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OGH vom 24.04.2020, 7Ob216/19v

OGH vom 24.04.2020, 7Ob216/19v

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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr.

Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. S***** T*****, als Masseverwalter im Konkurs der A***** GmbH, gegen die beklagte Partei V***** AG, *****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und andere Rechtsanwälte in Sankt Pölten, wegen 61.903,07 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 50/19y-21, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Bei einer abstrakten Bankgarantie ist der Garantievertrag vom Bestand der gesicherten Hauptschuld grundsätzlich unabhängig, also nicht akzessorisch. Die Bank kann keine Einwendungen und Einreden aus dem zwischen Auftraggeber und Begünstigten bestehenden Kausalverhältnis geltend machen. Es ist gerade Sinn einer solchen Garantie, dem Begünstigten eine sichere und durch Einwendungen nicht verzögerte Zahlung zu gewährleisten. Streitigkeiten sollen erst nach der Zahlung abgewickelt werden (10 Ob 14/14b; vgl RS0016992 [T15]; 8 Ob 140/18y). Die Schutzwürdigkeit des Begünstigten aus einer Bankgarantie ist aber dann nicht gegeben, wenn die Inanspruchnahme rechtsmissbräuchlich erfolgt.

1.2. Für den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs kommt es auf den Wissensstand bzw die Beweislage im Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Garantie an (RS0017042; RS0018006 [T4]). Ein Missbrauchsfall liegt nur dann vor, wenn das Nichtbestehen des Anspruchs des Begünstigten im Valutaverhältnis zur Zeit der Inanspruchnahme der Garantie evident erwiesen ist. Hält sich der Begünstigte hingegen aus vertretbaren Gründen für berechtigt, kann ihm kein arglistiges oder rechtsmissbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden (RS0017997; vgl auch RS0018006, RS0016950). Die Tatsache allein, dass der Auftraggeber der Auszahlung der Garantiesumme widerspricht, berechtigt die Bank nicht, dem Begünstigten die Leistung zu verweigern (RS0018027). Der Rechtsmissbrauch muss vom die Leistung verweigernden Garanten eindeutig und evident (liquid) nachgewiesen werden (vgl RS0018027 [T20] = RS0017989 [T2]).

1.3. Ob im Einzelfall die für die Annahme von Rechtsmissbrauch geforderten Voraussetzungen vorliegen oder nicht, ist eine Frage des Einzelfalls und daher grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (9 Ob 1/06x = RS0017997 [T5] = RS0018027 [T18]; 9 Ob 112/06w; 10 Ob 41/05k).

2.1. Eine aufzugreifende Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz im hier vorliegenden Einzelfall zeigt der die Bank auf Leistung der abgerufenen Garantiesumme klagende Masseverwalter der – zwischenzeitig insolventen – Begünstigten in seiner Revision nicht auf:

2.2. Die Begünstigte hat die Garantie am letzten Tag der Frist im Bewusstsein abgerufen, dass ihre Forderung aus der Schlussrechnung (auch bei mängelfreier Leistung) noch nicht vereinbarungsgemäß fällig war (es war nicht einmal die Skontofrist abgelaufen) und innerhalb der laufenden Garantiefrist auch nicht mehr fällig werden würde, und dass außerdem noch Fertigstellungsarbeiten und Mängelrügen offen waren, das Werk also noch nicht abgenommen war. Die Bankgarantie wurde ausdrücklich zur Sicherung nach § 1170b ABGB und damit zur Sicherstellung der Zahlung des Entgelts im Fall eines Zahlungsverzugs gegeben. Dass die Garantie nicht zum vereinbarten Zweck abgerufen wurde, war letztlich auch dem Geschäftsführer der Begünstigten klar, hielt er sich doch nach den Feststellungen nur deshalb zur Abrufung berechtigt, weil er eine Haftrücklassgarantie gegeben hatte und nicht, weil bereits Fälligkeit der Forderung eingetreten wäre. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Abrufung damit bewusst zu vertragsfremden Zwecken (vor Eintritt des Garantiefalls Zahlungsverzug) erfolgte und damit Rechtsmissbrauch evident ist, hält sich im Rahmen der Judikatur (vgl 6 Ob 293/97z, 10 Ob 14/14b).

3. Die Bejahung oder Verneinung der Eindeutigkeit und Evidenz des zu erbringenden Nachweises über den Rechtsmissbrauch stellt einen Akt der richterlichen Beweiswürdigung dar; ob die Tatsachen in rechtlicher Hinsicht geeignet sind, den Vorwurf des Rechtsmissbrauche zu rechtfertigen, ist hingegen eine Frage der rechtlichen Beurteilung (RS0018027 [T16]; 10 Ob 41/05k mwN).

Bei den Überlegungen des Berufungsgerichts, dem Geschäftsführer der Begünstigten habe die mangelnde Fälligkeit klar sein müssen und er habe nicht vertretbar davon ausgehen dürfen, zur Ziehung der Garantie berechtigt zu sein, handelt es sich entgegen der Revision daher nicht um überschießende Tatsachenfeststellungen, sondern um einen Akt der rechtlichen Beurteilung (vgl RS0031795; RS0043601).

4. Inwiefern die rechtliche Relevanz der vom Berufungsgericht angesprochenen Frage, ob die Begünstigte die Verlängerung der Bankgarantie verlangt habe („extend or pay“ – vgl RS0016969), für den Revisionswerber überraschend gewesen sein sollte, ist nachvollziehbar, hat er doch in erster Instanz selbst behauptet, ein solches Verlangen gestellt zu haben; allerdings wurden zu einem solchen Verlangen Negativfeststellungen getroffen. Ein Erörterungsmangel ist nicht erkennbar.

5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0070OB00216.19V.0424.000

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