OGH vom 13.12.2011, 5Ob127/11d

OGH vom 13.12.2011, 5Ob127/11d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. W*****, vertreten durch Dr. Hans Widerin, Mag. Bernd Widerin, Rechtsanwälte in Bludenz, gegen die beklagte Partei W***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Andreas Oberbichler, Dr. Michael Kramer, Rechtsanwälte in Feldkirch, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei V***** A/S, *****, DK *****, vertreten durch Graf Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Leistung, in eventu 33.000 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 55/11x 73, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom , GZ 6 Cg 261/08g 68, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Kläger erteilte der Beklagten den Auftrag zur Lieferung und zum Einbau der Fenster für sein Niedrigenergiehaus. Er entschied sich für Fenster der Nebenintervenientin, weil er sich durch diese einen geringeren Energieverbrauch erwartete. Es kam ihm hiebei nur auf die Funktionstauglichkeit der Fenster, nicht jedoch auf ein Fenster eines bestimmten Herstellers an. Trotz Verbesserungsversuchen kommt es an den Innenoberflächen der Fenster zu starken Kondensatbildungen und bei Außentemperaturen unter minus 12° zu Vereisungen, die aus Wärmebrücken in der Fensterkonstruktion und den thermischen Eigenschaften der Fenster resultieren.

Der Kläger begehrt den Austausch der Fenster, in eventu die Zahlung von 33.000 EUR.

Das Berufungsgericht hob das dem Hauptbegehren stattgebende Ersturteil über Berufung der Beklagten auf. In der Rechtsprechung werde die Möglichkeit des Austausches bislang nur bei Gattungsschulden bejaht. Ob eine solche vorliege, könne dahin gestellt bleiben, weil bei Interpretation des innerstaatlichen Gewährleistungsrechts entsprechend der durch das GewRÄG BGBl I 2011/48 umgesetzten Verbrauchsgüterkauf Richtlinie der Austausch immer dann in Betracht komme, wenn eine Ersatzlage im Sinne eines gleichartigen, wirtschaftlich gleichwertigen Zustands geschaffen werden könne. Damit sei das Klagebegehren zwar an sich berechtigt, aber im Hinblick auf eine mögliche Exekutionsführung zu unbestimmt. Zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung sei das Ersturteil aufzuheben, um dem Kläger Gelegenheit zu geben, sein Klagebegehren bestimmbar zu gestalten.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zwecks Überprüfung der Rechtsansicht der zweiten Instanz zulässig, weil diese von der Rechtsprechung des Höchstgerichts abgewichen sei.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 526 Abs 2 Satz 2 ZPO) ist der Rekurs in Ermangelung einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

1. Vorauszuschicken ist, dass die Wahl des Gewährleistungsbehelfs durch den Kläger nach vorangegangenen Verbesserungsversuchen keinen Streitpunkt darstellt und die Frage der Verjährung („Verfristung”) im Rekurs der Beklagten nur noch im Zusammenhang mit einem möglichen Wandlungs oder Preisminderungsbegehren angesprochen wird. Ein solches ist aber nicht Gegenstand des Verfahrens.

2. Nach § 932 Abs 2 ABGB idF des GewRÄG kann der Übernehmer wegen eines Mangels von den in § 932 Abs 1 ABGB genannten Gewährleistungsbehelfen (Verbesserung, Austausch der Sache, angemessene Minderung des Entgelts oder Aufhebung des Vertrags) zunächst nur die Verbesserung oder den Austausch der Sache verlangen, es sei denn, dass die Verbesserung oder der Austausch unmöglich oder für den Übergeber, verglichen mit der anderen Abhilfe, mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre. Sind sowohl die Verbesserung als auch der Austausch unmöglich oder für den Übergeber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden, so hat der Übernehmer nach § 932 Abs 4 ABGB das Recht auf Preisminderung oder, sofern es sich nicht um einen geringfügigen Mangel handelt, das Recht auf Wandlung. Diese Gesetzeslage setzt das Stufensystem des Art 3 Abs 3 und 5 der Verbrauchsgüterkauf Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom um ( Ofner in Schwimann ABGB³ § 932 ABGB Rz 2; Reischauer , Das neue Gewährleistungsrecht und seine schadenersatzrechtlichen Folgen, JBl 2002, 137 [143 f]).

3.1 Austausch ist die Lieferung einer mangelfreien Sache gegen Rückstellung der erhaltenen mangelhaften Sache. Der Austauschanspruch kommt nach herrschender Ansicht nur bei Gattungsschulden in Betracht ( Ofner aaO § 932 Rz 16; P. Bydlinski in KBB³ § 932 Rz 3; derselbe , Neues zum Gewährleistungsrecht, JBl 2005, 681 [II. 2.]; Dullinger , Schuldrecht Allgemeiner Teil³, Rz 3/90; Faber, Handbuch zum neuen Gewährleistungsrecht, 101 f). Bei Speziesschulden scheidet der Austausch aus, weil aufgrund der Parteienvereinbarung eine ganz bestimmte Sache geschuldet wird (vgl 7 Ob 270/08v; 6 Ob 134/08m = JBl 2008, 786; RIS Justiz RS0022044 [T22]; RS0022063 [T12]). Unter Berufung auf das Gebot einer richtlinienkonformen Interpretation wird in der Literatur zum Teil die Meinung vertreten, dass der Austausch immer dann in Betracht komme, wenn eine Ersatzlage im Sinne eines gleichartigen, wirtschaftlich gleichwertigen Zustands geschaffen werden könne, unabhängig davon, ob eine Gattungs oder Stückschuld vorliege ( Zöchling Jud in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.00 § 932 Rz 9; B . Jud , Schadenersatz bei mangelhafter Leistung, 152; dieselbe , Neuere Rechtsprechung zum Konsumentenschutz, ÖJZ, 2007, 11). Darauf muss aus Anlass des vorliegenden Falls aber nicht näher eingegangen werden:

3.2 Ob eine Stück oder eine Gattungsschuld vorliegt, hängt vom Willen der Parteien des Schuldverhältnisses ab. Legen die Vertragsparteien den Leistungsgegenstand nach generellen Merkmalen fest, liegt eine Genussschuld vor, bestimmen sie ihn nach individuellen Merkmalen, spricht man von einer Speziesschuld, bei der es den Parteien auf das konkrete Stück ankommt ( Reischauer in Rummel ABGB³ § 1412 Rz 4). Bildet eine vertretbare Sache den Gegenstand des Schuldverhältnisses, so ist im Allgemeinen eine Gattungsschuld anzunehmen, sofern nicht besondere Umstände auf einen abweichenden Parteiwillen schließen lassen ( Aicher in Rummel ABGB³ § 1053 Rz 32; RIS Justiz RS0019904). Vertretbar sind Sachen, die im Verkehr durch andere gleichartige ersetzt werden können. Kommt es hingegen auf die individuellen Eigenschaften des einzelnen Stücks an, liegt Unvertretbarkeit vor ( Kisslinger in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang 3 § 301 Rz 7; Koziol/Welser I 13 93). So ist Vertretbarkeit etwa bei beliebig ersetzbaren Einzelsachen, insbesondere allen neuen, serienmäßig erzeugten Gegenständen, gegeben ( Helmich in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.00 § 301 Rz 7). In der Entscheidung 6 Ob 308/97f wurde die Verbesserung nicht maßgerechter Fenster durch Neuherstellung und Einbau von solchen mit korrekten Maßen bejaht.

3.3 Nach den Verfahrensergebnissen fiel die Wahl des Klägers auf die von der Beklagten gelieferten Fenster, weil er sich dadurch einen niedrigeren Energieverbrauch erwartete. Auf einen bestimmten Hersteller kam es ihm dabei nicht an. Auch dem Vorbringen der Beklagten lassen sich keine Hinweise entnehmen, dass es gerade auf (vorweg individualisierte) Fenster eines bestimmten Herstellers, der Nebenintervenientin, angekommen wäre, oder dass Fenster mit den vertraglich vereinbarten (thermischen) Eigenschaften sonst am Markt nicht verfügbar wären. Damit ist aber davon auszugehen, dass die von der Beklagten gelieferten Fenster durch andere gleichartige ersetzt werden können und damit vertretbare Sachen sind. Die Ansicht des Berufungsgerichts, der ebenfalls die Vertretbarkeit des Vertragsgegenstands zugrunde liegt, orientiert sich damit an der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Es schadet auch nicht, dass das Berufungsgericht die Frage, ob eine Gattungs oder Stückschuld vorliegt, offen ließ, weil bei richtiger Betrachtung jedenfalls kein, der Vertretbarkeit entgegenstehender Parteiwille und damit nicht Stückschuld, sondern Gattungsschuld (siehe RIS Justiz RS0019904) vorliegt. Ob der Austausch immer dann in Betracht kommen sollte, wenn eine Ersatzlage im Sinne eines gleichartigen, wirtschaftlich gleichwertigen Zustands geschaffen werden könnte, muss für den vorliegenden Fall nicht mehr näher geprüft werden.

4.1 Wenn die Verbesserung oder der Austausch unmöglich oder für den Übergeber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden ist, kann der Übernehmer die Rechtsbehelfe der zweiten Stufe fordern (§ 932 Abs 2 und 4 ABGB). Ihrem Wortlaut nach bezieht sich die Regelung des § 932 Abs 4 ABGB primär auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Übernehmer statt der primären Abhilfen (Austausch/Verbesserung) auf die sekundären Gewährleistungsbehelfe der Preisminderung und Wandlung zurückgreifen kann. Dessen ungeachtet ist es weitgehend unstrittig, dass dieser Einwand grundsätzlich auch dem Übergeber zusteht ( Welser/Jud , Die neue Gewährleistung, § 932 Rz 17; P. Bydlinski aaO § 932 Rz 18 auch zur Behauptungs und Beweislast mwN; Faber aaO 118;8 Ob 108/06z = SZ 2006/184). Der von der Beklagten erstmals im Rechtsmittelverfahren erhobene Einwand der Unbehebbarkeit stellt eine unzulässige Neuerung dar. Auch ist es Sache des Übergebers, der vom Übernehmer getroffenen Wahl einen damit verbundenen unverhältnismäßig hohen Aufwand entgegenzuhalten ( Ofner aaO § 932 Rz 49). Eine solche Einrede hat die Beklagte ebenfalls nicht erhoben, sodass es dem Obersten Gerichtshof verwehrt ist, im Rekursverfahren auf die von der Beklagten angesprochene wirtschaftliche Betrachtungsweise einzugehen.

6. Damit ist der Rekurs zurückzuweisen, ohne dass dieser Beschluss noch einer weiteren Begründung bedarf (§§ 528a, 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO. Im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen einen Aufhebungsbeschluss iSd § 519 Abs 1 Z 2 ZPO findet ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt (RIS Justiz RS0123222). Der Kläger hat in seiner Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses der Beklagten nicht hingewiesen, sodass sein Schriftsatz nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienlich war. Er hat damit keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten dieses Zwischenstreits.