OGH vom 14.09.2006, 6Ob101/06f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Willibald P*****, 2. Elisabeth P*****, beide vertreten durch Anwaltspartnerschaft Dr. Karl Krückl, Dr. Kurt Lichtl, Rechtsanwälte und Verteidiger in Strafsachen in Linz, gegen die beklagte Partei Dr. Hans M*****, vertreten durch Rechtsanwälte Pitzl & Huber Anwaltspartnerschaft in Linz, wegen 7.940 EUR sA und Feststellung (Streitwert 22.000 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 104/05b-11, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom , GZ 4 Cg 10/05s-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen je die Hälfte der mit insgesamt EUR 1.653,94 (darin EUR 275,65 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger sind verheiratet. Nach der Geburt des dritten Kindes und nachdem das zweite und dritte Kind mittels Kaiserschnitts entbunden worden waren, kam für sie eine weitere Schwangerschaft nicht mehr in Betracht. Aus diesem Grund ließ der Erstkläger am beim Beklagten, einem Facharzt für Urologie, eine Vasektomie in Lokalanästhesie durchführen. Dabei durchtrennte der Beklagte die Samenleiter des Erstklägers.
Der Beklagte klärte den Erstkläger dabei nicht darüber auf, dass es in seltenen Fällen zu einer Wiederverbindung der abgetrennten Samenleiter kommen kann. Es steht derzeit allerdings nicht fest, ob die „Versagerquote" bei einer Vasektomie bei 0,2 bis 0,4 % oder bei 1 % liegt. Auf einer Internetseite wird die Erfolgsquote jedenfalls mit 99 % angegeben. Es wird dort angeraten, vor dem (ersten) ungeschützten Geschlechtsverkehr nach dem Eingriff zwei Spermakontrollen durchführen zu lassen. Dabei sollten beide Kontrollen frei von Samenzellen sein.
Der Erstkläger ließ zwei Kontrollen durch den Beklagten durchführen. Bei der ersten Kontrolle am waren noch vereinzelt schwach bewegliche Spermien ersichtlich; bei der zweiten Kontrolle am fanden sich keine beweglichen oder toten Spermien mehr im Untersuchungsmaterial. Diese postoperativen Ejakulatkontrollen entsprachen den WHO-Richtlinien. Das Auftreten einer Durchgängigkeit nach mehr als 3 Monaten nach der Vasektomie ist ein ausgesprochen seltenes Erscheinungsbild.
Dennoch wurde die Zweitklägerin im November 2003 neuerlich schwanger. Bei einer Nachuntersuchung des Erstklägers am wurden von einem anderen Facharzt wieder Spermien im Untersuchungsmaterial vorgefunden.
Am wurde die Zweitklägerin im Wege eines Kaiserschnitts von einem gesunden Kind entbunden.
Die Kläger begehren vom Beklagten den Ersatz des Unterhaltsschadens für die Zeit bis einschließlich Jänner 2005 (7 Monate) in Höhe von jeweils 1.470 EUR und die Feststellung dessen Haftung für alle künftig auftretenden oder bekannt werdenden Schäden, die Zweitklägerin außerdem 5.000 EUR an Schmerzengeld für die anlässlich der Entbindung erlittenen Schmerzen. Der Beklagte habe es unterlassen, darüber aufzuklären, dass es zu einer spontanen Wiederverbindung der abgetrennten Samenleiter kommen könne. Ein Operationserfolg im Sinne einer dauerhaften Unfruchtbarkeit sei erst nach Vorliegen zweier negativer Ejakulatproben und einer weiteren Untersuchung nach einem Jahr gewährleistet. Dem gegenüber seien bei der ersten Spermiogrammkontrolle des Erstklägers am noch vereinzelt schwach bewegliche Spermien festgestellt worden. Die Kläger seien davon ausgegangen, dass sie keine Kinder mehr bekommen könnten und daher nicht mit weiteren Unterhaltspflichten belastet würden. Wäre eine ordnungsgemäße Aufklärung erfolgt, hätten die Kläger zusätzliche Methoden der Schwangerschaftsverhütung bis zur Bestätigung des Operationserfolgs angewendet.
Der Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Die „Versagerquote" bei einer Vasektomie liege bei lediglich 0,2 bis 0,4 %; daraus resultiere keine Aufklärungspflicht. Jeder Patient wisse, dass kein Arzt einen hundertprozentigen Erfolg einer Heilbehandlung zusichern könne. Im Übrigen werde nach einer Vasektomie eine Kontrolle des Spermiogramms gefordert, bis dieses negativ sei. Ein derartiges Ergebnis habe am vorgelegen. Das am geborene Kind der Zweitklägerin sei daher nicht vom Erstkläger gezeugt worden. Auch bei ausreichender Aufklärung des Erstklägers hätte dieser nach der zweiten Kontrolle kein zusätzlichen Verhütungsmittel mehr angewendet und sich auch keiner weiteren Kontrolle mehr unterzogen. Schließlich sei die Geburt eines gesunden, wenn auch unerwünschten Kindes keine Ursache für einen ersatzfähigen Vermögensschaden. Die „Geburtsschmerzen" der Zweitklägerin seien nicht ersatzfähige Drittschäden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die infolge durchkreuzter Familienplanung entstandene Unterhaltspflicht für ein Kind könne grundsätzlich nicht als ersatzfähiger Vermögensschaden angesehen werden. Das Eltern-Kind-Verhältnis sei von einer solchen Komplexität und Einheit von Rechten, Pflichten und emotionaler und sozialer Beziehungen, dass für eine Kosten-Nutzen-Rechnung kein Raum sei. Die „Geburtsschmerzen" der Zweitklägerin stünden außerhalb des Rechtswidrigkeitszusammenhangs.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt jeweils 20.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei; der Oberste Gerichtshof sei mit einem Fall, in dem der Unterhaltsschaden für ein gesundes Kind begehrt werde, noch nicht befasst gewesen. Während nach deutscher Rechtsprechung bei misslungener Sterilisation und fehlender Aufklärung aus dem Titel des Schadenersatzes sowohl der Unterhaltsbedarf des Kindes als auch ein Schmerzengeld für die Mutter verlangt werden könnten und in Europa die Frage, ob Unterhalt für ein ungewolltes, jedoch gesundes Kind zu ersetzen ist, uneinheitlich sei, habe der Oberste Gerichtshof in einem obiter dictum bereits zum Ausdruck gebracht, dass die Ersatzfähigkeit des Unterhaltsschadens in einem solchen Fall zu verneinen sei; dies entspreche auch zahlreichen Lehrmeinungen. Die „Geburtsschmerzen" der Zweitklägerin teilten das rechtliche Schicksal des Unterhaltsschadens; sie seien untrennbar mit der Existenz des Kindes und dem Eltern-Kind-Verhältnis verbunden. Die Revision der Kläger ist zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Beide Kläger machen als biologische (§ 137b ABGB [Zweitklägerin
als Mutter]) bzw vermutete (§ 138 Abs 1 Z 1 ABGB [Erstkläger als
Vater]) Elternteile des am von der Zweitklägerin geborenen
Kindes jenen Schaden geltend, der ihnen daraus entstanden sein soll,
dass sie diesem Kind gegenüber gemäß § 140 ABGB unterhaltspflichtig
sind (Unterhaltsschaden). Die Zweitklägerin begehrt außerdem
Schmerzengeld für die von ihr anlässlich der Geburt erlittenen
Schmerzen („Geburtsschmerzen"). Sie berufen sich dabei auf eine
Verletzung des zwischen dem Erstkläger und dem Beklagten
abgeschlossenen ärztlichen Behandlungsvertrags. Der Schutzbereich
dieses Vertragsverhältnisses erstreckt sich grundsätzlich auch auf
die Zweitklägerin (OLG Hamm VersR 2002, 1562; vgl auch 1 Ob 91/99k =
SZ 72/91 = RdM 1999/23 [Kopetzki] = JAP 1999/2000, 131 [Engel]; 6 Ob
303/02f = JBl 2004, 311 [Bernat] = RdM 2004/36 [Kletecka]; 5 Ob
165/05h).
2.1. Der Oberste Gerichtshof verneinte durch seinen 2. Senat in der Entscheidung 2 Ob 557/93 (= SZ 67/17) die Haftung der Mutter eines außerehelich gezeugten Kindes gegenüber dessen Vater für den diesem durch die Geburt des ungewollten Kindes entstandenen Unterhaltsschaden. Deren (unrichtige) Erklärung anlässlich des Geschlechtsverkehrs, es „bestehe keine Gefahr einer Empfängnis", sei nicht rechtswidrig gewesen.
2.2. In der Entscheidung 1 Ob 91/99k, der Schadenersatzansprüche eines schwer behinderten Kindes und seiner Eltern zu Grunde lagen, sprach der 1. Senat obiter dictu aus, er halte es für geboten festzuhalten, dass er die auch in die vorstehende Entscheidung eingeflossenen Bedenken Koziols (vgl dazu 5.3.) gegen die Annahme der Geburt eines gesunden, jedoch unerwünschten Kindes als Ursache ersatzfähigen Vermögensschadens angesichts der dargestellten gewichtigen Argumente teile. Der 1. Senat hielt allerdings den durch die Behinderung des Kindes verursachten Mehraufwand für ersatzfähig, weil es auf Grund eines Beratungsfehlers des behandelnden Arztes zur bei richtiger Aufklärung nicht gewollten Geburt des behinderten Kindes gekommen war.
2.3. Der erkennende Senat betonte in der Entscheidung 6 Ob 303/02f, die Bejahung der Arzthaftung solle in Fällen begehrter Unterhaltsschäden infolge fehlerhafter Beratung jedenfalls nicht ausufern. Der Entscheidung 1 Ob 91/99k sei ein Fall besonders krassen ärztlichen Fehlverhaltens zu Grunde gelegen, das zur Geburt eines schwerstbehinderten Kindes geführt habe. Im konkreten Fall wurde das Klagebegehren der Mutter eines behinderten Kindes wegen eines als erheblich angesehenen Eigenverschuldens (Verletzung von Mitteilungspflichten) abgewiesen.
2.4. In der Entscheidung 2 Ob 317/00g wiederholte der 2. Senat, dass der Arzt grundsätzlich für eine unerwünschte Geburt eines behinderten Kindes bei Unterlassung der gebotenen Aufklärung hafte, bestätigte aber die Abweisung des Klagebegehren infolge hinreichender Aufklärung durch den Arzt im konkreten Fall.
2.5. Zuletzt hatte sich der 5. Senat mit einem Unterhaltsschaden infolge unerwünschter Geburt eines behinderten Kindes zu befassen (5 Ob 165/05h). Hafte der beklagte Arzt aus dem Behandlungsvertrag, erstrecke sich diese Haftung - allenfalls gekürzt durch Mitverschulden - auf den gesamten, den Eltern erwachsenen Nachteil; dies sei im konkreten Fall der volle Unterhalt, den die Kläger ihrem behinderten Kind leisten müssten. Komme es aufgrund eines Beratungsfehlers des behandelnden Arztes zu einer bei richtiger Aufklärung nicht gewollten Geburt eines behinderten Kindes, liege der vermögensrechtliche Nachteil nicht in der Existenz dieses Kindes, sondern in der dadurch entstehenden Unterhaltspflicht der Eltern. In der Entscheidung 1 Ob 91/99k habe sich der Oberste Gerichtshof nur mit dem Unterhaltsmehrbedarf in Folge der Behinderung zu befassen gehabt, weil dort nur ein solcher Unterhaltsmehrbedarf gefordert worden sei. Im vorliegenden Fall begehrten die Eltern aber den gesamten, dem Kind zu leistenden Unterhalt, damit auch den Basisunterhalt. Gehe man richtigerweise davon aus, dass der mit einer Schwangeren abgeschlossene Behandlungsvertrag auch finanzielle Interessen der Patientin wahren soll, so sei es nur konsequent, den aus der Geburt eines behinderten Kindes entstehenden Unterhaltsanspruch zur Gänze als vermögensrechtlichen Nachteil zu bewerten. Der vertraglich geschützte Wille der Vertragspartnerin des Arztes gehe ja dahin, überhaupt keinen Unterhaltsaufwand für ein behindertes Kind tragen zu müssen; aus diesem Schutzzweck ergebe sich der gesamte Unterhaltsaufwand für das behinderte Kind als ersatzfähiger Schaden.
3.1. In Deutschland hat bereits das Reichsgericht in einer älteren Entscheidung Schadenersatz für die Belastung mit Unterhalt gewährt (RGZ 108, 86). Nach der Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs ist die Unterhaltspflicht gegenüber einem ungewollten Kind nach der „Differenzhypothese" Schaden im Rechtssinn (vgl die Nachweise bei Heinrichs in Palandt, BGB65 Vor § 249 Rz 47; BGHZ 76, 249, 257 = FamRZ 1980, 654, 657; BGHZ 76, 259 = NJW 1980, 1452; FamRZ 1984, 982; NJW 1997, 1638).
Habe daher der Arzt bei der Sterilisation eines Mannes nicht ausreichend über die Notwendigkeit eines Spermiogramms aufgeklärt, könne - wenn es trotz des Eingriffs zur Geburt eines Kindes komme - dessen Unterhaltsbedarf im Wege des Schadenersatzes verlangt werden (NJW 1995, 2407). Dabei wird von der deutschen Rsp nicht nur der Geldunterhaltsbedarf, sondern auch ein Zuschlag für den Betreuungsaufwand in Höhe von 70 - 100% zum Geldunterhalt zugesprochen (vgl BGHZ 76, 259; BVerfG NJW 1998, 519; BGH NJW 1997, 1638). Allerdings wird idR nicht der volle Geldunterhalt zuerkannt, sondern lediglich der Durchschnittsbedarf (FamRZ 1984, 982).
3.2. Der 1. Senat des deutschen Bundesverfassungsgerichts teilte diese Auffassung (NJW 1998, 519 = EuGRZ 1997, 635). Der 2. Senat meinte hingegen, die Verpflichtung aller staatlicher Gewalt, jeden Menschen in seinem Dasein um seiner selbst willen zu achten, verbiete es, die Unterhaltspflicht für ein Kind als Schaden zu begreifen (NJW 1993, 1751 = EuGRZ 1993, 229); dabei handelte es sich allerdings um ein obiter dictum (Heinrichs, aaO; aA der 2. Senat des BVerfG NJW 1998, 523). Der BGH hielt jedenfalls auch nach der Entscheidung des 2. Senats des BVerfG an seiner Rsp fest (FamRZ 1984, 982; BGHZ 128, 128 = NJW 1994, 788; BGH NJW 1995, 2407; aA OLG Frankfurt NJW 1983, 341).
4. Die Rechtsprechung in anderen europäischen Staaten ist uneinheitlich. Während etwa in den Niederlanden (vgl Hoge Raad DJZ 1997, 893 [mit abl Anmerkung des seinerzeitigen zuständigen Generalanwalts Vranken] = ZEuP 1998, 324 [von Bar]), in Belgien und in Spanien eine Haftung für den Unterhaltsschaden auch bei Geburt eines gesunden Kindes bejaht wird, wird dies etwa in Frankreich, Italien, Schottland oder Dänemark abgelehnt (vgl die Nachweise bei Rebhahn, Schadenersatz wegen der Geburt eines nicht gewünschten Kindes?, JBl 2000, 265 bzw demselben, Entwicklungen zum Schadenersatz wegen „unerwünschter Geburt" in Frankreich, ZEuP 2004, 794, sowie bei
Von Bar, Schadensersatz für das unerwünschte Kind, ZEuP 1998, 324 ff). Teilweise werden sogar in unterschiedlichen Teilrechtsordnungen desselben Staates verschiedene Auffassungen vertreten. So besteht nach englischem Recht ein Anspruch der Eltern auf Schadenersatz in allen Fällen planwidriger Geburt (Emeh v. Kensington and Chelsea and Westminster Area Health Authority [1984] 3 All E.R. 1044; Stürner, JZ 1998, 317 [321]), während dies nach schottischem Recht nicht der Fall ist.
Auch in den USA werden in den einzelnen Bundesstaaten unterschiedliche Auffassungen vertreten (Stürner, JZ 1998, 317 [322 ff]). Während ursprünglich kein Schadenersatz für „wrongful birth" zuerkannt wurde, kam es in der Folge in vielen (keineswegs allen) Staaten zu einem Wandel der Rsp, die zum Zuspruch von Schmerzengeld und teilweise auch Unterhaltskosten führte. In neuerer Zeit ist wieder eine gegenläufige Tendenz feststellbar, die die materiellen Belastungen des Unterhalts gegen die natürlichen Elternfreuden aufzuwiegen sucht („benefit rule"; vgl Stürner aaO mwN).
5.1. Die Lehre ist sowohl in Deutschland (vgl etwa die Nachweise bei Heinrichs, aaO und bei Engel, Haftung Dritter für die unerwünschte Geburt eines Kindes, ÖJZ 1999, 621 FN 17) als auch in Österreich uneinheitlich.
5.2. Mirecki (Bemerkungen zum Ersatz des Unterhaltsschadens, ÖJZ 1990, 755, 793) meint, es sei höchst problematisch, den familienrechtlich geregelten gesetzlichen Unterhalt als schadenersatzrechtliches Vermögensäquivalent heranzuziehen. Andererseits sei es unerträglich, „Vertragsverletzungen oder deliktisches Verhalten ohne adäquate Sanktion rechtlich bestehen zu lassen". Es liege eine echte Gesetzeslücke vor, die unter Berücksichtigung der dem ABGB immanenten Grundsätze des Kindeswohls und der wirtschaftlichen Tragfähigkeit durch Analogie zu schließen sei. Der Unterhaltsschaden sei somit dann ersatzfähig, wenn durch die Durchkreuzung einer aus wirtschaftlichen Gründen gerechtfertigten Familienplanung der Unterhalt des unerwünschten Kindes gefährdet ist.
5.3. Koziol (Haftpflichtrecht I³ [1997] Rz 2/22 f) lehrt, ein gesundes, aber unerwünschtes Kind könne nicht Ursache eines ersatzfähigen Vermögensschaden sein. Der Schädiger verursache ja nicht isoliert die Unterhaltsverpflichtung, vielmehr werde durch die planwidrige Geburt eine Vielfalt menschlicher und rechtlicher Beziehungen begründet. Auf Grund der untrennbaren Verflechtung dieser familienrechtlichen Beziehungen dürfe nicht die Unterhaltspflicht isoliert als Schaden herausgegriffen werden. Es sei allerdings überlegenswert, ob die Entstehung einer familienrechtlichen Beziehung dann insgesamt als nachteilig beurteilt werden könnte, wenn sie für die Eltern auf Grund ihrer angespannten Verhältnisse als ganz außergewöhnliche Belastung anzusehen sei und der materielle und immaterielle Lebensstandard der Familie durch sie wesentlich gemindert werde. Dann müsste nämlich davon ausgegangen werden, dass sich Vor- und Nachteile nicht - wie normalerweise - ausglichen, sondern insgesamt ein vermögensmäßiger Nachteil gegeben sei.
5.4. Hirsch (Arzthaftung infolge unerwünschter Geburt eines Kindes, RdM 1999, 163) wies zunächst darauf hin, dass diese Auffassung der von Teilen der deutschen Lehre vertretenen „Einheitsthese" entspreche. Danach stehe die Komplexität der familienrechtlichen Beziehung einer Abspaltung der Unterhaltspflicht als Schaden entgegen. Die „Trennungslehre" nehme hingegen eine getrennte Betrachtung zwischen dem Kind als Wert und seinen Kosten als Schaden vor. Die Autorin hielt der Trennungslehre vor allem entgegen, dass sie das Entstehen der komplexen Eltern-Kind-Beziehung und damit etwa auch der immateriellen Vorteile („Freude am Kind") völlig unberücksichtigt lasse. Die besondere familienrechtliche Natur der Unterhaltsverbindlichkeit verbiete es, den zweifellos entstandenen Vermögensnachteil der Eltern völlig isoliert nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen zu behandeln. Diese Verbindlichkeit könne nicht einfach einer sonstigen Verbindlichkeit, deren Entstehen als positiver Schaden angesehen wird, gleichgesetzt werden. Sie unterscheide sich von dieser schon allein dadurch, dass sich im familiären Unterhaltsrecht die wirtschaftlichen Verpflichtungen unmittelbar aus der biologischen Verbindung zwischen Eltern und Kindern rechtfertigen und die Frage nach dem Synallagma für eine Verpflichtung dem Familienrecht fremd sei. Im normalen Familienverhältnis entsprächen Rechte und Pflichten und sonstige Werte einander. Mit Mitteln des Schadenersatzrechts sollte aber nicht in ein Rechtsverhältnis interveniert werden, in dem sich normalerweise materielle und immaterielle Vor- und Nachteile ausglichen. Eine Obliegenheit der Eltern, die keine Kinder wollten, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen, lehnte die Autorin strikt ab. Der nasciturus stehe gemäß § 22 Abs 1 ABGB unter dem besonderen Schutz der Gesetze, außerdem sei ein Schwangerschaftsabbruch mit Gesundheitsrisiken für die Mutter verbunden.
In jüngerer Zeit (Arzthaftung bei fehlgeschlagener Familienplanung [2002] 70 ff) vertiefte die Autorin ihre Überlegungen. Unterhaltsverbindlichkeiten unterschieden sich auf Grund ihrer besonderen familienrechtlichen Natur in wesentlichen Punkten von sonstigen (schuldrechtlichen) Verbindlichkeiten, deren Entstehen als Ursache für einen ersatzfähigen Vermögensschaden anerkannt sei. Eine technisch verstandene Aufrechnung der immateriellen Vorteile mit der Unterhaltslast komme auch nicht in Betracht, weil sich diese nicht in Geld bewerten ließen. Im Übrigen glichen sich im Familienverhältnis die Vor- und Nachteile im Normalfall zumindest aus, wenn nicht überhaupt eine Betrachtungsweise, die Vor- und Nachteile in die Waagschale werfe und vergleiche, dem Familienrecht fremd sei. Allerdings wäre eine andere Beurteilung zu erwägen, wenn die Unterhaltspflicht Eltern trifft, die sich auf Grund ihrer beengten wirtschaftlichen Lage ein (weiteres) Kind nicht leisten können.
5.5. Hochhaltinger (Stellungnahme zur Begründungsweise des OGH in der Entscheidung „Arzthaftung: Geburt eines behinderten Kindes als Schaden der Eltern", JBl 2000, 58) meint, die Geburt des Kindes im Kausalitätsablauf und Rechtswidrigkeitszusammenhang zu berücksichtigen, verstoße schlichtweg „gegen rechtsethische Grundsätze". Er lehnt daher selbst einen Ersatz des Mehraufwands bei Geburt eines behinderten Kindes ab.
5.6. Auch Schauer („Wrongful birth" in der Grundsatzentscheidung des OGH - Eine rechtsethische Betrachtung, RdM 2004, 18) hält die Herbeiführung einer günstigeren finanziellen Lage für behinderte Menschen durch die exzessive Ausdehnung des Schadenersatzrechts nicht für befriedigend. Die Aufgabe des Nachteilausgleichs müsse der Sozialpolitik überlassen bleiben.
5.7. F. Bydlinski (Das Kind als Schadensursache im Österreichischen Recht, Liber amicorum Koziol [2000] 29) sieht die infolge durchkreuzter Familienplanung entstandene Unterhaltspflicht grundsätzlich nicht als ersatzfähigen Vermögensschaden an. Er stimmt der E 1 Ob 91/99k ausdrücklich zu. Die Geburt eines gesunden, jedoch unerwünschten Kindes stelle grundsätzlich keinen Schaden dar. Anderes gelte jedoch dann, wenn sie für die Eltern eine außergewöhnliche Belastung darstelle. Das Schadenersatzrecht habe nicht den Zweck, Nachteile zu überwälzen, die bloß eine Seite der Existenz und damit des personalen Eigenwerts des Kindes darstellen und die ohnedies familienrechtlich geordnet sind. Insoweit hätten in der Abwägung die Grundsätze der Personenwürde und der Familienfürsorge Vorrang vor den Schadenersatzfunktionen und Haftungsgründen. Hingegen müssten die erstgenannten Grundsätze eine gewisse Einschränkung hinnehmen und würden die Prinzipien des Schadenersatzrechts durchdringen, wenn der Unterhalt für die Eltern eine ganz außergewöhnliche Belastung bedeute.
5.8. Nach Karner (in Koziol/Bydlinski/ Bollenberger, ABGB [2005] § 1293 Rz 14) bestehe zwar bei unerwünschter Geburt Einigkeit, dass das (behinderte Kind) keinen Schaden darstellt. Anderes könnte aber für den Unterhaltsaufwand gelten.
5.9. Bernat (Zur Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht und Ersatzfähigkeit von Familienplanungsschäden, JAP 1990/1991, 232 und Unerwünschtes Leben, unerwünschte Geburt und Arzthaftung, FS Krejci [2001] 1041) hält den Unterhaltsschaden grundsätzlich für ersatzfähig. Für ihn ist § 1327 ABGB ein Beweis dafür, dass der österreichischen Rechtsordnung die schadenersatzrechtliche Loslösung der Unterhaltspflicht aus der „biologischen Konnexität" nicht fremd sei. Wenn der Entzug eines Unterhaltsanspruchs einen Schaden darstelle, müsse dasselbe auch für den Fall gelten, dass eine Unterhaltspflicht durch die Handlung eines Dritten neu begründet wird.
5.10. Harrer (in Schwimann, ABGB² [1997] § 1293 Rz 27) trat zunächst für die Ersatzfähigkeit des Unterhaltsschadens ein. Er verneinte aber eine Ersatzpflicht des Arztes dann, wenn die Eltern, die keine Kinder wollten, ihre „Obliegenheit zum Schwangerschaftsabbruch" verletzt hätten. Erst jüngst meinte der Autor allerdings (in Schwimann, ABGB³ [2006] § 1293 Rz 37 ff), die These, dass es im Rahmen einer entwickelten Rechtsordnung ausgeschlossen erscheint, die Entstehung menschlichen Lebens in die Nähe eines Schadensereignisses zu rücken, sei nicht widerlegbar; man sollte einräumen, dass das Zivilrecht auf dem Problemfeld „Kind als Schaden" seine Grenzen erreicht bzw überschritten habe. Einen Schadenersatzanspruch will der Autor damit grundsätzlich nicht zubilligen, wobei er insbesondere darauf hinweist, dass Konsequenz der Entscheidung 1 Ob 91/99k eine Differenzierung zwischen behindertem und nicht behindertem Leben sei. In einer neueren, dem Senat im Manuskript vorliegenden, in Druck befindlichen Arbeit (Kind als Schaden, in Fischer/Zenker, Medizin und Bioethik) tritt Harrer de lege ferenda für eine sozialrechtliche Lösung ein.
5.11. Wilhelm (Die versäumte Abtreibung und die Grenzen des juristischen Denkens, ecolex 1999, 593) hält Überlegungen dahingehend, den Nachteil der Unterhaltspflicht durch immaterielle „Vorteile" der Elternschaft auszugleichen, für unzulässig. Ein Vorteilsausgleich setze die Vergleichbarkeit von Vor- und Nachteil voraus, also eine „Aufrechnungslage". Diese fehle hier, müsse doch der Wert der Elternschaft, um ausgleichend zu wirken, vom Geschädigten subjektiv empfunden und quantifiziert werden können. Die Beschwörung des Immateriellen sei eine Leerformel, für die es auch keinen Anhalt in der Rechtsordnung gebe.
5.12. Kletecka (RdM 2004, 50 [Entscheidungsanmerkung]) kritisiert die Rechtsprechung, wonach die Haftung für Unterhaltsschäden wegen fehlerhafter Beratung nicht ausufern solle. Die Aussagekraft des Ausuferungs-Topos sei gering, weil mit ihm die einzig wesentliche Frage, nämlich ob das „Ufer" überschritten wird oder nicht, gerade nicht beantwortet werde. Da bei Bejahung der Ersatzfähigkeit des Unterhaltsschadens keine dogmatisch tragfähige Begründung für eine Abweichung von allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen erkennbar sei, müssten diese auch hier zum Tragen kommen. Warum nur ein besonders krasses ärztliches Fehlverhalten zur Haftung führen solle, sei daher nicht zu begründen. Nach allgemeinen Regeln greife die Schadenersatzpflicht eben schon bei leichter Fahrlässigkeit ein.
5.13. Engel (JAP 1999/2000, 131 [Entscheidungsanmerkung]) tritt für eine grundsätzliche Anerkennung des Unterhaltsschadens bei Geburt eines gesunden Kindes ein. Es sei schon allein fraglich, ob durch die Zuerkennung eines Ersatzanspruchs wirklich in das komplexe familienrechtliche Beziehungsgeflecht eingegriffen werde. Zu unterscheiden sei zwischen dem familienrechtlichen Innen- und dem haftungsrechtlichen Außenverhältnis gegenüber dem Schädiger. Der Schadenersatzanspruch der Eltern ändere ja nichts an deren familienrechtlicher Beziehung zum Kind einschließlich ihrer Unterhaltsverpflichtung. Der Schädiger werde nicht zum Unterhaltspflichtigen. Die Rechtsordnung kenne die Überwälzung ursprünglich familienrechtlicher Ansprüche auf an sich nicht unterhaltspflichtige Dritte (etwa in § 1327 ABGB). Eine Bilanzierung zwischen den finanziellen Belastungen durch das Kind und der Freude am Kind (also zwischen materiellem Schaden und ideellem Gewinn) sei nicht möglich. Außerdem dürfe nicht übersehen werden, dass den immateriellen Vorteilen, der Freude am Kind, auch korrespondierende Belastungen im Rahmen der familiären Beziehungsarbeit gegenüber stünden. Diese Belastungen würden gerade von den Eltern, die das Kind aufziehen, getragen. Freude und Belastungen mögen einander aufwiegen - oder nicht - dieser Komplex sei in der Tat untrennbar, gehöre ausschließlich in das familiäre Innenverhältnis und könne den schädigenden Dritten nicht betreffen. Es sei daher eine Beschränkung der Betrachtung auf die wirtschaftliche Seite derartiger Fälle vorzunehmen. Im Übrigen verstoße die Rechtsprechung auch gegen den Gleichheitsgrundsatz. In der Unterhaltsbelastung durch ein gesundes Kind und jener durch ein behindertes Kind lägen keine derart ungleichen Sachverhalte, dass deren Verschiedenheit eine haftungsrechtliche Ungleichbehandlung rechtfertigen würde. In einer weiteren Untersuchung (ÖJZ 1999, 621) führt die Autorin zum Fall einer misslungenen Schwangerschaftsverhütung durch Sterilisation aus, die Belastung der Eltern mit der Unterhaltsverpflichtung sei vom Schutzzweck des mit dem Arzt geschlossenen Behandlungsvertrags umfasst. Die Entscheidung zur Empfängnisverhütung werde wohl in den meisten Fällen auf einem Motivbündel der Eltern beruhen. Eltern, die eine Schwangerschaft verhindern wollten, gingen immer davon aus, kein Kind zu bekommen und daher auch nicht mit Unterhaltsverpflichtungen belastet zu werden. Ein weiter Schutzzweck des entgeltlichen Vertrags könne angenommen werden, zumal für den Arzt als Schuldner der Folgeschaden (Unterhaltsbelastung der Eltern) im Fall eigenen Fehlverhaltens schon bei Vertragsabschluss vorhersehbar gewesen sei. Einer Einbeziehung der finanziellen Interessen der Eltern stünden auch keine rechtlichen Bedenken entgegen. Die Vermeidung von Unterhaltsbelastungen sei regelmäßig vom Schutzzweck des Vertrags umfasst. Ein Ersatzanspruch der Eltern sei daher grundsätzlich zu bejahen.
5.14. Rebhahn (JBl 2000, 265) meint unter Bezugnahme auf die Entscheidung 1 Ob 91/99k, der Anspruch auf Ersatz des vollen Unterhalts bei behinderten Kindern könne wohl in der Tat nur bejaht werden, wenn man auch bei Geburt eines gesunden Kindes den Unterhaltsaufwand als ausgleichsfähig ansehe. Gegen eine Differenzierung zwischen gesunden und behinderten Kindern beim Regelunterhalt spreche vor allem, dass damit nur und gerade beim behinderten Kind die Existenz als finanziell ausgleichsbedürftig angesehen werde. Darin könnte dann der Ausdruck einer Geringerwertung des Lebens Behinderter gesehen werden. Der aus der Geburt eines gesunden Kindes in Anspruch genommene Arzt könnte allerdings nach § 1304 ABGB einwenden, dass die Eltern das Kind zur Adoption freigeben müssten, falls die Adoption rechtlich zulässig und faktisch wahrscheinlich sei. Der Ersatzanspruch entfalle außerdem, wenn der ersatzberechtigte Elternteil später ein weiteres Kind bekomme. In jüngerer Zeit meinte der Autor allerdings (ZEuP 2004, 794), der Ersatzanspruch wegen unerwünschter Geburt werfe so wesentliche und kontroversielle Fragen auf, dass darüber nicht ein Gericht durch Rechtsfortbildung entscheiden sollte, sondern allein der demokratisch legitimierte Gesetzgeber; es sei nicht Aufgabe des Gerichts, hier den Wandel von Schicksal zu ersatzfähigem Schaden vorzunehmen. In seiner neuesten Untersuchung (Ersatz des vollen Unterhalts bei „wrongful birth", Zak 2006/350, 206 [207 ff]) verweist Rebhahn darauf, dass die Zuerkennung von Unterhaltsschaden bei einem gesunden Kind ethisch weniger problematisch sei als die Zuerkennung von Schadenersatz wegen unterbliebener Abtreibung. Allenfalls sei eine Schadensteilung zu erwägen, weil es sich bei der Unterhaltspflicht um ein spezielles Lebensrisiko handle.
6. In Deutschland teilt die überwiegende Lehre die Auffassung der Rsp (Schiermann in Staudinger, BGB [2005] § 249 Rz 204 ff, insb Rz 208 ff mwN; Wagner in MünchKommBGB4 [2004] § 823 Rz 82 ff; Kuckuk in Erman, BGB11 [2004] § 249 Rz 63). Auch Lange/Schiemann (Schadensersatz³ [2003] 329 ff) stimmen der Rsp im Wesentlichen zu. Allerdings treten diese Autoren für eine persönlichkeitsrechtliche Begründung des Schadenersatzanspruches ein (aaO 339 f). Ein derartiger Ansatz ließe Raum für flexible Einzelfalllösungen, die auch nachträglichen Entwicklungen wie einer Besserung der wirtschaftlichen Lage der Eltern oder einer gewandelten Einstellung der Eltern gegenüber ihrem Kind, die dieses nachträglich doch als „Wunschkind" ansehen. Demgegenüber erwog Stürner eine Entschädigung nach Billigkeit nach der Schwere des Falles (Stürner, Das nicht abgetriebene Wunschkind als Schaden, FamRZ 1985, 753 [760]). Picker (Schadenersatz für das unerwünschte Kind ["Wrongful birth"] - Medizinischer Fortschritt als zivilisatorischer Rückschritt?, AcP 1995, 483; vgl auch denselben, Schadenersatz für das unerwünschte eigene Leben - „wrongful life" [1995]) lehnt die Rsp demgegenüber aus rechtsethischen Erwägungen mit eingehender Begründung ab.
7.1. Vorweg ist festzuhalten, dass es im vorliegenden Fall - anders als in den Entscheidungen 1 Ob 91/99k, 2 Ob 317/00g und 5 Ob 165/05h - nicht um den Schadenersatz wegen der Verhinderung eines zwar nicht strafbaren, außerhalb der Indikationsfälle des § 97 Z 1 StGB aber jedenfalls zumindest aus zivilrechtlicher Sicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruchs (vgl zum diesbezüglichen Meinungsstand Schmoller in Triffterer, StGB § 97 Rz 19; Eder-Rieder in Wiener Kommentar StGB § 97 Rz 3 ff jeweils mwN), sondern im Zusammenhang mit einer nach den Behauptungen des Klägers fehlgeschlagenen Sterilisation, mithin einer - ungeachtet der Ablehnung in der kirchlichen Morallehre (vgl dazu Schinkele, Sterilisation in moraltheologischer und kirchenrechtlicher Sicht, ÖAKR 1989, 144) - jedenfalls rechtmäßigen Maßnahme zur Empfängnisverhütung, geht. Damit ist das Schadenersatzbegehren aus rechtlicher wie ethischer Sicht weniger problematisch (vgl auch Rebhahn, Zak 2006, 207 f), stützen doch die Kläger ihr Begehren gerade nicht darauf, sie seien um die Möglichkeit der Abtreibung gebracht worden, sondern vielmehr gerade darauf, sie seien aufgrund der vorgenommenen Sterilisation der Meinung gewesen, in Hinkunft keine Kinder mehr bekommen zu können. Aus diesem Grund ist im vorliegenden Fall auch nicht auf die an der Entscheidung 5 Ob 165/05h geäußerte Kritik einzugehen.
7.2. Im Hinblick auf die mittlerweile vorliegenden zahlreichen Stellungnahmen der Lehre und die Rechtsentwicklung im Ausland hat der Oberste Gerichtshof die Frage, ob die Geburt eines (gesunden) Kindes einen Schaden darstellt, einer neuerlichen Prüfung unterzogen. Nach neuerlicher Prüfung der Rechtslage sieht der Oberste Gerichtshof indes keine Veranlassung, von der bereits in der Entscheidung 1 Ob 91/99k (= SZ 72/91) ausgesprochenen Rechtsansicht abzugehen. Demnach bedeutet die Geburt eines gesunden, wenn auch unerwünschten Kindes keinen Schaden im Rechtssinne. Diese Entscheidung stieß auch in der überwiegenden Literatur auf Zustimmung. Demnach hat das Schadenersatzrecht nicht den Zweck, Nachteile zu überwälzen, die bloß eine Seite der Existenz und damit des personalen Eigenwerts des Kindes darstellen und die ohnedies familienrechtlich geordnet sind (F. Bydlinski, Liber amicorum Koziol 29 ff). Insoweit haben in der Abwägung die Grundsätze der Personenwürde und der Familienfürsorge Vorrang vor den Schadenersatzfunktionen und Haftungsgründen (F. Bydlinski aaO). Die im vorigen wiedergegebene in- und ausländische Diskussion um die hier auch zu berücksichtigenden, mit der Existenz des Kindes verbundenen Vorteile zeigt deutlich die Unangemessenheit einer rein schadenersatzrechtlichen Betrachtungsweise im vorliegenden Zusammenhang.
7.3. Dagegen spricht nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs auch nicht, dass eine generelle Verneinung der ärztlichen Haftung für unerwünschte Nachkommenschaft dazu führen würde, dass weite Bereiche der Fortpflanzungsmedizin und der pränatalen Diagnostik gegenüber Haftungsansprüchen isoliert würden (BGHZ 124, 128, 237, 139 = NJW 1994, 788, 790 f; Wagner in MünchKommBGB4 [2004] § 823 Rz 82; Kletecka, RdM 2004/36; ebenso die abweichende Meinung des Richters Bonello in EGMR Draon gegen Frankreich und Maurice gegen Frankreich, jeweils vom , Nr 11). Abgesehen davon, dass die Haftungsverwirklichung kein Selbstzweck ist, sondern in den von der Gesamtrechtsordnung vorgegebenen Wertungsrahmen eingebettet sein muss, setzt eine Überwälzung eines Aufwands im Wege des Schadenersatzrechts das Vorliegen eines (ersatzfähigen) Schadens iSd § 1293 ABGB voraus. Ein solcher ist nach dem Gesagten in der Geburt eines Kindes im Regelfall aber nach der Wertung der Rechtsordnung gerade nicht zu erblicken. Der Verweis auf die Ausgleichsfunktion des Schadenersatzrechts geht im vorliegenden Fall daher ins Leere (vgl Harrer in Schwimann, ABGB³ § 1293 Rz 38 FN 156).
7.4. Für die Richtigkeit der dargelegten Ansicht spricht auch, dass die Gegenmeinung zu unlösbaren Folgeproblemen führt. So wird teilweise argumentiert, in einer Änderung der Einstellung der Eltern zu ihrem ursprünglich nicht gewünschten Kind („Damaskuserlebnis", vgl Giesen, JZ 1985, 336; Stürner, FamRZ 1985, 753 [759]) könne eine die Gewährung von Schadenersatz ausschließende Durchbrechung des Zurechnungszusammenhanges liegen (BGH NJW 1984, 1625 = FamRZ 1984, 982; BGHZ 76, 249, 256 f = FamRZ 1980, 654 ff). Dies würde letztlich zur Notwendigkeit führen, die Einstellung der Eltern zu ihrem Kind nicht nur im Titelverfahren, sondern gegebenenfalls auch in einem Oppositionsverfahren laufend einer Überprüfung zu unterziehen. Auch halten die Befürworter der Zuerkennung von Unterhaltsschaden die Anwendung schadenersatzrechtlicher Prinzipien nicht konsequent durch. So spricht etwa die deutsche Rechtsprechung gerade nicht den - hier begehrten - vollen Geldunterhaltsschaden, sondern nur den Durchschnittsbedarf, vermindert um das Familiengeld, zu (BGHZ 76, 259 ua). Andere treten für eine Schadensteilung ein (Rebhahn, Zak 2006, 208; skeptisch zu derartigen Versuchen einer „mechnischen" oder „salomonischen") Teilung F. Bydlinski aaO 45).
7.5. In der hier vertretenen Auffassung liegt auch keine Diskriminierung von Behinderten. Die Einstufung einer Unterhaltspflicht als Schaden ist gerade nicht Ergebnis einer Differenzierung nach der Behinderung oder Nichtbehinderung im Sinne einer „Bewertung" des Kindes, sondern vielmehr Ausdruck der Abwägung zweier fundamentaler Rechtsprinzipien, nämlich des positiven personalen Eigenwerts jedes Kindes einerseits und der Ausgleichs- und Präventionsfunktion des Schadenersatzrechts andererseits (vgl F. Bydlinski aaO 29 [45 ff]). Die ausnahmsweise Zuerkennung von Schadenersatz trotz des personalen Eigenwerts jedes Kindes ist nicht Folge einer negativen Bewertung eines behinderten Kindes, sondern ausschließlich der Versuch eines geldwerten Ausgleichs eines besonderen Unterhaltsbedarfs. Ähnlich starke Gründe für das Durchschlagen des Schadenersatzprinzips gegenüber dem Persönlichkeitsprinzip könnten dann bestehen, wenn die Unterhaltspflicht die Eltern wegen besonders geringer Mittel besonders stark treffen würde. Hätte die Unterhaltsbelastung ungewöhnliche und geradezu existenzielle Erschwerungen wegen - sei es absolut, sei es wegen des aus besonderen Gründen besonders hohen Bedarfs des Kindes - zu geringer verfügbarer Unterhaltsmittel für das Kind und die Eltern zur Folge, kann nämlich nicht mehr davon die Rede sein, dass die Eltern ihre ganz normalen elterlichen Unterhaltsbelastungen durch ein Kind von sich auf einen Dritten abwälzen wollen; in derartigen Fällen geht es vielmehr um Abhilfe in einer ihrerseits im Ergebnis personal-existentiellen Notsituation (F. Bydlinski aaO 46). Eine derartige Notsituation liegt im vorliegenden Fall in Anbetracht des Nettoeinkommens des Erstklägers von rund EUR
2.600 monatlich jedenfalls nicht vor.
7.6. Dazu kommt, dass davon auszugehen ist, dass dem Gesetzgeber die eingangs zitierte Lehre und Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bekannt ist. Der Gesetzgeber hat aber in den letzten Jahren das Schadenersatzrecht in einer Reihe von Punkten sowohl hinsichtlich des materiellen wie des immateriellen Schadens (vgl etwa die Neuregelung der §§ 1333 ff ABGB durch das ZinsRÄG BGBl I 2002/118 oder die Novellierung des § 1328 ABGB durch BGBl 1996/759) novelliert, ohne die hier zu entscheidende Frage einer (abweichenden) gesetzlichen Regelung zuzuführen. Damit muss aber davon ausgegangen werden, dass die bisherige, einen derartigen Anspruch ablehnende Lehre und Rechtsprechung auch die Billigung des Gesetzgebers findet.
7.7. In der hier vertretenen Auffassung liegt auch kein Verstoß gegen Art 8 EMRK, zumal nicht nur das Recht der Eltern auf Familienplanung, sondern auch die Achtung des Kindes als Person und damit sein Eigenwert durch die Verfassung und die EMRK geschützt sind. Zwar wird aus dieser Bestimmung ein Recht auf Einrichtung und Planung des Lebens nach eigenen Vorstellungen, wozu auch die Geburtenkontrolle gehört, abgeleitet (vgl Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention² § 22 Rz 7 mwN; Wildhaber IntKommEMRK Art 8 Rz 251). Wenn es allerdings - wie im vorliegenden Fall - trotz eines Eingriffs zu einer ungewollten Schwangerschaft kommt, können allenfalls schadenersatzrechtliche Sanktionen Platz greifen; hingegen liegt keine Verletzung des Art 8 EMRK vor (Wildhaber aaO). Die Voraussetzungen für die Zuerkennung von Schadenersatz in einem solchen Fall richten sich ausschließlich nach innerstaatlichem Recht. Auch in den beiden hierzu ergangenen Entscheidungen (Draon gegen Frankreich und Maurice gegen Frankreich, jeweils vom ) hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Ausschluss von Schadenersatz im Zusammenhang mit der Geburt eines behinderten Kindes durch den französischen Gesetzgeber nicht prinzipiell, sondern ausschließlich deshalb einen Verstoß gegen die EMRK erblickt, weil durch die Novellierung des betreffenden Gesetzes während des anhängigen Verfahrens in die Erwartungshaltung der Eltern aufgrund der bisherigen Judikatur eingegriffen wurde.
8. Auch das Begehren auf Schmerzengeld für den Geburtsschmerz ist nicht berechtigt (vgl nur F. Bydlinski aaO 63). Dieser ist - wie bereits die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben (§ 510 Abs 3 ZPO) - mit der Existenz des Kindes und dem Eltern-Kind-Verhältnis untrennbar verbunden. Besondere Komplikationen, die in Ausnahmefällen allenfalls eine andere Beurteilung erfordern könnten, sind im vorliegenden Fall zudem nicht eingetreten. Ein nach dem heutigen Stand der Medizin als Routinemaßnahme einzustufender Kaiserschnitt ohne besondere Komplikationen rechtfertigt jedenfalls noch keine Durchbrechung der einem schadenersatzrechtlichen Ausgleich entgegenstehenden prinzipiell untrennbaren Verbindung des Geburtsschmerzes mit der Existenz des Kindes und dem Eltern-Kind-Verhältnis.
9. Die Entscheidungen der Vorinstanzen erweisen sich daher als frei von Rechtsirrtum, sodass der unbegründeten Revision ein Erfolg zu versagen war.