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OGH vom 07.04.2020, 2Ob35/20s

OGH vom 07.04.2020, 2Ob35/20s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** 2018 verstorbenen Univ.-Prof. Dr. P***** H*****, wegen Feststellung des Erbrechts zwischen den Antragstellern 1. B***** K*****, vertreten durch Dr. Helwig Keber, Rechtsanwalt in Graz, 2. M***** A*****, vertreten durch Bechtold und Wichtl Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, 3. Dr. E***** W*****, 4. A***** W*****, Dritt- und Viertantragsteller vertreten durch Blum, Hagen & Partner Rechtsanwälte GmbH in Feldkirch, und 5. G***** S*****, vertreten durch Dr. Martin Holzer, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Fünftantragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom , GZ 4 R 209/19p-80, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der im Jahr 2018 Verstorbene war ledig und kinderlos. Erst- bis Viertantragsteller sind seine Schwester und die drei Kinder einer weiteren vorverstorbenen Schwester. Mit zwei aus dem Jahr 2018 stammenden fremdhändigen Testamenten setzte der Erblasser jeweils den Fünftantragsteller zum Alleinerben ein.

Das ältere Testament ist vom Erblasser eigenhändig unterschrieben. Auch zwei Zeugen unterschrieben jeweils unter Angabe ihres Geburtsdatums und des Datums der Unterschriftsleistung. Der Zeugenzusatz „Zeugen“ wurde nicht eigenhändig, sondern maschinell geschrieben. Dieses Testament wurde danach durch den Testator handschriftlich ergänzt, sowie auch von nunmehr drei Zeugen neuerlich unterfertigt, wobei kein Hinweis auf die Zeugenschaft der Genannten erfolgte, somit auch kein eigenhändig geschriebener Zeugenzusatz vorhanden ist.

Danach errichtete der Erblasser das jüngere Testament, das von ihm mit dem Zusatz „Dies ist mein letzter Wille“ eigenhändig unterschrieben wurde. Ebenso unterfertigten drei Zeugen. Der Zeugenzusatz „als gleichzeitig anwesender Testamentszeuge“ wurde nicht eigenhändig geschrieben, sondern maschinell beigesetzt.

Im vorliegenden Verfahren über das Erbrecht stellten die Vorinstanzen das Erbrecht der Erstantragstellerin zur Hälfte, dasjenige der Zweit- bis Viertantragsteller zu je einem Sechstel jeweils aufgrund des Gesetzes fest und wiesen die Erbantrittserklärung des Fünftantragstellers aufgrund der beiden Testamente zum gesamten Nachlass ab.

Sie begründeten dies übereinstimmend im Wesentlichen damit, gemäß § 579 Abs 2 ABGB idF des ErbRÄG 2015 müssten beim fremdhändigen Testament die Zeugen auf der Urkunde unterschreiben. Daran fehle es bei beiden Testamenten. Gemäß § 601 ABGB idF des ErbRÄG 2015 seien daher beide Testamente ungültig.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs unter Hinweis auf den Gesetzeswortlaut des § 579 Abs 2 ABGB nicht zu.

Der Fünftantragsteller zeigt in seinem Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Rechtliche Beurteilung

1. Da der Erblasser beide Testamente nach dem errichtet hat und nach diesem Zeitpunkt gestorben ist, sind die hier maßgeblichen Normen idF des ErbRÄG 2015 (BGBl I 2015/87) anzuwenden (§ 1503 Abs 7 Z 1, 2 und 5 ABGB).

§ 579 ABGB idF des ErbRÄG 2015 lautet:

„(1) Eine von ihm nicht eigenhändig geschriebene letztwillige Verfügung muss der Verfügende in Gegenwart von drei gleichzeitig anwesenden Zeugen eigenhändig unterschreiben und mit einem eigenhändig geschriebenen Zusatz versehen, dass die Urkunde seinen letzten Willen enthält.

(2) Die Zeugen, deren Identität aus der Urkunde hervorgehen muss, haben auf der Urkunde mit einem auf ihre Eigenschaft als Zeugen hinweisenden und eigenhändig geschriebenen Zusatz zu unterschreiben. Den Inhalt der letztwilligen Verfügung müssen sie nicht kennen.“

§ 601 ABGB idF des ErbRÄG 2015 lautet:

„Wurde bei Errichtung einer letztwilligen Verfügung eine zwingende Formvorschrift nicht eingehalten, so ist die letztwillige Verfügung ungültig.“

2. Der Rechtsmittelwerber macht geltend, zum fremdhändigen Testament nach § 579 ABGB idF des ErbRÄG 2015 liege bislang nur Rechtsprechung zur Urkundeneinheit bei mehreren „losen Blättern“ vor, nicht jedoch zur hier gegenständlichen Frage, inwieweit ein maschinschriftlicher Zusatz über die Zeugeneigenschaft anstelle eines eigenhändigen bei gegebener Individualisierbarkeit der Zeugen durch nachfolgende Einvernahme vor dem Verlassenschaftsgericht als mögliches Formgebrechen saniert werden könne. Weiters fehle bislang Rechtsprechung dazu, welche „zwingenden Formvorschriften“ mit § 601 ABGB angesprochen seien.

3. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine

klare, das heißt

eindeutige Regelung trifft (RS0042656).

Dies trifft hier auf beide vom Rechtsmittelwerber formulierte Fragen zu: Aus § 579 Abs 2 ABGB ergibt sich eindeutig, dass der auf die Zeugeneigenschaft hinweisende Zusatz von den Zeugen geschrieben werden („haben … zu unterschreiben“). Dieses Erfordernis ist somit zwingend (vgl etwa demgegenüber § 578 Satz 2 ABGB: „... ist zwar nicht notwendig, aber ratsam“), sodass auch die Subsumierung unter § 601 ABGB eindeutig ist. Demnach sind beide Testamente ungültig.

Der Umstand, dass hier nach den Feststellungen beide Testamente dem Willen des Erblassers entsprechen, kann das Nichterfüllen der gesetzlichen Formerfordernisse nicht substituieren; maßgebend ist nur der erklärte Wille (RS0012352; zuletzt 2 Ob 134/17 w).

4. Man kann das Ergebnis im vorliegenden Fall oder (auch) die konkrete Norm des § 579 ABGB für unbefriedigend halten.

Dennoch gilt: Unbefriedigende Gesetzesbestimmungen zu ändern, ist nicht Sache der Rechtsprechung, sondern der Gesetzgebung (RS0008880 [T2]). Eine teleologische Reduktion ist – ebenso wie eine Analogie (6 Ob 187/14i; RS0008880 [T19]) – unzulässig, wenn Gesetzeswortlaut und klare gesetzgeberische Absicht in die Gegenrichtung weisen; eine rechtspolitische Entscheidung des Gesetzgebers ist zu akzeptieren (vgl 2 Ob 207/14a).

Ein solcher Fall liegt hier vor: Mit dem ErbRÄG 2015 wurde das Erbrecht erst vor kurzer Zeit umfassend reformiert. Aus den Materialien zum ErbRÄG 2015 geht eindeutig die Absicht des Gesetzgebers hervor, das fremdhändige Testament fälschungssicherer zu machen (ErläutRV 688 BlgNR 25. GP 1). Abweichend von der Vorgängerbestimmung des § 579 ABGB aF normierte der Gesetzgeber das hier gegenständliche Erfordernis des geschriebenen Zeugenhinweises ausdrücklich und wiederholte dieses Erfordernis wörtlich nochmals in den Materialien (ErläutRV 688 BlgNR 25. GP 10: ... muss aus der letztwilligen Verfügung jeweils deren Identität, insbesondere deren Vor- und Familienname sowie das Geburtsdatum oder die (Berufs-)Adresse, hervorgehen. Diese Angaben können fremdhändig oder etwa auch vom Verfügenden oder von den Zeugen eigenhändig geschrieben worden sein, die Zeugen müssen aber in jedem Fall auf der Urkunde mit einem auf ihre Eigenschaft als Zeugen hinweisenden und eigenhändig geschriebenen Zusatz unterschreiben.“).

Angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts sowie der ebenso eindeutigen Absicht des Gesetzgebers ist für die vom Rechtsmittelwerber gewünschte, unter Berufung auf Lehrmeinungen (Welser, Erbrechts-Kommentar § 579 Rz 11 f und § 601 Rz 2; Umlauft, Das Spannungsverhältnis zwischen dem favor testamenti und den Formvorschriften für letztwillige Verfügungen im Lichte der jüngsten OGH-Judikatur, EF-Z 2019/137, 244 [245]) vertretene Auslegung, wonach das vorgeschriebene Formerfordernis entfalle, wenn die Zeugen identifizierbar seien, kein Raum.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00035.20S.0407.000

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