OGH vom 17.08.2017, 2Ob143/16t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Dr. Veith als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. E. Solé, den Hofrat Dr. Nowotny und die Hofrätinnen Mag. Malesich und Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** K*****, vertreten durch Dr. Andreas Kiesling, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. F***** L*****, und 2. J***** L*****, beide vertreten durch Dr. Leopold Boyer, Rechtsanwalt in Zistersdorf, wegen 23.650 EUR sA und Feststellung (5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 11 R 81/16m-43, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Die Anträge der klagenden Partei auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art 89 Abs 2 iVm Art 140 BVG vor dem Verfassungsgerichtshof und eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art 267 AEUV vor dem Europäischen Gerichtshof werden zurückgewiesen.
II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Zu I.: Eine Prozesspartei hat nach ständiger Rechtsprechung keinen verfahrensrechtlichen Anspruch, die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof oder die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union durch das Gericht zu beantragen, sodass die entsprechenden Anträge des Klägers zurückzuweisen sind (2 Ob 174/16a; 5 Ob 12/17a; RISJustiz RS0058452).
Zu II.: Dem Verfahren zugrunde liegt ein Unfall, der sich ereignete, als der Erstbeklagte über Auftrag des Klägers auf dessen Liegenschaft Baumschnittarbeiten durchführte. Der Kläger stand in einem auf einem Ladekran des LKW des Erstbeklagten befestigten Arbeitskorb, den letzterer vom Boden aus steuerte, und schnitt über Anweisung des Erstbeklagten mit einer Motorsäge Äste ab, die der Zweitbeklagte mit dem Greifarm eines von ihm gesteuerten Baggers festhielt. Dabei geriet einer der Äste in Bewegung und traf den Kläger in den Rücken, der dadurch gegen das Metallgeländer des Arbeitskorbs gepresst und schwer verletzt wurde.
Der Kläger begehrt Schmerzengeld und stellt auch ein Feststellungsbegehren.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren gegenüber dem Erstbeklagten wegen des Dienstgeberhaftungsprivilegs nach § 333 Abs 1 ASVG ab und gab jenem gegen den Zweitbeklagten statt.
Das Berufungsgericht gab der vom Kläger gegen die Abweisung des Begehrens in Bezug auf den Erstbeklagten erhobenen Berufung nicht Folge. Ein Fall des § 333 Abs 3 ASVG liege nicht vor.
Die dagegen gerichtete außerordentliche Revision des Klägers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf:
1. Die Ausnahmeregelung des § 333 Abs 3 ASVG setzt voraus, dass der zu ersetzende Schaden von einer Haftpflichtversicherung gedeckt ist (RISJustiz RS0085140).
2. Richtig ist, dass durch die Verwendung des LKW mit ausgefahrenen Stützen als ortsgebundene Arbeitsmaschine nur die Halterhaftung nach dem EKHG ausgeschlossen wird (RISJustiz RS0058229), wohingegen der weitere Begriff der „Verwendung“ nach dem KHVG 1994 auch dann anzunehmen ist, wenn der Motor des Fahrzeugs für Arbeitsvorgänge verwendet wird (RISJustiz RS0088978; RS0088976). Dass letzteres hier zutraf, hat der Erstbeklagte selbst vorgebracht (AS 156).
3. Allerdings kann, und darauf hat sich das Berufungsgericht gestützt, das Risiko der Verwendung des Fahrzeugs als ortsgebundene Kraftquelle gemäß § 4 Abs 1 Z 4 KHVG aus der KraftfahrzeugHaftpflichtversicherung ausgeschlossen werden. Die gegen diese Bestimmung vom Kläger vorgebrachten Bedenken (angeblicher Widerspruch zur „höherrangigen Forderung einer umfassenden Deckung ohne Ausschlüsse im Sinne des Opferschutzes“, zum Gleichheitssatz sowie zu § 1 EKHG, der einen solchen Ausschluss nicht kenne) bieten keinen Anlass, von Amts wegen an den Verfassungsgerichtshof oder den Gerichtshof der Europäischen Union heranzutreten, zumal von einem dieser Gerichte konkret zu prüfende Fragen nicht ersichtlich sind.
4. Auch das VOEG stützt die Argumentation des Klägers nicht. Zwar ist richtig, dass dessen § 1 keine derartige Einschränkung der Ersatzpflicht enthält, allerdings sind Personenschäden bei Vorliegen des erörterten Ausschlusstatbestands von den Entschädigungsfällen des § 4 Abs 1 VOEG nicht umfasst (vgl auch § 6 Abs 3 VOEG, wonach der Geschädigte nicht zu entschädigen ist, wenn das nicht versicherungspflichtige Fahrzeug als ortsgebundene Kraftquelle oder für ähnliche Zwecke verwendet wird). Aus diesem, sich bereits aus dem Gesetz erschließenden Grund (RISJustiz RS0042656) würde auch die vom Revisionswerber weiter geltend gemachte unterlassene Prüfung der Haftung des Erstbeklagten insofern, als auch das VOEG als das Haftungsprivileg ausschließende Regelung iSd § 333 Abs 3 ASVG anzusehen sei (dazu zuletzt 2 Ob 20/16d), hier zu keinem anderen Ergebnis führen.
5. Die den Risikoausschluss betreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil können in ihrem Gesamtzusammenhang nur dahin verstanden werden, dass dem KfzHaftpflichtversicherungsvertrag die AKHB 2007 zugrunde lagen, nach deren Art 8 Z 3 Ersatzansprüche aus der Verwendung des versicherten Fahrzeugs als ortsgebundene Kraftquelle vom Versicherungsschutz nicht umfasst sind. Auf die Frage, ob die Replik des Klägers auf das diesbezügliche Vorbringen des Erstbeklagten ein schlüssiges Tatsachengeständnis enthält, kommt es daher nicht an.
6. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Ausnahmebestimmung des § 333 Abs 3 ASVG nicht zum Tragen komme und das Dienstgeberhaftungsprivileg des § 333 Abs 1 ASVG zugunsten des Erstbeklagten Anwendung finde, wirft somit unter den konkreten Umständen des vorliegenden Falls keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00143.16T.0817.000 |
Schlagworte: | Zivilverfahrensrecht,Gruppe: Verkehrsrecht,Verkehrsopfergesetz |
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