OGH vom 18.11.2003, 1Ob253/03t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Bernhard Astner, Rechtsanwalt in Graz, als Masseverwalter im Konkurs der q***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Held Berdnik Astner & Partner, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei T***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Heinz Stöger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 450.000 EUR sA infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 1. September 2003, GZ 2 R 96/03k-51, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Der Kläger fragt danach, "welche Anforderungen ... an die Unparteilichkeit eines Sacheinlagenprüfers iSd § 42 Abs 1 AktG (Anm: alte Fassung) zu stellen" sind und unter welchen Voraussetzungen "ein Sacheinlagenprüfer seine Begutachtung auf die Ergebnisse eines vom Einbringenden beauftragten Privatsachverständigen stützen" und es "im Zusammenhang mit der Bewertung des Gegenstands der Sacheinlage mit einer (bloßen) Plausibilitätskontrolle bewenden lassen" dürfe. Er will ferner wissen, ob die "Verprobung" eines bei der Plausibilitätskontrolle "gegebenenfalls zulässigerweise herangezogenen Privatgutachtens ... anhand der Bewertung von Bareinlegern" - trotz deren "subjektiv hohen Risikoneigung" - zulässig und die "DCF-Methode im Zusammenhang mit der Sacheinlagenbewertung" eine geeignete Bewertungsmethode sei. Überdies sei zu klären, ob Unternehmen der New-Economy "jedenfalls ein tauglicher Gegenstand" für eine Sacheinlage seien.
2. Der Kläger beruft sich zur Untermauerung seines Standpunkts u. a. auf Art 24 der Achten Richtlinie des Rates vom 84/253/EWG - Bilanzprüferrichtlinie. Danach dürfen Personen eine Pflichtprüfung nicht durchführen, "wenn sie nach dem Recht des Mitgliedstaats (Anm: Hervorhebung durch den erkennenden Senat), der die Pflichtprüfung vorschreibt, nicht unabhängig sind". Es muss hier gar nicht beurteilt werden, ob diese Richtlinie auch Gründungsprüfer nach § 25 Abs 2 Z 4 AktG erfasst, ist doch evident, dass die Rechtsvorgängerin der beklagten Partei als Gründungsprüferin nach § 25 Abs 4 und 5 AktG nicht ausgeschlossen war. Überdies ist dem Kläger zu entgegnen, dass im Verfahren nicht hervorgekommen ist, dass die Rechtsvorgängerin der beklagten Partei ihre Aufgaben als Gründungsprüferin entgegen § 42 Abs 1 AktG aF nicht gewissenhaft und unparteiisch wahrgenommen hätte.
Soweit der Kläger nach zulässigen Mitteln der "Verprobung", der Tauglichkeit der "DCF-Methode" und der Verwertbarkeit von Privatgutachten bei Ermittlung der Werthaltigkeit einer Sacheinlage im Rahmen einer Gründungsprüfung fragt, wirft er keine zu lösenden Rechtsfragen auf. Die Methoden, deren sich ein Sachverständiger zur Aufklärung bestimmter Tatfragen bedient, kann ihm die Gerichtsbarkeit im Allgemeinen nicht vorschreiben. Der Sachverständige hat vielmehr selbst zu beurteilen, welcher - nach dem jeweiligen Stand des Wissens anerkannten - Methode er sich bedienen darf, um einen Beitrag zur Aufklärung der nach seinem Auftrag maßgebenden Tatfragen zu leisten.
Die in Anlehnung an Art 7 der Zweiten Richtlinie des Rates vom 77/91/EWG - Kapitalrichtlinie getroffene Regelung des § 20 Abs 2 AktG, wonach "Sacheinlagen oder Sachübernahmen ... nur Vermögensgegenstände sein" können, "deren wirtschaftlicher Wert feststellbar ist", entbehrt - wie die Richtlinie - einer Umschreibung dessen, was als "wirtschaftlicher Wert feststellbar ist". Was ein solcher Wert ist, lässt sich in Gestalt eines gesetzlichen Tatbestands angesichts der Dynamik des Wirtschaftslebens - mit Anspruch auf Vollständigkeit - gar nicht abstrahierend festlegen. Das verdeutlicht exemplarisch auch die Frage nach der Werthaltigkeit eines Unternehmens der New-Economy als Sacheinlage. Der europäische und der nationale Gesetzgeber müssen sich insofern mit einer Umschreibung dessen begnügen, was als Vermögensgegenstand für eine Sacheinlage nicht in Betracht kommt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass es weder Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs noch solche des Obersten Gerichtshofs gibt, die definierten, was als "wirtschaftlicher Wert feststellbar ist", handelt es sich doch dabei um eine reine Tatfrage. Ist diese Tatfrage wie hier gemäß § 25 Abs 2 Z 4 AktG durch einen Gründungsprüfer zu klären, so ist dafür eben der Stand des Wissens in dem vom Prüfer vertretenen Fachgebiet ausschlaggebend.
3. Aus allen bisherigen Erwägungen folgt zusammenfassend, dass die umfangreichen Revisionsausführungen in Wahrheit nur dem Versuch dienen, die von den Vorinstanzen abschließend gelösten Tatfragen im Kleid von Rechtsfragen neuerlich aufzurollen. Es besteht demnach auch keinerlei Veranlassung, der Anregung des Klägers zur Befassung des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren zu folgen. Die Revision ist vielmehr gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.