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OGH 16.06.2011, 6Ob106/11y

OGH 16.06.2011, 6Ob106/11y

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj V***** P*****, vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger Bezirkshauptmannschaft Villach, wegen Unterhalts, über den „außerordentlichen Revisionsrekurs“ des Vaters L***** P*****, vertreten durch Dr. Friedrich Lorenz, Rechtsanwalt in Baden, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 2 R 59/11w-25, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom , AZ 10 Pu 123/10w, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Die Minderjährige strebte im Verfahren erster Instanz die Verpflichtung des Vaters zur monatlichen Unterhaltsleistung von 300 EUR statt bisher 152,61 EUR monatlich ab an.

Das Erstgericht gab dem Antragsbegehren statt und verpflichtete den Vater, die bis zur Rechtskraft des Beschlusses fällig gewordenen Beiträge binnen 14 Tagen, die in Hinkunft fällig werdenden Unterhaltsbeträge bis zum fünften eines jeden Monats im Vorhinein zu Handen des Jugendwohlfahrtsträgers zu bezahlen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters, in dem er die Abweisung des Erhöhungsantrags begehrte, nicht Folge und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig.

Dagegen erhob der Vater den „außerordentlichen Revisionsrekurs“ ebenfalls mit dem Antrag auf Abweisung des Erhöhungsantrags; gleichzeitig stellte er den Antrag, das Erstgericht möge dem Revisionsrekurs bis zur Zustellung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs hemmende Wirkung zuerkennen.

Das Erstgericht legte den Revisionsrekurs dem Obersten Gerichtshof vor.

Rechtliche Beurteilung

Diese Vorgangsweise widerspricht der Rechtslage:

Nach § 62 Abs 3 AußStrG ist der Revisionsrekurs - außer im Fall des § 63 Abs 3 AußStrG (der hier nicht vorliegt, vgl RIS-Justiz RS0007110 [T32]) - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann eine Partei gemäß § 63 Abs 1 und 2 AußStrG einen - binnen 14 Tagen nach der Zustellung der Entscheidung des Rekursgerichts beim Erstgericht einzubringenden - Antrag an das Rekursgericht stellen (Zulassungsvorstellung), den Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde; die Zulassungsvorstellung, die mit der Ausführung des ordentlichen Revisionsrekurses zu verbinden ist, muss hinreichend erkennen lassen, warum der ordentliche Revisionsrekurs - entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts - für zulässig erachtet wird.

Im vorliegenden Fall übersteigt der Gegenstand, über den das Rekursgericht entschieden hat, nicht 30.000 EUR: Für die Bewertung des Entscheidungsgegenstands des Rekursgerichts in Unterhaltsbemessungsverfahren ist der 36-fache Betrag jenes monatlichen Unterhaltsbeitrags maßgeblich, der zum Zeitpunkt der Entscheidung zweiter Instanz zwischen den Parteien noch strittig war (§ 58 Abs 1 JN; RIS-Justiz RS0046543; RS0122735). Der Entscheidungsgegenstand beträgt somit 5.306,04 EUR (147,39 EUR x 36).

Das Rechtsmittel des Vaters wäre demnach nicht dem Obersten Gerichtshof - auch wenn es als „außerordentliches“ bezeichnet wird -, sondern vielmehr dem Rekursgericht vorzulegen gewesen (RIS-Justiz RS0109505 [T32]; RS0109623 [T13]); dies wird nunmehr das Erstgericht nachzuholen haben. Ob der darin gestellte Antrag, der Oberste Gerichtshof möge den Revisionsrekurs für zulässig erachten, den Erfordernissen des § 63 Abs 1 AußStrG entspricht oder ob er einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RIS-Justiz RS0109505 [T34, T35]; RS0109623 [T10, T14]).

Über den Antrag auf Hemmung wird das Erstgericht entscheiden müssen (vgl § 44 Abs 1 Satz 3 und Abs 2 AußStrG; RIS-Justiz RS0122828).

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj V***** P*****, vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger Bezirkshauptmannschaft Villach, wegen Unterhalts, über den ordentlichen Revisionsrekurs des Vaters L***** P*****, vertreten durch Dr. Friedrich Lorenz, Rechtsanwalt in Baden, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 2 R 59/11w-25, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom , GZ 10 Pu 123/10w-22, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Zurückweisung eines ordentlichen Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 Satz 4 AußStrG).

Ob und in welchem Umfang für Unterhaltsleistungen die Heranziehung des Vermögensstamms des Unterhaltspflichtigen, wozu auch der Verkaufserlös von Liegenschaften gehört, zumutbar ist, ist nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls zu prüfen (RIS-Justiz RS0047414 [T1]; RS0047470 [T1]; RS0047494 [T6]) und ist daher nur dann vom Obersten Gerichtshof überprüfbar, wenn dem zweitinstanzlichen Gericht eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre.

Eine solche kann der Rechtsmittelwerber nicht aufzeigen: Nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung müssen die Eltern im Rahmen des Zumutbaren zur Erfüllung ihrer Unterhaltsverpflichtungen auch ihr Vermögen angreifen, soweit die erforderlichen Unterhaltsleistungen nicht aus dem laufenden Einkommen bestritten werden können (RIS-Justiz RS0047494). Die Vermögenssubstanz ist dann heranzuziehen, wenn das Einkommen nicht zur Deckung des angemessenen Unterhalts ausreicht (RIS-Justiz RS0113786). Für die Zumutbarkeit der Heranziehung des Vermögensstamms ist auch zu fragen, wie ein pflichtbewusster Familienvater in aufrechter Ehe bei gleicher Sachlage handeln würde (6 Ob 594/95; vgl auch RIS-Justiz RS0047590 [T4, T5]).

Das Rekursgericht hat ausgeführt, ein monatlicher Unterhalt von 170 EUR zur Versorgung der Antragstellerin, die die 7. Klasse des Gymnasiums besuche, reiche nicht aus, ihren angemessenen Unterhalt zu decken (der Regelbedarfsatz liege bei 399 EUR). Die Heranziehung des Vermögensstamms sei dem Vater (Antragsgegner und Revisionsrekurswerber) zumutbar: Selbst wenn aus dem angelegten Stamm des aus dem Verkauf einer Liegenschaft herrührenden Vermögens von 100.000 EUR jährlich der gesamte Unterhalt von (300 x 12 =) 3.600 EUR für die Antragstellerin ausbezahlt werden müsste, verbliebe dem Vater nach etwa sieben Jahren immer noch ein Kapitalbetrag von rund 75.000 EUR. Dem Vater sei somit die Deckung des Unterhaltsanspruchs seiner Tochter auch unter Berücksichtigung eines „Notgroschens“ zumutbar.

Die Entscheidung des Rekursgerichts hält sich durchaus im Rahmen der zitierten Rechtsprechung.

Der Revisionsrekurswerber releviert weiters, das Rekursgericht habe nicht gewürdigt, dass im Fall des Nichtverkaufs seiner Liegenschaft die Vermögenssubstanz nicht herangezogen hätte werden können, um eine erhöhte Unterhaltsbemessung vorzunehmen.

Diese Rechtsmeinung ist unzutreffend, ist doch in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass der Unterhaltspflichtige „in allerletzter Linie“ auch die Substanz seines verwertbaren (nicht in Geld bestehenden) Vermögens angreifen muss, soweit ihm dies zumutbar ist (2 Ob 84/97k mwN [Erbhof]; vgl auch 6 Ob 594/95 ua).

Der Revisionsrekurswerber hat somit keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt, weshalb sein Revisionsrekurs zurückzuweisen war.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2011:0060OB00106.11Y.0616.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
LAAAD-44048