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OGH vom 22.10.2013, 4Ob129/13v

OGH vom 22.10.2013, 4Ob129/13v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mediengruppe „Ö*****“ GmbH, *****, vertreten durch Zöchbauer, Frauenberger Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei K***** GmbH Co KG, *****, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 65.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 32.500 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 63/13m 11, mit welchem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 57 Cg 95/12i 7, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert , dass die Entscheidung einschließlich der bereits rechtskräftig gewordenen Teilabweisung lautet:

„Die Begehren, die beklagte Partei sei schuldig,

a. im geschäftlichen Verkehr das Ankündigen, Anbieten und/oder Gewähren von Vorteilen, insbesondere eines Gutscheins von 3 EUR, für den Kauf von CDs bzw DVDs aus der 'K*****'-Edition im regulären Handel, zu unterlassen, sofern für die Erlangung des Vorteils der Kauf der 'K*****' notwendig sei und/oder förderlich erscheine sowie der wirtschaftliche Wert des angekündigten, angebotenen oder gewährten Vorteils den für den Erwerb der 'K*****' aufzuwendenden Kaufpreis übersteige;

b. Kopf und Spruch des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils auf einer ganzen Seite der „K*****“ mit der Überschrift „Im Namen der Republik“ in zumindest zwei Zentimeter großen Fettdruckbuchstaben, in einem Kasten mit Fettdruckumrandung, mit gesperrt fett geschriebenen Prozessparteien und im Übrigen in normaler Laufschrift, hilfsweise in einer vom Gericht zu bestimmenden Art und Weise, zu veröffentlichen,

werden abgewiesen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 11.070,04 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin 3.241 EUR Barauslagen, 1.304,84 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Parteien stehen im Wettbewerb auf dem Markt für Tageszeitungen. Die Beklagte warb am in ihrer Zeitung für eine von ihr zusammengestellte, im Handel erhältliche „Edition“ von Tonträgern mit musikalischen Inhalten. Dazu druckte sie einen Gutschein ab, mit dem ein Tonträger dieser Edition bei einer bestimmten Handelskette um 4,99 EUR statt um 7,99 EUR erworben werden konnte. Die Zeitung der Beklagten kostete im Einzelverkauf einen Euro.

Die Klägerin beantragt, der Beklagten aufzutragen,

„im geschäftlichen Verkehr das Ankündigen, Anbieten und/oder Gewähren von Vorteilen, insbesondere eines Gutscheins von 3 EUR, für den Kauf von CDs bzw DVDs aus der 'K*****'-Edition im regulären Handel, zu unterlassen, sofern für die Erlangung des Vorteils der Kauf der 'K*****' notwendig sei und/oder förderlich erscheine sowie der wirtschaftliche Wert des angekündigten, angebotenen oder gewährten Vorteils den für den Erwerb der 'K*****' aufzuwendenden Kaufpreis übersteige.“

Weiters soll die Beklagte zur Urteilsveröffentlichung verpflichtet werden. Zur Begründung stützt sich die Klägerin auf die Rechtsprechung zum kopflastigen Vorspannangebot. Der Wert des Gutscheins übersteige den Preis der Zeitung um das Doppelte. Damit schaffe die Beklagte einen sachfremden Anreiz zum Erwerb der Zeitung. Personen, die nicht an der Zeitung, wohl aber an den Tonträgern interessiert seien, würden die Zeitung erwerben, weil selbst nach Abzug des Kaufpreises ein materieller Vorteil verbleibe. Damit würden rationale Erwägungen beim Erwerb der Zeitung ausgeschlossen.

Die Beklagte wendet ein, die Rechtsprechung zum kopflastigen Vorspannangebot habe ihre Rechtfertigung aus dem Zugabenverbot bezogen und könne daher nach dessen Wegfall nicht aufrecht erhalten werden. Vorspannangebote seien wie (andere) Koppelungsangebote zu behandeln. Unzulässig seien sie dann, wenn ihre Ausgestaltung oder Ankündigung irreführend sei, was hier aber nicht zutreffe. Ein Unlauterkeit begründendes übertriebenes Anlocken könne, wenn überhaupt, nur vorliegen, wenn auch bei einem verständigen Verbraucher die Rationalität der Nachfrageentscheidung vollständig in den Hintergrund trete. Das sei aber ein seltener Ausnahmefall. Wenn der Verbraucher ausreichend Gelegenheit habe, das Angebot und seinen Bedarf zu prüfen, könne er auch dann rational entscheiden, wenn er neben der eigentlich gewünschten Ware eine weitere erwerben müsse, für die er keine Verwendung habe. Diese Erwägungen hätten in der deutschen Rechtsprechung dazu geführt, dass der Wert der Nebenware oder dessen Relation zum Wert der Hauptware keine Rolle mehr spiele. Vielmehr sei entscheidend, ob der Verbraucher aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Informationen in der konkreten Situation eine rationale Entscheidung treffen könne.

Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren zur Gänze und dem Veröffentlichungsbegehren teilweise statt. Zeitung und Tonträger kosteten zusammen 5,99 EUR. Dieser Preis liege um ein Viertel unter dem Normalpreis der Tonträger von 7,99 EUR. Dadurch trete das Hauptprodukt (Zeitung) wegen der Attraktivität des Nebenprodukts (Tonträger) deutlich in den Hintergrund. Der beanstandete Gutschein sei daher geeignet, beim Publikum jede rationale Entscheidung für den Erwerb der Zeitung auszuschalten. Die Zeitung werde ausschließlich deshalb erworben, weil selbst nach Abzug ihres Preises noch immer ein materieller Vorteil beim Erwerb der Tonträger verbleibe. Es sei daher anzunehmen, dass der Verbraucher seine Kaufentscheidung nur wegen des Vorspannangebots treffe.

Das nur von der Beklagten angerufene Berufungsgericht konkretisierte den im Begehren genannten „Vorteil“ auf die konkret strittige Preisersparnis für die Nebenware und beschränkte das Verbot auf den Fall, dass die Preisersparnis den Kaufpreis der Zeitung übersteige und der Gesamtpreis für Zeitung und Nebenware mehr als bloß geringfügig unter dem gleichzeitig angekündigten oder üblichen Preis der Nebenware liege; das Mehrbegehren wies es ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Ein Vorspannangebot sei nach der Rechtsprechung dann unzulässig, wenn der dadurch hervorgerufene Kaufanreiz geeignet sei, Verbraucher ohne sachliche Begründung zum Kauf der Hauptware zu bewegen. Dies gelte insbesondere für kopflastige Vorspannangebote, bei denen der Vorspannartikel höherwertig sei als die Hauptware und bei denen die relative Preisersparnis dazu führe, dass der Käufer die Hauptware (nahezu) umsonst erhalte. Anders sei zwar dann zu entscheiden, wenn der Gesamtpreis der gekoppelten Waren bloß geringfügig unter dem handelsüblichen Preis der Nebenware liege. So habe der Oberste Gerichtshof eine Ersparnis von 3 % des Normalpreises der Nebenware als nicht sittenwidrig beurteilt, eine Ersparnis von 27 % hingegen schon. Im vorliegenden Fall betrage die Ersparnis bei der Nebenware 25 %, was sehr wohl geeignet sei, den Verbraucher zum Erwerb der Hauptware zu bewegen, ohne sie sachlich zu prüfen. Das Vorspannangebot der Beklagten sei daher „nach § 1 Abs 1 Z 2 UWG“ als „sittenwidrig“ zu beurteilen. Die - zudem erst nach dem beanstandeten Verhalten erfolgte - Aufhebung des Zugabenverbots habe daran nichts geändert. Das Unterlassungsbegehren sei allerdings zu weit gefasst, weil es auch solche kopflastigen Vorspannangebote erfasse, bei denen der Gesamtpreis bloß geringfügig unter dem handelsüblichen Preis der Nebenware liege. Insofern habe eine Teilabweisung zu erfolgen. Weiters sei im Spruch klarzustellen, dass der untersagte Vorteil in der Preisersparnis für die Nebenware bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der Beklagten ist zulässig , weil die Rechtsprechung zu Vorspannangeboten nach Inkrafttreten der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken und Aufhebung des Zugabenverbots einer Überprüfung bedarf; sie ist auch berechtigt .

1. Die Rechtsprechung zu Vorspannangeboten hat sich vor der UWG-Novelle 2007 entwickelt und wurde danach allerdings nur in obiter dicta fortgeführt. Das Berufungsgericht hat sie richtig dargestellt.

1.1. Der vom Kauf einer Hauptware abhängige entgeltliche Erwerb einer Nebenware war nach dieser Rechtsprechung dann und zwar auch ohne Hinzutreten weiterer Umstände (zB Irreführung) sittenwidrig, wenn die Koppelung von Haupt- und preisgünstiger Nebenware beim Verbraucher zum vollständigen Ausschluss sachlicher Erwägungen führen konnte. Das Vorspannangebot musste daher geeignet sein, Verbraucher ohne jede sachliche Prüfung, sondern allein wegen der Möglichkeit, die Vorspannware zu einem Bruchteil des üblichen Preises zu erwerben, zum Kauf einer Hauptware zu verleiten, die sie sonst nicht gekauft hätten (4 Ob 390/76 = ÖBl 1977, 65 Kaffee-Olympiabuch; RIS-Justiz RS0077811, RS0077800; umfassend 4 Ob 47/93 = ÖBl 1993, 73 = ÖZW 1994, 83 [ Schauer ] Badezimmerradio mwN; vor Inkrafttreten der UWG-Novelle 2007 zuletzt offenbar 4 Ob 77/03g = ÖBl-LS 2003/112 Mobiltelefon-Vorspannangebot). Ein solcher „übersteigerter“ Anlockeffekt lag nach der jüngeren Rechtsprechung nicht vor, wenn der Gesamtpreis beider Waren nicht oder nur geringfügig geringer war als der handelsübliche Preis der Nebenware (4 Ob 1006/95 = MR 1996, 73 [ Korn ] Entsorgungsbeitrag; 4 Ob 227/98f = ÖBl 1999, 95 Pkw-Jahresvignette). Anders gewendet: Sittenwidrigkeit war anzunehmen, wenn die Ersparnis bei der Nebenware deutlich höher war als der Preis der Hauptware.

1.2. Nach Inkrafttreten der UWG-Novelle 2007 nahm der Senat in 4 Ob 34/11w (= ÖBl 2011, 168 Treuepunkteaktion II) auf diese Rechtsprechung Bezug. Nach dem (zunächst durch Auslegung begründeten) Wegfall des allgemeinen Zugabenverbots (C 540/08, Mediaprint , Slg 2010 I 10909 = ÖBl 2012, 91 [ Haberkamm / Kühne 52] Fußballer des Jahres III; 4 Ob 208/10g = SZ 2011/17 Fußballer des Jahres IV) müsse ein „wenngleich günstiges“ Koppelungsangebot grund-sätzlich ebenfalls zulässig sein. Die Rechtsprechung vor der UWG-Novelle 2007 habe ein solches Angebot nur dann als sittenwidrig betrachtet, wenn der dadurch hervorgerufene Kaufanreiz geeignet gewesen sei, Verbraucher ohne sachliche Begründung zum Kauf der Hauptware zu bewegen. Der Revisionsrekurs zeige nicht auf, weshalb diese Frage nach neuem Recht „anders“ beurteilt werden sollte. Unter einer solchen „anderen“ Beurteilung war zwar im gegebenen Zusammenhang eine über diese Rechtsprechung hinausgehende Einschränkung zu verstehen. Richtig ist aber, dass man aus dieser Formulierung auch ableiten konnte, dass der Senat allgemein an der älteren Rechtsprechung festhalten wollte. Entscheidungswesentlich war diese Erwägung aber jedenfalls nicht.

1.3. Auch in 4 Ob 158/08a (= MR 2008, 368 Nimm 3, zahl 2!) nahm der Senat an, dass ein „übermäßiger Kaufanreiz“ zur Unzulässigkeit eines Koppelungsangebots führen könne. Im Anlassfall lag ein solcher Anreiz aber wiederum nicht vor. Eine aggressive Geschäftspraktik wurde verneint, weil der Verbraucher nicht in einer besonders dringenden oder unsachlich von außen beeinflussten Entscheidungssituation gestanden sei. Eine gezielte Behinderung von Mitbewerbern oder eine allgemeine Marktbehinderung war nicht erkennbar.

1.4. Bereits im Vorabentscheidungsersuchen zu § 9a UWG (4 Ob 154/08p = ÖBl 2009, 77 [ Gamerith 100] Fußballer des Jahres II) hatte der Senat ausgeführt, dass eine aggressive Geschäftspraktik vorliegen könne, wenn eine Zugabe aufgrund ihres (tatsächlichen oder angenommenen) Wertes einen so hohen Anlockeffekt ausübte, dass sie auch für einen sonst aufmerksamen und kritischen Verbraucher unter Ausschaltung rationaler Erwägungen - zum alleinigen Grund für den Erwerb der Hauptware würde. Diese Aussage hat der Senat mehrfach wiederholt, wobei er allerdings in keinem einzigen Fall tatsächlich einen derart hohen Anlockeffekt als gegeben gesehen hat (4 Ob 34/11w Treuepunkteaktion II; 4 Ob 36/11i = ÖBl 2011, 224 Gesundheitsbibliothek; 4 Ob 38/11h = ÖBl-LS 2011/90 Die schnellste Küche Österreichs; 4 Ob 100/13d = ÖBl 2013, 209 [ Frauenberger ] iPhone).

2. Die zuletzt referierte Rechtsprechung zeigt, dass Zugaben und Vorspannangebote grundsätzlich gleich zu behandeln sind: In beiden Fällen versucht der Unternehmer, den Absatz einer Ware dadurch zu fördern, dass er eine andere Ware billiger oder unentgeltlich überlässt. Geworben wird also nicht mit den Eigenschaften der Hauptware (Preis, Qualität), sondern mit einem Vorteil, der mit der Hauptware sachlich (meist) nichts zu tun hat, aber den Kunden dennoch zum Kauf veranlassen soll. Solche Werbung wird traditionell als „Wertreklame“ bezeichnet ( Burgstaller in Wiebe/G. Kodek , UWG 2 § 1 Rz 870 ff mwN; Sosnitza in Piper / Ohly / Sosnitza , UWG 5 [2010] § 4 Rz 1/51 ff; Köhler in Köhler / Bornkamm , UWG 31 [2013] § 4 Rz 1.84 ff; in der Rsp etwa 4 Ob 222/06k = ÖBl 2007, 121 [ Gamerith ] Stand ; 4 Ob 278/00m = ÖBl 2002, 2 Riesengewinnspiel, uva, RIS Justiz RS0078065); mit gleicher Bedeutung wird vor allem, aber nicht nur in Deutschland der Begriff „verkaufsfördernde Maßnahme“ verwendet ( Burgstaller und Köhler aaO; vgl etwa BGH I ZR 194/06 = GRUR 2009, 1064 Geld-zurück-Garantie II; 4 Ob 154/08p - Fußballer des Jahres II). Die Verwandtschaft von Zugaben und Vorspannangeboten wurde auch in mehreren Beiträgen zur Zukunft des Zugabenverbots erörtert. Dabei vertraten mehrere Autoren die Auffassung, dass die sachlich nicht in Frage gestellte Rechtsprechung zu Vorspannangeboten auch für die Beurteilung von nun nicht mehr jedenfalls unzulässigen Zugaben herangezogen werden könne ( Heidinger , Zugabenverbot, quo vadis? MR 2009, 45 [46]; Krutzler , Grenzen der Liberalisierung des Zugabenverbots, ÖBl 2012, 196 [200 f]; Appl / Homar , Zugabenverbot: Das letzte Kapitel einer unendlichen Geschichte, MR 2012, 349 [350]; vgl auch Frauenberger , Glosse zu 4 Ob 100/13d, ÖBl 2013, 211, unter Hinweis auf das vorliegende Verfahren). Die Notwendigkeit einer Gleichbehandlung von Vorspannangeboten und Zugaben zeigt letztlich auch die im vorliegenden Fall zu beurteilende Ankündigung: Sie kann wie von den Vorinstanzen als kopflastiges Vorspannangebot verstanden werden, ebenso aber auch als unentgeltliche Zugabe eines Gutscheins im Wert von 3 EUR.

3. Nach der bisherigen Rechtsprechung zu kopflastigen Vorspannangeboten wäre die Entscheidung der Vorinstanzen nicht zu beanstanden: Durch den Drei Euro Gutschein liegt der Gesamtpreis von Haupt- und Nebenware deutlich nämlich um ein Viertel (6 EUR statt 8 EUR) unter dem Preis der Nebenware; die Ersparnis bei der Nebenware beträgt daher das Dreifache des Preises der Hauptware. Damit ist tatsächlich denkbar, dass ein Verbraucher die Zeitung und zwar allenfalls auch mehrere Exemplare nur erwirbt, um einen oder mehrere Tonträger billiger zu bekommen. Dabei ist unerheblich, ob er sich für die Zeitung inhaltlich interessiert oder nicht; er kann sie auch im Bewusstsein kaufen, dass er sie sogleich ungelesen wegwerfen wird. Bei isolierter Betrachtung des Erwerbs der Zeitung ist dieses Verhalten nicht rational.

4. Die allein mit Wertrelationen begründete Rechtsprechung zur Unzulässigkeit von Vorspannangebote kann allerdings nicht aufrecht erhalten werden.

4.1. Selbstverständlich ist denkbar, dass ein Unternehmen bei einer verkaufsfördernden Maßnahme Preise verschleiert oder die Verbraucher auf andere Weise in die Irre führt. So könnte etwa der vom Unternehmen angegebene Normalpreis der Nebenware gegenüber vergleichbaren Angeboten überteuert sein, weswegen die behauptete Ersparnis in Wahrheit gar nicht oder nicht im angekündigten Ausmaß besteht. Dann läge aber ohnehin eine irreführende Geschäftspraktik vor. Die eingangs zitierte Rechtsprechung knüpft aber nicht an einer solchen Irreführung an. Sie erfasst auch vollkommen transparente Angaben über eine tatsächlich gegebene Ersparnis bei der Nebenware. Ein solcher Fall ist hier zu beurteilen.

4.2. Aggressivität also „Belästigung, Nötigung, einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt, oder […] unzulässige Beeinflussung“ (Art 8 RL-UGP, § 1a Abs 1 UWG) ist bei einem Vorspannangebot, das nach der eingangs zitierten Rechtsprechung unzulässig wäre, nicht anzunehmen, wenn nicht weitere Umstände vorliegen, die über die bloße Wertrelation hinausgehen. Belästigung oder Nötigung scheiden bei einem „nur“ überaus günstigen Vorspannangebot jedenfalls aus. Aber auch eine „unzulässige Beeinflussung“ ist in solchen Fällen nicht zu erkennen. Denn dieser Begriff ist eng definiert, und zwar als

„Ausnutzung einer Machtposition gegenüber dem Verbraucher zur Ausübung von Druck, auch ohne die Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise, die die Fähigkeit des Verbrauchers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt“ (Art 2 lit j RL-UGP; inhaltlich gleich § 1 Abs 4 Z 6 UWG).“

Darunter kann zwar etwa ein „psychischer Kaufzwang“ im Sinn der bisherigen Rechtsprechung (RIS Justiz RS0077935) fallen. Er läge vor, wenn der Kunde durch die Vergünstigung in eine psychische Zwangslage geriete, in der er es als unanständig oder jedenfalls peinlich empfände, nichts zu kaufen (4 Ob 64/89 = ÖBl 1990, 11 Supermarkt-Gratisgabe; 4 Ob 35/95 = SZ 68/88 Gratisflugreisen). Die eingangs zitierte Rechtsprechung knüpft aber gerade nicht an einer solchen Situation oder an anderen Fällen einer vom Unternehmer herbeigeführten oder ausgenutzten Zwangslage an; vielmehr genügt das Angebot, eine Nebenware mit einer über dem Preis der Hauptware liegenden Gesamtersparnis erwerben zu können. Das kann für sich allein keinesfalls als Ausnutzen einer gegenüber dem Verbraucher bestehenden Machtposition angesehen werden. Gleiches gilt für eine hochwertige Zugabe. Damit kann aber auch die Auffassung, dass solche Zugaben ohne Hinzutreten weiterer Elemente der Druckausübung unter den Tatbestand der aggressiven Geschäftspraktik fallen können (oben 1.4.), bei erneuter Prüfung nicht aufrecht erhalten werden.

4.3. Auch die vom Berufungsgericht herangezogene Generalklausel des § 1 Abs 1 Z 2 UWG kann die eingangs zitierte Rechtsprechung nicht begründen.

(a) Eine unlautere Geschäftspraktik läge zweifellos vor, wenn durch eine verkaufsfördernde Maßnahme auch ohne Irreführung oder Aggressivität die „rationale Entscheidung“ des Verbrauchers vollkommen ausgeschaltet würde. Dies im hier zu beurteilenden Fall anzunehmen, beruht aber auf einer verkürzten Sichtweise: Will ein Verbraucher einen Tonträger erwerben, ist es für ihn im höchsten Maße rational , eine Zeitung zu kaufen und allenfalls ungelesen wegzuwerfen. Denn damit bekommt er den Tonträger um zwei Euro billiger als sonst. Als irrational könnte man dieses Verhalten nur bezeichnen, wenn man ausschließlich den Erwerb der Hauptware betrachtete. Blendet man die Nebenware aus, ist es natürlich irrational, eine Zeitung zu kaufen und dann gleich wegzuwerfen. Diese Betrachtungsweise hätte aber mit der Realität der geschäftlichen Entscheidung, die sich auf beide Waren (das „Gesamtpaket“) bezieht, nichts zu tun.

(b) Diese Sichtweise entspricht im Ergebnis der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Danach ist ein Koppelungsangebot ebenfalls unzulässig, wenn über dessen tatsächlichen Wert getäuscht wird oder unzureichende Informationen gegeben werden (I ZR 173/01 = GRUR 2002, 976 Kopplungsangebot I; I ZR 71/01 = GRUR 2002, 979 Kopplungsangebot II), also eine irreführende Geschäftspraktik vorliegt. Unlauterkeit soll zudem auch dann anzunehmen sein, wenn die Anlockwirkung so groß ist, dass bei einem verständigen Verbraucher ausnahmsweise die Rationalität der Nachfrageentscheidung vollständig in den Hintergrund tritt (I ZR 173/01 Kopplungsangebot I; I ZR 291/00 = GRUR 2003, 890 Buchclub-Kopplungangebot). Auch diese Formulierung stimmt noch mit den Grundsätzen der bisherigen österreichischen Rechtsprechung überein. Einen solchen übertriebenen Anlockeffekt nahm der BGH aber nicht an, wenn zu einer Zeitschrift mit einem Preis von 4,50 DM eine Sonnenbrille im Wert von 30 DM unentgeltlich zugegeben wurde (I ZR 28/03 = GRUR 2006, 161 [ Steinbeck ] Zeitschrift mit Sonnenbrille). Die Ersparnis bei der Nebenware betrug also mehr als das Sechsfache des Wertes der Hauptware und lag damit weit höher als im hier zu beurteilenden Sachverhalt. Der BGH bezog daher das Rationalitätskriterium offenkundig auf das Gesamtangebot , nicht auf die isoliert betrachtete Hauptware . Völlig zutreffend führte daher Steinbeck in ihrer Anmerkung zu dieser Entscheidung aus, dass im Wahrnehmen eines Preisvorteils durch eine wertvolle Zugabe auch dann ein sachgerechtes Kaufverhalten liege, wenn der Verbraucher die Kaufentscheidung nur wegen der wertvollen Nebenware treffe. Ein solches Angebot sei daher nicht geeignet, die Verkehrsteilnehmer zu irrationalen Kaufentscheidungen hinzureißen, sondern appelliere im Gegenteil an den sachlich kalkulierenden Verbraucher. Dieser werde bei rationaler Abwägung ohne weiteres und zutreffend erkennen, dass ihm ein gemeint: insgesamt günstiges Angebot gemacht werde ( Steinbeck aaO). Folgerichtig spielt das Kriterium des „Ausschaltens der Rationalität“ in der deutschen Rechtsprechung praktisch keine Rolle mehr ( Köhler in Köhler / Bornkamm , UWG 33 § 4 Rz 1.49).

(c) Der Senat teilt diese Auffassung. Eine den Preis der Hauptware übersteigende Ersparnis bei einer Nebenware ist ohne Hinzutreten besonderer Umstände (Irreführung, Drucksituation etc) nicht geeignet, die „Rationalität“ des Verbraucherverhaltens auszuschließen. Hat der Verbraucher in einem solchen Fall Interesse an der Nebenware, ist es vielmehr aus seiner Sicht sachgerecht, die Hauptware auch dann zu erwerben, wenn er daran (isoliert betrachtet) keinen Bedarf hat. Verbraucherschutzerwägungen können die Rechtsprechung zur Unzulässigkeit von Vorspannangeboten oder hochwertigen Zugaben daher nicht tragen.

(d) Der Senat hat die Rechtsprechung zu unzulässigen Vorspannangeboten allerdings auch mit dem Schutz des „Leistungswettbewerbs“ begründet (zuletzt etwa 4 Ob 47/93 - Badezimmerradio). Damit sei unvereinbar, wenn Verbraucher eine Hauptware, an der sie kein Interesse hätten, nur kauften, um eine preisgünstige Nebenware zu erlangen. Dieser Argumentation liegt letztlich die Auffassung zugrunde, dass Unternehmer redlicherweise nur wegen der Qualität und des Preises ihrer Produkte Erfolg haben sollten, nicht aber aus anderen „sachfremden“ Gründen. Das richtet sich jedoch im Kern gegen jede Form verkaufsfördernder Maßnahmen. Denn deren Charakteristikum ist es ja gerade, Verbraucher aus Erwägungen zum Erwerb einer Ware zu veranlassen, die nicht in den Eigenschaften dieser Ware begründet sind. Warum gerade die hier zu beurteilende Maßnahme aus diesem Grund unzulässig sein soll, ist nicht erkennbar. Es kann für Unternehmen durchaus nachvollziehbare und nicht von vornherein unlautere Gründe geben, (auch) solche Maßnahmen zu setzen. Im vorliegenden Fall könnte das beanstandete Verhalten etwa der Kundenbindung bei der Zeitung oder der Verkaufsförderung für die Tonträger dienen. Dass die Maßnahme den alleinigen Zweck gehabt hätte, kurzfristig die Auflage zu steigern, lässt sich weder dem festgestellten Sachverhalt noch dem Vorbringen der Klägerin entnehmen. Zudem wäre auch in diesem Fall fraglich, ob allein dies den Unlauterkeitsvorwurf begründen könnte.

5. Auf Gründe des Mitbewerberschutzes (§ 1 Abs 1 Z 1 UWG) hat die Klägerin ihr Begehren nicht gestützt. Auf damit verbundene Fragen etwa den auch bei Koppelungsangeboten möglichen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (4 Ob 84/12z = ÖBl 2013, 22 - Hahnenkamm Gewinnspiel) oder sonstige Formen eines Behinderungswettbewerbs (vgl 4 Ob 158/08a = MR 2008, 368 Nimm 3, zahl 2!) ist daher nicht einzugehen.

6. Aufgrund dieser Erwägungen hat die Revision der Beklagten Erfolg. Die angefochtene Entscheidung ist dahin abzuändern, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen wird. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:

Der Umstand, dass bei einem Vorspannangebot die Ersparnis bei der Nebenware höher ist als der Preis der Hauptware, begründet für sich allein nicht die Unlauterkeit dieser verkaufsfördernden Maßnahme.

7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Bemessungsgrundlage im Revisionsverfahren betrug wegen der rechtskräftigen Teilabweisung durch das Berufungsgericht nur mehr 32.500 EUR.