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OGH vom 20.12.2016, 4Ob229/16d

OGH vom 20.12.2016, 4Ob229/16d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** AG, *****, vertreten durch MMag. Dr. Claus Casati, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei f***** AG, *****, vertreten durch Freimüller Obereder Pilz RechtsanwältInnen GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 32.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 2 R 32/16i 10, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Streitteile sind Vorsorgekassen nach den Bestimmungen des BMSVG. Das Rekursgericht wies ein auf das einstweilige Verbot näher detaillierter Kündigungshilfen, unterlassener Weiterleitung von Kündigungen von Kunden der Klägerin an diese binnen einem Monat sowie unvollständiger Bewerbung der Mindestzinsgarantiehöhe gerichtete Sicherungsbegehren ab. Mangels Hinzutretens besonderer Umstände sei das zur Verfügungstellen von ausgefüllten Kündigungsformularen nicht lauterkeitswidrig; ebensowenig die gesammelte Weiterleitung der Kündigungen von Verträgen mit der Klägerin an diese, sofern die vom Gesetz vorgegebenen Kündigungsfristen eingehalten würden. Die Bewerbung einer Mindestzinsgarantie von 1,75 % pA „seit 2010“ sei nicht irreführungsgeeignet, weil aus den sonst zur Verfügung gestellten Informationen erkennbar sei, dass die Garantiehöhe variabel festgesetzt werde. Schon die Angabe „seit 2010“ weise darauf hin, dass die Höhe des garantierten Mindestzinssatzes variieren könne, sodass die Auffassung der Klägerin, ein objektiver Beobachter müsse davon ausgehen, dass die Mindestzinsgarantie auch für die Zukunft gültig sei, nicht geteilt werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin vermag in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

1. Das Verleiten zur ordentlichen Vertragsauflösung ist nur dann unlauter, wenn es unter unlauteren Begleitumständen geschieht (vgl RIS Justiz RS0078486). Leistet der Werbende Hilfestellung für eine Vertragsauflösung, so ist ausschlaggebend, ob die Kündigungshilfe geeignet ist, den Entschluss des Kunden, eine Ware oder Dienstleistung von einem anderen Anbieter zu beziehen, unsachlich zu beeinflussen. Dies ist dann nicht der Fall, wenn der Werbende dem Kunden eine Prüfung des eigenen Angebots ermöglicht und die Kündigungshilfe den Kunden nur dabei unterstützt, einen einmal gefassten Entschluss umzusetzen (4 Ob 74/04t). Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Einzelfall begründet in der Regel keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (4 Ob 237/12z).

Es bildet keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn das Rekursgericht mangels erstinstanzlichen Vorbringens der Klägerin eine unsachliche Beeinflussung der Kunden durch die von der Beklagten zur Verfügung gestellte Kündigungshilfe im Sinn der oben dargelegten Grundsätze der Rechtsprechung verneint hat.

2. Dass das Rekursgericht die gesammelte Weiterleitung der von den Kunden der Klägerin unterfertigten Kündigungsschreiben erst knapp vor dem gesetzlich festgelegten Termin (Einhaltung der vorgeschriebenen Kündigungsfrist) nicht als lauterkeitswidrig beanstandet hat, bedarf gleichfalls keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung. Die Berufung der Klägerin auf die §§ 346, 347 UGB geht schon deshalb fehl, weil sie einen ihrer Ansicht nach zu beachtenden Handelsbrauch nicht zu konkretisieren vermochte und der von ihr ins Treffen geführte Sorgfaltsmaßstab die vertragliche Haftung betrifft (vgl Schauer in Krejci , RK § 347 UGB Rz 1), während zwischen den Streitteilen kein Vertragsverhältnis besteht.

3. Wie die angesprochenen Kreise eine Aussage verstehen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher in der Regel ebensowenig eine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RIS Justiz RS0107771, RS0043000, RS0053112) wie die Frage, ob eine andere Beurteilung vertretbar ist (RIS Justiz RS0107768).

Die Auffassung des Rekursgerichts, die konkrete Ausgestaltung der Werbung mit der Mindestzinssatzgarantie erwecke nicht den von der Klägerin behaupteten Eindruck, einen auch für die Zukunft gültigen Zinssatz anzupreisen, ist nicht korrekturbedürftig. Der Zusatz „seit 2010“ zeigt – jedenfalls nicht ohne (von der Klägerin aber nicht behauptete) zusätzliche Umstände – nicht im Sinn einer Unveränderlichkeitsgarantie in die Zukunft. Die weiteren von der Klägerin in ihrem Rechtsmittel angestellten Überlegungen zur Irreführungseignung auf andere als im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemachte Weise verstoßen gegen das Neuerungsverbot.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00229.16D.1220.000