OGH vom 29.03.2017, 6Ob243/16b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Dr. Nowotny und Dr. Steger als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache Antragstellerin C***** M*****, vertreten durch die Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wels, gegen die zu FN ***** beim Landesgericht Salzburg eingetragene Antragsgegnerin D***** Privatstiftung, *****, vertreten durch die HASLINGER / NAGELE & PARTNER RECHTSANWÄLTE GMBH in Linz, wegen Akteneinsicht, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 6 R 147/16d-12, womit über den Rekurs der Antragsgegnerin der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom , GZ 24 Fr 2374/16h-7, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin beantragt als Dritte im Sinn der §§ 22 AußStrG iVm 219 ZPO die Gewährung der Akteneinsicht in den gesamten Firmenbuchakt der Antragsgegnerin, einer Privatstiftung, hilfsweise nur in den Akt betreffend das Verfahren auf Eintragung der Änderung der Stiftungsurkunde. Das zwischen ihr und ihrem geschiedenen Ehemann, dem Stiftungsvorstandsmitglied und Stifter der Antragsgegnerin, beim Bezirksgericht Salzburg anhängige Aufteilungsverfahren nach den §§ 81 ff EheG begründe ihr rechtliches Interesse. Ihr stehe zur Durchsetzung des Ausgleichsanspruchs die Möglichkeit der Pfändung und Überweisung der dem Exgatten als Stifter in der Stiftungsurkunde vorbehaltenen Rechte auf Änderung der Stiftungserklärung und Widerruf der Privatstiftung offen. Sie habe aufgrund des Beschlusses des Firmenbuchgerichts zu 24 Fr 2023/16t vom davon erfahren, dass zu 24 Fr 718/16y eine Änderung der Stiftungsurkunde bzw der Stiftungszusatzurkunde beantragt worden sei. Es sei daher zu befürchten, dass der Exgatte in der abgeänderten Stiftungsurkunde insbesondere auf das Änderungs- und/oder Widerrufsrecht verzichtet habe, um seine endgültige Vermögenszuwendung an die Stiftung zu bewirken und damit die Rechtsstellung und die Befriedigungsaussichten der Antragstellerin im Aufteilungsverfahren massiv zu verschlechtern. Sofern das Vermögen des Exgatten zur Befriedigung des Ausgleichsanspruchs der Antragstellerin nicht ausreiche und eine nach Vorliegen eines rechtskräftigen Aufteilungsbeschlusses geführte Exekution nicht zur vollständigen Befriedigung führe, könnten Verfügungen des Stifters mittels Anfechtungsklage angefochten werden. Überdies hätte sie bei derartigen Verzichten die Möglichkeit, noch vor Rechtskraft des Aufteilungsbeschlusses eine Anfechtungsmitteilung gemäß § 9 AnfO zur Wahrung der Klagefrist für die Einbringung einer Anfechtungsklage zu erstatten. Sollte sich die begründete Befürchtung der Antragstellerin bewahrheiten, dass der Exgatte der Antragstellerin auf das Widerrufs- und/oder Änderungsrecht in der geänderten Stiftungsurkunde verzichtet habe, habe die Antragstellerin noch vor dem Vorliegen des rechtskräftigen Aufteilungsbeschlusses eine Anfechtungsmitteilung an die Privatstiftung zu richten, um ihre Ansprüche zu wahren. Selbst wenn kein Verzicht auf die vorgenannten Rechte erfolgt sei, habe die Antragstellerin ein rechtliches Interesse an Schaffung von Klarheit und zur Prüfung, ob ihre Aufteilungsansprüche gefährdet seien. Da das Recht auf Akteneinsicht für ihre Rechtsposition im Aufteilungsverfahren dringend auszuüben sei und dies keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatsphäre der Privatstiftung darstelle, überwiege ihr Interesse gegenüber dem der Privatstiftung.
Die Antragsgegnerin beantragte, den Antrag auf Akteneinsicht abzuweisen. Im Zweifel gehe das Recht der Parteien auf Datenschutz jenem Dritter auf Akteneinsicht vor. Akteneinsicht als reiner Erkundungsbeweis sei daher abzulehnen. Der Antrag ziele auf eine derartige reine Erkundigung ab. Die beabsichtigte Anfechtung könne kein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht in das nicht öffentliche Firmenbuchverfahren begründen, da nicht schon der Antrag auf Änderung der Stiftungsurkunde die anfechtbare Rechtshandlung darstelle, sondern erst die Eintragung, deren Anfechtung der Antragstellerin ohnehin unbenommen bleibe. Die Eintragung sei für die Antragstellerin aus dem öffentlichen Firmenbuch ersichtlich, sobald und sofern sie erfolgt sei. Vor Eintragung sei eine Anfechtungsmitteilung gemäß § 9 AnfO ohnehin nicht möglich. Auch die behauptete Pfändungsmöglichkeit des Änderungsrechts und des Widerrufvorbehalts des Stifters begründeten kein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht, da die Pfändung voraussetze, dass im Aufteilungsverfahren überhaupt ein über die bisherigen Zahlungen hinausgehender Anspruch zuerkannt werde und es mangels Erfüllbarkeit des Titels zu einem Exekutionsverfahren komme. Wegen dieser Unwägbarkeiten sei das rechtliche Interesse jedenfalls nicht als konkret zu bezeichnen. Um aber nicht unnötigen Aufwand zu erzeugen, habe die Privatstiftung die zur Eintragung angemeldete Stiftungsurkunde der Antragstellerin zur Verfügung gestellt, sodass schon aus diesem Grund kein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht bestehen könne.
Das Erstgericht bewilligte den Antrag auf Akteneinsicht. Die Antragstellerin habe ein rechtliches Interesse an der Einsicht in den Firmenbuchakt hinreichend glaubhaft gemacht. Die Akteneinsicht könne sich in Hinblick auf die Durchsetzung von Ansprüchen der Antragstellerin im Aufteilungsverfahren als durchaus notwendig erweisen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin Folge und wies das Akteneinsichtsbegehren ab. Es führte aus, nach § 22 AußStrG iVm § 219 Abs 2 ZPO könnten mit Zustimmung beider Parteien auch dritte Personen Akteneinsicht nehmen, soweit dem nicht überwiegende berechtigte Interessen eines anderen oder überwiegende öffentliche Interessen im Sinn des § 26 Abs 2 erster Satz DSG 2000 entgegenstünden. Fehle eine solche Zustimmung, so stehe einem Dritten die Akteneinsicht überdies nur insoweit zu, als er ein rechtliches Interesse glaubhaft mache.
Ohne Zustimmung der Parteien sei somit zunächst zu prüfen, ob der Dritte ein konkretes rechtliches Interesse glaubhaft gemacht habe. Nach dessen Bescheinigung sei sodann abzuwägen, ob der Anspruch des Dritten das Interesse der Verfahrensparteien überwiege. Nur wenn die Akteneinsicht den Vorgaben des § 22 AußStrG iVm § 219 ZPO entspreche, sei sie datenschutzrechtlich unbedenklich. Zudem dürfe die Akteneinsicht des Dritten auch bei Zustimmung der Parteien nur bewilligt werden, soweit sie unbedingt notwendig sei. Ein allgemeines öffentliches Interesse an Information sowie ein reines Informationsbedürfnis des Einsichtbegehrenden selbst reichten nicht aus. Das rechtliche Interesse müsse ein in der Rechtsordnung gegründetes und von ihr gebilligtes Interesse sein, das über das bloß wirtschaftliche Interesse oder über Interessen der Information, der Pietät, des Anstands oder der Ethik hinausreiche (RIS-Justiz RS0079198). Im Außerstreitverfahren sei auf Wesen und Zweck des Verfahrens Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0008863). Die Einsichtnahme müsse Bedeutung für die rechtlichen Verhältnisse des Dritten haben und die Kenntnis des betreffenden Akteninhalts müsse sich auf die privatrechtlichen oder öffentlichrechtlichen Verhältnisse des Dritten günstig auswirken, sei es auch nur dadurch, dass er in Stand gesetzt werde, die Beweislage für sich günstiger zu gestalten. Von der die Akteneinsicht beantragenden Person könne nicht mit einem Hinweis auf das Verbot des Ausforschungsbeweises verlangt werden, die Kenntnis der Tatsachen genau anzugeben, die sie aus der Akteneinsicht erwarte, liege doch dem Antrag auf Akteneinsicht notwendigerweise ein Ausforschungsinteresse zugrunde (RIS-Justiz RS0037263 [T16]). Allerdings seien eigene Interessen dem von § 219 Abs 2 ZPO geforderten rechtlichen Interesse nicht gleichzusetzen.
Die Antragstellerin bestreite nicht, dass ihr die geänderte Stiftungsurkunde, die keinen Verzicht auf den Änderungsvorbehalt und das Widerrufsrecht vorsehe, übersandt worden sei. Damit sei aber die maßgebliche Begründung für den Antrag auf Akteneinsicht obsolet: Etwas erfahren zu wollen, was man ohnehin schon wisse, begründe kein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht (RIS-Justiz RS0037263). Die übrige in erster Instanz und in der Rekursbeantwortung vorgetragene Begründung zum Antrag auf Akteneinsicht beschränke sich auf die nicht näher konkretisierte Behauptung, die Antragstellerin habe ein rechtliches Interesse an Schaffung von Klarheit und zur Prüfung, ob ihre Aufteilungsansprüche gefährdet seien. Wenn die Antragstellerin aufgrund Punkt 3.2. der geänderten Stiftungsurkunde (Ansprüche Dritter abwehren, Pflichtteilsansprüche befriedigen oder Substiftungen errichten) zumindest mittelbare Vermögens- und Liquiditätsabflüsse befürchte, liege darin nur ein wirtschaftliches Interesse. Die Antragstellerin hätte zumindest angeben müssen, inwieweit der maßgebliche Inhalt eines Firmenbuchakts ihren Aufteilungsanspruch tangieren könnte. Außer für den nicht eingetretenen Fall des Verzichts des Stifters auf Änderung der Stiftungsurkunde und Widerruf der Privatstiftung habe die Antragstellerin dazu nichts Konkretes vorgebracht. Die dargestellten Voraussetzungen für die Akteneinsicht lägen daher nicht vor.
Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu, weil keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage existiere, inwieweit schon ein gegen den Stifter einer Privatstiftung erhobener Aufteilungsanspruch nach den §§ 81 ff EheG die Akteneinsicht der geschiedenen Gattin in den Firmenbuchakt der Privatstiftung zulasse.
Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Beschluss wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist unzulässig.
Das Rekursgericht hat keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt:
Ob die Voraussetzungen für eine
Akteneinsicht Dritter erfüllt sind, ist jeweils nach den Umständen des
Einzelfalls zu beurteilen und stellt daher grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage dar (RIS-Justiz RS0079198 [T5]; RS0027923 [T1]). Eine Ausnahme gälte daher nur dann, wenn dem Rekursgericht eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die – aus den noch folgenden Erwägungen – nicht vorliegt. Auch der Umstand, dass es (noch) keine Rechtsprechung zur Frage gibt, inwieweit schon ein gegen den Stifter einer Privatstiftung erhobener Aufteilungsanspruch nach den §§ 81 ff EheG die Akteneinsicht der geschiedenen Gattin in den Firmenbuchakt der Privatstiftung zulässt, bildet keine erhebliche Rechtsfrage. Auch insoweit sind im Hinblick auf die vielen verschiedenen möglichen tatsächlichen Konstellationen im Einzelfall keine generellen Aussagen zur Akteneinsicht möglich.
Die Revisionsrekurswerberin bringt vor, das Rekursgericht sei von den oberstgerichtlichen Entscheidungen 16 Ok 9/14f und 8 Ob 4/03a abgewichen. Dort sei ausgesagt worden, die Bewilligung der Akteneinsicht könne nicht davon abhängen, dass der Antragsteller die sich aus der Akteneinsicht zu erwartenden Tatsachen konkret angebe. Dies wurde grundsätzlich auch vom Rekursgericht berücksichtigt.
Die zitierten Verfahren sind mit dem vorliegenden Fall aber auch nicht vergleichbar:
Im ersten Fall ging es um die Einsicht in Kartellakten zwecks Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen von Händlern, die durch das kartellrechtswidrige Verhalten der Antragsgegnerin geschädigt worden seien. In diesem Fall waren aus der aus dem Kartellakt zu erwartenden Information Aufschlüsse über die Höhe der mit der Bereicherung korrespondierenden Schäden zu erwarten.
Im zweiten Fall konnte der Einsichtswerber als Konkursgläubiger durch die Einsichtnahme in Akten zu früheren (abgewiesenen) Konkursanträgen gegen den (Gemein-)Schuldner Informationen zu möglichen Haftungsansprüchen gegen den Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin etwa wegen Konkursverschleppung nach § 69 KO (IO) erwarten.
Eine auffallende Fehlbeurteilung durch das Rekursgericht kann die Rechtsmittelwerberin nicht aufzeigen: Das Rekursgericht hat die einschlägige Rechtsprechung zutreffend dargestellt und auf den vorliegenden Fall angewendet.
Wenn die Antragstellerin ihr Interesse an der Ermittlung der ehelichen Ersparnisse ins Treffen führt, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie in erster Instanz nicht behauptet hat, ihr Exgatte habe der Aufteilung unterliegende Ersparnisse in die Stiftung eingebracht. Es ist auch nicht nachvollziehbar, inwiefern eine Erkenntnis des Vermögensstands der Privatstiftung Aussagekraft über die Höhe der ehelichen Ersparnisse haben könnte. Schließlich ist durch Akteneinsicht in den Firmenbuchakt regelmäßig kein Aufschluss über die Höhe des Stiftungsvermögens zu erwarten, da – abgesehen vom nachzuweisenden Gründungsvermögen (vgl § 4 PSG) – weitere oder zusätzliche Vermögenswidmungen keinen Niederschlag im Firmenbuchakt finden.
Dass sich aus der geltend gemachten Änderung der Stiftungsurkunde keine Beseitigung des Änderungsrechts oder des Widerrufsrechts ergibt, hat schon das Rekursgericht ausgeführt.
Zur Gefahr der Errichtung einer Substiftung ist anzumerken, dass auch dieser Umstand keinen Niederschlag im Firmenbuchakt findet, ergibt sich doch daraus weder eine Anmelde- oder Mitteilungspflicht an das Firmenbuchgericht noch eine Firmenbucheintragung bei der Antragsgegnerin (als potenzieller Stifterin).
Der Hinweis, der Stifter ergreife scheinbar alle Möglichkeiten, um das Stiftungsvermögen zu verschleiern, ist durch keine vorgebrachten Indizien gestützt und zeigt auch nicht andeutungsweise auf, inwiefern eine Akteneinsicht darüber Aufschluss geben könnte.
Dass die Kenntnis wichtig sei, wer als Begünstigter fungiere oder fungiert habe, kann ein Interesse an Akteneinsicht nicht rechtfertigen, weil auch dies durch Akteneinsicht nicht zu eruieren ist: Sofern die Begünstigten in der Stiftungsurkunde genannt sind (vgl §§ 5, 9 Abs 1 Z 3 PSG), sind sie ohnehin in der Urkundensammlung einsehbar. Wenn dies nicht der Fall ist, findet auch die Tatsache, wer Begünstigter ist, mangels Anmelde- oder Mitteilungspflicht beim Firmenbuchgericht und mangels Firmenbucheintragung keinen Niederschlag im Firmenbuchakt.
Der behauptete Feststellungmangel, es sei nicht festgestellt worden, dass der Stifter eheliches Vermögen (gemeint wohl: eheliche Ersparnisse) in die Stiftung eingebracht habe, besteht nicht: Die Antragstellerin hat dies in erster Instanz nicht behauptet; dass sie dies in einem anderen Akt vorgebracht hat (24 Fr 2023/16t-1), reicht nicht (RIS-Justiz RS0043616 [T4]; RS0007029 [T14]). Selbst wenn dazu Feststellungen vorlägen, könnte dies die Akteneinsicht nicht rechtfertigen, weil – wie schon ausgeführt – davon kein Aufschluss über das Stiftungsvermögen zu erwarten ist.
Eine Kostenentscheidung konnte entfallen, da keine Kosten verzeichnet wurden.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00243.16B.0329.000 |
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