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OGH vom 17.11.2009, 1Ob211/09z

OGH vom 17.11.2009, 1Ob211/09z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Herwig B*****, unbekannten Aufenthalts, gegen die beklagten Parteien 1. Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, und 2. Stadt Wien, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1.866.000 EUR sA und Feststellung (Streitwert 50.000 EUR), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom , GZ 8 Nc 12/09y-3, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger brachte am beim Landesgericht Innsbruck zu AZ 14 Cg 53/05x durch einen ihm beigegebenen Verfahrenshilfeanwalt eine - später (ON 12) ausgedehnte - Amtshaftungsklage gegen die Beklagten ein. In der Folge wurde die ihm bewilligte Verfahrenshilfe aufgrund Unschlüssigkeit der Klage und daraus resultierender Aussichtslosigkeit und Mutwilligkeit (rechtskräftig) für erloschen erklärt (ON 15, 27). Weitere Verfahrenshilfeanträge des Klägers (ON 31, 32, 92) wurden (rechtskräftig) zurückgewiesen, weil sich der maßgebliche Sachverhalt nicht verändert habe und einer (neuerlichen) meritorischen Entscheidung über einen Verfahrenshilfeantrag die Rechtskraft jener Entscheidung entgegenstehen, mit dem die Verfahrenshilfe für erloschen erklärt worden war. Der Kläger wurde aufgefordert, einen Rechtsanwalt als Vertreter zu bestellen und dies dem Gericht mitzuteilen (ON 89); die von ihm eingebrachten Schriftsätze (ON 92 und 94) wurden zur Verbesserung zurückgestellt. Dem Kläger wurde auch ein Beschluss des Obersten Gerichtshofs (ON 117) zugestellt, in dem auf die Anwaltspflicht im Gerichtshofverfahren hingewiesen und ausgeführt wurde, dass ihm mangels anwaltlicher Vertretung die Postulationsfähigkeit im Verfahren fehle. Dennoch bestellte er keinen anwaltlichen Prozessvertreter und erschien persönlich zur (vorbereitenden) Tagsatzung am . Vorher (ON 115) hatte er - in einem an die Staatsanwaltschaft (Innsbruck) gerichteten Schriftsatz neuerlich die Verfahrenshilfe beantragt. Das Prozessgericht, das in der Tagsatzung die Protokollierung des klägerischen Vorbringens mangels Postulationsfähigkeit abgelehnt hatte, wies mit Entscheidung vom (ON 120) den letzten Verfahrenshilfeantrag zurück und erließ ein klageabweisendes Versäumungsurteil, dass dem Kläger spätestens am zugestellt wurde. Der Kläger brachte dagegen eine als „Rekurs" bezeichnete Eingabe ein, in der er beantragte, das Rekursgericht möge antragsgemäß über die Gewährung der Verfahrenshilfe entscheiden und das Versäumnisurteil aufheben; gleichzeitig lehnte er - neben Beleidigungen und Beschimpfungen verschiedener Personen - den Prozessrichter, die Präsidentin des Gerichtshofs sowie die Richter des Landesgerichts und Oberlandesgerichts Innsbruck, gegen welche er bereits Strafanzeige erstattet habe bzw gegen welche noch ein Verfahren am Bezirksgericht T***** anhängig sei bzw eine Beschwerde zur Wahrung des Gesetzes anhängig gemacht werde, als befangen ab.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Oberlandesgericht Innsbruck den Antrag des Klägers „auf Ausschließung sämtlicher Richter des Oberlandesgerichts Innsbruck" zurück. Der Ablehnungsantrag sei nicht gesetzeskonform ausgeführt. Die Ausführungen ließen weder erkennen, gegen welche Richter des Oberlandesgerichts der Ablehnungsantrag konkret gerichtet sei, noch enthielte dieser ein Tatsachensubstrat, anhand dessen sich der Befangenheitsvorwurf auf seine Berechtigung prüfen ließe. Es liege eine unzulässige Pauschalablehnung vor.

Dagegen richtet sich der vom (weiterhin unvertretenen) Kläger erhobene Rekurs, der neben zahlreichen Beschimpfungen und Beleidigungen den Antrag enthält, die Befangenheit der abgelehnten Richter des Oberlandesgerichts Innsbruck festzustellen.

Rechtliche Beurteilung

Da das Rechtsmittel auch dann unzulässig wäre, wenn es durch einen Rechtsanwalt erhoben worden wäre, ist von einem entsprechenden Verbesserungsauftrag Abstand zu nehmen.

Vorweg ist festzuhalten, dass das den Prozessparteien zukommende Recht, eine allfällige Befangenheit von mit der Sache befassten Richtern im Wege eines Ablehnungsantrags überprüfen zu lassen, keinen Selbstzweck darstellt. Vielmehr soll dadurch gewährleistet werden, dass befangene Richter von einer Mitwirkung an Entscheidungen ferngehalten werden. Nach rechtskräftiger Erledigung einer Sache kommt daher ein Ablehnungsantrag nicht mehr in Betracht (vgl nur die Judikaturnachweise bei Mayr in Rechberger3 § 21 JN Rz 3 und § 19 JN Rz 3). Lehnt eine Prozesspartei nach Zustellung einer ihr nicht genehmen gerichtlichen Sachentscheidung lediglich den entscheidenden Richter ab, ohne aber - rechtzeitig und formgerecht - die Entscheidung im Rechtsmittelweg zu bekämpfen, wird die Entscheidung nach Ablauf der Rechtsmittelfrist rechtskräftig, womit die Beschwer der betreffenden Partei im Ablehnungsverfahren wegfällt. Auch eine positive Entscheidung könnte ja an der bereits eingetretenen Rechtskraft nichts mehr ändern.

Eine solche Situation liegt nun im hier zu beurteilenden Verfahren vor, ist doch das Versäumungsurteil bereits in Rechtskraft erwachsen:

Der Kläger hat, obwohl er wiederholt auf die im Verfahren herrschende Anwaltspflicht hingewiesen wurde, das Rechtsmittel ohne anwaltliche Vertretung eingebracht, sodass, selbst wenn man die Eingabe auch als Berufung gegen das Versäumungsurteil auffassen wollte, ein Schriftsatz vorliegt, der sich für eine Behandlung durch das Rechtsmittelgericht - ebenso durch das für den Ablehnungsantrag zuständige Gericht - nicht eignete. Auch wenn das Gericht nach den §§ 84 f ZPO bei Eingaben, die trotz Anwaltspflicht von der Partei persönlich eingebracht werden, grundsätzlich einen Verbesserungsauftrag zu erteilen hat, um der Partei die Möglichkeit zu geben, ihr Versäumnis zu korrigieren, kommt ein solches Vorgehen doch in jenen Fällen nicht in Betracht, in denen eine Partei prozessuale Formvorschriften absichtlich und missbräuchlich verletzt (Kodek in Fasching/Konecny2 II/2 §§ 84 f ZPO Rz 45 mwN). Davon kann im vorliegenden Verfahren mit Sicherheit ausgegangen werden, wurde der Kläger doch wiederholt darauf hingewiesen, dass im Verfahren Anwaltspflicht besteht und von der Partei selbst vorgenommene Prozesshandlungen wegen ihrer Postulationsunfähigkeit im Anwaltsprozess nicht wirksam sein können. Da die Verbesserungsvorschriften der ZPO nur vor den nachteiligen Folgen eines Versehens schützen, nicht aber Verschleppungsmöglichkeiten eröffnen wollen, war von einem Verbesserungsauftrag abzusehen, sodass eine (mangels anwaltlicher Vertretung) unzulässige Eingabe vorliegt, die den Ablauf der Berufungsfrist gegen das Versäumungsurteil nicht hindern konnte.

Dies trifft im Ergebnis auch auf den zuletzt gestellten Verfahrenshilfeantrag des Klägers zu, den das Prozessgericht - gleichzeitig mit Erlassung des Versäumungsurteils - zurückgewiesen hat. Auch wenn ein Verfahrenshilfeantrag, der sich als meritorisch unberechtigt erweist, regelmäßig die Unterbrechungswirkung des § 73 Abs 2 ZPO auslöst, tritt eine solche bei verfahrensrechtlich unzulässigen Verfahrenshilfeanträgen von vornherein nicht ein (vgl nur 1 Ob 82/08b; 1 Ob 97/08h ua; weitere Nachweise bei M. Bydlinski in Fasching/Konecny2 II/1 § 73 ZPO Rz 5). Dass der in der Eingabe ON 115 enthaltene Verfahrenshilfeantrag unzulässig war, ist evident, nachdem darin nicht einmal behauptet wird, dass sich an den maßgeblichen Umständen seit dem Ausspruch des Erlöschens der Verfahrenshilfe etwas Wesentliches geändert hätte; die Unzulässigkeit eines solchen Antrags war dem Kläger auch bekannt, waren doch in der Zwischenzeit bereits zwei neuerliche Verfahrenshilfeanträge (rechtskräftig) als unzulässig zurückgewiesen worden.

Nur der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass es grundsätzlich nicht Aufgabe der Gerichte ist, sich wiederholt mit Eingaben auseinanderzusetzen, die - auch für den Einschreiter - erkennbar unzulässig und damit nicht geeignet sind, dessen prozessuale Situation zu verbessern. So wird etwa zu wiederholten substanzlos und rechtsmissbräuchlich erhobenen Ablehnungsanträgen judiziert, dass diese nicht zum Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung gemacht werden müssen; vielmehr reicht es aus, ohne formelle Erledigung mit einem entsprechenden Aktenvermerk auf die genannten Umstände hinzuweisen (vgl nur die Judikaturnachweise bei Mayr aaO § 24 JN Rz 1).

Unbeachtlich muss daher auch die - ohne sachliches Substrat abgegebene - Erklärung des Klägers bleiben, „die von ihm ausdrücklich bis dato abgelehnten OLG- und OGH-Richter erneut abzulehnen", die im Übrigen im Anwaltsprozess schon wegen der (bewussten) Verletzung der Anwaltspflicht unwirksam ist.

Gleiches hat für wiederholte Verfahrenshilfeanträge ohne Behauptung einer maßgeblichen Änderung der Sachverhaltsgrundlage zu gelten, insbesondere wenn diese - wie es nicht selten der Fall ist - mit Ablehnungsanträgen verbunden werden. Ist im Einzelfall evident, dass der Verfahrenshilfeantrag unzulässig ist, weil die Verfahrenshilfe bereits rechtskräftig versagt wurde, und besteht zudem ausreichender Grund zur Annahme, dass dies der antragstellenden Partei auch bewusst ist, kann eine formelle Entscheidung über die rechtsmissbräuchlich an das Gericht neuerliche herangetragene Verfahrenshilfefrage unterbleiben.

Im vorliegenden Fall steht fest, dass ein wirksames Rechtsmittel gegen das Versäumungsurteil nicht erhoben wurde und der unzulässige (letzte) Verfahrenshilfeantrag auch nicht geeignet war, die Berufungsfrist zu unterbrechen. Da die Sache somit bereits rechtskräftig beendet war, hätte eine Entscheidung über den Ablehnungsantrag zu unterbleiben gehabt, fehlt es doch an jeglicher Beschwer, wenn der Inhalt einer Entscheidung im Ablehnungsverfahren jedenfalls ohne Einfluss auf den Ausgang der Hauptsache sein muss.

Da die fehlende Beschwer des Rekurswerbers auch im Rechtsmittelverfahren aufzugreifen ist, muss sie zur Zurückweisung des Rekurses führen.

Von der Verhängung einer Ordnungsstrafe gemäß § 86 Abs 1 ZPO ist ungeachtet der unakzeptablen Beleidigungen und Beschimpfungen im Schriftsatz des Klägers Abstand zu nehmen. Der erkennende Senat folgt dabei der etwa von Gitschthaler (in Rechberger3 § 86 ZPO Rz 4) vertretenen Auffassung, dass krasse Beschimpfungen in stereotyper Weise häufig den Verdacht nahelegen, dass der Einschreiter infolge einer paranoiden Fixiertheit außerstande ist, in Gerichtsverfahren, an denen er als Partei beteiligt ist, eigenverantwortlich und vernünftig zu handeln, ohne dadurch Nachteile für sich zu verursachen, müssten doch über ihn nach solchen Beschimpfungen immer wieder Ordnungsstrafen in nicht unbeträchtlicher Höhe verhängt werden. Dass das Pflegschaftsgericht bisher keine Veranlassung sah, dem Kläger zur Verhinderung einer solchen „Selbstschädigung" einen Sachwalter beizugeben, steht der Beurteilung, dass der Kläger offenbar nicht in der Lage ist, gegenüber Gerichten eine auch nur einigermaßen akzeptable Ausdrucksweise zu verwenden, nicht entgegen.