUR für 142 Tage oder 504,67 EUR täglich) um 14,7 % gegenüber dem Ersatzwert (61.131,87 EUR für 142 Tage oder 430,50 EUR täglich), die als erheblich anzusehen sei. Der versicherte Unterbrechungsschaden sei der im Betrieb während der Dauer der Betriebsunterbrechung nicht erwirtschaftete (entgangene) Deckungsbeitrag. Vom 29. Mai bis habe der Betrieb des Klägers tatsächlich einen Deckungsbeitrag von 112.617,11 EUR (täglich 793,08 EUR) erwirtschaftet; ohne Eintritt der Arbeitsunfähigkeit des Klägers hätte er im selben Zeitraum einen Deckungsbeitrag von 173.748,98 EUR (täglich 1.223,58 EUR) erwirtschaftet. Der tatsächliche Unterbrechungsschaden von 61.131,87 EUR, den die Beklagte zu ersetzen habe, sei bereits beglichen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, welche Zeiträume im Sinn des § 57 VersVG bei einer Betriebsunterbrechungsversicherung zur Feststellung, ob die Taxe den Ersatzwert erheblich übersteige, gegenüberzustellen seien.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte begehrt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

1. Der Kläger argumentiert, der beigezogene Sachverständige hätte zur Ermittlung des nicht erwirtschafteten Deckungsbeitrags für den Zeitraum bis nicht die durchschnittlichen Umsätze der drei der Betriebsunterbrechung vorangegangenen Jahre zugrunde legen dürfen, sondern der Ertrag des zuletzt vorangegangenen Jahres hätte mit der durchschnittlichen Ertragssteigerung der letzten drei vorangegangenen Jahre valorisiert werden müssen.

1.1 Dem von ihm eingeholten Sachverständigengutachten folgend, traf das Erstgericht die vom Berufungsgericht übernommene Feststellung, dass der (fiktive) Deckungsbeitrag für den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit des Klägers, sohin vom 29. 5. bis 173.748,98 EUR betrug.

1.2 Die Anfechtung der Ergebnisse von Sachverständigengutachten mit Revision ist nur insoweit möglich, als dabei ein Verstoß gegen zwingende Denkgesetze oder zwingende Gesetze des sprachlichen Ausdrucks unterlaufen ist (RS0043404), nicht aber das Ergebnis der Anwendung einer an sich geeigneten Methode (RS0118604 [T5]; RS0127336). Besteht – wie hier – keine gesetzlich vorgeschriebene Methode, so unterliegt das von der Tatsacheninstanz gebilligte Ergebnis eines Gutachtens grundsätzlich keiner Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof, weil es um eine Tatfrage geht (RS0118604).

Gegen die generelle Eignung der Methode des Sachverständigen, den Deckungsbeitrag für einen bestimmten Zeitraum anhand des Durchschnitts der Steigerungen der Deckungsbeiträge der unmittelbar vorangegangenen Jahre zu ermitteln, vermag der Kläger keine Bedenken zu erwecken.

2. Die Betriebsunterbrechungsversicherung ist eine Sachversicherung, bei der der Betrieb, nicht die Person des Betriebsinhabers versichert ist (RS0080975). Die Entschädigung aus der Versicherung kann sich daher nur auf den Ausfall eines Betriebs, nicht aber auf einen bloßen Personenschaden erstrecken (7 Ob 137/14v). Versicherte Gefahr in der Berufsunfähigkeitsversicherung ist der vorzeitige Rückgang oder der Verlust der beruflichen Leistungsfähigkeit (RS0111998). Eine gänzliche Unterbrechung des versicherten Betriebs liegt dann vor, wenn der gesamte Betrieb des Versicherungsnehmers unterbrochen ist, das heißt ein vollständiger Stillstand der Betriebsabläufe eingetreten ist. Eine teilweise Betriebsunterbrechung besteht dann, wenn der Betrieb oder Betriebsteile des Versicherungsnehmers nur noch eingeschränkt fortgesetzt werden können. Mit der teilweisen Unterbrechung ist nichts anderes gemeint als eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit (7 Ob 137/14v).

3.1 Bei einer Sachversicherung ist – soweit sich aus den Umständen nichts anderes ergibt – der Wert der Sache (= Betrieb bzw Erlösverlust) der Versicherungswert (§ 52 VersVG).

In der Betriebsunterbrechungsversicherung wird der Versicherungswert in der Regel – wie auch hier in Art 5 FP01 – durch den Deckungsbeitrag bestimmt, den der Versicherungsnehmer ohne Unterbrechung des Betriebs während der dem Eintritt der versicherten Gefahr folgenden 12 Monate erwirtschaftet hätte (Schauer in Schauer/Fenyves Versicherungsvertragsgesetz § 52 Rz 18).

3.2 Der Versicherungswert kann durch Vereinbarung auf einen bestimmten Betrag (Taxe) festgesetzt werden. Diese Taxe gilt auch als der Wert, den das versicherte Interesse zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls hat, es sei denn, dass sie den wirklichen Versicherungswert in diesem Zeitpunkt erheblich übersteigt (§ 57 VersVG). Damit wird eine Ausnahme vom versicherungsrechtlichen Bereicherungsverbot normiert, wonach der Versicherer gemäß § 55 VersVG nicht verpflichtet ist, mehr als den eingetretenen Schaden zu ersetzen. Diese Bestimmung ist zwingendes Recht. Die Vereinbarung einer solchen Taxe erübrigt die Feststellung der Höhe des vom Versicherer zu leistenden Schadenersatzes. Der Versicherungsnehmer hat bei Vorliegen einer Taxvereinbarung daher nicht die Höhe des tatsächlich entstandenen Schadens darzutun. Es ist vielmehr von der Richtigkeit der vereinbarten Taxe auszugehen. Diese Durchbrechung des Bereicherungsverbots begegnet aber insofern Schranken, als sich der Versicherer darauf berufen kann, dass zur Zeit des Versicherungsfalls die Taxe den Ersatzwert erheblich übersteigt. Insofern trifft den Versicherer die Beweislast. Zunächst ist daher von der Richtigkeit der getroffenen Taxvereinbarung auszugehen. Erhebt der Versicherer den Einwand, dass die Taxe den Versicherungswert erheblich übersteigt, hat er Behauptungen darüber aufzustellen, dass die Taxe den Ersatzwert um mehr als 10 % übersteigt (7 Ob 310/00i mwN; RS0111473).

3.3 Zwischen den Streitteilen ist unstrittig, dass die Versicherungssumme mit 181.682 EUR und einer täglichen Taxe von 504,67 EUR festgelegt wurde. Ebenfalls unbestritten ist, dass keine gänzliche Betriebsunterbrechung vorlag, sondern der Kläger den Betrieb durch Einsatz von Vertretern eingeschränkt aufrechterhielt.

4.1 Die vom Berufungsgericht als rechtlich erheblich angesehene Frage, welche Zeiträume im Sinn des § 57 VersVG bei einer Betriebsunterbrechungsversicherung zur Feststellung, ob die Taxe den Ersatzwert erheblich übersteigt, einander gegenüberzustellen sind, stellt sich hier nicht. Im vorliegenden Fall ist dem Kläger nur ein Teilschaden insofern entstanden, als ihm nicht der gesamte Deckungsbeitrag entgangen ist, sondern nur jener Teil, den er durch den Einsatz von Vertretern nicht substituieren konnte. Zu klären ist daher, ob die Taxe bei einem Teilschaden mangels dafür getroffener Vereinbarung überhaupt zur Anwendung gelangt.

4.2 In der Lehre wird vertreten, dass bei Teilschäden der besondere Vorzug der Taxe für den Versicherungsnehmer, nämlich dass er den Wert des versicherten Interesses nicht nachweisen muss, sondern den taxierten Betrag fordern kann, nicht zur Anwendung gelangt. Möglich sei es aber, für bestimmte Teilschäden eigene Taxbeträge oder Prozentsätze der Taxen zu vereinbaren (Schauer aaO § 57 Rz 9; vgl auch Armbrüster in Prölls/Martin Versicherungsvertragsgesetz VVG30§ 76 Rn 10).

Schnepp in Bruck/Möller Versicherungsvertragsgesetz9§ 76 Rn 35) geht davon aus, dass bei einem Teilschaden zu differenzieren sei. Grundsätzlich bleibe ungeachtet einer vereinbarten Taxe die Feststellung der Schadenshöhe erforderlich, diese sei nach allgemeinen Grundsätzen darzulegen und zu beweisen. Gleichwohl könne die vereinbarte Taxe in hier nicht vorliegenden Fällen von Bedeutung sein.

Halbach in Langheid/Wandt Münchener Kommentar zum VVG2§ 76 Rn 7, meint, dass bei einem Teilschaden die Beweiserleichterung wie bei der Taxe nicht ohne weiteres gilt. Für Teilschäden könne eine Taxe vereinbart werden, wobei ein Festbetrag oder ein Prozentsatz in Betracht kommt.

4.3 Der erkennende Senat geht davon aus, dass in dem Fall, in dem in der Betriebsunterbrechungsversicherung ein Teilschaden dadurch eintritt, dass bei bloß teilweiser Betriebsunterbrechung der Deckungsbeitrag nur teilweise nicht erwirtschaftet werden konnte, nicht die über dem Teilschaden liegende Taxe zu ersetzen ist, sondern nur der tatsächlich nicht erwirtschaftete Deckungsbeitrag und zwar aus folgenden Gründen:

4.3.1 Eine Taxe ist (wie dargestellt) die Fixierung des Versicherungswerts mit der bindenden Folge, dass im Totalschadensfall der Taxbetrag als Versicherungsleistung zu erbringen ist (vgl auch zum VVG: Schnepp aaO Rn 21; Schneider in Staudinger/Halm/Wendt, Versicherungsrecht Kommentar2§ 76 Rn 6). Mit der Taxe wird damit der Wert des (gesamten) versicherten Interesses festgelegt.

4.3.2 Da die Taxe den Versicherungswert im Totalschadensfall fixiert, rechtfertigt die damit angestrebte Beweiserleichterung die Durchbrechung des Bereicherungsverbots aber nicht, wenn bloß ein Teilschaden vorliegt. Die Heranziehung der für den Totalschadensfall fixierten Taxe für den Ersatz eines Teilschadens kommt damit – als jedenfalls dem Bereicherungsverbot des § 55 VersVG widersprechend – nicht in Betracht.

4.3.3 Der Ersatzbetrag richtet sich daher mangels entsprechender Vereinbarung in solchen Fällen nach dem tatsächlich nicht erwirtschafteten Deckungsbeitrag. Der Ersatz eines dem Verhältnis des Teilschadens zum wahren Versicherungswert entsprechenden Anteils an der Taxe ist dagegen abzulehnen. In diesem Fall wären nicht nur der wahre Versicherungswert, der konkrete Schaden und dessen Anteil am wahren Versicherungswert zu ermitteln, sondern dieser Anteil müsste auch noch zur Taxe ins Verhältnis gesetzt werden, was die Schadensfeststellung nicht erleichert. Erfüllt daher bei einem derartigen Teilschaden die Taxe den von den Parteien beabsichtigten Zweck nicht, hat sie außer Acht zu bleiben.

5. Der festgestellte – vom Sachverständigen unter Berücksichtigung der vom Kläger für die Vertretungsärzte aufgewendeten Kosten ermittelte – Unterbrechungsschaden wurde von der Beklagten bereits beglichen bzw ihre Verpflichtung dazu nicht bestritten. Der Revision ist daher der Erfolg zu versagen.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 41, 50 ZPO.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0070OB00049.19K.0424.000

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