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OGH vom 14.09.2011, 6Ob134/11s

OGH vom 14.09.2011, 6Ob134/11s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Wels zu FN ***** eingetragenen B***** GmbH mit dem Sitz in G***** über den Revisionsrekurs der Gesellschaft und deren Masseverwalters Dr. G***** G***** (14 S ***** des Landesgerichts Steyr), beide vertreten durch Rechtsanwälte Grassner Lenz Thewanger Partner OG in Linz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 6 R 198/11x 9, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Wels vom , GZ 29 Fr 927/11a 5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die B***** GmbH mit Sitz in G***** ist zu FN ***** im Firmenbuch des Landesgerichts Wels eingetragen. Über das Vermögen der Gesellschaft wurde mit Beschluss des Landesgerichts Steyr vom zu 14 S ***** das Konkursverfahren eröffnet; zum Masseverwalter wurde Dr. G***** G*****, Rechtsanwalt in L*****, bestellt. Das Konkursverfahren ist nach wie vor aufrecht.

Zwischen dem und dem wurden in der Insolvenzdatei mehrere Teilschließungen des Unternehmens der Gesellschaft bekannt gemacht, am die befristete Fortführung des Unternehmens. Die gänzliche Schließung bewilligte das Konkursgericht am .

Der Masseverwalter zeigte am Masseunzulänglichkeit gemäß § 124a KO (nunmehr: IO) und am deren Wegfall an; auch diese Umstände wurden in der Insolvenzdatei bekannt gemacht.

Die Gesellschaft hat zuletzt den Jahresabschluss zum Stichtag offengelegt; die Offenlegung des Jahresabschlusses zum Stichtag ist bislang unterblieben.

Mit Zwangsstrafverfügungen vom wurden sowohl über die Gesellschaft als auch über den Masseverwalter jeweils 700 EUR wegen Nichtoffenlegung des Jahresabschlusses für das Jahr 2009 verhängt, wogegen die Gesellschaft und der Masseverwalter Einsprüche erhoben. Darin brachten sie vor, das Unternehmen sei unmittelbar nach Konkurseröffnung geschlossen worden; in der Folge seien nur mehr Liquidationshandlungen durchgeführt worden, das Finanzamt sei um Ermittlung der Grundlagen für die Bemessung der Steuern im Schätzungsweg ersucht worden; Erstellung und Offenlegung des Jahresabschlusses 2009 wären unwirtschaftlich und untunlich, werde sich doch die maximale Schlussverteilungsquote auf lediglich 5 bis 7 % belaufen.

Das Erstgericht verhängte über die Gesellschaft und den Masseverwalter gemäß § 283 UGB wegen Nichtvorlage des Jahresabschlusses zum Stichtag 30. (richtig: 31.) 12. 2009 bis zum 28. 2. (richtig: 27. 4.) 2011 Zwangsstrafen von je 700 EUR. Die Erstellung und Einreichung des Jahresabschlusses sei eine der Haupt- und Kardinalpflichten der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Es sei Sache der Geschäftsführer, durch zweckentsprechende Organisationsmaßnahmen in ihrem Geschäftsbereich für die rechtzeitige Erfüllung ihrer handelsrechtlichen Offenlegungspflichten zu sorgen. Während des Konkurses der Gesellschaft träfen die Buchführungs- und Bilanzierungspflichten auch für einen Zeitraum vor Konkurseröffnung den Masseverwalter, und zwar unabhängig davon, ob das Unternehmen fortgeführt werde oder nicht. Die Pflicht des Masseverwalters zur Erstellung der Jahresabschlüsse könne nur dann entfallen, wenn dies im Einzelfall unmöglich oder unwirtschaftlich beziehungsweise untunlich wäre, wobei die Voraussetzungen dafür vom Masseverwalter darzulegen seien. Unmöglich sei die Bilanzerstellung, wenn keine entsprechenden Unterlagen zur Bilanzerstellung existieren, unwirtschaftlich beziehungsweise untunlich hingegen, wenn das vorhandene Massevermögen die Kosten der Bilanzerstellung nicht decke beziehungsweise der Masseverwalter bereits einen Verteilungsentwurf erstellt habe, der durch die Bilanzerstellung wieder geändert werden müsste. Dass die Erstellung des Jahresabschlusses Kosten verursache, sei evident. Überdies wäre die Erstellung des Jahresabschlusses wäre kein Konkursverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet worden aus dem Vermögen der Gesellschaft zu berichtigen gewesen, weshalb auch unter diesem Gesichtspunkt ein wirtschaftlicher Nachteil für die Gläubiger nicht entstehe. Die von der Gesellschaft und dem Masseverwalter angeführten Gründe seien nicht berechtigt; ein offenkundig unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, weshalb die fristgerechte Offenlegung nicht möglich gewesen wäre, sei nicht behauptet beziehungsweise nicht ausreichend nachgewiesen worden.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 283 UGB idF Budgetbegleitgesetz 2011 und zur Frage, unter welchen konkreten Verhältnissen die Aufstellung eines Jahresabschlusses durch den Insolvenzverwalter untunlich oder unwirtschaftlich sei, insbesondere ob eine voraussichtliche Verteilungsquote von 5 bis 7 % Unwirtschaftlichkeit begründet.

In der Sache selbst verwies das Rekursgericht auf die Entscheidungen 6 Ob 154/05y und 6 Ob 246/07f, wonach auch der Masseverwalter Adressat einer Zwangsstrafe sein könne und mit denen Literaturmeinungen abgelehnt worden seien, wonach eine Verpflichtung des Masseverwalters zur Erstellung von Jahresabschlüssen für Zeiträume vor Konkurseröffnung infolge teleologischer Reduktion der handelsrechtlichen Bestimmungen nicht bestehe; eine Betriebseinstellung habe nach diesen Entscheidungen nicht den Entfall der Bilanzierungspflichten zur Folge. Im Rekurs werde Massearmut nicht behauptet, die erfahrungsgemäß mit rund 3.000 EUR zu veranschlagenden Kosten eines Wirtschaftstreuhänders für die Erstellung des Jahresabschlusses könnten daher von der Masse getragen werden; die Verteilungsquote sage nichts über den Wert der Masse in absoluten Zahlen aus.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

1.1. Die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften treffen unternehmensrechtliche Rechnungslegungs- und Offenlegungspflichten. Gemäß § 277 Abs 1 UGB haben sie spätestens neun Monate nach dem Bilanzstichtag den Jahresabschluss und den Lagebericht beim Firmenbuchgericht einzureichen. Kommen die Organe des Unternehmens der Offenlegungspflicht nicht nach, sind gemäß § 283 Abs 1 UGB Zwangsstrafen zu verhängen.

1.2. Nach § 283 Abs 2 UGB idF Budgetbegleitgesetz 2011 ist, wenn die Offenlegung nicht bis zum letzten Tag der Offenlegungsfrist erfolgte, mit Strafverfügung eine Zwangsstrafe von je 700 EUR zu verhängen, und zwar sowohl über jedes einzelne Mitglied des Vertretungsorgans (§ 283 Abs 1 UGB) als auch über die Gesellschaft selbst (§ 283 Abs 7 UGB).

§ 283 UGB ist weder im Hinblick auf die vorgesehene Mindeststrafe verfassungsrechtlich bedenklich noch liegt ein Verstoß gegen das Verbot einer Doppelbestrafung vor (6 Ob 129/11f). Die Bestimmung ist außerdem auf bereits vor Inkrafttreten des Budgetbegleitgesetzes 2011 offen zu legende Jahresabschlüsse anzuwenden (vgl 6 Ob 129/11f zu einem ebenfalls das Kalenderjahr 2009 betreffenden Jahresabschluss).

1.3. Gegen die Strafverfügung steht der Einspruch offen; nach rechtzeitiger Erhebung eines begründeten Einspruchs hat das Firmenbuchgericht im ordentlichen Verfahren über die Verhängung einer Zwangsstrafe zu entscheiden. Es darf jedoch weder eine Zwangsstrafverfügung erlassen noch im ordentlichen Verfahren eine Zwangsstrafe verhängt werden, wenn der Jahresabschluss zwar nach Ablauf der gesetzlichen Offenlegungsfrist, jedoch spätestens einen Tag vor (beabsichtigter) Erlassung der Zwangsstrafverfügung eingereicht wird (6 Ob 129/11f).

1.4. Im vorliegenden Fall wäre gemäß § 277 Abs 1 UGB der Jahresabschluss der Gesellschaft zum Stichtag spätestens bis offen zu legen gewesen; das Erstgericht hat daher die Zwangsstrafverfügungen zu Recht erlassen. Zu diesem Zeitpunkt war der Masseverwalter infolge Konkurseröffnung bereits für die Gesellschaft offenlegungspflichtig; der Konkurs ist bislang auch noch nicht aufgehoben worden.

2. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats treffen nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Kapitalgesellschaft die Pflichten nach §§ 277 ff UGB den Insolvenzverwalter (RIS-Justiz RS0039298). Dieser hat die Offenlegungspflichten bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens (oder einer allenfalls früheren Löschung des Unternehmens im Firmenbuch; vgl 6 Ob 246/07f ZIK 2008/54 [ Fraberger/Riel , 41] = GesRZ 2008, 108 [ Fraberger ]) zu erfüllen, und zwar grundsätzlich auch für Zeiträume vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (6 Ob 25/01x SZ 74/58; 6 Ob 154/05y GeS 2007, 191 [ Zehetner ] = GesRZ 2007, 260 [ Fraberger ]) und selbst bei zwischenzeitig geschlossenem Unternehmen (6 Ob 25/01x; 6 Ob 246/07f).

Der Revisionsrekurs stellt diese Rechtsprechung, die gegenteilige, derartige Offenlegungspflichten verneinende Literaturmeinungen (etwa Riel/Zehetner , Handelsrechtliche Rechnungs- und Offenlegungspflichten im Konkurs, ZIK 2001, 110; Fraberger , Grenzen handels- und steuerrechtlicher Buchführungspflichten im Konkurs, ZIK 2002, 38) ausdrücklich abgelehnt hatte, nicht (mehr) in Frage. Damit bedarf es einer neuerlichen Überprüfung der Frage einer grundsätzlichen Offenlegungsverpflichtung des Insolvenzverwalters ebenso wenig wie einer Stellungnahme zu der an dieser Rechtsprechung (weiterhin) erhobenen Kritik (siehe etwa Engelhart , Jahresabschluss und Offenlegungspflichten in der Insolvenz, in Konecny , Insolvenz-Forum 2008 [2009] 177); im Übrigen sind dieser Kritik auch keine neuen Argumente, mit denen sich der erkennende Senat bislang nicht auseinandergesetzt hat, zu entnehmen.

3.1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in den Entscheidungen 6 Ob 154/05y und 6 Ob 246/07f darauf hingewiesen, dass die Offenlegungspflicht des Insolvenzverwalters entfallen kann, wenn die Erstellung von Jahresabschlüssen unmöglich oder untunlich (unwirtschaftlich) ist (ebenso Fraberger , GesRZ 2007, 260 [Entscheidungsanmerkung]; Fraberger/Riel , Unmöglichkeit, Unwirtschaftlichkeit und Untunlichkeit. Die Konvergenz der Extreme bei der unternehmens- und steuerrechtlichen Bilanzierung im Konkurs, ZIK 2008, 41; zuvor bereits Fraberger , Handels- und steuerrechtliche Buchführungspflichten im Konkurs im Wandel der Rechtsprechung, taxlex 2006, 427). Eine nähere inhaltliche Determinierung dieser Begriffe (ausgenommen den Fall der „Massearmut“ im Sinn des § 124a IO [6 Ob 246/07f]) ist den genannten Entscheidungen nicht zu entnehmen.

Diese Rechtsprechung, ausnahmsweise von der Durchsetzung einer Offenlegungsverpflichtung absehen zu können, findet nunmehr eine weitere Stütze in dem durch das Budgetbegleitgesetz 2011 geschaffenen § 283 Abs 2 UGB; danach kann nämlich von der Verhängung einer Zwangsstrafverfügung abgesehen werden, wenn das zur Offenlegung verpflichtete Organ offenkundig durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der fristgerechten Offenlegung gehindert war. Diese Bestimmung erfasst allerdings jene Fälle, in denen die (fristgerechte) Offenlegung vorübergehend nicht möglich war (vgl den Hinweis der ErläutRV [981 BlgNR 24. GP, 70] auf die Konzeption der Wiedereinsetzung nach §§ 146 ff ZPO). Sie lässt sich nicht dahin interpretieren, der Gesetzgeber des Budgetbegleitgesetzes 2011 hätte damit auch die Einwendungsmöglichkeiten von insolventen Kapitalgesellschaften und insbesondere der für diese bestellten Insolvenzverwalter umfassend regeln und insoweit von den Entscheidungen 6 Ob 154/05y und 6 Ob 246/07f abrücken wollen; dazu hätte es eines klaren Hinweises zumindest in den ErläutRV bedurft.

3.2. Der Insolvenzverwalter einer an sich offenlegungspflichtigen Kapitalgesellschaft hat die Unmöglichkeit oder Untunlichkeit (Unwirtschaftlichkeit) der Erstellung und Offenlegung von (fehlenden) Jahresabschlüssen spätestens im Einspruch gegen eine gegen ihn und (oder) die Gesellschaft erlassene Zwangsstrafverfügung geltend zu machen. Eine amtswegige Ermittlungspflicht des Firmenbuchgerichts besteht hingegen nicht; dieses ist also nicht verpflichtet, Erhebungen zu den möglichen Hinderungsgründen anzustellen (6 Ob 246/07f; G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer , FBG [2005] § 24 Rz 109; Fraberger/Riel , ZIK 2008, 41) oder etwa den Konkurs- oder einen allfälligen Strafakt beizuschaffen (6 Ob 246/07f). Vielmehr liegt es am Insolvenzverwalter selbst, schon im Verfahren erster Instanz die der Erfüllung seiner Offenlegungspflicht entgegenstehenden Hindernisse darzutun (6 Ob 246/07f; 6 Ob 129/11f).

4. Der Masseverwalter und die Gesellschaft beriefen sich (in ihrem Rekurs) auf die Unmöglichkeit der Offenlegung wegen nicht rekonstruierbarer Buchhaltung und führten dazu aus, dass „aufgrund der bevorstehenden Beendigung des [ Konkurs ]Verfahrens bereits sämtliche Buchhaltungsunterlagen in die Verwahrung der Käuferin der Liegenschaft gegeben [ wurden ], die sich im Liegenschaftskaufvertrag vertraglich zur Aufbewahrung der Unterlagen verpflichtet hat. Zudem stehen dem Masseverwalter keinerlei Mitarbeiter mehr zur Verfügung, da diese nach Schließung des Unternehmens gemäß § 25 IO vorzeitig ausgetreten sind. Insbesondere müsste die [ namentlich genannte ] frühere Leiterin des Rechnungswesens, die bereits längst einer anderen beruflichen Tätigkeit nachgeht, ersucht werden, im Archiv die Unterlagen für die Bilanzerstellung zusammenzustellen, was mit weiteren Kosten verbunden wäre“.

4.1. Der Oberste Gerichtshof hat zwar bereits ausgesprochen, das offenlegungspflichtige Organ könne sich nicht darauf berufen, dass bezüglich jener Jahre, für welche nun die Offenlegung gefordert werde, etwa die Aufbewahrungsfristen nach § 212 UGB beziehungsweise § 132 BAO bereits abgelaufen sind; die Organe hätten es ja sonst in der Hand, ihrer Offenlegungspflicht allein dadurch entgehen zu können, dass sie möglichst lange nicht offen legen (6 Ob 240/09a) und dann die notwendigen Unterlagen entsorgen.

Im Unterschied zu den Organen einer solventen Gesellschaft verfügt ein Insolvenzverwalter jedoch unter Umständen nicht über vollständige (zumindest aber für die Erstellung eines Jahresabschlusses notwendige) Buchhaltungsunterlagen aus dem Zeitraum vor seiner Bestellung und kann möglicherweise auch nicht auf die Mitwirkung der bisherigen Organe der Gesellschaft zurückgreifen, weil diese etwa nicht auffindbar sind oder kein Interesse daran haben, den Insolvenzverwalter zu unterstützen. Anders als ein neu zu bestellender Geschäftsführer oder Vorstand einer Kapitalgesellschaft kann der Insolvenzverwalter in der Praxis vor seiner Bestellung durch das Insolvenzgericht auch nicht prüfen, ob die Gesellschaft in der Vergangenheit ihren Offenlegungspflichten nachgekommen ist beziehungsweise ob infolge Fehlens der Unterlagen eine nachträgliche Offenlegung möglich sein wird; nach seiner Bestellung könnte er zwar bei Erkennen dieser Unmöglichkeit theoretisch seine Aufgabe als Insolvenzverwalter zurücklegen, was jedoch die gesetzmäßige Abwicklung des Insolvenzverfahrens letztlich unmöglich machen würde, stünden doch auch der Insolvenzverwalterstellvertreter oder allenfalls andere als (Ersatz )Insolvenzverwalter zu bestellende Personen vor denselben Problemen.

4.2. Ist die Buchhaltung daher für den betroffenen, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegenden Zeitraum (für Zeiträume nach Insolvenzeröffnung ist dem Insolvenzverwalter der Einwand der Unmöglichkeit infolge fehlender Unterlagen jedenfalls verwehrt, treffen ihn doch die Buchführungspflichten nunmehr selbst [6 Ob 246/07f; vgl auch Fraberger/Riel , ZIK 2008, 41 „Hochziehen eines eigenständigen Rechenwerks“]) aufgrund fehlender (Buchhaltungs )Unterlagen nicht mehr rekonstruierbar, ist Unmöglichkeit der Erstellung und Offenlegung von Jahresabschlüssen gegeben ( Fraberger , taxlex 2006, 427). Der Verfassungsgerichtshof (VfSlg 11260, 13295, 13523, 14406) hält die Buchführung dabei so lange für rekonstruierbar, als tatsächlich Bücher geführt wurden und das Rechenwerk dem Grunde nach geeignet ist, den gesetzlichen Vorgaben gerecht zu werden, auch wenn es in Teilbereichen lückenhaft ist. Die Mängel der Buchführung dürfen jedoch nicht so weit gehen, dass sie nach Art und Umfang auf das gesamte Rechenwerk ausstrahlen und auch nach einer Richtigstellung und Ergänzung eine periodengerechte Erfassung der maßgeblichen Daten insgesamt nicht möglich erscheinen lassen.

Diese Überlegungen lassen sich auch auf den Insolvenzverwalter übertragen. Seine Darlegungen kann er etwa durch Vorlage der Berichte an das Insolvenzgericht oder allfällige Strafanzeigen gegen die früheren Organe untermauern (6 Ob 246/07f).

4.3. Der Insolvenzverwalter hat, wenn er sich auf Unmöglichkeit der Offenlegung beruft, außerdem darzulegen, dass er die für die Erstellung des Jahresabschlusses notwendigen Unterlagen auch nicht (mehr) erlangen kann. Er hat dabei jedenfalls jene konkreten Schritte darzutun, die er unternommen hat, sich die Unterlagen zu beschaffen beziehungsweise die Erfüllung der gesetzlichen Offenlegungspflicht zu ermöglichen (6 Ob 33/09k; ebenso Zib/Dellinger , UGB Band I [2010] § 24 FBG Rz 24).

Eine „gerichtliche Pfändung“ oder eine Beschlagnahme der für die Erstellung des Jahresabschlusses erforderlichen Unterlagen hindern nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Hinblick auf bestehende Ablichtungsmöglichkeiten regelmäßig eine (Wieder )Beschaffung der Unterlagen nicht (6 Ob 205/06z), ebenso wenig etwa der Umstand, dass die Buchhaltungsunterlagen sich bei einer anderen Gesellschaft befinden (6 Ob 33/09k), sofern sie dort beschaffbar oder ablichtbar wären. Im Hinblick darauf, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Einreichung eines noch nicht festgestellten oder noch nicht geprüften Jahresabschlusses als fristenwahrend anzusehen ist (6 Ob 53/05w; 6 Ob 132/11x), kann sich der Insolvenzverwalter schließlich auch nicht darauf berufen, dass derzeit eine Betriebsprüfung anhängig sei (6 Ob 132/11x).

4.4. Damit kommt den Ausführungen der Gesellschaft und des Masseverwalters in diesem Punkt keine Berechtigung zu; ihre eigenen Ausführungen zeigen ja die zumindest vorhanden gewesene Möglichkeit der Erstellung des Jahresabschlusses. Dass der Masseverwalter die Unterlagen (verfrüht) weggegeben hat, kann ihn und die Gesellschaft nicht entlasten.

5. Im Firmenbuch war hinsichtlich der Gesellschaft Masseunzulänglichkeit bekannt gemacht.

5.1. Tatsächlich ist Unmöglichkeit der Erstellung von Jahresabschlüssen für den Insolvenzverwalter (und die insolvente Gesellschaft) regelmäßig auch dann anzunehmen, wenn Masseunzulänglichkeit nach § 124a IO vorliegt und in der Insolvenzdatei bekannt gegeben wurde (vgl 6 Ob 246/07f). Ein Steuerberater, der die Unzulänglichkeit der Masse (etwa durch Einsicht in die Insolvenzdatei) kennt, wird nämlich einerseits nicht bereit sein, Leistungen für das insolvente Unternehmen beziehungsweise den Insolvenzverwalter zu erbringen (dBGH , IX ZB 161/03). Andererseits steht es dem Insolvenzverwalter aber zu, für die Erstellung eines Jahresabschlusses die Hilfe eines Steuerberaters in Anspruch zu nehmen (dBGH , IX ZB 161/03 mwN aus der deutschen Literatur; ebenso bereits 6 Ob 130/09z; 6 Ob 134/09p), sofern er nicht selbst als Steuerberater, Wirtschaftstreuhänder oder dergleichen tätig ist. Diese Überlegungen gelten grundsätzlich für Zeiträume vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

5.2. Für Zeiträume nach Insolvenzeröffnung kann sich der Insolvenzverwalter jedoch auf den Einwand der Unmöglichkeit infolge Masseunzulänglichkeit nur berufen, wenn er das Unternehmen nach Insolvenzeröffnung unter Beachtung seiner Fortführungspflicht nach § 114a Abs 1 IO unverzüglich schließt oder zuvor lediglich Liquidationshandlungen vornimmt, also kein werbendes Unternehmen mehr führt ( Fraberger/Riel , ZIK 2008, 41). Solange der Insolvenzverwalter das Unternehmen hingegen als werbendes Unternehmen fortführt, ist ihm der Einwand der Unmöglichkeit infolge Masseunzulänglichkeit abgeschnitten; die Kosten der Erstellung der Jahresabschlüsse sind bereits bei der Fortführungsprognose zu berücksichtigen. Sollte das Insolvenzgericht die Fortführung des Unternehmens gegen den Willen des Insolvenzverwalters beschlossen haben (§ 114a Abs 2 Satz 1 IO), läge für diesen ein unabwendbares Ereignis (§ 283 Abs 2 UGB) vor.

5.3. Der Umstand der Masseunzulänglichkeit ist der Insolvenzdatei zu entnehmen; der Insolvenzverwalter muss aber darlegen, dass aus diesem Grund die Erstellung des Jahresabschlusses unmöglich ist. Eine Überprüfung der Richtigkeit der Eintragung der Masseunzulänglichkeit hat nur bei Bedenken im Einzelfall zu erfolgen. Im vorliegenden Verfahren entlastet die ursprüngliche Masseunzulänglichkeit die Gesellschaft und den Masseverwalter jedoch nicht, weil sie am wieder weggefallen ist.

6. Die Gesellschaft und der Masseverwalter berufen sich in ihrem Revisionsrekurs auch auf den Umstand, dass das Unternehmen zwischenzeitig geschlossen ist und nach Konkurseröffnung nur mehr Liquidationsmaßnahmen durchgeführt wurden; Untunlichkeit der Erzwingung der Offenlegungspflichten sei grundsätzlich anzunehmen, wenn die Offenlegung die durch sie verfolgten Ziele nicht mehr erreichen kann. Sie verweisen insoweit unter Hinweis auf Egger/Samer/Bertl (Der Jahresabschluss nach dem UGB I 12 [2008] 17) auf den Zweck von Jahresabschlüssen; diese hätten Ausschüttungs- und Steuerbemessungsfunktion sowie Erhaltungs- und Informationsfunktion. Entscheidendes Kriterium im Hinblick auf Untunlichkeit und Unwirtschaftlichkeit soll es nach Auffassung des Revisionsrekurses sein, ob die Erstellung eines Jahresabschlusses für jemanden von Relevanz sei. Neugläubiger seien im Fall der Gesellschaft nicht vorhanden, Altgläubiger hätten ein Interesse an einer möglichst hohen Schlussverteilungsquote. Das Finanzamt habe eine Schätzung für die Bemessung der abzuführenden Abgaben vorgenommen. Ein Informationsinteresse der Gesellschaft selbst bestehe nicht mehr. Damit hätten aber weder über die Gesellschaft noch über den Masseverwalter Zwangsstrafen verhängt werden dürfen. Der Revisionsrekurs spricht damit die Frage der Untunlichkeit der Offenlegung von Jahresabschlüssen während eines Insolvenzverfahrens für vorangegangene Zeiträume an.

Dazu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

6.1. Angesichts der unter 2. dargestellten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und unter Berücksichtigung des sowohl vom Obersten Gerichtshof (6 Ob 246/07f; 6 Ob 33/09k) als auch vom Verwaltungsgerichtshof (Zl 2000/15/0129; ÖStZB 2004/616) außerhalb von Insolvenzverfahren vertretenen Grundsatzes, dass die Offenlegungspflicht auch dann besteht, wenn die Gesellschaft keine Tätigkeit mehr ausübt, kann bei an sich möglicher Erstellung und Offenlegung der fehlenden Jahresabschlüsse (auch) während des Insolvenzverfahrens nicht von Vorneherein davon ausgegangen werden, dass die Offenlegungspflicht ganz grundsätzlich bei Schließung des Unternehmens nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens entfällt. Insoweit ist nämlich auch zu berücksichtigen, dass Art 47 der Bilanz Richtlinie keine Ausnahmen von der Verpflichtung zur Offenlegung von Jahresabschlüssen für Kapitalgesellschaften enthält, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist (6 Ob 246/07f).

Es kann auch nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass diese Verpflichtung zur Erstellung und Offenlegung von Jahresabschlüssen lediglich infolge Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über die mit der Erfüllung ihrer Offenlegungspflichten säumige Kapitalgesellschaft entfallen oder nicht mehr weiter bestehen würde (6 Ob 25/01x; 6 Ob 154/05y; 6 Ob 246/07f); dies gilt auch für länger zurückliegende Zeiträume.

Erstellung und Offenlegung von Jahresabschlüssen sind daher auch im Insolvenzfall grundsätzlich tunlich.

6.2. Die Gesellschaft und der Masseverwalter haben in den Einsprüchen auf die im vorliegenden Fall (lediglich) zu erzielende Konkursquote von 5 bis 7 % hingewiesen und damit Bezug auf eine Quotenverschlechterung bei Erstellung des Jahresabschlusses durch einen Steuerberater genommen.

Auf die zu erwartende Verteilungsquote in Prozenten oder absoluten Zahlen kommt es jedoch nicht an, können doch etwa bei einer hohen Verteilungsmasse und hohen Insolvenzforderungen und daher geringer Quote durchaus die Kosten der Erstellung der Jahresabschlüsse lediglich zu einer verhältnismäßig geringfügigen Verringerung des Befriedigungsfonds der Gläubiger führen.

6.3. Dass die Kosten für die ehemalige Buchhalterin im Zusammenhang mit der Wiederbeschaffung der notwendigen Unterlagen unter dem Gesichtspunkt der Unwirtschaftlichkeit eine Rolle spielen könnten, verkennt der Oberste Gerichtshof nicht. Abgesehen davon, dass sich jedenfalls der Masseverwalter, der ja zuvor die Unterlagen weggegeben hat, insofern nicht auf die von ihm verschuldete Unwirtschaftlichkeit berufen könnte, mangelt es aber auch an einem ziffernmäßig bestimmten Vorbringen zu diesen zusätzlichen Kosten und dem Ausmaß der dadurch zu erwartenden Quotenverschlechterung.

6.4. Das Erstgericht ist von einer Untunlichkeit der Erzwingung der Offenlegungspflichten für den Fall ausgegangen, dass der Insolvenzverwalter bereits einen Verteilungsentwurf erstellt hat, der durch die Bilanzerstellung wieder geändert werden müsste. Dem kann allerdings weder für den Fall der Schließung noch für den Fall der Fortführung des Unternehmens gefolgt werden; auch Wirtschaftlichkeitsüberlegungen spielen hier keine Rolle. Tatsächlich verringert sich durch die Erhöhung der Masseforderungen nämlich zwar die Verteilungsquote der Insolvenzgläubiger; die reine Neuberechnung des Verteilungsentwurfs und eine allenfalls damit verbundene (kurzfristige) Verzögerung des Insolvenzverfahrens würden sich jedoch nicht unmittelbar auf die dargestellten Interessenlagen auswirken.

Damit erweist sich das Vorbringen der Gesellschaft und des Masseverwalters (im Rekurs), das Konkursverfahren sei „mehr oder minder abschlussreif“, unabhängig davon, dass es gegen das Neuerungsverbot des § 49 AußStrG verstieß, als irrelevant; der Rekurs hat sich damit ja auch lediglich auf eine allfällige Verzögerung des Konkursverfahrens berufen.

7. Da es somit der Gesellschaft und dem Masseverwalter unter Berücksichtigung der dargestellten Rechtslage insgesamt nicht gelungen ist, der Erstellung und Offenlegung des Jahresabschlusses für 2009 entgegenstehende Hindernisse (nachvollziehbar) darzutun, war die Verhängung der Zwangsstrafen durch die Vorinstanzen vom Obersten Gerichtshof zu bestätigen.