OGH vom 02.07.2008, 7Ob133/08x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Lieselotte S*****, vertreten durch Dr. Franz Müller-Strobl und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Thomas S*****, vertreten durch Mag. Karl Komann, Rechtsanwalt in Villach, wegen 6.802,87 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 60/08b-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Wolfsberg vom , GZ 1 C 47/07w-11, in der Hauptsache bestätigt wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Antrag der klagenden Partei auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 508a Abs 1 ZPO ist der Oberste Gerichtshof an den Ausspruch des Berufungsgerichts über die Zulassung der Revision nicht gebunden. Entgegen diesem Ausspruch ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung eines solchen Rechtsmittels auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.
Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Den auf Antrag des Beklagten gemäß § 508 Abs 1 ZPO nachträglich abgeänderten Zulässigkeitsausspruch (§ 508 Abs 3 ZPO) begründete es damit, dass es Vorbringen der Klägerin im vorbereitenden Schriftsatz vom (ON 6) berücksichtigt habe, obwohl dieser Schriftsatz in der mündlichen Verhandlung nicht vorgetragen worden sei. Dass er dennoch im Zuge der Verhandlung und des Beweisverfahrens zum Gegenstand des Verfahrens geworden sei, stütze sich zwar auf die von Schragel (in Fasching/Konecny² II/2 § 177 ZPO Rz 3) vertretene Rechtsansicht. Da Parteien aber grundsätzlich in der mündlichen Verhandlung auf Schriftsätze Bezug nehmen müssten, damit sie prozessual wirksam werden (vgl Fucik in Rechberger³ § 176 ZPO Rz 1), sei die Revision doch zuzulassen. Richtig ist, dass im Hinblick auf den im § 176 ZPO verankerten Verfahrensgrundsatz der Mündlichkeit der Verhandlung vor dem erkennenden Gericht - von hier nicht anzuwendenden Sondernormen abgesehen - in Schriftsätzen enthaltenes Vorbringen nur dann berücksichtigt werden kann, wenn es in der Verhandlung mündlich vorgetragen wurde (stRsp; 9 Ob 96/03p; RIS-Justiz RS0034965; RS0036700). Die vom Berufungsgericht davon abweichend beantwortete Frage stellt sich hier aber gar nicht, weil die Klägerin auch ohne Berücksichtigung des genannten Schriftsatzes im Verfahren erster Instanz ausreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass sie von ihrem geschiedenen Ehemann den Ersatz von Detektivkosten begehrt. Dies hat der Beklagte in seinem Einspruch gegen den aufgrund der Mahnklage erlassenen Zahlungsbefehl offenbar auch so verstanden und die Höhe des „geltend gemachten Anspruchs" deshalb bestritten, weil nicht einzusehen sei, weshalb sich die Klägerin dreier Detektive bedient habe; da dieses Übermaß an Überwachung die „Schadensminderungspflicht" verletzt habe, stünden der Klägerin die damit verbundenen Kosten (jedenfalls) nicht in voller Höhe zu. Dass in der „Anspruchsbeschreibung" der Mahnklage - offenbar irrtümlich - der Code „02" (also „Werklohn/Honorar") und die „Rechnung vom " als Klagegrund angeführt wurde, kann daran nichts ändern, weil die Klage nach § 226 ZPO nur ein bestimmtes Begehren und die Tatsachen, auf welche sich der Anspruch des Klägers gründet, zu enthalten hat, während eine rechtliche Qualifikation gar nicht erforderlich ist und selbst ein „Schwanken" in der rechtlichen Qualifikation grundsätzlich nicht schaden würde (RIS-Justiz RS0031005; vgl auch: 6 Ob 29/06t).
Wenn der Beklagte dem gegenüber geltend macht, die Frage der Bindung des Gerichts an die ausdrückliche rechtliche Qualifikation sei von den Vorinstanzen unrichtig beurteilt worden, ist ihm daher zu erwidern, dass - nach der herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandstheorie - der prozessuale Begriff des Streitgegenstands durch den Entscheidungsantrag (Sachantrag) und die zu seiner Begründung erforderlichen, vorgebrachten Tatsachen (rechtserzeugender Sachverhalt) bestimmt wird (RIS-Justiz RS0037419; RS0037522; RS0039255). „Klagegrund" ist daher das tatsächliche Vorbringen, aus dem der Kläger sein Klagebegehren ableitet (RIS-Justiz RS0037551 [T7] = 5 Ob 162/05t). Dieses Tatsachenvorbringen ist vom Gericht nach allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen (Fasching in Fasching/Konecny² III § 226 ZPO Rz 91 mwN).
Nur dann, wenn das Klagebegehren - wie schon das Berufungsgericht zutreffend erkennt - ausdrücklich und ausschließlich auf einen bestimmten Rechtsgrund beschränkt ist, ist es dem Gericht nach der herrschenden Rechtsprechung verwehrt, dem Begehren aus anderen Gründen stattzugeben (RIS-Justiz RS0037610; 7 Ob 275/06a; 10 Ob 11/08b). Davon kann hier jedoch keine Rede sein; geht doch gerade daraus, dass sich die Klägerin - wie der Zulassungsantrag selbst festhält - in ihrem Klagsvorbringen auf die (von ihr bezahlte) Honorarnote des Detektivs bezog (und deren Bezahlung durch ihren geschiedenen Ehemann begehrte), eindeutig hervor, dass sie eben nicht einen Anspruch nach Code 02 (Werklohn/Honorar), sondern einen Ersatzanspruch geltend machte.
Geht - wie hier - aus dem Klagsvorbringen hervor, dass der Sachverhalt offenbar rechtlich unrichtig qualifiziert wurde, so ist dies daher bedeutungslos (RIS-Justiz RS0037610 [T5]); es kann dann nämlich (gerade) nicht gesagt werden, dass das Klagebegehren von der Klägerin „ausschließlich" auf den von ihr angegebenen Rechtsgrund gestützt werden sollte (RIS-Justiz RS0058348; 7 Ob 275/06a). Die Argumentation der Revision, wonach die Klägerin „hier offenbar die Rechtsgrundlage gegenüber dem Detektiv mit der gegenüber dem Beklagten verwechselt" habe, ist nicht nachvollziehbar; weshalb eine Honorarnote des Detektivs (auch?) eine „Rechtsgrundlage gegenüber dem Detektiv" sein sollte, ist nämlich nicht zu erkennen. Auf den Umstand, dass der Beklagte der Klägerin „jedenfalls weder einen Werklohn noch ein Honorar schuldet", kann sich das Rechtsmittel insoweit jedenfalls nicht mit Erfolg berufen; ging es doch in der Klage und dem darüber abgeführten Verfahren - wie der Beklagte in seinem Einspruch ohnehin erkannt hat - eindeutig um den Ersatz der von der Klägerin (laut Klagsvorbringen) bereits „bezahlten"
Detektivkosten:
Insoweit enthielt nämlich - wie bereits das Berufungsgericht aufzeigt - schon die Klage das „weitere Vorbringen", die Ergebnisse der Observierung hätten den Beklagten „letzten Endes" dazu bewogen, das überwiegende Verschulden an der Scheidung zu übernehmen. Dazu hat im Übrigen die Revision selbst einen Satz aus der Klageschrift zitiert, wonach „der Umstand, dass der Beklagte sich am mit Sofie M***** getroffen und mit dieser Zärtlichkeiten in Form von Umarmungen und Küssen austauschte, durch die Observation des Berufsdetektivs nachgewiesen werden konnte".
Der Zulassungsbeschwerde ist daher zu erwidern, dass die Beurteilung eines Vorbringens, auf welchen Rechtstitel Klageansprüche gestützt werden, für sich allein als Frage des Einzelfalls keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung bildet (RIS-Justiz RS0042828; RS0113563; 2 Ob 51/08a), wobei Gegenteiliges im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit nur dann gilt, wenn die Auslegung des Parteienvorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar wäre oder gegen die Denkgesetze verstieße (2 Ob 207/07s). Dass letzteres hier im Sinn der bisherigen Ausführungen verneint werden muss, weshalb die bekämpfte Beurteilung nicht zu beanstanden ist, bedarf keiner weiteren Begründung.
Da somit nicht davon auszugehen ist, dass die Klägerin das Klagebegehren ausdrücklich und ausschließlich auf den Rechtsgrund „Werklohn/Honorar" beschränkt hat, war es den Vorinstanzen nicht verwehrt, dem Begehren aus anderen Gründen stattzugeben. Damit ist aber auch den weiteren Ausführungen zu den Revisionsgründen der Nichtigkeit, der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung - die sich jeweils darauf berufen, dass die „Umqualifizierung" zu einem Schadenersatzanspruch und die Verwertung des eingangs erwähnten Schriftsatzes unzulässig gewesen sei, weil darin „anspruchsbegründendes Vorbringen enthalten sein könnte" - die Grundlage entzogen.
Darauf, ob die zu diesen Rechtsmittelgründen erstatteten Ausführungen überhaupt dem Gesetz entsprechen (vgl dazu: Pimmer in Fasching/Konecny² IV/1 § 477 ZPO Rz 76 ff [zu den Voraussetzungen einer Nichtigkeit infolge mangelnder Überprüfbarkeit des Berufungsurteils]; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 503 ZPO Rz 95; Kodek in Rechberger³ § 503 ZPO Rz 9 sowie 7 Ob 258/07b [zur ständigen Rechtsprechung, wonach der - bereits in der Berufung geltend gemachte - Verstoß gegen § 405 ZPO lediglich einen Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens darstellt, der nur in der nächsthöheren Instanz, bei Verneinung durch das Berufungsgericht jedoch nicht mehr durch den Obersten Gerichtshof überprüft werden kann]; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 503 ZPO Rz 159 [zur erforderlichen Relevanz einer Aktenwidrigkeit]), ist daher nicht mehr einzugehen. Was die zuletzt erstatteten Ausführungen zur Rechtsrüge betrifft, ist dem Beklagten aber noch Folgendes zu erwidern:
Nach ständiger Rechtsprechung findet das Recht, sich durch Überwachungsmaßnahmen Gewissheit über ein vermutetes ehewidriges Verhalten des Ehepartners zu verschaffen - auch unter dem Gesichtspunkt der Schadenminderungspflicht - (erst) dort seine Grenze, wo die Überwachung offenkundig überflüssig, von vornherein aussichtslos und erkennbar unzweckmäßig ist oder aber rechtsmissbräuchlich erfolgt (10 Ob 55/07x mwN; RIS-Justiz RS0022959). Dass eine dieser Voraussetzungen hier erfüllt wäre, ist nicht zu erkennen. Die Auslegung von Willenserklärungen und Auslegungsfragen über die Erklärungsabsicht im Einzelfall (hier: zum Umfang der im Scheidungsvergleich vereinbarten Kostentragung) ist hingegen - von groben Auslegungsfehlern und sonstigen krassen Fehlbeurteilungen abgesehen (RIS-Justiz RS0116755) - vom Obersten Gerichtshof nicht zu überprüfen (RIS-Justiz RS0044088, RS0042555, RS0044298, RS0044358; 10 Ob 24/08i). Schon das Berufungsgericht hat somit zutreffend ausgeführt, dass (auch) kein anderer Grund zur nachträglichen Zulassung der Revision bestand.
Mangels erheblicher Rechtsfragen ist die Revision daher zurückzuweisen.
Da die Revisionsbeantwortung der Klägerin auf die Unzulässigkeit der Revision des Beklagten nicht hinweist, diente sie nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und ist daher nicht zu honorieren.