OGH vom 09.07.2008, 7Ob39/08y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Grohmann als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Antragstellerin Aloisia P*****, vertreten durch Mag. Manfred Pollitsch und Mag. Hannes Pichler, Rechtsanwälte in Graz, wegen Kraftloserklärung von Urkunden, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom , GZ 2 T 161/07z-35, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Leoben vom , GZ 27 T 22/06m-26, teilweise aufgehoben und teilweise bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Antragstellerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin beantragt die Einleitung des Verfahrens zur Kraftloserklärung von Wertpapieren, nämlich „12 Stück Zehntelanteile zu C***** Serie *****, Kupon-Nr *****, Konto-Nr *****, Auftraggeber Josef P*****" und „330 Stück C*****-Miteigentumsanteile zu Kupon Nr *****, Wertpapier-Kennnummer *****, Konto-Nr *****, zugunsten Konto P***** Josef". Die Wertpapiere hätten dem am verstorbenen Josef P***** gehört, dessen Alleinerbin sie sei und seien nach dessen Tod in Verlust geraten.
Auf die erste Anfrage (§ 4 KEG) teilte die Emittentin der „C*****-Miteigentumsanteile", die E*****gesellschaft m.b.H. in W*****, dem Erstgericht mit, die Urkunde „330 C*****-Miteigentumsanteile zu Kupon Nr *****, Wertpapier-Kennnummer *****, Konto-Nr *****, zugunsten Konto Josef P*****" sei nicht hinreichend spezifiziert. Effektive Stücke (Mantel) wie Zinsbögen trügen Stücknummern und seien durch diese identifizierbar. Unklar sei, ob nur der Zinsbogen (Kupon-Nr *****) oder der Mantel samt Zinsbogen für kraftlos erklärt werden solle. Weiters sei eine Wertpapier-Kontonummer ohne Bank genannt. Effektive Stücke zeichneten sich dadurch aus, dass sie nicht auf Wertpapierkonten elektronisch verbucht, sondern in Papierform (effektiv) beim Inhaber körperlich vorhanden seien. Insofern erscheine die Angabe einer Wertpapier-Kontonummer im Widerspruch zur Anfrage.
Die Antragstellerin erklärte, die Stücknummern der 330 C*****-Miteigentumsanteile nicht zu kennen. Es werde beantragt, die Stücknummern bei zwei von ihr als Auskunftspersonen namhaft gemachten Bankbeamten („Fondsbearbeiter") zu erfragen.
Das Erstgericht wies den Antrag hinsichtlich aller Wertpapiere im zweiten Rechtsgang (neuerlich) ab. Hinsichtlich der 330 C*****-Miteigentumsanteile hätte weder die Antragstellerin noch die E***** die erforderlichen Stücknummern der Zertifikate nennen können. Die übrigen Wertpapiere seien schon zu Lebzeiten des Josef P***** verkauft worden.
Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts hinsichtlich der 330 Stück C*****-Miteigentumsanteile (Punkt II. des Beschlusses). Hinsichtlich der anderen Wertpapiere hob es den erstinstanzlichen Beschluss auf und trug dem Erstgericht insoweit eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf (Punkt I. des Beschlusses).
Betreffend Punkt II. seiner Entscheidung führte es aus, die Angaben zur Erkennbarkeit der (für kraftlos zu erklärenden) Urkunde müssten zur Vermeidung der Abweisung des Antrags so vollständig sein, dass aus ihnen die Unterscheidbarkeit von anderen im Verkehr befindlichen ähnlichen oder gleichartigen Urkunden für das Gericht leicht gegeben sei. Da hinsichtlich der 330 Stück C*****-Miteigentumsanteile die Antragstellerin das entscheidende Individualisierungsmerkmal, nämlich die Zertifikatsnummern, nicht angeben könne, sei der Antrag insoweit ohne Beweisaufnahmen abzuweisen gewesen. Nach dem Kraftloserklärungsgesetz sei es Sache der Antragstellerin selbst, die besonderen Unterscheidungsmerkmale anzugeben. Diese seien nicht erst im Zuge des Verfahrens zu ermitteln. Nach dem neuen Außerstreitgesetz, BGBl I 2003/111, müsse der Antrag an sich kein bestimmtes Begehren enthalten (§ 9 Abs 1). Nach den Materialien solle diese Bestimmung aber nicht dahin missverstanden werden, dass in jedem Fall ein unbestimmtes Begehren gestellt werden könnte. Vielmehr ergebe sich in manchen Fällen ein besonderes Bestimmtheitserfordernis schon aus dem materiellen Recht. Als Beispiel dafür sei gerade auch die Kraftloserklärung genannt worden. Wie sich aus § 3 Abs 2 Z 1 KEG klar ergebe, sei im Fall der Kraftloserkärung von Wertpapieren eine hinreichende Antragsspezifizierung unabdingbar und Voraussetzung für jegliches weitere Bescheinigungsverfahren.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob das neue Außerstreitgesetz § 3 Abs 2 Z 1 KEG insofern abgeändert habe, als nun das Kraftloserklärungsverfahren auch fortzuführen sei, wenn der Antragsteller die besonderen Unterscheidungsmerkmale nicht angeben könne.
Gegen den bestätigenden Teil der Entscheidung der zweiten Instanz richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin, die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass dem Erstgericht auch hinsichtlich der 330 Stück C*****-Miteigentumsanteile eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen werden möge. Hilfsweise wird ein Abänderungsantrag dahin gestellt, dem Antrag auf Kraftloserklärung hinsichtlich der genannten Wertpapiere Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
Gemäß § 1 Abs 1 Kraftloserklärungsgesetz 1951 (KEG) können Urkunden, die abhanden gekommen oder vernichtet worden sind, unter den im Gesetz genannten Bedingungen für kraftlos erklärt werden. Gemäß § 3 Abs 2 KEG hat der Antragsteller 1.) eine Abschrift der Urkunde vorzulegen oder deren wesentlichen Inhalt und alles anzugeben, was zur Erkennbarkeit der Urkunde erforderlich ist. Strittig ist hier, ob § 3 Abs 2 Z 1 KEG durch § 9 Abs 1 AußStrG dahin derogiert wurde, dass nicht mehr der Antragsteller alles zur Erkennbarkeit einer für kraftlos zu erklärenden Urkunde Erforderliche angeben muss, sondern es (auch) diesbezüglich genügt, nur ein unbestimmtes Begehren zu stellen. Das Rekursgericht hat diese Frage - sich an den Gesetzesmaterialien orientierend - zutreffend verneint. Nach § 9 Abs 1 AußStrG muss der Antrag kein bestimmtes Begehren enthalten, sondern nur hinreichend erkennen lassen, welche Entscheidung oder sonstige gerichtliche Tätigkeit der Antragsteller anstrebt und aus welchem Sachverhalt er dies ableitet. In den Erl zur RV 224 BlgNR 22. GP, 29 (abgedruckt in Fucik/Kloiber, AußStrG, 73 ff), wurde hiezu ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Bestimmung nicht dahingehend missverstanden werden dürfe, dass in jedem Fall ein - zumindest vorerst - unbestimmtes Begehren gestellt werden könnte. In manchen Fällen ergebe sich schon aus dem materiellen Recht ein besonderes Bestimmtheitserfordernis; hier sei insbesondere an die Erbantrittserklärung zu denken. Auch wo es darum gehe, einen ganz bestimmten Adoptionsvertrag gerichtlich genehmigen zu lassen, die Kraftloserklärung einer bestimmten Urkunde oder die Todeserklärung einer ganz bestimmten Person zu erreichen, seien unbestimmte Begehren schon von der Funktion und dem institutionellen Zweck des Verfahrens her nicht denkbar. Rechberger führt in Rechberger, AußStrG § 9 Rz 1, dazu aus, bei letzteren von den Materialien aufgezählten Materien ergebe sich ein besonderes Bestimmtheitserfordernis schlicht aus der Tatsache, dass etwa bei der Genehmigung eines Vertrags nur exakt jener Vertragstext genehmigt werden könne, der sich aus der dem Begehren zugrundeliegenden Sachverhaltsdarstellung ergibt, die natürlich „bestimmt" sein müsse. Das in diesen Materien mögliche Begehren könne nicht unbestimmt gestellt werden, weil sonst nicht erkennbar wäre, welche Entscheidung der Antragsteller anstrebt.
Dem ist beizupflichten. Falls - wie hier - mehrere gleichartige Urkunden existieren, ist es unabdingbar, dass ein Antragsteller jene, deren Kraftloserklärung er begehrt, so bestimmt bezeichnet, dass eine Verwechslung ausgeschlossen ist. § 9 Abs 1 AußStrG ändert demnach nichts daran, dass der Antrag auf Kraftloserklärung einer Urkunde nach § 3 Abs 2 KEG eine Abschrift der Urkunde, oder, falls dies nicht möglich ist, die Angabe ihres wesentlichen Inhalts und aller ihrer besonderen Merkmale, die zur Unterscheidung von anderen gleichartigen Urkunden dienen, zu enthalten hat. Diese Angaben müssen zur Vermeidung der Abweisung des Antrags so vollständig sein, dass aus ihnen die Unterscheidbarkeit von anderen im Verkehr befindlichen ähnlichen oder gleichartigen Urkunden für das Gericht gegeben ist (Zedtwitz, Kraftloserklärung von Urkunden, 21).
Die Revisionsrekurswerberin widerspricht der Ansicht der Vorinstanzen, um die betreffenden Zertifikate bestimmen zu können, sei die Angabe der Stücknummern unerlässlich, gar nicht, hält aber weiterhin daran fest, die Nummern seien durch die Vernehmung der von ihr namhaft gemachten Bankbeamten zu ermitteln. Auch hinsichtlich der anderen Wertpapiere müsse ja das Verfahren durch Vernehmung dieser Auskunftspersonen ergänzt werden.
Die Revisionsrekurswerberin übersieht, dass die anderen Zertifikate, hinsichtlich derer das Rekursgericht eine Verfahrensergänzung angeordnet hat, durch die Angabe der Kuponnummern von ihr individualisiert und spezifiziert wurden; die angeordnete Verfahrensergänzung soll der Klärung der Frage dienen, ob diese Wertpapiere vom Erblasser bereits verkauft wurden. Diejenigen Zertifikate, hinsichtlich derer das Rekursgericht die Antragsabweisung bestätigt hat, wurden hingegen von der Antragstellerin nicht ausreichend bestimmt bezeichnet, um sie von anderen gleichartigen Urkunden unterscheiden zu können.
Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 Abs 2 AußStrG.