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OGH vom 24.01.2018, 7Ob207/17t

OGH vom 24.01.2018, 7Ob207/17t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** R*****, vertreten durch Dr. Robert Müller, Rechtsanwalt in Hainfeld, gegen die beklagte Partei R***** reg GenmbH, *****, vertreten durch Dr. Anton Hintermeier ua, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen 10.359,44 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom , GZ 21 R 108/17s-19, womit das Urteil des Bezirksgerichts St. Pölten vom , GZ 14 C 11/17m-14, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und es wird die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger sollte im Februar 2015 im Auftrag der Beklagten auf einem ihrer Betriebsareale die Sohle des Haus- und Gartenmarkts betonieren, wozu vor dem Aushärten des Bodens der Einsatz von Glättmaschinen erforderlich war. Um den richtigen Zeitpunkt für den Einsatz der Glättmaschinen zu bestimmen, musste der Boden immer wieder kontrolliert werden. Es wurden drei Glättmaschinen bereits an den Vortagen auf das Betriebsareal der Beklagten angeliefert, um sofort zur Verfügung zu stehen. Sie wurden über Ersuchen des Klägers bis zu ihrem Einsatz in der Baustoffhalle des Betriebsareals eingestellt. Eine Vereinbarung, die Baustoffhalle bei Einlagerung der Glättmaschinen beheizt und auch versperrt zu halten, konnte nicht festgestellt werden.

Das Areal ist weitläufig, es ist durch das zur Straße hin gelegene Haupteingangstor zu betreten, das aus einem manuellen und einem elektrischen Teil besteht. Unmittelbar danach befindet sich rechts der Haus und Gartenmarkt, bei welchem der Kläger arbeitete, und daran anschließend, etwas versetzt angebaut, die Baustoffhalle. Diese Halle hat mehrere Eingänge. Die vordere Tür wird regelmäßig versperrt. Daneben befindet sich ein Rolltor, das unter anderem mit einer Fernbedienung zu öffnen ist, die ihrerseits in einer Halterung am Rahmen eines Staplers aufbewahrt wird, was Mitarbeitern und Stammkunden bekannt war. Eine weitere Türe, die ebenfalls nur Mitarbeiter und Stammkunden kennen, ist im hinteren, vom Gartenmarkt abgewandten Bereich der Halle situiert. Sie wird zwar regelmäßig geschlossen, bleibt aber vereinzelt unversperrt.

Die Glättarbeiten an der Betonsohle des Gartenmarkts waren für die Nacht vom 12. auf den vorgesehen. Vereinbarungsgemäß hatten die Mitarbeiter der Beklagten den händisch zu bedienenden Teil des Haupteingangstors zum Areal zwar geschlossen, nicht aber versperrt, damit der Kläger das Areal betreten und den Aushärtungsgrad des Betons prüfen konnte. Ein Lagerarbeiter stand auf Abruf bereit, um dem Kläger die Glättmaschinen mittels Staplers von der Baustoffhalle zum Einsatzort zu bringen. In jener Nacht war – aus nicht näher festgestellten Gründen – die Hintertüre der Baustoffhalle zwar geschlossen, aber ebenfalls unversperrt. Die vordere Eingangstür zur Baustoffhalle war dagegen verschlossen und versperrt. Allerdings war der Stapler mit der Fernbedienung zum Rolltor in der Nähe des Haupteingangstors abgestellt.

Als der Kläger gegen 00:30 Uhr das Areal betrat, waren die drei Glättmaschinen verschwunden. Unbekannte Täter hatten das Areal durch das Haupttor zum Areal betreten und mit der am Stapler aufbewahrten Fernbedienung das Rolltor zur Baustoffhalle geöffnet. Mithilfe eines in der Halle abgestellten Elektrostaplers beförderten die Täter die Glättmaschinen durch das Rolltor hinaus. Auf welchem Weg sie die Maschinen vom Areal verbrachten, wurde nicht festgestellt.

Der Kläger begehrt einerseits den Zeitwert der in seinem Eigentum gestandenen Glättmaschine in Höhe von 2.300 EUR sowie andererseits Ersatz im Umfang seiner im Verfahren AZ 2 C 720/15p des Bezirksgerichts Lilienfeld ausgesprochenen Zahlungsverpflichtung wegen der zwei angemieteten Glättmaschinen samt aufgelaufener Zinsen und Prozesskosten. Er steht zusammengefasst auf dem Standpunkt, die Beklagte habe aus dem Werkvertrag resultierende Schutz- und Sorgfaltspflichten verletzt, indem sie die Maschinen nicht ordnungsgemäß verwahrt habe. Überdies sei zwischen den Parteien eine Vereinbarung dahingehend getroffen worden, dass die Baustoffhalle versperrt und geheizt hätte sein sollen.

Die Beklagte bestritt und wandte ein, dass eine Vereinbarung über eine spezielle Verwahrung nicht getroffen worden sei. Auch treffe sie aus dem Werkvertrag als Auftraggeber keine Verwahrungspflicht. Der Kläger habe im Vorverfahren des Bezirksgerichts Lilienfeld 5.319 EUR einspruchslos anerkannt, wofür er selbst verantwortlich sei. Außerdem sei er vorsteuerabzugsberechtigt und habe daher die Umsatzsteuer von den begehrten Prozesskosten abziehen können.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Verwahrungspflichten als Nebenpflichten aus dem Werkvertrag träfen nur den Werkunternehmer, ein gesonderter Verwahrungsvertrag sei nicht geschlossen worden.

Das Berufungsgericht stellte in Abänderung dieser Entscheidung mit Zwischenurteil das Zurechtbestehen der Klagsforderung dem Grunde nach fest. Es sei nicht einsichtig, warum Nebenpflichten aus dem Werkvertrag nur den Werkunternehmer treffen sollten. Im Übrigen bezögen sich Fürsorgepflichten des Bestellers auch auf Sachschäden des Unternehmers. Das Berufungsgericht ließ die Revision zur Frage zu, ob auch den Werkbesteller Verwahrungspflichten für das Arbeitsgerät des Werkunternehmers träfen.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revision, das Ersturteil wiederherzustellen und stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag. Sie stützt sich darauf, dass das Berufungsgericht die Anforderungen an die Schutz- und Sorgfaltspflichten des Bestellers überspanne, das Mitschverschulden des Klägers nicht berücksichtigt habe und von den erstgerichtlichen Feststellungen ohne Beweiswiederholung abgegangen sei.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; sie ist auch im Sinne des Aufhebungsantrags berechtigt.

1. § 1169 ABGB statuiert unter Verweis auf § 1157 ABGB eine Fürsorgepflicht des Werkbestellers(Kletečka in Kletecka/Schauer ABGBON1.02 § 1169 Rz 1; Rebhahn/Kietaibl in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1169 Rz 1), die sich nach M. Bydlinski in KBB4 § 1169 Rz 1 bereits ganz allgemein als Nebenpflicht aus den jeden Vertragspartner treffenden allgemeinen Schutz und Sorgfaltspflichten ergibt, und in der Rechtsprechung – auch im Hinblick auf Sachschäden – seit Langem vertreten wird (RISJustiz RS0017049; RS0021591; RS0021602; RS0021526). Die Nebenpflicht der Verwahrung im Speziellen ist so mannigfaltigen Verträgen eigen, wie etwa auch dem Werkvertrag, dass sie als allgemeiner Rechtsgrundsatz gelten kann (RISJustiz RS0008963).

2. Die Nebenpflichten, die der Vorbereitung und reibungslosen Abwicklung der für den Vertragstyp charakteristischen Leistung dienen, können vereinbart sein oder sich aus der ergänzenden Vertragsauslegung, insbesondere der Übung des redlichen Verkehrs, oder aus dem Gesetz ergeben (4 Ob 218/99h).

Hier wurden die Maschinen auf Ersuchen des Klägers in der Baustoffhalle, die versperrbar ist und zumindest grundsätzlich auch versperrt wird, eingestellt, um für den, einen Teil des Werkvertrags bildenden, zeitlich im Voraus aber nicht genau bestimmbaren Glättungsvorgang bei der Hand zu sein. Hat die Beklagte aber die Maschinen in ihre problemlos versperrbare Baustoffhalle übernommen, trifft sie – auch wenn eine ausdrückliche Vereinbarung über das Versperren nicht festgestellt werden konnte – die Verpflichtung, die nach den Umständen erforderliche Obsorge zu wahren (8 Ob 33/15h) und wenigstens die einfachsten und leicht zumutbaren Vorkehrungen zur Sicherung zu treffen (vgl 2 Ob 540/84). Das Versperren des Tors der Halle und die sichere Verwahrung der Fernbedienung, mit der das Rolltor geöffnet wird, könnten je nach festzustellender Gesamtsituation solch einfachste Maßnahmen sein, die – entgegen der Ansicht der Revisionswerberin – in der konkreten Situation die Anforderungen an die Schutz und Sorgfaltspflichten nicht überspannen. Die Feststellungen des Erstgerichts, das das Klagebegehren bereits aufgrund der Verneinung der Verwahrungspflicht der Beklagten abgewiesen hat, reichen für eine abschließende Beurteilung aber noch nicht aus. Überdies hat die Beklagte das Alleinverschulden des Klägers eingewandt, was grundsätzlich die Einwendung des Mitverschuldens enthält (RISJustiz RS0027044).

Damit ist die Rechtssache für ein Zwischenurteil noch nicht entscheidungsreif (vgl zum Mitverschulden: RISJustiz RS0040935 [T8 und T 9]; RS0106185; RS0122728 [T2]).

3. Aufgrund der abweichenden Rechtsansicht zur Verwahrungspflicht sind weitere Feststellungen zu den Umständen zu treffen, aus denen die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren das Allein bzw Mitverschulden des Klägers ableitete. Insbesondere wird zu klären sein, welche Kenntnis der Kläger, der immerhin ansässig ist, von den herrschenden oder fehlenden Sicherheitsvorkehrungen vor Ort hatte oder hätte gewinnen müssen, welchen Einfluss der vereinbarungsgemäß über Wunsch des Klägers unversperrte Teil des Haupttors auf den Vorfall hatte und die (mögliche) Kenntnis des Klägers von den dadurch entstehenden Sicherheitsrisken für die in der Halle abgestellten Glättmaschinen. Erst nach Verbreiterung der Sachverhaltsgrundlage kann die Frage beurteilt werden, ob von einem Alleinverschulden einer der Parteien oder von Mitverschulden auszugehen ist. Je nach Lage des Falls werden auch Feststellungen zur Höhe der geltend gemachten Forderungen erforderlich sein.

4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00207.17T.0124.000

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