OGH vom 11.06.2008, 3Ob32/08i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Landessparkasse *****, vertreten durch Dr. Walter Breitwieser und Mag. Paul Max Breitwieser, Rechtsanwälte in Wels, wider die beklagte Partei Johann A*****, vertreten durch Dr. Thomas Kitzberger, Rechtsanwalt in Wels als Verfahrenshelfer, wegen je 100.000 EUR sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 212/07k-28, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Wels vom , GZ 30 Cg 5/07d, 3/07k-22, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.661,35 EUR (darin 610,35 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 9.415,20 EUR (darin 400,20 EUR USt und 7.014 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Vorweg ist festzuhalten, dass auf den vorliegenden Rechtsstreit unbestritten deutsches materielles Recht Anwendung zu finden hat. Mit dem am in Kraft getretenen Gesetz zur Modernisierung des (deutschen) Schuldrechts vom , dBGBl I S 3138, wurde der zum Begriff Darlehen in Konkurrenz stehende Begriff des „Kredits" endgültig aufgegeben. Im Folgenden wird daher der Begriff „Kredit" durch „Darlehen" ersetzt. Nur soweit (notwendig) in Urkunden und Vorbringen der Parteien und auch in den vorinstanzlichen Entscheidungen der Begriff „Kredit" - auch in zusammengesetzter Form - Verwendung fand, wird er auch hier ungeachtet der Gesetzesänderung so wiedergegeben.
Die klagende deutsche Landessparkasse nimmt in zwei verbundenen Verfahren den Beklagten aus zwei undatierten Bürgschaftserklärungen über je 100.000 EUR (aus zwei Darlehensverträgen nach deutschem Recht) in Anspruch, die dieser als Gesellschafter der vom bis im Konkurs befindlichen österr. T***** GmbH (im Folgenden nur Muttergesellschaft) übernahm. Die beiden weiteren Gesellschafter der Muttergesellschaft Dr. Reinhard S***** und DI Hermann M***** waren im vormals führenden Gerichtsverfahren ebenfalls als Solidarbürgen Zweit- und Drittbeklagte und schlossen mit der klagenden Partei einen gerichtlichen Prämienvergleich ab. Die Muttergesellschaft ist alleinige Gesellschafterin eines seit Juli 2006 im Konkurs befindlichen deutschen Möbelwerks in der Rechtsform einer Gesellschaft mbH (im folgenden nur Darlehensnehmerin), der die klagende Partei zwei als Kredite bezeichnete Darlehen über 1,7 Mio EUR und 200.000 EUR gewährte.
Der Beklagte wendet gegen die Inanspruchnahme als Bürge durch die klagende Partei ein, diese habe die Insolvenz der Darlehensnehmerin treuwidrig dadurch herbeigeführt, dass sie am zugesicherte und von der Darlehensnehmerin zur Vorfinanzierung von schon hereingenommenen Aufträgen dringend benötigte Kreditmittel von restlichen 290.000 EUR verspätet und zwar erst Ende März 2006 ausbezahlt habe. Dies habe den wirtschaftlichen Untergang der Darlehensnehmerin eingeleitet; dieser Untergang sei letztlich dadurch besiegelt worden, dass sich die klagende Partei entgegen ihrer vertraglichen Verpflichtung grundlos geweigert habe, ihre Zustimmung zu einem Gesellschafterwechsel zu erteilen, bzw es unterlassen habe, gegenüber einem weiteren Bürgen (Land Niedersachsen) eine zustimmende Empfehlung zum Gesellschafterwechsel abzugeben. Aus diesem Grund habe ein Geschäftskonzept, das die Liquiditätskrise schlagartig bereinigt hätte, nicht realisiert werden können. Dieses treuwidrige Verhalten habe letztlich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verursacht, obwohl günstige Prognosen für die Gesellschaftsentwicklung vorhanden gewesen seien. Aus diesem Grund sei der aus beiden Bürgschaftsverträgen gegen den Beklagten geltend gemachte Anspruch verwirkt.
Die klagende Partei replizierte, die Kreditgewährung sei aufgrund von Planzahlen über die geschäftliche Entwicklung der neu gegründeten Darlehensnehmerin erfolgt. Auf Basis eines Zwischenberichts vom seien erhebliche Planabweichungen und dreimal so hohe als prognostizierte Verluste offenkundig geworden. Diese Verluste hätten gezeigt, dass weitere Kreditmittel nicht mehr entsprechend dem im Darlehensvertrag (vom ) festgelegten ausschließlichen Verwendungszweck für Betriebsmittel, sondern zur Verlustfinanzierung verwendet würden. Die vorläufige Ablehnung der Auszahlung weiterer Kreditmittel sei wegen starker Verschlechterung der Vermögensverhältnisse gemäß § 490 BGB sowie nach den Bedingungen der Kreditzusage berechtigt gewesen. Erst nach Vorliegen entsprechender Gutachten und nach Nachbesicherung habe die restliche Kreditsumme zur Auszahlung gebracht werden können. Die Insolvenz der Darlehensnehmerin sei nicht von der klagenden Partei verschuldet worden, sondern auf die mangelnde Finanzkraft von deren Muttergesellschaft zurückzuführen.
Die Erstrichterin verhielt den Beklagten zur Zahlung von 200.000 EUR sA, wobei der Beklagte für den Teilbetrag von 100.000 EUR und für den Anteil von 8.313,14 EUR an Prozesskosten zur ungeteilten Hand mit den beiden anderen, oben genannten Gesellschaftern der Muttergesellschaft hafte.
Dazu traf sie zusammengefasst folgende Feststellungen:
Anfang 2004 kaufte die Muttergesellschaft das Betriebsvermögen der Darlehensnehmerin aus der Insolvenzmasse einer seit 1960 bestehenden Küchenmöbelfabrik, gründete im April 2004 die Darlehensnehmerin in ihrer jetzigen Rechtsform und begann im Mai 2004 mit der Produktion. Produktionsbeginn durch die Darlehensnehmerin als eigenständige, vom Insolvenzverwalter unabhängige Rechtsperson war Mai 2005. Die Darlehensnehmerin schloss mit der klagenden Partei zwei „Kredit- und Bürgschaftsverträge" ab:
a) Mit Krediturkunde vom (im Folgenden nur „1. Kreditvertrag") gewährte die klagende Partei ein Darlehen über 1,7 Mio EUR, das in zwei Tranchen ausbezahlt werden sollte, nämlich als „Kontokorrentkreditlinie" über 1,2 Mio EUR und als Annuitätendarlehen über 500.000 EUR ohne fixe Laufzeit, mit Rückzahlung bis . Dieses Darlehen sollte „ausschließlich zur Verstärkung der Betriebsmittel" verwendet werden. Der Darlehenszusage lagen prognostizierte Planzahlen über den Geschäftserfolg zugrunde, weiters war eine vierteljährliche Berichtspflicht über die wirtschaftliche Entwicklung der Darlehensnehmerin vorgesehen. Gemäß Punkt 5. des „1. Kreditvertrags" ist der Kredit von der klagenden Partei aus wichtigem Grund zur sofortigen Rückzahlung kündbar, „wenn sonstige Umstände eintreten, durch die die Rückzahlung des Kredits gefährdet ist". Als Sicherstellung verbürgte sich der Beklagte - unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage, jedoch beschränkt auf den Betrag von 100.000 EUR - für alle bankmäßigen Forderungen der klagenden Partei aus dem
„1. Kreditvertrag". In der Bürgschaftserklärung findet sich der Passus, dass für den Fall des Bestehens weiterer Bürgschaften im Verhältnis zu solchen keine Gesamtschuld bestehe, also der Beklagte durch Leistungen weiterer Bürgen nicht frei werde.
Das Land Niedersachsen übernahm über Vermittlung des Bundestagsabgeordneten Manfred C***** die Ausfallshaftung für 80 % des Betriebsmitteldarlehens über 1,7 Mio EUR als Voraussetzung für die Darlehensgewährung. Die klagende Partei hatte im „1. Kreditvertrag" die vom Landeskreditausschuss des Landes Niedersachsen formulierten Bedingungen übernommen, ua, dass die bereits von der klagenden Partei im Rahmen eines Kontokorrentkredits zur Verfügung gestellten 200.000 EUR in deren alleinigem Obligo bleiben sollten, weiters die Bedingung der Übernahme selbstschuldnerischer Höchstbetragsbürgschaften durch die Gesellschafter der Muttergesellschaft, die vierteljährliche Berichtspflicht sowie die Bedingung, dass die Muttergesellschaft während der Darlehenslaufzeit etwaige „Liquiditätsspitzen" zu finanzieren habe, soweit diese nicht durch Lieferanten aufgefangen werden (Punkt 9. des „1. Kreditvertrags").
b) Der „2. Kreditvertrag" vom diente der „Umleihung der Kontokorrentinanspruchnahme zu Konto Nr. ..." eines bereits zuvor von der Darlehensnehmerin vollständig in Anspruch genommenen Kontokorrentkredits über 200.000 EUR zu einem Jahreszinssatz von 6,75 % und Rückzahlung bis . Alle drei Gesellschafter der Muttergesellschaft bürgten für diesen Kredit bis zum Betrag von 100.000 EUR ohne zeitliche Beschränkung als Gesamtschuldner und unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage. Dieses Darlehen wurde sofort valutiert.
Anfang Mai 2005 rief die Darlehensnehmerin aus dem „1. Kreditvertrag" 1,2 Mio EUR ab, weil damit entsprechend den damals zu erwartenden Umsätzen das Auslangen gefunden wurde. Eine Hausmesse im Herbst 2005 führte zu einem extremen Auftragseingang, sodass zur Produktion Geld benötigt wurde. Daher rief der damalige Geschäftsführer der Darlehensnehmerin in der Erwartung, dann im September und Oktober 2005 über die nötigen Mittel zu verfügen, im August oder Anfang September 2005 die noch nicht valutierten 500.000 EUR bei der klagenden Partei ab.
Dass es zu erheblichen Planabweichungen in Ansehung der Umsatzerlöse und der Verluste gekommen war, wurde der klagenden Partei erstmals durch Vorlage des Berichts der Darlehensnehmerin per Ende Juli/Anfang August 2005 erkennbar, wobei sich diese gravierende Planabweichung erst im Zeitraum April/Mai 2005 ergeben hatte. Aufgrund der erheblichen Planabweichung ersuchte der Firmenkontenleiter der klagenden Partei den damaligen Geschäftsführer der Darlehensnehmerin um ein Gespräch, das am stattfand, bei dem die klagende Partei die Vorlage neuer Planzahlen für den Zeitraum bis Jahresende 2005 und zusätzliche Unterlagen forderte, um prüfen zu können, ob weitere Teilauszahlungen gerechtfertigt seien. Nach Einlangen ergänzender Unterlagen und des Zwischenabschlusses per , aus dem ein weiterer Verlust - statt der prognostizierten 200.000 EUR ein solcher von 700.000 EUR - zu ersehen war, fand am ein weiteres Gespräch statt. Wenngleich die Darlehensnehmerin ihren Auszahlungsantrag auf 250.000 EUR einschränkte, lehnte die klagende Partei die Auszahlung vorerst unter Hinweis darauf ab, dass laut „1. Kreditvertrag" das geplante Wachstum zu finanzieren sei, nicht aber der eingetretene hohe Verlust. Dieser sei als Krisensymptom aufzufassen, weswegen als Voraussetzung weiterer Auszahlungen erst geprüft werden müsste, ob die Rückzahlung gewährleistet sei. Die vorläufige Verweigerung der Auszahlung hatte zum damaligen Zeitpunkt (Oktober 2005) keine negativen Auswirkungen auf das operative Geschäft. Sie bewirkte, dass die Umsatzsteigerung nicht im erhofften Umfang eintrat und die Darlehensnehmerin nicht so schnell wie geplant „wachsen" konnte. Selbst mit den 500.000 EUR (zusätzlichen) Darlehensmitteln hätten jedoch die der Darlehensvergabe zugrunde gelegten und von der klagenden Partei geprüften Planzahlen nicht mehr erreicht werden können.
In einem weiteren Gespräch am machte das Land Niedersachsen eine Auszahlung weiterer Darlehensmittel von der Zustimmung ihres Landeskreditausschusses und einer (positiven) Fortführungsprognose im Rahmen eines Sanierungsgutachtens abhängig. Vorerst sollte vom Ansprechpartner des Landes Niedersachsen in Sachen Übernahme einer Landesbürgschaft, PWC, ein sogenannter „Quick-Check" erstattet werden, um festzustellen, ob die Einholung eines Sanierungsgutachtens überhaupt sinnvoll sei. Am wurden dann die Ergebnisse dieses „Quick-Check" präsentiert; dabei zeigte sich, dass die Liquidität der Darlehensnehmerin bis zur Fertigstellung des Sanierungsgutachtens nicht ausreichen würde und ein Liquiditätsbedarf von 210.000 EUR bestehe. Am hielt die klagende Partei in einem Schreiben an die Darlehensnehmerin unter Bezugnahme auf das Gespräch vom Vortag fest, dass aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Darlehensnehmerin vor der Valutierung weiterer Mittel das Vorliegen eines Sanierungsgutachtens mit positiver Fortführungsprognose erforderlich sei und der im Vorfeld eingeholte „Quick-Check" einen zusätzlichen Liquiditätsbedarf von maximal 370.000 EUR ergeben habe. Gleichzeitig wurde die Valutierung eines Teils dieses Liquiditätsbedarfs von 210.000 EUR durch Teilauszahlung des landesverbürgten Darlehens zur Überbrückung bis zur Vorlage des Sanierungsgutachtens unter einzeln angeführten Bedingungen - gegen die der Beklagte keine Einwendungen erhob - in Aussicht gestellt. Nach deren Eintritt wurden aus dem „1. Kreditvertrag" Ende 2005 210.000 EUR valutiert.
Am lag dann das - am beauftragte und eine positive Fortführungsprognose enthaltende - Sanierungsgutachten vor, wonach selbst unter der Voraussetzung der Auszahlung der noch offenen 290.000 EUR aus dem „1. Kreditvertrag" ein weiterer Liquiditätsbedarf von 300.000 EUR gegeben war. Damit stellte sich nunmehr die Frage der Überschuldung bzw der Insolvenzantragspflicht, weswegen die klagende Partei weitere Auszahlungen vom Vorliegen eines von einem Wirtschaftsprüfer attestierten „Überschuldungsstatus" abhängig machte. Dieser lag Anfang Februar 2006 vor. Der Wirtschaftsprüfer attestierte unter gewissen Annahmen und Prämissen, dass keine Überschuldung gegeben sei. Nunmehr hielt die klagende Partei noch die Sicherstellung der Gesamtfinanzierung für erforderlich, um die restliche Darlehenssumme auszahlen zu können. Nach Gewährung eines Darlehens von 300.000 EUR durch einen Dritten wurden letztlich Anfang März 2006 die restlichen 290.000 EUR von der klagenden Partei ausbezahlt, wiederum nach der am erfolgten Unterfertigung der von der klagenden Partei mit Schreiben vom formulierten Bedingungen durch die Muttergesellschaft, ihre drei Gesellschafter und den Geschäftsführer der Darlehensnehmerin als Zeichen ihres Einverständnisses.
Dass bei der Darlehensnehmerin eine „wirtschaftliche Schieflage" bestanden habe, die der klagenden Partei schon seit November 2004 bekannt gewesen sei, konnte nicht festgestellt werden. Da nach den der klagenden Partei erteilten Informationen ein von den Gesellschaftern der Muttergesellschaft entrierter Gesellschafterwechsel dann doch nicht vollzogen wurde, bestand für sie keine Veranlassung, gegenüber dem Finanzausschuss des Landes Niedersachsen eine den Gesellschafterwechsel befürwortende Stellungnahme abzugeben.
Unter Hinweis auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Darlehensnehmerin stellte die klagende Partei mit Schreiben vom das Darlehen über die 200.000 EUR (aushaftender Saldo 200.937,50 EUR) mit sofortiger Wirkung fällig und forderte mit Schreiben vom selben Tag den Beklagten auf, aus den Bürgschaften für die Forderungen aus beiden Darlehensverträgen umgehend jeweils 100.000 EUR zu leisten oder einen angemessenen Rückzahlungsvorschlag zu unterbreiten. Unter einem wies die klagende Partei darauf hin, dass ab ein Verzugsschaden von 6,95 % per anno auf den Bürgschaftsbetrag in Rechnung gestellt werde. Die klagende Partei hatte dem Beklagten niemals zugesagt, vorrangig das Land Niedersachsen aus deren „Landesbürgschaft" in Anspruch zu nehmen.
In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht - freilich noch auf der früheren Rechtslage (§ 610 BGB) basierend - zusammengefasst von folgenden Erwägungen aus: Die klagende Partei sei nach Bekanntwerden der Planabweichung und des Verlustaufbaus von 700.000 EUR (statt von prognostizierten 200.000 EUR) zur Prüfung berechtigt gewesen, ob die Darlehensrückzahlung gewährleistet sei. Weitere Auszahlungen hätten vom Ergebnis dieser Prüfung abhängig gemacht werden dürfen. Wenn sich infolge der damit verbundenen Verzögerungen bei der Auszahlung ein (noch) dringender Liquiditätsbedarf ergeben habe, wäre dieser von der Muttergesellschaft auszugleichen gewesen. Mangels vertragswidrigen Verhaltens sei der Eintritt des Insolvenzfalls nicht der klagenden Partei, sondern der Finanzschwäche der Muttergesellschaft anzulasten. Ein schuldhaftes Verhalten der klagenden Partei im Zusammenhang mit dem geplanten Gesellschafterwechsel sei nicht vorgelegen. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es das Klagebegehren abwies; es sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.
Nach seiner Rechtsansicht sei der vom Beklagten verbürgte „1. Kredit" ein Sanierungsdarlehen, habe doch die klagende Partei selbst in ihrem Schriftsatz ON 9 vorgebracht, dass es sich bei der Darlehensnehmerin um die Neugründung des Unternehmens aus einer zuvor insolvent gewordenen Gesellschaft gehandelt habe. Eine - von der klagenden Partei ohnedies nie ausgesprochene - Kündigung des Sanierungsdarlehens vor seiner vollständigen Auszahlung nach § 490 Abs 1 BGB wäre aus folgenden Gründen nicht berechtigt gewesen: Die klagende Partei habe in ihrem Schriftsatz ON 9 selbst vorgebracht, dass die Darlehensgewährung nur auf Planzahlen über die geschäftliche Entwicklung in der Zukunft basiert habe, nicht jedoch auf tatsächlichen Zahlen, weil solche gar nicht vorgelegen seien. Dass im Sinn dieses Prozessvorbringens der klagenden Partei tatsächliche Zahlen bei Darlehensgewährung nicht vorgelegen seien, zwinge zur Schlussfolgerung, dass solche auch nicht mit späteren Wirtschaftsdaten des zu sanierenden Unternehmens verglichen werden konnten. Damit konform gehe die unangefochten gebliebene Feststellung des Erstgerichts, wonach sich die der klagenden Partei Ende Juli bis spätestens Anfang August 2005 erkennbar gewordene Planabweichung bereits im Zeitraum April/Mai 2005 ergeben hätte. Da die Darlehenszusage vom stamme, sei evident, dass damit keine nachträgliche Verschlechterung der Darlehensnehmerin eingetreten sei, geschweige denn eine wesentliche, sondern sich höchstens der Kenntnisstand der klagenden Partei nachträglich erhöht und sie die Situation im August 2005 vorsichtiger und kritischer eingeschätzt habe, als sie es zur Zeit der - vom Bundestagsabgeordneten Manfred C***** aus politischen Gründen betriebenen - Darlehenszusage am getan habe. Die klagende Partei habe in ihrem Schreiben vom selbst dokumentiert, worin sie die Gründe für die fehlenden Umsätze der Darlehensnehmerin erblickt habe, nämlich in der Wettbewerbssituation, der Gewährung von hohen Rabatten durch Mitbewerber und der schlechten Kundenstruktur des Fachhandels, in Negativinformationen durch Lieferanten und Mitbewerber, im Fehlen ausreichender Betriebsmittel vor Mai 2005 und in der negativen Historie der insolventen Vorgängerin. All diese externen Faktoren hätten bereits bei Zusage des Sanierungsdarlehens bestanden und bereits damals so oder anders eingeschätzt werden können. Das außerordentliche Kündigungsrecht des Darlehensgebers vor Auszahlung nach § 490 Abs 1 BGB diene nicht dazu, ursprüngliche Fehleinschätzungen der Marktsituation durch den Geber des Sanierungsdarlehens zu korrigieren und die daraus befürchteten Nachteile auf das zu sanierende Unternehmen abzuwälzen. Die nachträgliche Erkenntnis einer ungünstigen Marktsituation durch den Geber des Sanierungsdarlehens sei einer Verschlechterung der Vermögenslage des Darlehensnehmers im Sinn des § 490 Abs 1 BGB nicht gleichzuhalten. § 490 BGB gewähre dem Darlehensgeber auch kein Kündigungsrecht bei bloßem Verdacht der Vermögensverschlechterung. Abgesehen davon habe die klagende Partei eine Kündigung vor Auszahlung im Sinn des § 490 Abs 1 BGB nie ausgesprochen, sondern das zugesagte Darlehen zuletzt doch zur Gänze ausgezahlt. Wenngleich dem Darlehensgeber eine angemessene Überlegungs- und Prüfungsfrist vor allfälliger Ausübung des außerordentlichen Kündigungsrechts nach § 490 BGB einzuräumen sein werde, so zitiere doch der Berufungswerber zutreffend Palandt, wonach das Oberlandesgericht Karlsruhe beim Darlehen schon eine Frist von zwei Monaten als zu lang qualifiziert habe. Dies müsse um so mehr für die hier vorliegende, sechsmonatige Verzögerung gelten.
Zu den Bedingungen der Darlehenszusage Punkt 5.e) sei auszuführen, dass diese Vertragsklausel nur die Kündigung des Darlehens mit der Wirkung der sofortigen Rückzahlung beinhalte. Um die Ausübung eines solchen Kündigungsrechts gehe es hier nicht. Zudem träfen auf das vertragliche Kündigungsrecht dieselben Erwägungen zu wie auf das gesetzliche Kündigungsrecht nach § 490 Abs 1 BGB. Weder die nachträgliche Erhöhung des Kenntnisstands der Gläubigerbank noch die spätere vorsichtigere Einschätzung der Marktsituation durch diese sei ein Umstand, der die Rückzahlung des Darlehens gefährdet hätte. Der Bürgschaftsgläubiger verwirke seinen Anspruch gegen den Bürgen, wenn er unter Verletzung seiner Vertragspflichten gegenüber dem Hauptschuldner den Bürgschaftsfall selbst herbeiführe und den Rückgriff des Bürgen vereitle. Dass die Darlehensnehmerin auch dann insolvent geworden wäre, wenn sie das Sanierungsdarlehen gemäß der ersten Anforderung des Geschäftsführers unverzüglich ausgezahlt erhalten hätte, habe die klagende Partei nicht behauptet. Dies könne auch nicht angenommen werden, weil der Insolvenzverwalter auf Seite 2 seines Berichts vom von einer überaus positiven Entwicklung von Umsatz und Akzeptanz am Markt und von einer stark ansteigenden Umsatz- und Auftragsentwicklung berichtet habe, wofür die erforderliche Liquidität gefehlt habe.
Dass die Auszahlung der zugesagten, restlichen Darlehensmittel bei erster Anforderung durch den Geschäftsführer die Liquidität der Darlehensnehmerin nicht unwesentlich erhöht hätte, sei nicht zu bezweifeln. Es möge zutreffen, dass ein Liquiditätsengpass auch vermieden worden wäre, wenn die Muttergesellschaft vermögender gewesen wäre. Dies nütze jedoch der klagenden Partei nichts, weil die Muttergesellschaft eben nicht vermögender gewesen sei. Die Prüfung der Finanzstärke der Gesellschafterin der Darlehensnehmerin sei der klagenden Partei vor Zusage des Sanierungsdarlehens oblegen. Dass sie bei Abschluss der Darlehensverträge über die Vermögenslage der Muttergesellschaft in die Irre geführt worden wäre, behaupte die klagende Partei nicht. Finanzielles Unvermögen eines Gesellschafters des Darlehensnehmers begründe ein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 490 BGB nicht als eigener Tatbestand, sondern - wenn überhaupt - nur unter den dort genannten Voraussetzungen. Demnach dürfe das finanzielle Unvermögen des Gesellschafters jedenfalls nicht schon bei Darlehenszusage bestanden haben, sondern es müsste erst danach eingetreten sein. Solches habe die klagende Partei in Bezug auf die Muttergesellschaft nicht behauptet.
Die beiden Bürgschaftsklagen seien daher schon allein aus rechtlichen Gründen abzuweisen. Die übrigen vom Berufungswerber ausgeführten Berufungsgründe erforderten keine Stellungnahme mehr.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist die außerordentliche Revision der klagenden Partei zulässig und berechtigt.
a) Gemäß § 3 IPRG ist fremdes Recht wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich anzuwenden. Demnach kann die Revision auch bei Maßgeblichkeit fremden Rechts zulässig sein, wenn durch eine Abweichung der inländischen Gerichte von gefestigter fremder Lehre und Rechtsprechung (hier des deutschen Bundesgerichtshofs - BGH) die Rechtssicherheit gefährdet wird (RIS-Justiz RS0042940 mwN uva), wenngleich der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht die Aufgabe zukommt, die Einheitlichkeit oder gar die Fortentwicklung fremden Rechts in seinem ursprünglichen Geltungsbereich zu gewährleisten (7 Ob 130/05a uva; RIS-Justiz RS0042940, RS0042948). Das vorliegende Rechtsmittel ist daher aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig, wenn zwar das anzuwendende ausländische Recht zutreffend ermittelt wurde, aber über eine im ursprünglichen Geltungsbereich des maßgeblichen fremden Rechts in der Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht hinweggegangen wurde und/oder hierbei Subsumtionsfehler unterliefen, die aus Gründen der Rechtssicherheit richtiggestellt werden müssen (RIS-Justiz RS0042940, RS0042948). Derartige Fehler zeigt die klagende Partei in ihrem Rechtsmittel auf.
b) Zur anzuwendenden deutschen Rechtslage:
Zutreffend erkannte der Berufungssenat, dass in der Bundesrepublik Deutschland § 610 BGB mit durch § 490 BGB ersetzt wurde.
Die §§ 488 ff regeln den Darlehensvertrag und dabei § 490 BGB das außerordentliche Kündigungsrecht durch Darlehensgeber und Darlehensnehmer. Sein Abs 1 lautet:
Wenn in den Vermögensverhältnissen des Darlehensnehmers oder in der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit eine wesentliche Verschlechterung eintritt oder einzutreten droht, durch die die Rückerstattung des Darlehens, auch unter Verwertung der Sicherheit, gefährdet wird, kann der Darlehensgeber den Darlehensnehmer vor Auszahlung des Darlehens im Zweifel stets, nach Auszahlung nur in der Regel fristlos kündigen.
Zweck der Regelung ist es, unabhängig vom Recht auf ordentliche Kündigung dem Vertragspartner die kurzfristige Lösung vom Vertrag in solchen Fällen zu ermöglichen, in denen die für Darlehensverträge typischen Risken auftreten und das Bedürfnis besteht, Vermögensverluste und -einbußen zu ersparen. Zugleich sollen Schäden vermieden oder ersetzt werden. Tritt also die Vermögensverschlechterung schon vor der Zuzählung der Kreditsumme ein bzw ist eine solche bloß mit einiger Wahrscheinlichkeit zu befürchten, ist dem Darlehensgeber eine Auszahlung „sehenden Auges", dass er diese vom Darlehensnehmer nicht mehr zurückerhalten wird, nicht zumutbar (K.P. Berger in MünchKommBGB5 § 490 Rdn 16; Grünberg in Palandt67, § 490 BGB Rz 6). Das einem Darlehensgeber gesetzlich eingeräumte Recht zur außerordentlichen Kündigung schließt - wie auch die zweite Instanz zutreffend erkannte - das Recht ein, bei Vorliegen der in § 490 Abs 1 BGB genannten Voraussetzungen Kontoverfügungen nicht zuzulassen und somit weitere Teilauszahlungen (vorerst) zu verweigern und zur Überprüfung dieser Voraussetzungen die erforderlichen Gutachten einzuholen, ohne den Darlehensvertrag schon aufzukündigen.
c) Eine Ausnahme von der Kündbarkeit vor Valutierung - und damit auch die Verweigerung von Kontoverfügungen (Teilauszahlungen wie hier) - kann sich aus § 242 BGB ergeben. So kann sich der Darlehensgeber nicht auf eine Vermögensverschlechterung berufen, wenn er durch schuldhaftes Verhalten diesen Zustand maßgeblich herbeigeführt hat (K.P. Berger aaO § 490 Rdn 16) oder wenn die kreditgebende Bank selbst das wirtschaftliche Risiko des Darlehensnehmers (mit-)übernommen hat, etwa, wenn das Kreditinstitut in einem Sanierungsplan oder im Darlehensvertrag den Sanierungszweck zum Inhalt des Rechtsgeschäfts gemacht hat. In seiner Entscheidung III ZR 341/95 = WM 1997, 576 sprach der BGH aus, wer beim Erwerb des Geschäftsanteils einer GmbH über den Kaufpreis hinaus zusage, der Gesellschaft ein Sanierungsdarlehen zur Verfügung zu stellen, könne, wenn über das Vermögen der Gesellschaft die Gesamtvollstreckung angeordnet werde, seine Zusage nicht mit der Begründung widerrufen, er schulde keine Eigenkapital ersetzende Leistung. Im Fall eines Sanierungsdarlehens bestehen somit die bei zweckgebundenen Darlehen üblichen Einschränkungen bezüglich Kündigung, Abtretbarkeit, Pfändbarkeit und Aufrechnung (K.P. Berger aaO Vor § 488 Rdn 96). Eine außerordentliche Kündigung nach § 490 Abs 1 BGB - und damit auch die Weigerung, Kontoverfügungen (durch weitere Teilauszahlungen wie hier) zu entsprechen - kommt somit dann nicht in Betracht, wenn die Verpflichtung zur Zuzählung eines Sanierungsdarlehens von vornherein auch das Risiko des Scheiterns der konkret geplanten Sanierung einschließt. Nur unter dieser strengen Voraussetzung ist ausgeschlossen, dass der Darlehensgeber die zugesagte Zahlung - oder Teilauszahlungen aufgrund von Kontoverfügungen des Darlehensnehmers wie hier - unter Berufung auf das Fehlschlagen des Sanierungskonzepts verweigern kann (K.P. Berger aaO § 490 Rdn 16). Sonst ist bei einem Sanierungskredit das außerordentliche Kündigungsrecht nach § 490 Abs 1 BGB nur solange ausgeschlossen, wie die Sanierung planmäßig verläuft und der Kreditnehmer die von der Bank erteilten Auflagen erfüllt (K.P. Berger aaO).
Nach deutscher Rechtsprechung verwirkt auch der Bürgschaftsgläubiger seinen Anspruch gegen den Bürgen, wenn er den wirtschaftlichen Zusammenbruch des Hauptschuldners schuldhaft verursacht und jeden
Rückgriff des Bürgen vereitelt (BGH XI ZR 254/02 = NJW 2004, 3779; XI
ZR 184/03 = NJW 2004, 3782 = WM 2004, 1676 mwN). Festzuhalten bleibt
allerdings, dass nach dem der Entscheidung XI ZR 184/03 zugrunde liegenden Sachverhalt einem tatsächlich insolvenzreifen Unternehmen zur Bewältigung der wirtschaftlichen Krise ein Sanierungskredit mit verbindlich zugesagter Laufzeit eingeräumt war und durch die ausdrücklich vereinbarten Sanierungszwecke eine Kündigung ausgeschlossen war. Der in der Revisionsbeantwortung enthaltenen Argumentation des Beklagten ist entgegenzuhalten: Aus dem Wortlaut der Berufungsentscheidung ergibt sich zweifelsfrei, dass das Berufungsgericht nicht nur allgemeine Erwägungen zur Rechtsfigur des Sanierungsdarlehens anstellte, sondern die Rechtsansicht vertrat, im vorliegenden Fall sei ein Sanierungsdarlehen vorgelegen (Seite 4 der Berufungsentscheidung).
Ausgehend von diesen grundsätzlichen Erwägungen ergibt sich Folgendes:
d) Zum „1. Kreditvertrag" vom :
Wenngleich Sanierungsvereinbarungen auch stillschweigend abgeschlossen werden können, kann dies allein auf der Grundlage einer bloßen Darlehensvergabe an ein neu gegründetes, liquiditätsschwaches Unternehmen nicht angenommen werden, sondern nur dann, wenn aus dem Verhalten des Darlehensgebers eindeutig auf seinen Willen zur Mitwirkung bei der Sanierung im Sinn der Übernahme eines wirtschaftlichen Risikos bei Scheitern des Unternehmenskonzepts geschlossen werden kann (K.P. Berger aaO Vor § 488 Rdn 96). Ein solches Verhalten hat die klagende Partei nicht gesetzt, enthält doch Punkt 5.e) der Kreditzusage ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund, sobald Umstände eintreten, die die Rückzahlung des Kredits gefährden, weiters wurde eine vierteljährliche Berichtspflicht vereinbart. Zudem ergibt sich aus der Krediturkunde vom in unmissverständlicher Weise, dass der „landesverbürgte" Kontokorrentkredit über 1,2 Mio EUR und das Annuitätendarlehen über 500.000 EUR ausschließlich zur Verstärkung der Betriebsmittel des neu gegründeten Unternehmens dienen sollte. Dafür, dass - abweichend von dieser schriftlichen Vereinbarung - der gemeinsame Parteiwille nicht bloß auf die Gewährung eines Betriebsmittelkredits gerichtet war, sondern die klagende Partei das wirtschaftliche Risiko des Scheiterns des Unternehmenskonzepts der Darlehensnehmerin übernehmen wollte, ergeben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte. Der Umstand allein, dass das Unternehmen der Darlehensnehmerin eine Neugründung aus einer zuvor insolvent gewordenen Gesellschaft ist, lässt die zweitinstanzliche Schlussfolgerung auf das Vorliegen eines Sanierungskredits, der eine weitgehende Risikoübernahme mitumfasst, nicht zu. Die Entscheidung XI ZR 184/03 ist daher auf den vorliegenden Sachverhalt schon deshalb nicht anwendbar, weil nach dem Gutachten die Darlehensnehmerin vorerst nicht insolvent war. Hat aber die klagende Partei das Risiko des Misslingens des von ihrer Darlehensnehmerin verfolgten Wirtschaftsplans nicht übernommen, steht ihr sowohl das gesetzliche außerordentliche Kündigungsrecht nach § 490 Abs 1 BGB wie das vertragliche Kündigungsrecht nach Punkt 5.e) des Kreditvertrags grundsätzlich ebenso offen wie das Recht, unter diesen Voraussetzungen (weitere) Kontoverfügungen des Darlehensnehmers vom Vorliegen entsprechender Gutachten abhängig zu machen. Weil im vorliegenden Fall die Darlehensnehmerin die der Darlehenszusage zugrunde gelegten (prognostizierten) Umsatzzahlen nicht einhielt, wich sie von der „Strategie zur Krisenbewältigung" ab, zu deren Einhaltung sie sich verpflichtet hatte. In einem solchen Fall kann der Kreditgeber die zugesagte Zahlung gemäß § 490 Abs 1 BGB unter Berufung auf das Fehlschlagen des Sanierungskonzepts verweigern (BGH II ZR 341/95 = WM 1997, 576), sofern in den Vermögensverhältnissen des Darlehensnehmers seit dem Zeitpunkt der Darlehenszusage eine wesentliche Verschlechterung eingetreten ist, die die Sanierung nicht mehr aussichtsreich erscheinen lässt (vgl BGH XI ZR 184/03). Diese Voraussetzungen lagen hier in Ansehung der vorerst verweigerten Kontoverfügungen vor, weil konkrete Anzeichen einer nach Vertragsabschluss eingetretenen Vermögensverschlechterung im Sinn des § 490 Abs 1 BGB gegeben waren (vgl dazu K.P. Berger aaO § 490 Rdn 2). So ergab sich nicht nur im Zeitraum April/Mai 2005 eine Planabweichung, sondern war aus dem „Zwischenabschluss" zum ein gravierender Verlust zu ersehen, der den prognostizierten Verlust um mehr als das Dreifache überstieg. Ferner ist festgestellt, dass die der Darlehenszusage zugrunde gelegten Planziele auch unter Zuhilfenahme der zum damaligen Zeitpunkt noch nicht zugezählten Darlehensvaluta von 500.000 EUR nicht mehr zu erreichen waren. Im Hinblick auf diese erheblichen Abweichungen von dem der Darlehenszusage zugrunde liegenden Plan waren die in § 490 Abs 1 BGB genannten Voraussetzungen einer drohenden nachträglichen Vermögensverschlechterung ebenso zu bejahen wie das Vorliegen eines „sonstigen Umstands, der die Rückzahlung des Kredits gefährdet" iSd Punkts 5.e) des „1. Kreditvertrags". Die klagende Partei war daher berechtigt, vorerst weitere Kontoverfügungen zu verweigern, ohne bereits eine außerordentliche Kündigung des „1. Kreditvertrags" auszusprechen, und zur Überprüfung der Voraussetzungen die erforderlichen Gutachten einzuholen. Davon, dass diese externen, bei der Darlehensnehmerin aufgetretenen Fakten bereits bei Vertragsabschluss am bestanden hätten und die klagende Partei durch Verweigerung der vollständigen Zuzählung der Darlehensvaluta nur ihre ursprüngliche Fehleinschätzung der Marktsituation habe „korrigieren" wollen, kann keine Rede sein. Die zweite Instanz ist insoweit auf Vermutungen beschränkt. Zudem weist die klagende Partei in ihrem Rechtsmittel zutreffend darauf hin, dass auch das Land Niedersachsen zufolge seiner Ausfallshaftung die Auszahlung weiterer Mittel von einer in einem Gutachten dokumentierten positiven Fortführungsprognose abhängig gemacht habe. Es sei der klagenden Partei daher nicht als Verschulden zurechenbar, wenn sie ihrer Verpflichtung gegenüber dem Land Niedersachsen nachgekommen sei, bei der Abwicklung des „landesverbürgten" Kredits die banküblichen Grundsätze und die gleiche Sorgfalt wie bei einem unter vollem Eigenrisiko gewährten Darlehen einzuhalten. Der Auffassung der Rechtsmittelwerberin, die Einholung der nötigen Gutachten sei schon deshalb erforderlich gewesen, um ihre Rechte aus der bestehenden „Landesbürgschaft" zu wahren, kann daher nicht entgegen getreten werden.
Wenn aber die klagende Partei zur Weigerung von Kontoverfügungen (Teilauszahlungen) bis zum Vorliegen eines Sanierungsgutachtens berechtigt war, kann nicht davon ausgegangen werden, sie hätte den wirtschaftlichen Zusammenbruch der Hauptschuldnerin (Darlehensnehmerin) schuldhaft verursacht und damit jeden Rückgriff auf den (hier beklagten) Bürgen vereitelt. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die klagende Partei habe ihre Ansprüche aus beiden Bürgschaftsverträgen gegen den Beklagten verwirkt, weil sie unter Verletzung ihrer Vertragspflichten gegenüber dem Hauptschuldner dessen Insolvenz (und damit den Bürgschaftsfall) selbst herbeigeführt und den Bürgenrückgriff des Beklagten vereitelt habe, kann daher vom Obersten Gerichtshof nicht geteilt werden. Auf das von der klagenden Partei in ihrem Rechtsmittel ins Treffen geführte Zurückbehaltungsrecht aufgrund des deutschen Kreditwesengesetzes und wegen drohender Untreue des Bankmitarbeiters bei Verletzung der Prüfpflicht kommt es nicht mehr an.
e) Zum „2. Kreditvertrag" vom :
Wenn aber die klagende Partei im Sinn der oben gemachten Ausführungen kein Verschulden an der Insolvenz der Darlehensnehmerin trifft, besteht auch kein Hindernis gegen die Bürgenhaftung des Beklagten in diesem Darlehensfall. Festzuhalten bleibt, dass zwei (getrennte) Verträge vorliegen und in Ansehung des mit dem „2. Kreditvertrag" eingeräumten Darlehens über 200.000 EUR keine Anhaltspunkte für eine verzögerte Valutierung vorliegen.
Die weiteren vom Beklagten in erster Instanz gegen seine Bürgenhaftung ins Treffen geführten Argumente sind nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens.
Dies führt zur Abänderung der zweitinstanzlichen Entscheidung im Sinn einer Wiederherstellung des Ersturteils.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens in zweiter und dritter Instanz beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.