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OGH vom 30.09.1996, 6Ob2068/96b

OGH vom 30.09.1996, 6Ob2068/96b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Christian N*****, 2. Renate N*****, beide vertreten durch Dr.Franz Kriftner u. a. Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Stadt Linz, vertreten durch den Bürgermeister Dr.Franz D*****, vertreten durch Zamponi, Weixelbaum & Partner, Rechtsanwälte OEG in Linz, wegen je 150.000,-- S, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom , GZ 3 R 29/96x-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Landesgerichtes Linz vom , GZ 7 Cg 47/95-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das Zwischenurteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Anläßlich einer Grillveranstaltung im Kindergarten der beklagten Partei am hatte die Kindergartenhelferin versucht, das Grillfeuer mit Brennspiritus anzufachen. Dabei entwickelte sich explosionsartig eine Stichflamme, welche die 6-jährige Tochter der Kläger erfaßte und schwerste Brandverletzungen verursachte. Das Kind verstarb am . Die Kindergartenhelferin wurde wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 81 Z 1 StGB rechtskräftig verurteilt. Der Nachlaß des Kindes wurde seinen Eltern je zur Hälfte eingeantwortet.

Die Kläger begehren für die von ihrer Tochter erlittenen Schmerzen ein Schmerzengeld von je 150.000 S. In dem einmonatigen Todeskampf ihres Kindes hätten sie (als dessen gesetzliche Vertreter) nicht daran gedacht, Schmerzengeldansprüche gerichtlich geltend zu machen. Nach einhelliger Auffassung der Lehre sei der Anspruch auf Schmerzengeld auch unabhängig von einer solchen Geltendmachung vererblich.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und verwies auf die bisherige ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wonach ein Schmerzengeldanspruch mangels rechtzeitiger Geltendmachung nicht vererblich sei.

Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil die Klageforderungen als dem Grunde nach zu Recht bestehend. Daraus, daß der Justizausschuß in seinen erläuternden Bemerkungen zur EKHG-Novelle 1968 die Meinung vertreten habe, daß für den Bereich des EKHG nicht die Rechtsprechung zu § 1325 ABGB hinsichtlich der Entstehung und der Vererblichkeit von Schmerzengeldansprüchen übernommen werden solle, dürfe noch nicht der Schluß gezogen werden, daß der Gesetzgeber bewußt eine abweichende Regelung getroffen habe. Der Justizausschluß habe seine Auffassung damit begründet, daß bei Unfällen häufig furchtbare Schmerzen auftreten würden, die eine rechtzeitige gerichtliche Geltendmachung oder eine Anerkennung des Anspruchs unmöglich machten. Solche Sachverhalte kämen aber nicht nur bei dem EKHG unterliegenden Unfällen, sondern auch bei solchen, für die das ABGB gelte, in Betracht. Eine unterschiedliche Behandlung sei sachlich nicht gerechtfertigt. Der Schmerzengeldanspruch nach § 1325 ABGB sei nicht höchstpersönlich.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei statt und wies die Klage ab. Schmerzengeld nach § 1325 ABGB sei nur "auf Verlangen" zu ersetzen. Dabei handle es sich nach ständiger Rechtsprechung um einen höchstpersönlichen Anspruch, der nur dann vererblich sei, wenn er noch zu Lebzeiten des Verletzten durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder bereits gerichtlich geltend gemacht worden sei. Die EKHG-Novelle 1968 habe zu keiner Änderung der Rechtsprechung hinsichtlich eines auf § 1325 ABGB beruhenden Schmerzengeldbegehrens geführt. Der Gesetzgeber habe bewußt eine vom ABGB abweichende Regelung getroffen. Gegen diese Rechtsprechung wendete sich die Lehre, die aus dem Grunde der wertungsmäßigen Einheit mit § 12 Abs 1 Z 4 EKHG von der generellen Vererblichkeit des Schmerzengeldanspruches ausginge. Schmerzengeldansprüche nach dem Atomhaftpflichtgesetz, dem Rohrleitungsgesetz und dem Berggesetz seien ebenfalls ohne das Erfordernis des "Verlangens" vererblich. Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen sei nach Meinung der Lehre eine geänderte Auslegung des § 1325 ABGB erforderlich. Demgegenüber habe der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen, daß er sich den vorgebrachten Argumenten der Lehre nicht anschließe. Das Berufungsgericht sehe keinen Anlaß, von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abzuweichen, weil der Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung und der Argumente der Lehre die Worte "auf Verlangen" aus dem § 1325 ABGB nicht entfernt habe. Daraus sei zu schließen, daß er Härtefälle wie den vorliegenden in Kauf nehme.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.

Mit ihrer außerordentlichen Revision beantragen die Kläger die Abänderung dahin, daß das erstgerichtliche Zwischenurteil wiederhergestellt werde.

Die beklagte Partei beantragt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise wird beantragt, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Der Schmerzengeldanspruch nach § 1325 ABGB wird in ständiger Rechtsprechung als höchstpersönliches Recht angesehen, das nur dann vererblich ist, wenn der Anspruch vom Schädiger anerkannt wurde oder der Verletzte den Anspruch gerichtlich geltend machte (JB 204 alt; SZ 54/25 mwN; SZ 61/144, 64/51 u.a.). Die Lehre nimmt überwiegend einen gegenteiligen Standpunkt ein (Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 51 zu § 1325 mwN). § 391 EO alt idF vor der Exekutionsordnungsnovelle 1991 regelte die Unpfändbarkeit von Schmerzengeldansprüchen. Aus § 393 Abs 4 EO alt ergab sich die Zulässigkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungen des Verletzten über den Schmerzengeldanspruch durch Abtretung, Anweisung und Verpfändung. Beide Bestimmungen wurden mit der EO-Nov 1991 (BGBl 1991/628) aufgehoben, sodaß nunmehr keine exekutionsrechtliche Bestimmung über die Unpfändbarkeit und die Zulässigkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungen des Verletzten über den Schmerzengeldanspruch existiert. Ob sich daraus für die Auslegung der Bestimmung des § 1325 ABGB, wonach der Schädiger dem Verletzten auf Verlangen ein angemessenes Schmerzengeld zu bezahlen hat, ein neuer Gesichtspunkt über die Absicht des gegenwärtigen Gesetzgebers ergibt, wurde vom Obersten Gerichtshof bisher noch nicht behandelt. Die Revision ist daher zulässig.

Die herrschende Rechtsprechung begründet die Unvererblichkeit von Schmerzengeldansprüchen nach § 1325 ABGB (diese Bestimmung blieb seit dem Jahr 1811 unverändert) seit dem Plenissimarbeschluß vom (JB 204) im wesentlichen mit der Entstehungsgeschichte der Gesetzesbestimmung und den "Rechtsgedanken", von denen sich die Verfasser des ABGB leiten ließen. Der ursprüngliche Meinungsstreit, ob der Schmerzengeldanspruch Bußgeldcharakter habe oder ein Schadenersatzanspruch sei, war im Jahr 1913 bereits in letzterem Sinne entschieden. Schadenersatzansprüche sind grundsätzlich vererblich. Die Aufnahme der Worte "auf Verlangen" in den Gesetzestext erklären sich daraus, daß es zur Zeit der Entstehung des bürgerlichen Gesetzbuches für manche Geschädigte als anstößig angesehen wurde, die erlittenen Schmerzen in Geld umzusetzen. Schon das preußische Landrecht hatte bestimmt, daß Schmerzengeld nur von den niederen Ständen, also von Personen des Bauern- oder des gemeinen Bürgerstandes, gefordert werden durfte. Dieser auf die Absicht des historischen Gesetzgebers gestützten Auffassung ist vor allem Jelinek in seiner eingehenden, in JBl 1977, 1 ff veröffentlichten Untersuchung entgegengetreten. Er erklärt in ebenfalls historischer Interpretation das gesetzliche Erfordernis des "Verlangens" des Schmerzengeldes durch den Verletzten damit, der Gesetzgeber habe klarstellen wollen, daß der Schmerzengeldanspruch ein im Zivilverfahren verfolgbarer Schadenersatzanspruch sei und nicht zu den im Strafverfahren (StG 1803) amtswegig auszusprechenden Geldstrafen gehöre. Dieser Interpretation hat sich Koziol im Haftpflichtrecht II2 140 ausdrücklich angeschlossen. Selbst Jelinek muß aber einräumen (freilich im Zusammenhang mit der Kritik an der Interpretation des JB 204), daß die für die historische Interpretation erforderlichen Materialien knapp seien und daher nur einen höchst begrenzten positiven Beweiswert hätten (Jelinek aaO 5). Gegen die Auffassung Jelineks und zur Verteidigung der historischen Interpretation im Sinne des Judikats hat Piegler in Jarosch/Müller/Piegler/Danzl das Schmerzengeld6 169 ff ausdrücklich Stellung genommen. Die Worte "auf Verlangen" im § 1325 ABGB seien aus dem Zivilrecht und nicht aus dem Strafprozeßrecht zu erklären.

Jelinek führt im weiteren gegen die Höchstpersönlichkeit des Anspruchs nach § 1325 ABGB die in den späteren Haftpflichtgesetzen (§§ 12, 13 AtomHG; §§ 12, 13 EKHG u.a.) enthaltenen Regelungen ins Treffen, die auf das Erfordernis des "Verlangens" verzichten. Dem ist die Rechtsprechung mit dem Argument entgegengetreten, in den erläuternden Bemerkungen zum EKHG sei zum Ausdruck gebracht worden, daß für den Bereich des EKHG nicht die Rechtsprechung zu § 1325 ABGB hinsichtlich Entstehung und Vererblichkeit übernommen werden solle (SZ 54/25). In den Gesetzesmaterialien heißt es wörtlich:

"Obwohl sich das Schmerzengeld des EKHG seinem Wesen nach nicht vom Schmerzengeld des ABGB unterscheiden soll, führt der Entwurf nicht den § 1325 ABGB an. Für den Bereich des EKHG soll nämlich nicht die Rechtsprechung hinsichtlich der Entstehung und der Vererblichkeit des Schmerzengeldanspruches übernommen werden. Nach dem [zukünftigen] EKHG wird der Anspruch in dem Augenblick entstehen, in dem der Verletzte Schmerzen erleidet. Der Anspruch soll auch sofort und ohne Einschränkung vererblich sein. Will der Geschädigte von seinem Anspruch keinen Gebrauch machen, dann steht es ihm frei, ihn nicht geltend zu machen oder darauf zu verzichten. In diesen Punkten die Rechtsprechung zum § 1325 ABGB anzuwenden, würde hier zu großen Härten und Ungerechtigkeiten führen. Gerade bei Verkehrsunfällen müssen Verletzte oft furchtbare Schmerzen mitmachen, ohne daß sie einen Schmerzengeldanspruch gerichtlich geltend machen können. Auch eine vertragsmäßige Anerkennung des Anspruchs ist oft nicht mehr möglich. Aus diesen Gründen muß eine unterschiedliche Regelung gegenüber dem ABGB in Kauf genommen werden." (abgedruckt in MGA EKHG Anm 7 zu § 12). Da der Gesetzgeber aus diesem Anlaß in deklarierter Kenntnis der ständigen höchstgerichtlichen Judikatur die Gesetzeslage nicht änderte (der legistische Aufwand bestünde lediglich in der Anordnung, daß die Worte "auf Verlangen" im § 1325 ABGB zu enfallen haben), ist die Rechtsprechung bisher für den Bereich des ABGB nicht von einer Meinungsänderung des Gesetzgebers ausgegangen. Der Lehre kann zwar - wie dies schon die Entscheidung SZ 61/144 tat - eingeräumt werden, daß in vielen Anwendungsfällen der heutigen Zeit (vor allem bei fahrlässig herbeigeführten Verletzungen im Bereich des Straßenverkehrs oder der Arbeitswelt) eine wertungsmäßige Einheit geboten und eine differenzierte Behandlung der Schmerzengeldansprüche nach den zitierteen Haftpflichtgesetzen (weiters auch § 10 Abs 2 RohrleitungsG und § 186 BergG) und derjenigen nach dem ABGB sachlich nicht begründet erscheint. In manchen Fällen wird aber nach wie vor ein praktisches Bedürfnis des Verletzten dahin bestehen, daß die von ihm erlittenen Schmerzen nur einen höchstpersönlichen Anspruch auslösen. Gründe für eine derartige Schonung des Schädigers durch den Verletzten können in ihrem besonderen Naheverhältnis liegen (Verwandtschaftsverhältnis, Nachbarschaftsverhältnis u.ä.)

Gegen die Qualifikation des Schmerzengeldanspruchs als unvererbliches höchstpersönliches Recht wurden in der Lehre (neben Jelinek aaO 11 ff) vor allem von Berger (in ZVR 1961, 121 und RZ 1983, 38 sowie in Heller/Berger/Stix4, 2106) die exekutionsrechtlichen Bestimmungen der §§ 291, 293 EO ins Treffen geführt. Seit der Exekutionsnovelle 1922 (§ 290 Z 4 EO, später § 291 EO) bis zur EO-Nov 1991 waren Forderungen auf den Pflichtteil und das Schmerzengeld, die nicht gerichtlich geltend gemacht oder anerkannt wurden, unpfändbar. Nach § 293 Abs 2 EO waren dieser Unpfändbarkeit widersprechende Verfügungen durch Abtretung, Verpfändung oder durch ein anderes Rechtsgeschäft ohne rechtliche Wirkung. Diese Bestimmung galt aber zufolge § 293 Abs 4 EO für Ansprüche auf den Pflichtteil und auf Schmerzengeld wiederum nicht. Verfügungen unter Lebenden durch den Verletzten über den Schmerzengeldanspruch wurden daher seit 1922 für zulässig erachtet (etwa durch Zession oder Verpfändung). Daraus leitete Berger ab, daß das Schmerzengeld, weil es abtretbar sei, umsomehr vererblich sein müsse, weil abtretbare Forderungen nicht höchstpersönlich sein könnten und die Gesetze allgemein für die Vererblichkeit leichtere Voraussetzungen stellten als für die Abtretbarkeit. Die Rechtsprechung ist dieser Auffassung nicht gefolgt. Den Ausführungen des JB 204, soweit sie sich auf die rechtsgeschäftliche Übertragung des Schmerzengeldes bezögen, seien zwar die gesetzlichen Grundlagen entzogen worden, dies gelte aber nicht für die Vererblichkeit des Schmerzengeldes (SZ 19/293; JBl 1965, 33). Eine neuerliche Befassung mit diesem Thema und dem Vorwurf Bergers, es fehle an einer ausreichenden Behandlung, ist hier nicht erforderlich, weil die beiden angeführten exekutionsrechtlichen Bestimmungen (die materielles Recht regelten) mit der EO Nov 1991 ersatzlos aufgehoben wurden. Es fehlt also nunmehr an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, daß Schmerzengeldansprüche unpfändbar seien, während dies nach der zuvor bestandenen Rechtslage nur für die Zeit vor Geltendmachung bzw Anerkenntnis galt. Der Wegfall dieser Bestimmungen deutet zunächst auf die Zulässigkeit von Pfändungen, Verpfändungen und anderen rechtsgeschäftlichen Verfügungen (also allenfalls auch von Todes wegen) hin, läßt aber die Frage offen, ab welchem Zeitpunkt diese Zulässigkeit anzunehmen ist. Ein höchstpersönlicher Charakter des Schmerzengeldanspruchs oder die Negation eines solchen Charakters kann sich nur aus dem materiellen Recht ergeben. In den Gesetzesmaterialien zur EO-Nov 1991 wird zum Entfall der Unpfändbarkeitsbestimmung des § 291 EO alt folgendes ausgeführt:

"Die Pfändbarkeit des Anspruchs auf den Pflichtteil, auf Schmerzengeld sowie auf Abgeltung der Mitwirkung eines Ehegatten im Erwerb des anderen (§ 98 ABGB) soll nicht mehr von einem Anerkenntnis oder einer gerichtlichen Geltendmachung abhängig sein. Die Rechtfertigung für die eingeschränkte Pfändbarkeit dieser Forderungen ist, daß diesen Ansprüchen ein höchstpersönlicher Charakter beigemessen wird. Der Gesetzgeber respektierte die Entscheidung des Berechtigten, ob er seinen Anspruch überhaupt geltend machen will. Davon ist der Gesetzgeber in § 13 EKHG bereits abgegangen. Er hat zum Ausdruck gebracht, daß er Schmerzengeld nicht nur "auf Verlangen" des Verletzten gewähren will. Bei entsprechender Würdigung der berechtigten Gläubigerinteressen sollte daher die Abhängigkeit der Pfändbarkeit von einem Anerkenntnis oder der gerichtlichen Geltendmachung aufgegeben werden. Umgehungsmöglichkeiten zu Lasten des betreibenden Gläubigers werden dadurch weitgehend verhindert" (RV zur EO-Nov 1991, 181 BlgNR XVIII GP 24 f). In den Materialien wird also die Ansicht vertreten, daß jeder Schmerzengeldanspruch, also nicht nur ein auf die Gefährdungshaftung nach den Haftpflichtgesetzen gestützter, auch ohne vorheriges Verlangen des Verletzten pfändbar sei. Ob dies zutrifft, kann nur anhand der bestehenden materiell-rechtlichen Bestimmungen geprüft werden, primär steht also wiederum die Auslegung der Worte "auf Verlangen" im § 1325 ABGB im Vordergrund.

Höchstpersönliche Rechte sind nach allgemeiner Auffassung solche, die der Person "ankleben", also grundsätzlich nicht übertragbar sind (vgl das Zessionsverbot des § 1393 ABGB). § 531 ABGB normiert, daß die "in bloß persönlichen Verhältnissen" gegründeten Rechte nicht in den Nachlaß fallen, also unvererblich sind. Die mangelnde Pfändbarkeit und Verpfändbarkeit sind ebenfalls Ausfluß des höchstpersönlichen Charakters eines Rechtes. Zur Bejahung eines solchen müssen nach Ansicht des erkennenden Senates alle genannten Voraussetzungen vorliegen (also die fehlende Übertragbarkeit, Vererblichkeit, Verpfändbarkeit, Pfändbarkeit), soferne nicht besondere sachliche Gründe dagegen sprechen oder im Gesetz ausdrücklich etwas anderes angeordnet ist (beispielsweise sieht das Gesetz für das Urheberrecht eine mangelnde Übertragbarkeit, aber eine Vererblichkeit vor). Vermögensrechte gehören im allgemeinen nicht zu den höchstpersönlichen, unvererblichen Rechten (SZ 57/73). Dies müßte im Gesetz ausdrücklich angeordnet sein (beispielsweise für das Vorkaufsrecht im § 1074 ABGB) oder sich aus der Natur des Anspruchs ergeben. Dem im Familienrecht begründeten Anspruch auf Abgeltung der Mitwirkung eines Ehegatten im Erwerb des anderen (§ 98 ABGB) räumt das Gesetz im § 99 ABGB insofern einen höchstpersönlichen Charakter ein, als der Anspruch nur dann vererblich, unter Lebenden oder von Todes wegen übertragbar und verpfändbar ist, soweit er durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht wurde. Diese mit dem EheRÄG 1978 eingeführte Gesetzeslage trägt der Nahebeziehung zwischen Gläubiger und Schuldner Rechnung. Wenn der Anspruch nicht geltend gemacht (verlangt) wurde, ist er auch nicht vererblich. Diese gesetzliche Klarstellung entspricht der seit dem JB 204 einhelligen Judikatur zum "Verlangen" des Verletzten nach § 1325 ABGB. Nunmehr gelten aber sowohl für den Anspruch nach § 98 ABGB als auch für denjenigen auf Schmerzengeld keine besonderen Unpfändbarkeitsbestimmungen, nach den zitierten Gesetzesmaterialien hängt die Pfändbarkeit vielmehr nicht mehr von einem Verlangen des Berechtigten ab. Daraus ergibt sich für den erkennenden Senat zunächst einmal ein Indiz dafür, daß der Gesetzgeber davon abgerückt ist, im Schmerzengeldanspruch ein Recht mit höchstpersönlichem Charakter zu erblicken, weil - wie schon ausgeführt - die Übertragbarkeit und (oder) Pfändbarkeit des Rechts auch für seine Vererblichkeit sprechen. Daneben kommt aber auch dem nunmehr deklarierten Willen des Gesetzgebers entscheidende Bedeutung zu. In den erläuternden Bemerkungen bei der Einführung des Schmerzengeldanspruchs nach dem EKHG erachtete der Gesetzgeber im Jahr 1968 die Judikatur zu § 1325 ABGB als dem historischen Gesetzgeberwillen entsprechend. Dies kann nach dem Entfall der maßgeblichen Bestimmungen der §§ 291, 293 EO und der dazu geäußerten Meinung in den Gesetzesmaterialien nicht mehr vertreten werden. Bei der Auslegung der §§ 1325 bis 1327 ABGB sind auch die Haftpflichtgesetze mitzuverwenden (SZ 52/77). Diese sehen weder als Anspruchsvoraussetzung noch als Voraussetzung für die Vererblichkeit ein Verlangen des Verletzten vor. Auch ohne Entfall der Worte "auf Verlangen" im § 1325 ABGB führt die im Lichte der Gesetzesänderung durch die EO-Nov 1991 vorzunehmende Neuauslegung zum Ergebnis, daß das Verlangen des Verletzten auf Schmerzengeld kein Tatbestandsmerkmal für das Entstehen des Anspruchs ist, wie dies noch in SZ 41/19 und in den schon zitierten Gesetzesmaterialien zur EKHG-Nov 1968 vertreten wurde. Der Anspruch auf Schmerzengeld entsteht vielmehr wie jeder Schadenersatzanspruch mit dem schädigenden Ereignis, hier also mit dem Eintritt von Schmerzen. Er ist daher sofort pfändbar, der Verletzte kann über den Anspruch frei verfügen, er ist auch ohne weitere Voraussetzung vererblich. Damit wird der seit dem Inkrafttreten des § 1325 ABGB im Jahr 1811 eingetretene Wandel mitberücksichtigt. Während das preußische Landrecht den höheren Ständen aus Standesgründen einen Schmerzengeldanspruch verwehrte und das ABGB aus den im JB 204 angeführten Gründen das Entstehen des Anspruchs an ein Verlangen des Verletzten knüpfte, kann es nach heutiger Auffassung nicht zweifelhaft sein, daß in der ganz überwiegenden Zahl aller Fälle von einer Anstößigkeit des Schmerzengeldbegehrens oder einer solchen Einschätzung durch den Verletzten keine Rede mehr sein kann, und zwar nicht nur im Bereich der den Haftpflichtgesetzen unterliegenden Fällen, sondern auch im Bereich des ABGB. Ein praktisches Bedürfnis, daß dem Verletzten eingeräumt wird, den Anspruch mit Bindungswirkung für seine Erben nicht geltend zu machen und den Anspruch solcherart nicht einmal entstehen zu lassen, besteht nur in den Fällen, wo - wie allerdings auch im vorliegenden Fall - der Verletzte nicht mehr in der Lage ist, rechtsgeschäftliche Erklärungen abzugeben. In allen anderen Fällen steht es ihm auch bei Anerkennung der Vererblichkeit des Schmerzengeldanspruchs frei, auf diesen Anspruch zu verzichten und so die Erben von der Geltendmachung auszuschließen. In unserer Zeit mit den vielfältigen Unfallsgeschehen, bei welchen Schädiger und Verletzte vor dem Unfall ganz überwiegend in keinerlei Nahebeziehung stehen, besteht im Regelfall kein Bedürfnis, das Schmerzengeld als Vermögensrecht mit höchstpersönlichem Charakter zu behandeln. Der Wille des historischen Gesetzgebers ist überholt, weil er im Widerspruch zu den Absichten des gegenwärtigen Gesetzgeber steht, wie dies nicht nur aus den Bestimmungen der Haftpflichtgesetze, sondern insbesondere auch aus den Gesetzesmaterialien zur EO-Nov 1991 hervorgeht. Zur Änderung der Auffassung über die Vererblichkeit von Schmerzengeld kann rechtsvergleichend auf die Rechtslage in Deutschland verwiesen werden. Auch dort hing die Vererblichkeit bis in das Jahr 1990 von einer Geltendmachung des Verletzten ab (§ 847 Abs 1 BGB). Dieses Erfordernis ließ der deutsche Gesetzgeber aber mit den dBGBl 1990 I 478 fallen.

Den Worten "auf Verlangen" im § 1325 ABGB kommt keine eigenständige Bedeutung mehr zu. Seit der EO-Nov 1991 sind auch auf § 1325 ABGB gestützte Schmerzengeldansprüche unabhängig von ihrer Geltendmachung durch den Verletzten vererblich.

Von den Grundsätzen des JB 204 und der diesen Grundsätzen folgenden Rechtsprechung zur Unvererblichkeit des Schmerzengeldanspruchs nach § 1325 ABGB konnte aufgrund der durch die EO-Nov 1991 erfolgten Gesetzesänderung und dem daraus ableitbaren Sinnwandel der Norm auch ohne Befassung eines verstärktes Senates abgegangen werden (so auch Jelinek in RZ 1976, 137 [141]).

Der Revision der klagenden Parteien ist stattzugeben und das den Schmerzengeldanspruch der Erben bejahende Zwischenurteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Der Vorbehalt der Entscheidung über die Verfahrenskosten beider Rechtsmittelverfahren beruht auf § 393 Abs 4 iVm § 52 Abs 2 ZPO.