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OGH vom 19.07.1988, 1Ob633/88

OGH vom 19.07.1988, 1Ob633/88

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Albert F***, Rechtsanwalt, Kitzbühel, Josef Pirchl-Straße 12, wider die beklagte Partei Maria M***, Hausfrau, Jochberg Nr. 463, vertreten durch Dr. Heinrich Schmiedt, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen S 64.597,20 s.A. infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom , GZ 3 R 56/88-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom , GZ 8 Cg 471/86-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Gegen Josef Georg S***, den Sohn der Beklagten, wurde im März 1986 vor dem Landesgericht Innsbruck als Schöffengericht Strafanklage erhoben. Der Kläger übernahm die Verteidigung des Beklagten unter der Bedingung, daß ihm vor jeder Hauptverhandlung ein Betrag von S 20.000,-- als Kostenvorschuß entrichtet werde. In der Folge wurde über das Vermögen des Josef Georg S*** der Konkurs eröffnet. Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom an die Beklagte und brachte ihr zur Kenntnis, daß ihr Sohn wegen der Eröffnung des Konkurses keine weiteren Zahlungen mehr leisten könne; er, Kläger, werde die Verteidigung nur bei Leistung entsprechender Akontozahlungen weiterführen. Der Kläger ersuchte die Beklagte, zusammen mit ihrem Sohn zu einer Besprechung in seiner Kanzlei zu erscheinen.

Der Kläger begehrt den Betrag von S 64.597,20 s.A. und brachte vor, die Beklagte habe die Verpflichtung zur Bezahlung des Kostenbetrages übernommen.

Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe sich nicht verpflichtet, die Kosten der Strafverteidigung ihres Sohnes zu bezahlen. Ihr Sohn habe mit dem Kläger ein Pauschalhonorar von S 20.000,-- pro Hauptverhandlung vereinbart.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte unter Abweisung eines Teilbegehrens an Zinsen schuldig, dem Kläger den Betrag von S 64.597,20 s.A. zu bezahlen. Es stellte fest, die Beklagte habe bei der Besprechung in der Kanzlei des Klägers erklärt, daß sie die Haftung für die Kosten der Verteidigung ihres Sohnes übernehme. Der Kläger habe für die von ihm erbrachten Leistungen unter Anwendung des Rechtsanwaltstarifes und nach Abzug von Akontozahlungen den Betrag von S 64.597,20 in Rechnung gestellt; ein Pauschalhonorar sei nicht vereinbart worden.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die Beklagte habe sich durch ihre mündliche Erklärung, für die Kosten der Verteidigung ihres Sohnes die Haftung zu übernehmen, dem Kläger vertraglich als Schuldnerin verbunden. Es sei unerheblich, ob sie mit ihrer Erklärung eine Alleinschuld oder lediglich eine Mitschuld begründet habe.

Das Berufungsgericht gab der gegen den dem Klagebegehren stattgebenden Teil der Entscheidung des Erstrichters erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge. Es erklärte die Revision für nicht zulässig. Das Berufungsgericht übernahm die Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, die Verpflichtungserklärung der Beklagten sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, als Josef Georg S*** wegen des über sein Vermögen eröffneten Konkurses keine Verpflichtungsgeschäfte eingehen und keine Zahlungen leisten konnte. Die Erklärung der Beklagten könne unter diesen Umständen nur als eine vertragliche Übernahme der Zahlungspflicht, also als Schuldübernahme im Sinne des § 1405 ABGB, oder zumindest als Schuldbeitritt nach § 1406 ABGB gewertet werden, nicht aber als formbedürftige Bürgschaft. Das vom Kläger begehrte Honorar sei angemessen, so daß das Klagebegehren gerechtfertigt sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen außerordentlichen Revision der Beklagten kommt Berechtigung nicht zu. Die Revisionswerberin führt aus, sie habe an der Übernahme der Verpflichtung zur Bezahlung der Kosten der Strafverteidigung ihres Sohnes kein eigenes wirtschaftliches Interesse gehabt, so daß ihre Erklärung nicht als Schuldbeitritt oder Schuldübernahme, sondern nur als Bürgschaft zu beurteilen und mangels Einhaltung der Schriftform unwirksam sei. Das Erfordernis der Schriftlichkeit sei auch für Schuldbeitrittserklärungen zu fordern, sofern diese der Gutstehung dienen.

Die Befestigung eines Rechtes durch Verpflichtung eines Dritten gegenüber dem Gläubiger kann nach der Systematik des ABGB entweder durch den Beitritt als Mitschuldner oder durch Bürgschaft erfolgen (§ 1344 ABGB). Der Unterschied zwischen Bürgschaft und der Verpflichtung als Mitschuldner liegt zunächst in der mangelnden Subsidiarität der letzteren. Auch die Verpflichtung des Beitretenden ist aber insoweit akzessorisch, als sie nur entsteht, wenn die Schuld, der er beitritt, besteht; in ihrem Fortbestand ist sie aber als Solidarschuld eine selbständige Schuld, die ein selbständiges rechtliches Schicksal haben kann (JBl 1983, 537; SZ 49/53; Koziol, JBl 1964, 306; Schwimann-Mader, ABGB, Rz 2 zu § 1347). Im Einzelfall kann die Abgrenzung, ob Bürgschaft oder Schuldbeitritt vorliegt, schwierig sein. Sie ist dann unter Heranziehung der Auslegungsregeln der §§ 914, 915 ABGB unter Bedachtnahme auf Sinn und Zweck des Geschäftes sowie die Übung des redlichen Verkehrs vorzunehmen (WBl. 1987, 121). Unter Bedachtnahme auf diese Kriterien ist zu prüfen, ob die Parteien nur die Haftung oder aber die Verpflichtung selbst verstärken wollten (Ehrenzweig-Mayrhofer, System3 II/1, 115). In aller Regel kann die Abgrenzung wie folgt vorgenommen werden: Hat der Gutsteher kein eigenes wirtschaftliches Interesse am Grundgeschäft zwischen dem Gläubiger und dem bisherigen Schuldner, kann angenommen werden, daß wohl nur eine Sicherung der Verbindlichkeit, also eine Bürgschaft, beabsichtigt ist; hat der Gutsteher hingegen ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Grundverhältnis zwischen Gläubiger und dem bisherigen Schuldner und ist dies dem Gläubiger bekannt, kann angenommen werden, daß die Parteien einen Schuldbeitritt vereinbaren wollten (WBl. 1987, 121;

SZ 49/53; EvBl 1960/116; Gamerith in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1347;

Ertl in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 1405; Schwimann-Mader a.a.O. Rz 3 zu § 1347 ABGB; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts14 I 612; Mühl in Soergel-Siebert, BGB11 vor § 765 Rz 51; Brändl in Staudinger 10/11, Vorbem. zu § 765 BGB Rz 53). Der Begriff des eigenen wirtschaftlichen Interesses ist aber, wie Mühl a.a.O. vor § 765 Rz 52 aufzeigt, nur von beschränktem Wert und nicht stets als Abgrenzungskriterium geeignet. Es kann nur dazu beitragen, den hypothetischen Parteiwillen zu erforschen und die Tendenz des Rechtsgeschäftes festzustellen. Das eigene wirtschaftliche Interesse des Beitretenden ist nur einer von mehreren für die Auslegung maßgeblichen Faktoren, neben dem insbesondere die Interessenlage der Beteiligten zu berücksichtigen ist (Mormann in BGB-RGRK12 vor § 765 Rz 4; Larenz a.a.O. 612). Die Übernahme einer Verpflichtung, um Verwandten zu helfen, beinhaltet regelmäßig, wie die Revisionswerberin zutreffend aufzeigt, kein eigenes wirtschaftliches Interesse; dies schließt aber die Annahme der Begründung einer Mitschuldnerschaft nicht aus. Im vorliegenden Fall war klar, daß Josef Georg S*** die durch die Vertretungstätigkeit des Klägers entstehenden Kosten wegen des verhängten Konkurses jedenfalls in absehbarer Zukunft nicht zahlen konnte. Die Erklärung der Beklagten, die Haftung für die Vertretungskosten zu übernehmen, kann dann aber nicht als Bürgschaft, sondern nur als Begründung einer selbständigen und nach den Umständen des Falles zumindest voerst sogar alleinigen Verpflichtung verstanden werden. Kann der Gutsteher nach den Umständen des Falles nicht erwarten, daß der Schuldner seine Verpflichtung erfüllen wird, liegt nicht Bürgschaft, sondern Schuldübernahme vor (vgl. Mühl a.a.O. vor § 765 BGB Rz 52), zumindest aber Schuldbeitritt.

Die selbstschuldnerische Verpflichtung bedarf, anders als die Übernahme einer Bürgschaft, nach ständiger Rechtsprechung für ihre Wirksamkeit nicht der Einhaltung der Schriftform (WBl. 1987, 121;

SZ 49/53; JBl 1952, 209; Gamerith aaO Rz 9 zu § 1346, ABGB;

Ehrenzweig-Mayrhofer a.a.O. 115; Ohmeyer-Klang, Kommentar2 VI 209 FN 17). Der gegenteiligen Ansicht von Ertl a.a.O. Rz 4 zu § 1405 ABGB, wonach für Beitrittserklärungen, die der Gutstehung dienen, die Formvorschrift des § 1346 Abs 2 ABGB anzuwenden ist, nicht beizupflichten. Der Formvorschrift des § 1346 Abs 2 ABGB kommt eine Warnfunktion zu. Für die Bürgschaft ist kennzeichnend, daß der Bürge auf die Leistungsfähigkeit des Hauptschuldners vertraut. Die vom Gesetz geforderte Schriftlichkeit soll ihn vor der Übernahme einer Bürgschaftsverpflichtung, zu der er sich im Vertrauen darauf, ohnehin nicht zahlen zu müssen, leichtfertig bereit finden mag, schützen. Diese Gefahr ist bei anderen Gutstehungserklärungen, insbesondere in Form der Schuldübernahme, geringer, weil hier dem Übernehmer bewußt sein muß, daß er eine auf eigene Leistung gerichtete Verpflichtung begründet (Ehrenzweig-Mayrhofer a.a.O. 114; Gschnitzer-Faistenberger-Barta-Eccher, Schuldrecht Allgemeiner Teil2 273; Mormann a.a.O. vor § 765 BGB Rz 3; Brändl a.a.O. Vorbem. zu § 765 BGB Rz 53; Pecher in Münchner Kommentar2 vor § 765 BGB Rz 2). Bei der gegebenen Sachlage mußte auch der Beklagten klar sein, daß die Zahlungspflicht jedenfalls in erster Linie sie trifft, da ihr Sohn aus Massemitteln Zahlung nicht leisten durfte. Daß die Beklagte unter allen Umständen haften würde, läge eine alleinige Zahlungsverpflichtung oder eine Schuldübernahme vor, bedarf keiner näheren Begründung. Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.