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OGH vom 21.12.2006, 2Ob132/06k

OGH vom 21.12.2006, 2Ob132/06k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Grohmann als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am verstorbenen Manfred Horst P*****, über den Revisionsrekurs des Vorkaufsberechtigten Dr. Edelbert G*****, vertreten durch Giesinger, Ender & Partner, Rechtsanwälte in Feldkirch, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgericht vom , GZ 2 R 84/06b-48, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Feldkirch vom , GZ 12 A 557/04a-43, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsrekursbeantwortung des eingeantworteten Erben wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Erblasser verstarb am ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung. Erbberechtigt waren je zur Hälfte seine Brüder Werner G***** und Gerhard G*****. Während sich Werner G***** seines Erbrechtes entschlug, gab Gerhard G***** zum gesamten Nachlass die bedingte Erbserklärung ab. Diese wurde mit Beschluss des Erstgerichtes vom angenommen.

Zum Nachlass gehörte auch die Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches A*****, GstNr 2418/8, samt dem darauf errichteten Einfamilienhaus, die mit einem unter C-LNR 8a zu Gunsten des Dr. Edelbert G***** im Grundbuch einverleibten „Vorkaufsrecht für alle Veräußerungsarten" belastet war (und ist). Mit Einantwortungsurkunde vom wurde der Nachlass dem erbserklärten Bruder des Erblassers auf Grund des Gesetzes eingeantwortet. Am wurde vom zuständigen Finanzamt die Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt. Mit Grundbuchsbeschluss vom ordnete das Erstgericht gemäß § 29 LiegTeilG die Einverleibung des Eigentumsrechtes an der erblasserischen Liegenschaft für den in den Nachlass eingeantworteten Bruder an.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vorkaufsberechtigten nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Rekursbeantwortung des Erben wies es zurück. In seiner Entscheidungsbegründung widersprach das Rekursgericht der vom Vorkaufsberechtigten vertretenen Rechtsansicht, das Ableben des Erblassers habe den Vorkaufsfall ausgelöst. Schon aus dem Wortlaut des § 1078 ABGB („Veräußerungsarten") und der Diktion der Entscheidung 2 Ob 2292/96i, in welcher von „Geschäften" die Rede sei, folge, dass mit dem Tod des Eigentümers einer mit einem Vorkaufsrecht für alle Veräußerungsarten belasteten Liegenschaft der Vorkaufsfall nicht ausgelöst werde, wenn der Erblasser über die Liegenschaft nicht rechtsgeschäftlich oder durch letztwillige Anordnung verfügt habe. Das Vorkaufsrecht bleibe unberührt und binde den neuen Eigentümer. Der ordentliche Revisionsrekurs sei im Sinne des § 126 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zulässig, weil zur Frage, ob der Tod des Eigentümers einer mit einem Vorkaufsrecht für alle Veräußerungsarten belasteten Liegenschaft den Vorkaufsfall auslöse, noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Vorkaufsberechtigten, dessen Rechtsmittelantrag auf die ersatzlose Aufhebung der vorinstanzlichen Beschlüsse gerichtet ist. Der eingeantwortete Erbe erstattete eine Revisionsrekursbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

Die Rechtsmittellegitimation eines die Verletzung seiner bücherlichen Rechte behauptenden Vorkaufsberechtigten wurde bereits vom Rekursgericht mit dem Hinweis auf die Entscheidung 5 Ob 163/02k = NZ 2003, 247 AGS 564 (Hoyer) zutreffend bejaht.

Ferner ist vorauszuschicken, dass die Zuständigkeit des Verlassenschaftsgerichtes zur Anordnung der Verbücherung des Abhandlungsergebnisses nach der mittlerweile aufgehobenen Bestimmung des § 29 LiegTeilG noch gegeben war, weil das Abhandlungsverfahren vor dem beim Erstgericht anhängig gemacht worden ist (vgl Art IX Z 3 und Art XXXII § 8 AußStr-BegleitG, BGBl I 2003/112). Der Rechtsmittelwerber steht weiterhin auf dem Standpunkt, der Tod des mit dem Vorkaufsrecht für alle Veräußerungsarten belasteten Grundeigentümers habe den Vorkaufsfall ausgelöst. Durch die Vereinbarung des Vorkaufsrechtes für alle Veräußerungsarten habe verhindert werden sollen, dass das Grundstück auf eine andere Person als den Vorkaufsberechtigten übergeht. Der Erbe sei daher gemäß § 1072 ABGB gehalten, dem Vorkaufsberechtigten die Einlösung anzubieten, was bisher unterblieben sei.

Hiezu wurde erwogen:

Ist eine Sache mit einem Vorkaufsrecht im Sinne des § 1072 ABGB belastet, so bildet nur der Abschluss eines Kaufvertrages den Vorkaufsfall (2 Ob 2292/96i = SZ 71/60 = EvBl 1998/153; 1 Ob 66/01i = RdW 2001/497 = ecolex 2001/172 [Thaler]; 5 Ob 87/06i). § 1078 ABGB sieht allerdings die Möglichkeit der Ausdehnung des Vorkaufsrechtes auf „andere Veräußerungsarten" durch besondere Vereinbarung vor. Unter diese Bestimmung fallen alle Geschäfte, die das endgültige Ausscheiden einer Sache aus dem Vermögen des einen und ihre Übertragung auf einen anderen bezwecken oder bewirken, und zwar auch Vertragstypen, bei denen sich aus dem Vertragsinhalt ergibt, dass die typischen Vertragszwecke aus der Sicht des Verpflichteten im besonderen Maß an der Person des Partners oder an der von ihm zu erbringenden individuellen Gegenleistung orientiert sind, der Veräußerung somit typischerweise immaterielle, an die Person des Erwerbers gebundene Motive zugrundeliegen, oder die typischerweise auf eine nicht substituierbare Gegenleistung gerichtet ist (2 Ob 2292/96i = SZ 71/60 = EvBl 1998/153; 1 Ob 66/01i = ecolex 2001/172 [Thaler]; vgl RIS-Justiz RS0020199, RS0107637, RS0107638; Aicher in Rummel, ABGB3 § 1078 Rz 2). Wird ein solches Vorkaufsrecht im Grundbuch eingetragen, wirkt es im Zweifel wie ein Veräußerungsverbot; das Grundbuchsgericht (hier:

Verlassenschaftsgericht) hat darauf von Amts wegen Bedacht zu nehmen

und darf ein Veräußerungsgeschäft nur verbüchern, wenn sich aus

seinen Entscheidungsgrundlagen - Grundbuchsstand und

Grundbuchsurkunden - eindeutig ergibt, dass entweder kein

Vorkaufsfall vorliegt oder das Eintragungshindernis durch die

Zustimmung des Vorkaufsberechtigten bzw den Nachweis eines nicht

angenommenen Einlösungsangebotes entkräftet wurde (5 Ob 34/95 = SZ

67/44; 5 Ob 163/02k = NZ 2003, 247 AGS 564 [Hoyer]; Aicher aaO § 1073

Rz 3).

Im vorliegenden Fall ist zwar das auf alle Veräußerungsarten ausgedehnte Vorkaufsrecht des Rechtsmittelwerbers im Grundbuch eingetragen. Ein Hindernis für die Einverleibung des Eigentumsrechtes des gesetzlichen Erben des Vorkaufsverpflichteten liegt aber, wie die Vorinstanzen richtig erkannten, dennoch nicht vor. Bereits aus der zitierten Rechtsprechung ist ableitbar, dass der Vorkaufsfall nicht schlechthin durch jeden Übergang der belasteten Liegenschaft auf einen neuen Eigentümer ausgelöst wird, sondern nur, wenn dieser Übergang auf einem „Geschäft", also auf einer rechtsgeschäftlichen, allenfalls auch letztwilligen Verfügung des Vorkaufsverpflichteten beruht. In diesem Sinne werden in Rechtsprechung und Lehre der Tausch, die Schenkung oder der Sacheinlagevertrag, aber auch das Vermächtnis, die Schenkung auf den Todesfall, der Erbschaftskauf oder das Erbteilungsübereinkommen, nicht aber die Ersitzung und die Enteignung zu den „anderen Veräußerungsarten" gezählt (vgl die Zitate bei Aicher aaO § 1078 Rz 2 und 8, Binder aaO § 1078 Rz 1 sowie Apathy aaO § 1078 Rz 2). In der - den außerbücherlichen Erwerb einer Liegenschaft durch Ersitzung betreffenden - Entscheidung EvBl 1958/200 hat der Oberste Gerichtshof ausgeführt, ein rechtsgeschäftliches Veräußerungs- und Belastungsverbot hindere den Eigentumserwerb durch Ersitzung nicht, weil dieses Verbot nicht berufen sei, Eigentumsveränderungen oder Beschränkungen des Eigentumes hintanzuhalten, die nicht auf dem Willen des Eigentümers beruhen, sondern auf Grund des Gesetzes selbst entstehen (vgl dazu auch die weiteren in RIS-Justiz RS0011977 angeführten Entscheidungen, zuletzt 5 Ob 85/00m = SZ 73/192). Dasselbe gelte auch für das eingetragene Vorkaufsrecht, selbst wenn sich dieses auf andere Veräußerungsarten beziehen sollte (vgl auch 5 Ob 34/94 = SZ 67/44). Die Erwägungen dieser Rechtsprechung treffen auch auf den Eigentumserwerb im Wege der gesetzlichen Erbfolge zu, setzt doch deren Eintritt voraus, dass der Erblasser keine (gültige) Verfügung über sein Vermögen zu Gunsten des Erben getroffen hat (vgl Apathy aaO §§ 727 f Rz 1).

Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der im Revisionsrekurs ins Treffen geführten Lehrmeinung Faistenbergers (Das Vorkaufsrecht [1967], 109 f), der unter dem Begriff der „Veräußerung" im Sinne des § 1078 ABGB ein privatrechtliches Geschäft oder das Surrogat eines solchen versteht. Die „anderen Veräußerungsarten" umfassen nach Ansicht dieses Autors „1. Zielschuldverhältnisse (Verträge, Vermächtnisse), die als Eigentumserwerbstitel einer Verfügung als Erfüllung bedürfen, und an deren Schuldgegenstand der freie Besitz (§ 1047) zu übergeben ist, und 2. das bereits im Stadium der Erfüllung begriffene oder schon erfüllte Zielschuldverhältnis. Auch Surrogate beider Veräußerungsarten kommen vor, wie zB die öffentliche Feilbietung oder die Zahlung einer Nichtschuld."

Auf die gesetzliche Erbfolge trifft keiner dieser Tatbestände zu. Sie fällt somit wohl auch nach Faistenberger nicht unter die „anderen Veräußerungsarten" im Sinne des § 1078 ABGB.

Wechselt eine mit einem verbücherten Vorkaufsrecht belastete Liegenschaft ihren Eigentümer ohne den Vorkaufsfall auszulösen, so bleibt das Vorkaufsrecht bestehen. Es haftet weiterhin auf der Liegenschaft und kommt erst zum Tragen, wenn deren Erwerber (hier also der eingeantwortete Erbe) die Liegenschaft seinerseits veräußern will (vgl 5 Ob 34/94 = SZ 67/44; 5 Ob 2/95 = GesRZ 1995, 271 = RdW 1995, 138; 5 Ob 87/06i; je mwN).

Dem Revisionsrekurs des Vorkaufsberechtigten war daher nicht Folge zu geben.

Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht, dass das Rechtsmittelverfahren in Grundbuchssachen einseitig ist (5 Ob 602/89; 5 Ob 34/94; RIS-Justiz RS0116902). Seit der Novellierung des § 124 und des - hier maßgeblichen - § 126 Abs 2 GBG durch das AußStr-BegleitG, ist die Unzulässigkeit einer Rekursbeantwortung bzw der Beantwortung eines Revisionsrekurses auch gesetzlich verankert. Die vermeintliche Unvereinbarkeit der Einseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens in Grundbuchssachen mit Art 6 MRK hat der Oberste Gerichtshof bereits ausdrücklich verneint (5 Ob 205/03p; vgl auch 5 Ob 55/06h mwN). Auch der erkennende Senat teilt im Hinblick auf diese Rechtsprechung die verfassungsrechtlichen Bedenken des eingeantworteten Erben nicht. Das einem Eintragungs- oder Rechtsmittelgegner im Grundbuchsverfahren, dessen Besonderheit in seiner Konzeption als reines Urkundenverfahren ohne Beweisaufnahmen oder amtswegige Erhebungen liegt (so auch die ErläutRV zu § 124 GBG nF, abgedruckt zB bei Fucik/Kloiber, AußStrG, 637, Anh 1 AußStr-BegleitG Art XIV Z 5), nicht gewährte rechtliche Gehör wird durch die Möglichkeit, den Rechtsweg zu beschreiten, ausreichend gewahrt (vgl 5 Ob 55/06h). Hegt aber das Gericht - wie hier - keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer Gesetzesbestimmung, besteht kein Anlass zur Antragstellung gemäß Art 140 B-VG (2 Ob 62/05i mwN). Die Revisionsrekursbeantwortung des eingeantworteten Erben war daher zurückzuweisen. Von dieser Zurückweisung ist auch sein Begehren auf Kostenersatz umfasst.