OGH vom 28.01.2020, 4Ob229/19h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. DI W***** S***** und 2. ***** S*****, beide vertreten durch die Gabler Ortner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei A***** K*****, vertreten durch die Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte-GmbH in Zell am See, und deren Nebenintervenienten 1. H***** R***** und 2. K***** H*****, beide vertreten durch Dr. Christof Joham und Mag. Andreas Voggenberger, Rechtsanwälte in Eugendorf, sowie 3. F***** Gesellschaft mit beschränkter Haftung, *****, vertreten durch Pallauf Meißnitzer Staindl & Partner, Rechtsanwälte in Zell am See, wegen Beseitigung und Unterlassung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 128/19t-44, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1. Aus § 297, 417 f ABGB folgt, dass Gebäude (grundfest errichtete Bauwerke, vgl RS0009921) grundsätzlich unselbständige und daher sonderrechtsunfähige (RS0009946) Bestandteile der Liegenschaft werden, auf der sie errichtet sind. Die Regel ist also die Eigentümeridentität, Sonderrechtsfähigkeit ist die Ausnahme (7 Ob 27/13s mwN). Stellt ein Grundeigentümer eine Mauer unzweifelhaft zur Gänze auf seiner eigenen Liegenschaft auf, dann folgt dessen Alleineigentum aus der Regel der Eigentümeridentität, ohne dass es einer Vermutung nach § 854 oder 857 ABGB bedarf (vgl RS0109842).
Für andere Mauern trifft das Gesetz folgende Regelungen: Während nach § 854 ABGB „Erdfurchen, Zäune, Hecken, Planken, Mauern, Privatbäche, Kanäle, Plätze und andere dergleichen Scheidewände“, die sich „zwischen benachbarten Grundstücken“ befinden, im Zweifel gemeinschaftliches Eigentum sind, wird in § 857 ABGB das Alleineigentum in jenen Fällen vermutet, in denen der Verlauf und die Gestaltung der Grenzeinrichtung darauf hinweisen (vgl RS0123730). Es besteht kein gesetzliches Recht, auf dem Grund des Nachbarn ganz oder teilweise einen Zaun oder eine Grenzmauer zu errichten; in einem solchen Fall kann der Eigentümer des für die Errichtung der Mauer in Anspruch genommenen Grundstreifens Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB erheben (vgl 7 Ob 27/13s mwN).
1.2. Ganz allgemein kann wegen Handlungen Dritter die negatorische Eigentumsklage des § 523 ABGB erhoben werden, wenn der Beklagte den Eingriff veranlasst hat, den unerlaubten Zustand aufrecht hält oder sonst von ihm Abhilfe zu erwarten ist (vgl RS0012110). Unterlassungspflichten treffen auch denjenigen, der ohne weiteres Zutun bloß als Eigentümer die von der Sache selbst ausgehende Störung wegen ihres Zusammenhangs mit der Nutzung (Verfügung, Disposition) verantwortet oder durch Inanspruchnahme der Sache den (vom Vormann geschaffenen) störenden Zustand tatsächlich aufrecht hält (5 Ob 164/15a mwN; vgl RS0010448). Die Aufrechterhaltung eines von einem Rechtsvorgänger im Eigentum geschaffenen Zustands fällt damit in die Verfügungsmacht des aktuellen Eigentümers; der Unterlassungsanspruch nach § 523 ABGB wegen von einer Anlage ausgehenden Störungen kann sich auch dann gegen den Eigentümer richten, wenn ein Dritter die Anlage errichtet hat (vgl 6 Ob 188/15p mwN).
1.3. Der Eigentümer einer Liegenschaft kann auch gegen einzelne von mehreren Störern den Bestand seines Rechts zum Gegenstand der Freiheitsklage nach § 523 ABGB machen (vgl
RS0010426).
2.1. Hier hat die Drittnebenintervenientin im Auftrag des Erst- und der Zweitnebenintervenientin (der Rechtsvorgänger der Beklagten als Eigentümer) eine aus groben Felsblöcken bestehende, zu ihrem Grundstücksniveau ansteigende Steinmauer („Steinwurf“) so errichtet, dass sie an ihrem Eckpunkt zwar exakt diesseits der durch eine Grenzmarke bezeichneten Grundgrenze beginnt, in der Folge aber an ihrem Fuß über fast sechs Meter Länge mehr als 60 cm auf dem Nachbargrundstück der Kläger steht.
2.2. Das Berufungsgericht geht vom Eigentum der Beklagten an der ganzen Mauer aus. Dies hält sich im Einzelfall angesichts des Verlaufs und der Gestaltung der Mauer – die auch als Aufschüttung zur Überwindung eines Niveauunterschieds zwischen dem niedriger gelegenen Grundstück der Kläger und dem höher gelegenen der Beklagten gestaltet ist – im Rahmen des klaren Wortlauts des § 857 ABGB und der hierzu ergangenen Rechtsprechung.
2.3. Auch die Einschätzung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte als Eigentümerin des Nachbargrundstücks und der Mauer Adressatin der Klage nach § 523 ABGB ist, weil sie (indem sie ihre Mauer auf dem Grundstück der Kläger bestehen lässt) als Zustandsstörerin zur Beseitigung dieses rechtswidrigen Zustands verpflichtet ist, entspricht der dargelegten Judikatur.
2.4. Die Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, sie hätte schon dadurch ausreichend Abhilfe geschaffen, dass sie die Nebenintervenienten „konfrontiert“ und aufgefordert habe, den Rückbau vorzunehmen, bzw sie „sich dafür verwendet“ hätte. Damit zeigt sie keine erhebliche Rechtsfrage auf, zumal der vom Berufungsgericht bejahte Anspruch nach § 523 ABGB zur Abwehr jeder Störung des Eigentums durch unberechtigte Eingriffe auch auf die Wiederherstellung des früheren Zustands, besonders durch Beseitigung der Beeinträchtigung, gerichtet sein kann (RS0106908 [insb T 2, T 4]; RS0112687 [insb T 1, T 2, T 4, T 10]). Dass die Naturalrestitution iSd § 1323 ABGB – hier die Entfernung der Mauer(teile) vom Grundstück der Kläger – untunlich wäre (vgl RS0112687 [T8]), erschließt sich aus den Feststellungen nicht und wird von der Revision auch nicht behauptet.
3. Auf die Frage des Rechtsmissbrauchs kommt das Rechtsmittel ausdrücklich nicht mehr zurück.
4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00229.19H.0128.000 |
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