OGH vom 23.04.2007, 4Ob27/07k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am verstorbenen Anna A*****, über den Revisionsrekurs des Franz M*****, vertreten durch Dr. Hubert Just, Rechtsanwalt in Kirchdorf an der Krems, gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr als Rekursgericht vom , GZ 1 R 272/06b-31, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Kirchdorf an der Krems vom , GZ 3 A 310/05y-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die am geborene Erblasserin ist am ohne Hinterlassung gesetzlicher Erben verstorben. Die Todfallsaufnahme enthielt einen Hinweis auf eine mündliche letztwillige Anordnung vom ; als Zeugen waren Rosina R***** sen und jun und Johann N***** angeführt. Bei ihrer Einvernahme am gaben die beiden Zeuginnen an, die Verstorbene habe in verschiedenen Gesprächen mitgeteilt, Franz M***** solle ihr Vermögen bekommen. Wenn sie darauf angesprochen worden sei, sie solle ein Testament machen, so habe sie sich dagegen gewehrt, sie sei nämlich der Meinung gewesen, dass sie bei einer solchen Nachlassregelung nicht mehr über ihr Vermögen verfügen könne und als Person keinen Wert mehr hätte. Eine Ankündigung, dass sie jetzt vor ihnen (den Zeuginnen) testieren wolle, habe sie nie gemacht. Der weitere Zeuge Johann N***** gab an, vor Jahren ein Gespräch zwischen der Verstorbenen und Rosina R***** sen gehört zu haben, in dem die Verstorbene erklärt habe, Franz M***** solle ihr Vermögen bekommen. Er habe damals nicht den Eindruck gehabt, die Verstorbene wolle mit ihrer Äußerung testieren. Am gab Franz M***** eine Erbantrittserklärung unter Berufung auf ein am errichtetes mündliches Nottestament ab. Die Erblasserin habe damals anlässlich eines Besuches bei Rosina R***** jun und sen diesen gegenüber ausdrücklich ihren letzten Willen kundgetan, wonach er ihr alleiniger Erbe sein solle. Sie habe nämlich befürchtet, nicht mehr lange zu leben. Danach habe sie sich in Pflege des Altenheims und des Krankenhauses befunden und sei nicht mehr in der Lage gewesen, zu testieren.
Das Erstgericht wies die Erbantrittserklärung ab. Es stellte fest, Franz M***** habe die Erblasserin am zu einem Besuch bei Rosina R***** sen und jun gefahren. Ihr körperlicher Zustand sei schon sehr schlecht gewesen, sie sei kaum in der Lage gewesen, ein Glas Saft selbst zum Mund zu führen. Sie habe dazu Unterstützung gebraucht. Der geistige Zustand sei zu diesem Zeitpunkt noch sehr gut gewesen. Rosina R***** sen habe die Erblasserin bei diesem Besuch auf eine Regelung der Erbfolge angesprochen, worauf die Erblasserin mitgeteilt habe, sie wolle, dass Franz M***** ihr Erbe werde. Sie habe beide Zeuginnen gebeten, dafür zu sorgen, dass er Erbe ihres Vermögens werde. Sie habe damals nicht davon gesprochen, dass sie keine Möglichkeit mehr hätte, ein Testament auf andere Art zu errichten. Die beiden Zeuginnen hätten nicht den Eindruck gehabt, dass die Erblasserin sich zum Zeitpunkt ihres Besuchs subjektiv in einer Notlage gewähnt habe. Sie habe insbesondere nicht davon gesprochen, dass es ihr nicht mehr möglich sein werde, ein Testament bei einem Notar oder einem Rechtsanwalt zu machen.
Rechtlich verneinte das Erstgericht die Voraussetzungen des § 597 ABGB. Eine Notsituation sei nicht vorgelegen, die die Erblasserin daran gehindert hätte, in anderer Weise zu testieren. Es bestünden auch keine Hinweise, dass die Erblasserin subjektiv einen derartigen Eindruck gehabt hätte.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Voraussetzung für die Gültigkeit eines Testaments nach § 597 ABGB sei eine unmittelbar drohende Gefahr, somit eine akute Notsituation im Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Bezogen auf den vorliegenden Fall wäre eine derartige Notsituation etwa dann denkbar, wenn die Erblasserin anlässlich ihres Besuchs einen Schwächeanfall erlitten hätte und das Herbeirufen ärztlicher Hilfe erforderlich gewesen wäre. Altersbedingte Gebrechlichkeit allein reiche zur Annahme der vom Gesetz geforderten Notsituation nicht aus, zumal das Nottestament nur Ausnahmecharakter habe. Ziel des FamErbRÄG 2004 sei es gewesen, das mündliche außergerichtliche Testament, dem die Praxis oft zu Recht Misstrauen entgegengebracht habe, abzuschaffen. Es könne daher nicht Sinn und Zweck der dabei neu eingeführten Bestimmung sein, über diesen Umweg das mündliche außergerichtliche Testament für alte und gebrechliche Personen wieder einzuführen, noch dazu in erleichterter Form, weil nur mehr zwei gleichzeitig anwesende Zeugen notwendig seien.
Das Vorliegen einer akuten Notsituation behaupte der Rechtsmittelwerber selbst nicht. Auch die beiden Zeugen hätten von einer unmittelbaren Lebensgefahr nicht berichtet. Die Erblasserin sei zwar altersschwach aber noch fähig gewesen, Besuche abzustatten. Die vom Rechtsmittelwerber vermisste Feststellung, die Erblasserin habe beim Abschied geäußert, dies wäre möglicherweise ihr letzter Besuch gewesen, spreche nicht für seinen Standpunkt. Es sei nicht außergewöhnlich, dass eine 96-jährige Person ihr baldiges Ableben oder zumindest den Verlust der Fähigkeit, außer Haus zu gehen, in Betracht ziehe. Eine derartige Äußerung könne nicht in dem Sinn interpretiert werden, dass sich die Erblasserin in akuter Lebensgefahr befindlich erachte.
Das Erstgericht habe die Aussagen der beiden Zeuginnen vom seinen Feststellungen zugrundegelegt ohne die Widersprüche zu ihren früheren Aussagen vom zu hinterfragen. Eine Aufklärung erübrige sich, weil das Vorliegen der Voraussetzungen des § 597 ABGB selbst dann zu verneinen sei, wenn man von der Richtigkeit der erstgerichtlichen Feststellungen ausgehe.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Voraussetzungen des § 597 ABGB fehle.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Franz M***** ist aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt. Das FamErbRÄG 2004 beschränkte die Möglichkeit, außergerichtlich und mündlich vor Zeugen zu testieren, auf den Notfall. Als Grund für diese Beschränkung nennen die Materialien die davor beobachtete Rechtspraxis, mündliche außergerichtliche Zeugentestamente zur Vortäuschung einer letztwilligen Verfügung zu missbrauchen, um gesetzliche Erben zu benachteiligen (RV 471 BlgNR 22. GP 1). Nach § 597 ABGB kann der Erblasser mündlich (oder schriftlich) unter Beiziehung zweier fähiger Zeugen nur mehr dann rechtswirksam testieren, wenn unmittelbar die Gefahr droht, dass er stirbt oder die Fähigkeit zu testieren verliert, bevor er seinen letzten Willen auf andere Weise zu erklären vermag. Die Notsituation besteht demnach in der unmittelbaren Gefahr des Versterbens (Lebensgefahr) oder des Verlustes der Testierfähigkeit. Nach den Materialien muss die Gefahrensituation nicht unbedingt objektiv bestehen, es reicht aus, „wenn der durch objektive Umstände begründete Eindruck beim Erblasser besteht, dass eine Notsituation vorliegt" (RV 471 BlgNR 22. GP 29). Demnach ist das außergerichtliche, vor zwei Zeugen mündlich erklärte Nottestament dann gültig, wenn entweder die Notlage tatsächlich bestand oder aufgrund objektivierbarer Umstände eine derartige Notlage nachvollziehbar angenommen werden durfte (Apathy in KBB § 597 Rz 3; Eccher in Schwimann, ABGB³ § 597 Rz 3; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I13 506; Spitzer, Neues zu letztwilligen Verfügungen. Ein Beitrag zu Nottestament und Testierfähigkeit, NZ 2006/14).
Ob es bei der Beurteilung der Gefahrenlage allein auf den subjektiven Eindruck des Erblassers ankommt oder ob die Befürchtung auch für einen vernünftigen Menschen nachvollziehbar sein muss (Spitzer aaO) kann im vorliegenden Fall offen bleiben, weil schon die objektiven Voraussetzungen für die Annahme des unmittelbar bevorstehenden Ablebens oder des Verlusts der Testierfähigkeit fehlen. Die Erblasserin war zwar am bereits 95 Jahre alt und altersbedingt gebrechlich. Sie war aber durchaus in der Lage, zu einem Besuch außer Haus zu gehen und sich mit ihren Gastgebern zu unterhalten. Anhaltspunkte dafür, dass ihr Ableben unmittelbar bevorstehen oder sie testierunfähig werden könnte, bevor sie noch die Möglichkeit hätte, ein Testament vor einem Gericht oder Notar zu errichten, bestanden nach dem zu beurteilenden Sachverhalt nicht. Die Erblasserin hat auch selbst nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht mehr in der Lage sein könnte, eine letztwillige Verfügung auf andere Art zu errichten. Es mangelt daher an einem nach § 597 ABGB gültigen Testament. Schon das Rekursgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass das Alter der Erblasserin für sich allein ebensowenig für die Annahme einer unmittelbar drohenden Gefahr für Leben oder Testierfähigkeit ausreicht wie die altersbedingte Gebrechlichkeit. Wollte man schon allein aufgrund des Lebensalters und einer dementsprechenden Gebrechlichkeit von einem „durch objektive Umstände begründeten Eindruck einer Notsituation" ausgehen, so würde dies bedeuten, dass das mündliche außergerichtliche Zeugentestament in erleichterter Form (§ 597 ABGB fordert nur mehr zwei Zeugen) für alte und gebrechliche Personen weiterhin Bestand hätte. Dass dies dem in den Materialien formulierten Ziel des FamErbRÄG 2004 widerspräche hat das Rekursgericht zutreffend erkannt. In den Materialien formuliertes Ziel dieses Gesetzes ist es nämlich, mündliche außergerichtliche Zeugentestamente, die in der Praxis leicht vorgetäuscht werden können, nur mehr im Ausnahmefall einer Notsituation zuzulassen.
Die voranstehenden Erwägungen sind daher folgendermaßen zusammenzufassen:
Allein ein - von Gebrechlichkeit begleitetes - hohes Lebensalter des Erblassers genügt für die Errichtung eines nach § 597 ABGB gültigen mündlichen Testaments nicht.
Dem unberechtigten Revisionsrekurs ist somit ein Erfolg zu versagen.