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OGH vom 10.09.2014, 7Ob133/14f

OGH vom 10.09.2014, 7Ob133/14f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** H*****, vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei Dr. C***** G*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des B***** M*****, und die Nebenintervenientin D***** AG, *****, vertreten durch Themmer, Toth Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 35.000 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 4 R 75/14g 17, womit der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom , GZ 14 Cg 87/13h 12, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs verworfen wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.792,89 EUR (darin enthalten 632,15 EUR an USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Am schloss der Kläger im Verfahren AZ 46 Cga 129/09k des Landesgerichts Innsbruck mit B***** M*****, dem späteren Gemeinschuldner, einen Vergleich, in dem sich B***** M***** zur Zahlung von 159.989 EUR samt Zinsen und eines Prozesskostenbeitrags in Höhe von 49.583,14 EUR verpflichtete.

Am wurde über das Vermögen des B***** M***** zu AZ 19 S 40/13z des Landesgerichts Innsbruck das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Masseverwalter bestellt. Im Konkursverfahren meldete der Kläger den Vergleichsbetrag samt Zinsen und Kosten in Höhe von insgesamt 252.663,93 EUR an. Dieser Betrag wurde als Konkursforderung anerkannt.

Der Gemeinschuldner verfügt über einen Rechtsschutzversicherungsvertrag bei der Neben-intervenientin. Mit Schreiben vom teilte der Beklagte mit, dass ein auf den Deckungsanspruch gerichteter Absonderungsanspruch des Klägers nicht anerkannt werde.

Der Kläger begehrt nunmehr, den Beklagten schuldig zu erkennen, die Exekution von 35.000 EUR sA zu Gunsten des Klägers in den Deckungsanspruch bei der Nebenintervenientin zu dulden, hilfsweise 35.000 EUR sA zu zahlen, dies bei sonstiger Exekution in den Rechtsschutzversicherungsdeckungsanspruch bei der Nebenintervenientin. § 157 VersVG sei auf Rechtsschutzversicherungen analog anzuwenden, weshalb der Kläger eine abgesonderte Befriedigung aus der Rechtsschutzversicherung begehren könne.

Der Beklagte erhob die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs, beantragte Klagsabweisung und wandte zusammengefasst ein, dass § 157 VersVG auf Rechtsschutzversicherungen nicht analog anwendbar sei. Weiters sei nach Abschluss des bedingten Vergleichs den damaligen Rechtsvertretern des Versicherungsnehmers mitgeteilt worden, dass der Vergleichsvariante 1 nicht zugestimmt werde und bei der Vergleichsvariante 2 bedingungsgemäß keine Kosten gegenseitig getragen würden. Der Vergleich sei vom Versicherungsnehmer nicht widerrufen worden, sodass von der Nebenintervenientin keine Kosten der Gegenseite zur Anweisung gebracht worden seien.

Die auf Seite der Beklagten beigetretene Nebenintervenientin brachte darüber hinaus vor, dass der Prozessstandpunkt des Klägers geradezu sittenwidrig sei, da dieser durch die Führung des Prozesses in die Lage versetzt würde, interne Erwägungen des Versicherungsnehmers zu erfahren. Infolge gerechtfertigter Leistungsverweigerung der Nebenintervenientin gegenüber dem Versicherungsnehmer bestehe ohnehin keine „Ersatzforderung im Sinn des § 157 VersVG“. Diese Bestimmung beziehe sich ausschließlich auf Haftpflichtversicherungen, die einem gänzlich anderen Schutzzweck dienten.

Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch stelle kein Absonderungsrecht nach § 6 Abs 2 IO dar; daher greife die Prozesssperre nach § 6 Abs 1 IO. Der der Stammfassung des VersVG 1958, BGBl 1959/2, entstammende § 157 VersVG könne nicht analog auf Rechtsschutzversicherungen, die erst durch das BGBl 1993/90 Eingang in das VersVG gefunden hätten, angewendet werden. Auf Grund zahlreicher Novellierungen des VersVG könne von keiner „planwidrigen“ Gesetzeslücke ausgegangen werden.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Die Schutzwürdigkeit des geschädigten Dritten bei der Haftpflichtversicherung und des Prozessgegners in der Rechtsschutzversicherung würden sich maßgeblich unterscheiden. § 157 VersVG verfolge den Zweck, den geschädigten Dritten im Konkurs des Versicherungsnehmers zu schützen. Diese Norm stelle sich als Ergänzung insbesondere des relevanten Veräußerungsverbots gemäß § 156 Abs 1 VersVG dar. Beide Vorschriften zusammen verfolgten den „sozialen Gedanken der Haftpflichtversicherung“. Danach unterliege die Forderung aus dem Versicherungsverhältnis nicht der freien Disposition des Versicherungsnehmers, sondern es sei sicherzustellen, dass die Entschädigung unter allen Umständen dem Dritten zugute komme. Eine derart hohe Schutzwürdigkeit des Prozessgegners eines Versicherungsnehmers einer Rechtsschutzversicherung sei nicht erkennbar. Auch wenn die Rechtsschutzversicherung grundsätzlich (auch) die Kosten der obsiegenden Gegenseite trage, sei diese Leistungspflicht mit der Versicherungssumme begrenzt. Wenn Rechtsverfolgungskosten ohne Belastung des Versicherungsnehmers getilgt würden, erlösche im selben Umfang auch die Verpflichtung des Versicherers. Die Kosten des obsiegenden Prozessgegners würden daher dann nicht mehr abgedeckt, wenn die Versicherungssumme bereits für andere Rechtsverfolgungskosten aufgebraucht worden sei. Dies gelte selbst dann, wenn der Prozessgegner über einen Kostentitel verfügen sollte. Bei der Rechtsschutzversicherung sei die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers und nicht die Absicherung des Prozessgegners, schon gar nicht dessen Schutz im Insolvenzfall intendiert. Vor diesem Hintergrund sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Regelung des § 157 VersVG bewusst nicht in das Kapitel der Rechtsschutzversicherung aufgenommen habe, sodass diese Bestimmung auch nicht analog angewendet werden könne.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage, ob ein mit einem titulierten Kostenanspruch ausgestatteter Prozessgegner im Fall der Insolvenz des Rechtsschutzversicherten einen Absonderungsanspruch analog zu § 157 VersVG geltend machen könne, höchstgerichtliche Judikatur fehle.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Revisionsrekurs des Klägers mit einem Abänderungsantrag, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte und die Nebenintervenientin begehren, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist auch berechtigt.

1. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist die Frage, ob das Absonderungsrecht nach § 157 VersVG analog auch in der Rechtsschutzversicherung besteht.

2.1 Die §§ 149 bis 158i VersVG beinhalten allgemeine Vorschriften im Rahmen des mit „Haftpflichtversicherung“ übertitelten 6. Kapitels des 2. Abschnitts dieses Gesetzes. Eine Haftpflichtversicherung soll grundsätzlich im Rahmen des Versicherungsvertrags jenes Risiko abdecken, dass der Versicherungsnehmer von einem Dritten (zu Recht oder zu Unrecht) auf Schadenersatz in Anspruch genommen wird ( Schauer , Das österreichische Versicherungsvertragsrecht³, 392; Voit/Knappmann in Prölss/Martin Versicherungsvertragsgesetz 27 Vor §§ 149 158h Rz 1; 7 Ob 144/99y). Durch derartige Schadenersatzforderungen eines Geschädigten wird das Vermögen des Haftpflichtigen belastet; der mit dem Versicherer abgeschlossene Versicherungsvertrag gibt dem Versicherungsnehmer den Anspruch, ihn von dieser Schuld zu befreien.

2.2 Nach § 157 VersVG kann, wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers der Konkurs eröffnet ist, der Dritte wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs abgesonderte Befriedigung aus der Entschädigungsforderung des Versicherungsnehmers verlangen. Ein solches Absonderungsrecht kann der Geschädigte nach Konkurseröffnung gegen den Insolvenzverwalter geltend machen. Die Klage ist grundsätzlich auf Zahlung bei sonstiger Exekution in den Deckungsanspruch zu richten (RIS Justiz RS0064068). Der Deckungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer stellt ein Sondervermögen dar, das nicht in die Konkursmasse fällt, sondern zur Befriedigung des geschädigten Dritten dient (RIS Justiz RS0064041; Schauer aaO, 410; vgl Koch in Bruck/Möller Versicherungsvertragsgesetz 9 IV§ 110 Rz 2 f). Hintergrund dafür ist, dass den übrigen Konkursgläubigern ansonsten ein ihnen nicht zustehender Vorteil entstünde, würde die Entschädigung einfach in die Konkursmasse fallen ( Baumann in Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz § 157 Rz 2).

3. Die Rechtsschutzversicherung wird im 7. Kapitel des 2. Abschnitts des VersVG geregelt. Bei der Rechtsschutzversicherung sorgt der Versicherer gemäß der Legaldefinition in § 158j Abs 1 VersVG für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers in den im Vertrag umschriebenen Bereichen und trägt die dem Versicherungsnehmer dabei entstehenden Kosten. Die Rechtsschutzversicherung ist eine passive Schadensversicherung (RIS Justiz RS0127808). Sie schützt den Versicherungsnehmer gegen das Entstehen von Verbindlichkeiten (7 Ob 212/11v, 7 Ob 215/11k; 3 Ob 136/13s). Sie bietet Versicherungsschutz gegen die Belastung des Vermögens des Versicherungsnehmers mit Rechtskosten und ist eine echte Schadensversicherung im Sinn der §§ 49 bis 80 VersVG (3 Ob 305/02h, 5 Ob 269/06v, 7 Ob 212/11v je mwN).

4. In der deutschen Lehre und Judikatur wird vorherrschend die Meinung vertreten, dass die Sonderregelung des § 157 dVVG (= § 110 dVVG nF) nicht auf die Rechtsschutzversicherung übertragbar sei. Der Schuldbefreiungsanspruch zum vollen Schuldbetrag gehöre zur Konkursmasse; der Gläubiger des Anspruchs, von dem der Gemeinschuldner zu befreien gewesen sei, habe nur Anspruch auf die Konkursquote, während der Rechtsschutzversicherer den vollen Betrag an die Konkursmasse zu zahlen habe. Dieser Ansatz sei zwar rechtspolitisch problematisch, weil die Leistung des Versicherers zweckentfremdet werde, wenn sie zum Zugriffsobjekt sämtlicher Gläubiger des Gemeinschuldners werde, sie also gerade nicht für den Gläubiger, von dessen Forderung der in Konkurs gefallene Versicherungsnehmer freigestellt werden sollte, verwendet werde, doch verbiete der eigenständige Charakter der Rechtsschutzversicherung eine analoge Anwendung des § 157 dVVG (§ 110 dVVG) zu Gunsten der privilegierten Gläubiger des Versicherungsnehmers ( Kurzka, Der Zugriff auf den Rechtsschutzversicherungsanspruch, VersR 1980, 12; Armbrüster in Prölls/Martin Versicherungsvertragsgesetz 28 ARB 2008 II § 17 Rz 57; Buschbell/Hering , Handbuch Rechtsschutzversicherung 5 § 6 Rz 94; van Bühren , Handbuch Versicherungsrecht 5 § 13 Rz 96; Harbauer , Rechtsschutzversicherung 8 § 17 ARB 2000 RZ 154; Obarowski in Münchener Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz [2011] ARB Rz 332).

Dagegen argumentieren Geroldinger/Laimböck (Zur Aufrechnung und Absonderung in der Rechtsschutzversicherung, RdW 2009/513 ff), dass zwar neben zahlreichen Ähnlichkeiten auch wesentliche Unterschiede zwischen Rechtsschutz und Haftpflichtversicherung bestünden. Gehe es aber um den Kostenersatzanspruch des Gegners, würden die Unterschiede in den Hintergrund treten. Dieser Anspruch diene vor allem auch dazu, den Obsiegenden so zu stellen, als hätte es zur Absicherung seines Rechtsstandpunkts des gerichtlichen Verfahrens gar nicht erst bedurft. Im Kern gehe es darum, dass der Verfahrensaufwand ein Schaden ersetzt werde. Zudem sei der Befreiungsanspruch in seinem Bestand und auch in seiner Höhe von der Ersatzpflicht an den Kostengläubiger abhängig; nur in dem Ausmaß, in dem der Versicherte belangt werde, bestehe der Anspruch gegen den Versicherer überhaupt. Bei Zusammenschau dieser Argumente erscheine die Rechtsschutzversicherung hinsichtlich des Kosten-ersatzanspruchs der Haftpflichtversicherung stark angenähert. Der soziale Schutzgedanke hinter § 157 VersVG, sicherzustellen, dass die Leistung des Versicherers zur Schadenbegleichung eingesetzt werde und nicht anderen Konkursgläubigern ein ihnen nicht zustehender Vorteil zufalle, sei auf den durch das Verfahren geschädigten Gegner umzulegen. Dabei sei dem Verfahrensgegner bei Insolvenz des Versicherten in analoger Anwendung des § 157 VersVG ein Absonderungsrecht zuzugestehen.

In 2 Ob 200/78 entschied der Oberste Gerichtshof, dass die vergleichbare Interessenlage des geschädigten Dritten im Konkursfall des Schädigers und im Fall des mangelnden Zureichens seiner Verlassenschaft (bei beschränkter Erbenhaftung) es rechtfertige, kraft Analogie den Anspruch des geschädigten Dritten auf abgesonderte Befriedigung aus der Entschädigungsforderung anzuerkennen. In 7 Ob 144/99y sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass § 157 VersVG nicht nur im Konkursfall gelte, sondern kraft Analogie auch im Ausgleichsfall, dies weil die Interessenlage des geschädigten Dritten im Konkursfall des Schädigers und im Fall eines Ausgleichs desselben durchaus vergleichbar sei. Beiden Entscheidungen lagen aber Haftpflicht-versicherungsfälle zugrunde. Aus diesen Entscheidungen ist daher für eine analoge Anwendung des § 157 VersVG auf andere Sparten der Schadensversicherung nichts gewonnen.

5. Nach der Rechtsprechung setzt ein Analogieschluss das Vorhandensein einer Gesetzeslücke, das heißt, einer „planwidrigen“, nicht gewollten Unvollständigkeit voraus. Eine solche Lücke ist dort anzunehmen, wo das Gesetz gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie unvollständig und ergänzungsbedürftig ist, ohne dass eine Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Eine echte Lücke liegt vor, wenn man von einem bestimmten Standpunkt aus die konkrete Regelung eines Sachverhalts erwartet, eine solche aber fehlt. Die bloße Meinung des Rechtsanwenders, eine Regelung sei wünschenswert, rechtfertigt die Annahme einer Gesetzeslücke noch nicht. Genauso bedeutet es noch keine durch Analogie zu schließende Gesetzeslücke, wenn der Gesetzgeber eine Regelung nicht vorgenommen hat, die ein Autor als wünschenswert empfindet. Den Gerichten kommt nämlich nicht die Aufgabe zu, im Wege einer allzu weitherzigen Interpretation rechtspolitische Aspekte zu berücksichtigen, die den Gesetzgeber bisher (bewusst oder unbewusst) nicht veranlasst haben, eine Gesetzesänderung vorzunehmen. Analogie ist daher ausgeschlossen, wenn ersichtlich ist, dass der Gesetzgeber die Rechtsfolge nur eintreten lassen will, wenn gerade die Voraussetzungen des geregelten Tatbestands erfüllt sind, also die Nichtregelung dem Plan des Gesetzes entspricht (7 Ob 212/11v mwN).

6. Die Bestimmung des § 157 VersVG entspricht immer noch der Stammform des VersVG 1958, BGBl 1959/2, lediglich mit der Ausnahme, dass der Begriff „Insolvenzverfahren“ jenen des Konkursverfahrens ersetzte.

Die Rechtsschutzversicherung wurde zunächst durch BGBl 1993/90 (in Umsetzung der Rechtsschutzversicherungs Richtlinie 97/344/EWG) geregelt und in der Folge durch BGBl 1994/509 und BGBl I 34/2012 novelliert, ohne dass eine § 157 VersVG entsprechende Regelung für die Rechtsschutzversicherung eingeführt wurde.

Der Senat schließt sich der deutschen Lehre an, wonach eine analoge Anwendung des in der Haftpflichtversicherung geltenden § 157 VersVG in der Rechtsschutzversicherung aufgrund deren eigenständigen Charakters nicht in Betracht kommt. Dies zeigt schon die Gegenüberstellung der Ziele der Haftpflichtversicherung und der Rechtsschutzversicherung.

Nach allgemeinem Schadenersatzrecht kann jedermann für einen Schaden, den er durch sein Verhalten einem anderen zugefügt hat, ersatzpflichtig werden. Durch die Haftpflichtversicherung möchte sich der Versicherungsnehmer davor schützen, zur Erfüllung von Schadenersatzansprüchen Dritter eigenes Vermögen aufwenden zu müssen. Darüber hinaus kommt dem Geschädigten in der Haftpflichtversicherung ausdrücklich besonderer Schutz zu, obwohl er selbst am Vertrag nicht beteiligt ist. Zwar hat er - mit Ausnahmen, etwa in der Kfz Haftpflichtversicherung - gegen den Versicherer keinen direkten Anspruch, sondern ist auf den Schadenersatzanspruch gegen den Versicherungsnehmer beschränkt. Verfügungen des Versicherungsnehmers über den Befreiungsanspruch sind aber zugunsten des Geschädigten unwirksam (§ 156 Abs 1 VersVG). Daher haftet dieser Anspruch dem Geschädigten bevorzugt. Auch der exekutive Zugriff durch andere Gläubiger des Versicherungsnehmers auf die Forderung ist gegenüber dem Geschädigten wirkungslos (§ 156 Abs 1 Satz 2 VersVG). Zuletzt dient der Anspruch selbst im Konkurs des Versicherungsnehmers primär zu seiner Befriedigung (§ 157 VersVG).

Die Rechtsschutzversicherung hingegen sorgt für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers. Ihr Zweck besteht allein darin, dem Versicherungsnehmer die Bezahlung von Rechtskosten abzunehmen und dadurch einen erleichterten „Zugang zum Recht“ zu ermöglichen (S chauer , Das österreichische Versicherungsvertragsrecht 3 , 442). Die Rechtsschutz-versicherung soll nicht nur streitfördernd, sondern womöglich streitschlichtend wirken (4 Ob 57/11b). Anders als die Haftpflichtversicherung dient sie keinem besonderen Schutz des Prozessgegners.

Einen diesbezüglichen rechtspolitischen Wunsch hat der Gesetzgeber trotz der vielfach sich bietenden Möglichkeiten bisher aber nicht aufgegriffen.

Mangels planwidriger Gesetzeslücke kommt eine analoge Anwendung des in § 157 VersVG für die Haftpflichtversicherung geregelten Absonderungsrechts auf die Rechtsschutzversicherung nicht in Betracht.

7. Dennoch ist dem Revisionsrekurs Folge zu geben.

Nach § 6 Abs 2 IO können Rechtsstreitigkeiten über Absonderungsansprüche auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, jedoch nur gegen den Insolvenzverwalter anhängig gemacht und fortgesetzt werden.

Im vorliegenden Fall machte der Kläger mit dem für die Zulässigkeit des Rechtswegs allein maßgeblichen Inhalt der Klage einen Absonderungsanspruch geltend. Der materiell rechtliche Einwand, dass der Kläger über einen derartigen Anspruch nicht verfüge, führt zur Abweisung der Klage. Im fortgesetzten Verfahren wird daher das Erstgericht mit Urteil über den Klageanspruch zu entscheiden haben.

8. Da die im erstgerichtlichen Verfahren erstatteten Schriftsätze und die Streitverhandlungstagsatzung nicht nur der Prozesseinrede, sondern auch der Hauptsache gedient haben, sind dafür keine klar abgrenzbaren Kosten aufgelaufen, die dem Kläger bereits jetzt als Kosten eines Zwischenstreits zuerkannt werden könnten ( Obermaier , Kostenhandbuch², Rz 294 mwN).

Anderes gilt für die Rekurs und Revisionsrekurskosten, die dem obsiegenden Kläger gemäß §§ 41, 50 Abs 1 ZPO bereits jetzt zuzusprechen sind ( Obermaier aaO, Rz 296 mwN).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0070OB00133.14F.0910.000