OGH vom 31.01.2013, 1Ob149/12m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** GmbH Co KG, *****, vertreten durch Dr. Peter Krömer, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Gernot Hain, Mag. Gerhard Rigler und Dr. Ulrike Grünling, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wegen 103.234,45 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 160/12x 22, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Handelsgericht vom , GZ 23 Cg 156/09p 18, in der Hauptsache bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentlichen Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden mit Ausnahme der rechtskräftigen Abweisung des Zinsenmehrbegehrens aus 14.506,37 EUR für die Zeit vom bis aufgehoben und die Rechtssache insoweit an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Klägerin betreibt einen Windpark in Niederösterreich und erzeugt damit Elektrizität. Die Windkraftanlage der Klägerin ist an das Verteilernetz der Beklagten angeschlossen, in das sie den erzeugten Ökostrom einspeist.
Für diese Einspeisung zahlte sie in den Jahren 2009 bis 2011 aufgrund entsprechender Vorschreibungen der Beklagten, jedoch unter ausdrücklichem Vorbehalt der Rückforderung, insgesamt 103.234,45 EUR als Netzverlustentgelt gemäß § 6 Abs 1 der Systemnutzungstarife Verordnung (SNT VO) 2006 in der Fassung der Novelle 2009 und der SNT VO 2010 (auch in der Fassung der Novelle 2011).
Dem Vertragsverhältnis zwischen den Parteien liegt eine Netzzugangsvereinbarung samt Allgemeinen Bedingungen für den Zugang zum Verteilernetz (in der Folge: AGB) zu Grunde, deren Punkt XXIII auszugsweise wie folgt lautet:
„ Änderung der Allgemeinen Verteilernetzbedingungen und der Systemnutzungstarife
1. Sollte infolge künftig erlassener Gesetze, Verordnungen oder behördlicher Entscheidungen die Netznutzung unmittelbar oder mittelbar verteuert oder verbilligt werden, so erhöhen bzw. ermäßigen sich die Preise ab dem Zeitpunkt, in dem die genannten Umstände wirksam werden, auf die sich danach ergebende Höhe. Durch Verordnung festgesetzte Fixpreise gelten daher unmittelbar für dieses Vertragsverhältnis.
[2.] ...
3. Im Falle der Aufhebung der amtlichen Regelung der Systemnutzungstarife hat E***** (Beklagte) dem Netzkunden jedenfalls den Netzzugang zu sachlichen und nichtdiskriminierenden Bedingungen und unter Zugrundelegung von an ihrem tatsächlichen Aufwand orientierten Kosten zu gewähren. “
Vor Klagseinbringung leitete die Klägerin ein Schlichtungsstellenverfahren vor der Energie Control Kommission ein. Der Antrag wurde jedoch mit Bescheid vom abgewiesen.
Infolge Anfechtung von Vorschriften des ElWOG 1998 sowie der einschlägigen Systemnutzungstarife Verordnungen stellte der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , G 3/11 ua (= VfSlg 19.422), fest, dass die gemäß § 109 Abs 2 ElWOG 2010, BGBl I 2010/110, mit außer Kraft getretenen § 25 Abs 1 Z 1 und 3, § 25 Abs 4 und § 25 Abs 12 ElWOG 1998 verfassungswidrig gewesen seien. Mit Wirkung für das vorliegende Verfahren hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , V 59/09 ua (= VfSlg 19.511), die SNT VO 2006 in der Fassung der Novelle 2009 und die SNT VO 2010 (auch in der Fassung der Novelle 2011) als gesetzwidrig mit der wesentlichen Begründung auf, die gesetzliche Grundlage dieser Verordnungen sei durch das Erkenntnis G 3/11 weggefallen. Mit der Feststellung der „Generalklausel“ des § 25 Abs 4 ElWOG als verfassungswidrig bleibe die gesetzliche Regelung der Adressaten einer Systemnutzungstarife Verordnung völlig lückenhaft und damit jede dieser Verordnungen ohne gesetzliche Grundlage. Sie seien daher zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben, weil bei Außerachtlassung der genannten Bestimmung wegen der Anlassfallwirkung die gegenständlichen Verordnungen insgesamt der gesetzlichen Grundlage entbehrten. Die Anlassfallwirkung sei gemäß § 139 Abs 6 zweiter Satz B VG auch für die im Einzelnen bezeichneten Gerichtsverfahren herbeizuführen.
Die Klägerin begehrte zuletzt 103.234,45 EUR sA. Sie habe der Beklagten diesen Betrag als Summe der monatlich vorgeschriebenen Netzverlustentgelte der Jahre 2009, 2010 und 2011 mit Vorbehalt der Rückforderung gezahlt und begehre Rückerstattung. Jene Bestimmungen der Systemnutzungstarife Verordnung 2006, die seit der Novelle 2009 auch die Einspeiser dazu verpflichteten, sich erstmals an dem dem Netzbetreiber zustehenden Netzverlustentgelt zu beteiligen, seien gesetzwidrig. Nachdem durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs die Rechtsgrundlage für die Vorschreibung von Netzverlustentgelten im Sinne der SNT VO 2006 und 2010 durch die Beklagte weggefallen seien, könne sie die zu Unrecht bezahlten Netzverlustentgelte zurückbegehren. Der Gesetzgeber habe mit dem als verfassungswidrig festgestellten § 25 ElWOG 1998 die dem Netzbetreiber im Rahmen der Systemnutzungstarife gebührenden Entgeltbestandteile abschließend regeln wollen, weshalb sich die Beklagte als Verteilernetzbetreiberin nicht darauf berufen könne, sie habe bei Wegfall der Komponente Netzverlustentgelte einen betragsmäßig gleich hohen Anspruch auf Abgeltung der von ihr erbrachten Leistungen auf bereicherungsrechtlicher Basis. Auch könne sie sich auf keine andere gesetzliche oder vertragliche Bestimmung berufen.
Die Beklagte bestritt die Zulässigkeit der Rückforderung, weil keine rechtsgrundlose Leistung vorliege. Sie wendete die Unzulässigkeit des Rechtswegs ein, weil ihrer Auffassung nach nicht die Zivilgerichte, sondern die Verwaltungsbehörden für die Geltendmachung der Rückforderungsansprüche zuständig seien. Sie berief sich in der Sache auf vertragliche Grundlagen, die dem Rückforderungsanspruch entgegenstünden, und verwies auf den vorbereitenden Schriftsatz vom (richtig:) , der am beim Erstgericht einlangte, dort aber nicht in den Akt genommen („einjournalisiert“) wurde und sich in der Folge nicht in diesem Akt befand. In diesem Schriftsatz führte sie aus, die der Rechtsbeziehung zwischen den Streitteilen zu Grunde liegenden AGB böten auch nach Wegfall der aufgehobenen Normen eine ausreichende Grundlage für die Zahlung der Netzverlustentgelte durch die Klägerin und beseitigten deren Rückforderungsanspruch. Sie wende daher einen auf Punkt XXIII Z 3 AGB beruhenden Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Netzverlustentgelts als Gegenforderung aufrechnungsweise gegen die Klagsforderung ein. Die von der Klägerin gezahlten Netzverlustentgelte entsprächen den am tatsächlichen Aufwand orientierten Kosten nach Punkt XXIII Z 3 AGB; sie sei nach Wegfall der verordnungsmäßigen Grundlage für die Einforderung von Netzverlustentgelt berechtigt, derartige Tarife in Höhe der amtlichen Regelung zu verrechnen und einzufordern.
Das Erstgericht verwarf die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs und gab dem Klagebegehren statt. Zur Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs verwies es darauf, dass die rechtlichen Beziehungen zwischen den Parteien auf privatrechtlichen Verträgen basierten, woran auch eine amtliche Preisregelung nichts ändere. In der Hauptsache zitierte das Erstgericht aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 1 Ob 32/11d, wonach infolge Wegfalls der Systemnutzungstarife Verordnungen kein Rechtsgrund für die Leistung von Netzverlustentgelten bestehe. Der Gesetzgeber habe in § 25 ElWOG 1998 ersichtlich die dem Netzbetreiber im Rahmen der Systemnutzungstarife gebührenden Entgeltbestandteile abschließend regeln wollen. Daher könne sich die Beklagte auch nicht darauf berufen, sie habe bei Wegfall der Komponente „Netzverlustentgelt“ im Gesetz einen betragsmäßig gleich hohen Anspruch auf Abgeltung der von ihr erbrachten Leistungen auf bereicherungsrechtlicher Basis und dürfe sich aus diesem Grund die als Netzverlustentgelt fakturierten Beträge behalten. Aufgrund der abschließenden Regelung in § 25 ElWOG 1998 seien auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten gesetzwidrig und daher gemäß § 879 Abs 1 ABGB unwirksam.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil in der Hauptsache und änderte es aber dahin ab, dass es das Zinsenmehrbegehren aus 14.506,37 EUR für die Zeit vom bis unbekämpft abwies. Zur Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs führte es aus, dass die vorliegende Auseinandersetzung eine „übrige Streitigkeit“ im Sinn des § 21 Abs 2 ElWOG 1998 sei, für die die ordentlichen Gerichte zuständig seien. Auch die weitere in § 21 Abs 2 zweiter Satz ElWOG 1998 festgelegte Voraussetzung für die Klagseinbringung vorausgegangenes Streitschlichtungsver fahren nach § 16 Energie Regulierungsbehördengesetz sei erfüllt. An der Zulässigkeit des Rechtswegs für die Klage habe sich auch durch das Inkrafttreten des ElWOG 2010 mit nichts geändert, enthalte doch dessen § 22 eine mit § 21 ElWOG 1998 inhaltlich weitgehend idente Regelung.
In der Sache erachtete das Berufungsgericht die Argumentation der Beklagten mit Punkt XXIII Z 3 AGB primär als Neuerung, befinde sich doch im vorgelegten Akt des Erstgerichts kein Schriftsatz vom (richtig:) . Ein Verweis auf diesen könne Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren nicht ersetzen. Der Vollständigkeit halber wies es darauf hin, dass Punkt XXIII Z 3 AGB ohnehin unanwendbar sei, weil es nicht zu der darin angesprochenen „Aufhebung der amtlichen Regelung der Systemnutzungstarife“ gekommen sei. Vielmehr habe der Verfassungsgerichtshof nur bestimmte Teile des ElWOG 1998 sowie die SNT VO 2009 aufgehoben, die öffentlich rechtliche Bestimmung der Systemnutzungstarife aber grundsätzlich nicht in Frage gestellt. Vor allem aus Punkt XXIII Z 1 AGB ergebe sich, dass die Beklagte grundsätzlich von der Maßgeblichkeit behördlich festgesetzter Tarife ausgehe, vor allem für den Fall, dass diese erhöht oder herabgesetzt würden; dabei werde nicht nur auf Gesetze und Verordnungen, sondern auch auf behördliche Entscheidungen abgestellt. In den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs seien jedenfalls solche „behördliche Entscheidungen“ zu sehen. Zu keiner Zeit fehlten „amtliche Regelungen der Systemnutzungstarife“, zumal der Gesetzgeber mit dem ElWOG 2010 eine neue Rechtslage geschaffen habe, die bisher noch nicht in Frage gestellt worden sei.
Soweit sich die Beklagte darauf stütze, dass gemäß § 354 UGB unabhängig von der Geltung der SNT VO 2009 oder der AGB jedenfalls von der Entgeltlichkeit ihrer Leistungen auszugehen sei, sei ihr entgegenzuhalten, dass ihre Leistungen durch den bloßen Wegfall der Komponente „Netzverlustentgelt“ keineswegs unentgeltlich geworden seien. Immerhin habe sie bis einschließlich 2008 entsprechend der damals geltenden SNT VO kein Systemnutzungsentgelt von Einspeisern eingehoben, obwohl auch damals schon die Entgeltlichkeitsvermutung des § 354 UGB gegolten habe.
Die Beklagte könne dem Bereicherungsanspruch der Klägerin keinen stichhaltigen Einwand entgegensetzen. Da die Klägerin stets unter dem Vorbehalt gezahlt habe, die Rechtmäßigkeit ihrer Verpflichtung nicht anzuerkennen, komme ihren Zahlungen keine rechtsbereinigende Wirkung zu, sodass ihr der Rückforderungsanspruch erhalten geblieben sei (§ 1435 ABGB).
Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig, weil die Unschlüssigkeit des Bestreitungsvorbringens nach der Aufhebung der SNT VO 2009 eine Frage des Einzelfalls sei.
Gegen den stattgebenden Teil des Berufungsurteils richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit einem Aufhebungs und Zurückweisungsantrag; hilfsweise wird die Abweisung des Klagebegehrens beantragt.
Die Klägerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508 Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.
1. Soweit die Rechtsmittelwerberin in dritter Instanz Nichtigkeit infolge Unzulässigkeit des Rechtswegs geltend macht, ist ihr zu erwidern, dass dies von beiden Vorinstanzen übereinstimmend verneint wurde und daher vom Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüft werden kann (RIS Justiz RS0039799; RS0042917 [T7]; E. Kodek in Rechberger ³ § 503 ZPO Rz 2; Zechner in Fasching/Konecny ² § 503 ZPO Rz 72 je mwN).
2. Da die Beklagte zutreffend nicht die Abweisung des Zinsenmehrbegehrens durch das Berufungsgericht bekämpft, ist schon aus diesem Grund nicht verständlich, inwiefern die Fassung des Urteilsspruchs zweiter Instanz „außergewöhnlich und in dieser Form nicht exiquierbar“ sein soll. Sie ist durch die Abweisung des Zinsenmehrbegehrens auch nicht beschwert.
3. Den weiteren Ausführungen ist voranzustellen, dass sich die Beklagte in erster Instanz auf Punkt XXIII Z 3 AGB als privatrechtliche Grundlage für die Zahlung der Netzverlustentgelte durch die Klägerin nach Wegfall der aufgehobenen Normen berief.
Im Hinblick auf den in § 176 ZPO verankerten Verfahrensgrundsatz der Mündlichkeit der Verhandlung vor dem erkennenden Gericht kann sofern nicht eine Sondernorm besteht (zB §§ 396, 442 ZPO) in Schriftsätzen enthaltenes Vorbringen nur dann berücksichtigt werden, wenn es in der Verhandlung mündlich vorgetragen wurde (RIS Justiz RS0036700; RS0036721).
Die Beklagte trug in der Verhandlung vom den Schriftsatz vom (ON 15) vor, in dem sie sich auf die vertraglichen Grundlagen, die dem geltend gemachten Rückforderungsanspruch entgegenstünden, und auf den bereits zuvor eingebrachten Schriftsatz vom mit entsprechendem inhaltlichen Vorbringen bezog. Der Schriftsatz der Beklagten vom langte wie sich aus Erhebungen nach Erlassung des Berufungsurteils ergab am beim Erstgericht ein. Er wurde entgegen § 375 Abs 1 Geo nicht zum Akt genommen („einjournalisiert“). Er wurde aber wie auch von der Klägerin in der Revisionsbeantwortung zugestanden wird in der Verhandlung vom erörtert. Zwar wurde der Inhalt dieses Schriftsatzes in der Verhandlung nicht ausdrücklich vorgetragen, jedoch wurden die damit vorgelegten Urkunden dargetan. Nimmt zudem der später vorgetragene Schriftsatz auf den zuvor beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz Bezug und ist dieser sowohl dem Erstgericht bekannt (das darin enthaltene Vorbringen der Beklagten wurde im Ersturteil vollständig wiedergegeben) und wurde der Schriftsatz gemäß § 112 ZPO auch der Klägerin zugestellt (sie erstattete dazu eine inhaltliche Replik) und in der Verhandlung erörtert, so ist dies einem mündlichen Vortrag gleichzuhalten.
4.1. Das Erstgericht ist den Grundsätzen der Entscheidung 1 Ob 32/11d, 65/11g vom gefolgt, wonach in den vom Erkenntnis des VfGH zu G 3/11 ua umfassten Anlassfällen nach Wegfall der SNT VO 2006 in der Fassung der Novelle 2009 und der SNT VO 2010 (auch in Fassung der Novelle 2011) die Entscheidung so zu erfolgen habe, als wären die aufgehobenen Vorschriften niemals in Geltung gestanden. Damit erweise sich so die Ansicht des Erstgerichts das Leistungsbegehren als berechtigt, bestehe doch kein Rechtsgrund mehr für die von der Beklagten erhobenen Forderungen auf Zahlung bestimmter Beträge als Netzverlustentgelt (zust Rabl , Rückforderung von Netzverlustentgelten nach Aufhebung der SNT-VO 2009 bis 2011, ecolex 2012, 597 [599], wonach auf Grundlage der Preisregelung abgeschlossene Netznutzungsverträge hinfällig seien, weshalb die auf Grundlage dieser Verträge erbrachten Leistungen zu kondizieren seien).
4.2. Die in der Entscheidung 1 Ob 32/11d angestellten Überlegungen treffen den hier zu beurteilenden Fall aber deshalb nicht, weil sich die Beklagte damals anders als hier nicht darauf berufen hatte, dass den vorgeschriebenen und erhaltenen Netzverlustentgelten der Rechtsgrund der privatrechtlichen Vereinbarung (Punkt XXIII Z 3 AGB) zugrunde liege.
4.3. Dieser Einwand richtet sich gegen die Klagsbehauptung einer rechtsgrundlosen Zahlung und vernichtet im Fall und im Umfang seines Erfolgs den Klagsanspruch schon ohne Aufrechnung; bejaht man daher eine privatrechtliche Vereinbarung als Zahlungsgrund für das Netzverlustentgelt, bleibt kein Raum für eine darauf gestützte Gegenforderung.
5. Die Beklagte macht in ihrem Rechtsmittel geltend, Punkt XXIII Z 3 AGB sei dahin auszulegen, dass sie nicht nur bei gänzlichem Fehlen einer amtlichen Regelung der Systemnutzungstarife, sondern schon bei Wegfall der Voraussetzungen für die Einhebung einer Teilkomponente des Systemnutzungsentgelts, hier des Netzverlustentgelts infolge des aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs, ein solches als Teil eines angemessenen Entgelts verlangen könne; ein angemessenes Entgelt stehe ihr schon nach § 354 Abs 1 UGB zu. Punkt XXIII Z 3 AGB sei ein „Auffangtatbestand“, der ua wirksam werde, wenn amtliche Regelungen der Systemnutzungstarife fehlten.
Dazu hat der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen 4 Ob 126/12a und 5 Ob 150/12p, die ebenfalls die Beklagte betreffen, bereits im Wesentlichen Folgendes ausgeführt (Nummerierung abweichend):
5.1. Im Grundsatz gilt, dass der Wegfall öffentlich-rechtlicher (Preis-)Regelungen (hier: der SNT VO 2006 in der Fassung der Novelle 2009 und der SNT VO 2010 auch in der Fassung der Novelle 2011) kein Hindernis dafür ist, über den dann öffentlich-rechtlich ungeregelten Sachverhalt eine privatrechtliche Vereinbarung innerhalb der Grenzen des rechtlich Erlaubten abzuschließen.
5.2. Dem steht auch nicht die Absicht des Gesetzgebers entgegen, einen bestimmten Preisregelungs-Sachverhalt (hier: Systemnutzungsentgelt mittels § 25 ElWOG 1998 und SNT VO) abschließend regeln zu wollen. In einem System der sozialen Marktwirtschaft mit selbstverantwortlichen Wirtschaftssubjekten als Marktteilnehmer, die sich als Anbieter und Nachfrager am Markt wirtschaftlich frei betätigen können, obliegt die Vereinbarung des Preises für eine Ware oder Dienstleistung nämlich grundsätzlich den Parteien des synallagmatischen Vertrags, und dieser Grundsatz kann nur ausnahmsweise etwa in Ansehung sensibler Produkte der Grundversorgung durch öffentlich rechtliche Tarifsysteme durchbrochen werden. Wird daher bei einem behördlichen Preisregelungssystem die preisfestsetzende Norm nachträglich unanwendbar, so fällt die Kompetenz zur Preisvereinbarung wieder den Vertragsparteien zu.
5.3. Infolge Wegfalls der Preisregelung für das Netzverlustentgelt durch Aufhebung der vorstehend genannten Systemnutzungstarife Verordnungen besteht auch kein solcher Tarif. Zwar waren gemäß § 25 Abs 3 zweiter Satz ElWOG 1998 die für den Netzzugang geltenden Systemnutzungstarife als Festpreise zu bestimmen, fehlt aber nunmehr für das Netzverlustentgelt ein solcher Tarif, kann in der Vereinbarung eines sachlichen, an den tatsächlichen Kosten der Beklagten orientierten Entgelts für den Netzzugang nicht ein Verstoß gegen § 917a ABGB iVm § 879 ABGB erblickt werden (aA Krömer , Rückforderung von Netzverlustentgelten trotz Aufhebung der Systemnutzungstarife Verordnungen unmöglich?, ZTR 2012, 147 [155]).
5.4. Eine solche privatautonome Preisvereinbarung bei bestehendem behördlichen Preisregelungssystem für den Fall der Unanwendbarkeit der preisfestsetzenden Norm ist auch ex ante, also schon vor Eintritt dieser Bedingung, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässig. Punkt XXIII Z 3 AGB ist eine solche gültige Vereinbarung.
5.5. Eine solche Vereinbarung bedeutet keine „Aushebelung“ der verfassungsrechtlich garantierten Anlassfallwirkung des Art 139 Abs 6 B-VG (so aber K. Oberndorfer , Zum Entfall der elektrizitätsrechtlichen Netzverlustentgeltpflicht für Erzeuger, ZTR 2012, 46 [52]; diese Auffassung ablehnend Rabl , Rückforderung von Netzverlustentgelten nach Aufhebung der SNT-VO 2009 bis 2011, ecolex 2012, 597 [599]), regelt doch diese Bestimmung zwar den zeitlichen Anwendungsbereich der aufgehobenen Verordnung, trifft aber keine Aussage über die Zulässigkeit einer privatrechtlichen Vereinbarung über jene Materie, die bisher durch die aufgehobene Verordnung geregelt war.
5.6. Dass der Gesetzgeber mit § 50 ElWOG 2010 ein Regulierungskonto geschaffen hat, das es künftig ermöglichen soll, bei der Kostenfestsetzung Differenzbeträge zwischen den tatsächlich erzielten und den der Verordnung zugrunde liegenden Erlösen bei der Feststellung der Kostenbasis für die nächsten Entgeltperioden zu berücksichtigen, ändert nichts an den bisher angestellten Überlegungen zur Rechtslage in Zeiträumen, in denen keine gültige Verordnung bestanden hat.
5.7. Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass einer subsidiären Regelung des grundsätzlich behördlich festgelegten Preises, den Netzbetreiber von Einspeisern für die Systemnutzung verlangen dürfen, in AGB für den Fall der Unwirksamkeit behördlicher Preisvorschriften weder ein gesetzliches Verbot, noch bei der hier gegebenen Vereinbarung eines angemessenen Entgelts Sittenwidrigkeit entgegensteht.
6.1. Der Auffassung des Berufungsgerichts, Punkt XXIII Z 3 AGB finde keine Anwendung, weil zu keiner Zeit amtliche Regelungen der Systemnutzungstarife gefehlt hätten, ist nicht zu folgen.
6.2. Durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom sind die SNT VO 2006 (auch in der Fassung der Novelle 2009) und die SNT VO 2010 (auch in der Fassung der Novelle 2011) als gesetzwidrig aufgehoben worden. Damit sind nicht nur die Bestimmungen über das Netzverlustentgelt (als eine von mehreren Komponenten des für die Netznutzung zu entrichtenden Entgelts) weggefallen, sondern es ist der gesamte Tarif unanwendbar geworden. Der in der auszulegenden Bestimmung der AGB angesprochene Fall ist damit eingetreten.
6.3. Offenkundiger Zweck der AGB-Bestimmung ist es, im Fall der Unanwendbarkeit der preisrechtlichen Tarifvorschriften sicherzustellen, dass einerseits dem Netzkunden weiterhin Netzzugang zu nicht willkürlichen Bedingungen gewährt wird, andererseits aber der Netzbetreiber als Gegenleistung hierfür den Ersatz von an seinem tatsächlichen Aufwand orientierten Netznutzungskosten verlangen darf. Ein gegenteiliges Verständnis führt zum wirtschaftlich unausgewogenen Ergebnis, dass der Netzbetreiber seinem Kunden zwar Zugang zum Netz gewähren müsste, dafür aber nicht jenen Kostenersatz vorschreiben dürfte, der seinen tatsächlichen Aufwand zur Gänze abdeckt; dass die Parteien solches beabsichtigt hätten, ist nicht zu unterstellen.
6.4. Eine unsachliche Benachteiligung von Einspeisern gegenüber Verbrauchern ist nicht erkennbar. Mag sich auch aus der Entstehungsgeschichte des Tarifmodells für die Nutzung von Energienetzen ergeben, dass ursprünglich eine rein entnehmerseitige Netzkostentragung vorgeschlagen worden ist ( Würthinger , Systemnutzungstarife für Elektrizitätsnetze 26 f), hat sich der Gesetzgeber doch später dafür entschieden, auch Erzeuger zur Bezahlung von Netzverlustentgelt und Netznutzungsentgelt zu verpflichten (SNT VO 2006 in der Fassung der Novelle 2009) und an dieser grundsätzlichen Wertung ungeachtet der späteren Aufhebung der genannten Verordnung samt Nachfolgeverordnungen festgehalten. So sieht § 53 Abs 1 ElWOG 2010 ebenfalls vor, dass Einspeiser und Entnehmer das Netzverlustentgelt zu tragen haben (näher dazu K. Oberndorfer , Das neue Systemnutzungsentgelte-Regime nach dem ElWOG 2010, ZTR 2011, 4 [5]). Da auch Erzeuger das Netz zum Absatz der von ihnen erzeugten Energie benötigen, ist ihre Beteiligung an den Netzkosten, zu denen auch das Netzverlustentgelt gehört, sachlich gerechtfertigt. Erst jüngst vermochte der Verfassungsgerichtshof in der Anordnung des § 53 Abs 1 ElWOG 2010, wonach auch Einspeiser (wie Entnehmer) Netzverlustentgelt zu tragen haben, keinen Verstoß gegen die Verursachungsgerechtigkeit als Erscheinungsform des Gleichheitssatzes zu erkennen ( ua).
6.5. Weiteres Zwischenergebnis ist daher, dass Punkt XXIII Z 3 AGB als auf Vertrag beruhender Rechtsgrund für die von der Klägerin geleisteten Zahlungen von Netzverlustentgelten in Frage kommt.
7. Die Beklagte hat sich zum Beweis dafür, dass die von der Klägerin gezahlten Netzverlustentgelte den am tatsächlichen Aufwand orientierten Kosten nach Punkt XXIII Z 3 AGB entsprächen, weshalb sie auch nach Wegfall der verordnungsmäßigen Grundlage für die Einforderung von Netzverlustentgelten berechtigt sei, der Klägerin derartige Tarife in Höhe der amtlichen Regelung zu verrechnen und einzufordern, auf die Einholung eines Gutachtens berufen. Ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht haben die Tatsacheninstanzen zum aufgezeigten Beweisthema weder Beweise aufgenommen noch Feststellungen getroffen. Damit ist eine abschließende Beurteilung von Bestand und allenfalls Höhe einer rechtsgrundlosen Zahlung der Klägerin noch nicht möglich.
Klarzustellen ist, dass im fortgesetzten Verfahren allein die Höhe eines angemessenen Netzverlustentgelts zu ermitteln und den von der Klägerin unter diesem Titel gezahlten Beträge gegenüberzustellen ist.
8. Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsansicht uneingeschränkt an. Die angefochtene Entscheidung ist daher im bekämpften Umfang aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verbreitung der Tatsachengrundlagen im aufgezeigten Sinn an das Erstgericht zurückzuverweisen (so auch 4 Ob 126/12a, 5 Ob 150/12p und 4 Ob 2/13t).
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.