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OGH vom 19.10.2011, 4Ob119/11w

OGH vom 19.10.2011, 4Ob119/11w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Erlegerin S***** AG, *****, vertreten durch DLA Piper Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Erlagsgegnerinnen 1. B***** S.A. *****, 2. T*****, beide vertreten durch CMS Reich Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, 3. M***** Limited, wegen gerichtlicher Hinterlegung von 140.890,32 EUR gemäß § 1425 ABGB, aus Anlass des Revisionsrekurses der Erlegerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom , GZ 6 R 61/11a 93, womit infolge Rekurses der Erst- und Zweiterlagsgegnerinnen der Beschluss des Bezirksgerichts Graz Ost vom , GZ 20 Nc 23/06x 85, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Erlagsverfahrens unter Einbeziehung des „Treasury Solicitor's Department, Bona Vacantia Division“ als Verwalterin des gesetzlichen Vermögensnachfolgers der Dritterlagsgegnerin aufgetragen.

Die Kosten der Parteien im Rekurs- und im Revisionsrekursverfahren werden gegenseitig aufgehoben.

Text

Begründung:

Die Erlegerin, eine inländische Bank, beantragte am gemäß § 1425 ABGB, die Hinterlegung von 140.890,32 EUR anzunehmen und den überwiesenen Betrag fruchtbringend zugunsten von drei Erlagsgegnerinnen anzulegen. Erst- und Zweiterlagsgegnerin sind deutsche Zweigniederlassungen einer französischen und einer amerikanischen Bank, die Dritterlagsgegnerin „M***** Limited“ (in der Folge: M*****) war damals eine in England im „Registrar of Companies for England and Wales“ unter einer Londoner Adresse registrierte Gesellschaft; im Erlagsantrag war sie mit einer Adresse in Köln ausgewiesen.

Die Erlegerin brachte vor, sie führe ein Konto für M*****, auf dem am eine Überweisung der Ersterlagsgegnerin von 113.220,09 EUR und drei Tage später eine Überweisung der Zweiterlagsgegnerin von 91.929,21 EUR eingelangt sei. Über Auftrag der M***** habe sie am 22. und Überweisungen an Dritte getätigt, das Restguthaben (158.207,58 EUR) am auf ein Konto der M***** beim Bankhaus W***** in Wien überwiesen und das Konto geschlossen. Am sei die Erlegerin von Erst- und Zweitantragstellerin informiert worden, dass deren Überweisungen auf das Konto von M***** aufgrund gefälschter, Warengeschäfte vortäuschender Unterlagen durchgeführt worden seien. Am habe das Bankhaus W***** 153.197,58 EUR an die Erlegerin rücküberwiesen. Da die Erst- und Zweiterlagsgegnerin das Angebot der Erlegerin, den bei ihr erliegenden Betrag abzüglich der entstandenen Kosten anteilig rückzuüberweisen, nicht angenommen hätten und ein Strafverfahren gegen Vertreter der M***** wegen der von der Erst- und Zweiterlagsgegnerin behaupteten Betrugshandlungen anhängig sei, lägen die Voraussetzungen einer Hinterlegung nach § 1425 ABGB vor. Unter Aufrechnung mit den der Erlegerin entstandenen Kosten gegen die Forderungen der Erlagsgegnerinnen ergebe sich der Erlagsbetrag.

Das Erstgericht nahm den Erlag mit Beschluss vom an. Diese Entscheidung konnte M***** nicht zugestellt werden, weil diese nach Auskunft des Amtsgerichtes Köln als dem nach der im Erlagsantrag genannten Adresse zuständigem Rechtshilfegericht dort weder im Gewerberegister noch im Handelsregister des Amtsgerichtes Köln eingetragen war.

In der Folge gaben Erst- und Zweiterlagsgegnerin bekannt, dass M***** nicht mehr existent sei; sie legten eine Auskunft des „Companies House“ vor, wonach M***** am ins Firmenregister eingetragen und am gelöscht wurde. Das Landesgericht für Strafsachen Wien teilte mit, dass D***** R***** (in der Folge: Verurteilter) mit Urteil vom , 33 Hv 61/07s, wegen gewerbsmäßigen schweren Betrugs rechtskräftig zu fünf Jahren Haft verurteilt worden sei und es sich bei M***** um eine Scheinfirma handle, die vom Verurteilten und anderen Personen nur gegründet worden sei, um schwere Betrugshandlungen zu begehen. 2008 und 2009 teilte ein Rechtsanwalt mit, den Verurteilten zu vertreten; sein Klient sei alleiniger Gründer, Leiter und Verantwortlicher der M***** gewesen, weshalb ihm aufgrund der Tätigkeiten dieser Gesellschaft alle Guthaben und Außenstände von M***** zustünden. Den Überweisungen von Erst- und Zweiterlagsgegnerin an M***** lägen legale Transaktionen zugrunde. Mit Schreiben vom gab der Rechtsanwalt bekannt, auch M***** zu vertreten. Infolge gerichtlichen Auftrags, das Vollmachtsverhältnis nachzuweisen, legte er am eine vom Verurteilten am namens M***** gezeichnete Vollmachtserklärung in Kopie vor (ON 69, 70). Den gerichtlichen Auftrag, die Vertretungsvollmacht der M***** im Original vorzulegen und den Nachweis zu erbringen, dass die Gesellschaft existiere, beantwortete der Rechtsanwalt am mit der Bekanntgabe, das Vollmachtsverhältnis zu M***** und allen damit in Zusammenhang stehenden Personen und Unternehmen längst gekündigt zu haben (ON 84).

Das Erstgericht wies den gemeinsamen Antrag der Erst- und Zweiterlagsgegnerinnen auf Ausfolgung des hinterlegten Betrags samt den Zinsen der angeordneten fruchtbringenden Veranlagung auch im zweiten Rechtsgang ab. Eine allfällige Rechtsnachfolge betreffend M***** habe nicht geklärt werden können. Ein zugunsten einer Mehrheit von Erlagsgegnern hinterlegter Geldbetrag könne nur ausgefolgt werden, wenn alle Begünstigten zustimmten; eine fehlende Zustimmung müsse durch gerichtliches Urteil ersetzt werden. Die Dritterlagsgegnerin habe zumindest zum Zeitpunkt der Annahme des Erlags bestanden, weshalb die Hinterlegung ihr gegenüber wirksam sei. Mangels Zustimmung der Dritterlagsgegnerin bzw mangels eines entsprechenden Urteils sei der Ausfolgungsantrag der Erst- und Zweiterlagsgegnerinnen abzuweisen.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss dahin ab, dass es dem Ausfolgungsantrag von Erst- und Zweiterlagsgegnerin stattgab; es sprach aus, dass die nach Rechtskraft seiner Entscheidung zu fassende Auszahlungsanordnung dem Erstgericht obliege und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob ein Gerichtserlag zugunsten einer Scheinfirma wirksam sei, gegebenenfalls, wen bei nachfolgender Löschung eines solchen Erlagsgegners die Beweislast für das Fehlen eines Rechtsnachfolgers treffe.

Das Rekursgericht traf folgende ergänzende Feststellungen:

Der Verurteilte, der bei der Ausübung strafbarer Handlungen auch einen Aliasnamen benutzte, wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom , 33 Hv 61/07s, wegen teilweise vollendeten, teilweise versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges, der kriminellen Vereinigung sowie der Fälschung besonders geschützter Urkunden verurteilt. Der Verurteilung liegt ua zugrunde, dass der Verurteilte zwischen 28. 4. und Verfügungsberechtigte der Zweiterlagsgegnerin zur Überweisung von 113.220,09 EUR sowie am Angestellte der Ersterlagsgegnerin zur Überweisung von 91.020,91 EUR auf das Konto der M***** bei der Erlegerin verleitet hat, dies jeweils durch gefälschte Akkreditivunterlagen, welchen tatsächlich keine Warenlieferungen zugrundelagen. Der Verurteilte wurde unter anderem schuldig erkannt, der Ersterlagsgegnerin, die sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte angeschlossen hat, den (vom Verurteilten anerkannten) Betrag von 113.220,09 EUR zu zahlen. Zur Durchführung des zuvor beschriebenen Tatplanes wurde eine Scheinfirma mit der Bezeichnung „M***** Limited“ in England im „Registrar of Companies for England and Wales“ unter der Nummer 5689487 mit der Adresse *****, registriert. Am wurde eine Internetseite mit dem Domain-Namen „m*****financial.com“ errichtet, auf der der Verurteilte als Kontaktperson und „director of operations (European Union)“ genannt wurde. Am mietete der Verurteilte ein „virtuelles Büro“ für die M***** bei einem Büroserviceunternehmen in Köln für den Zeitraum bis an; diese Adresse schien auch im Internet auf. Am mietete er bei einem Unternehmen in Wien ein Postfach für M***** und erteilte einen Nachsendeauftrag von der Kölner Adresse an das Postfach in Wien. Der Verurteilte eröffnete in der Folge unter Vorlage gefälschter Urkunden bei mehreren österreichischen Banken, so auch bei der Erlegerin, Privatkonten unter seinem Aliasnamen. Dem Tatplan entsprechend sollten die auf den Geschäftskonten von M***** einlangenden Gelder auf diese Privatkonten umgeleitet und dort bar behoben werden.

Die Dritterlagsgegnerin wurde am über einen in elektronischer Form eingebrachten Antrag ins Firmenbuchregister für England und Wales unter dem Gesellschaftsnamen „M***** Limited“ mit Firmensitz *****, England, *****, eingetragen. Als Gesellschaftssekretär und Direktor der Gesellschaft scheint der Verurteilte unter seinem Aliasnamen (Adresse: *****, England; Staatsbürgerschaft: Israel; Geburtsdatum: *****; Beruf: Direktor), als Handlungsbevollmächtigter auf. Die Gesellschaft wurde gemäß § 652 Abs 5 GesellschaftsrechtsG 1985 am aus dem Register gestrichen und durch Mitteilung im Londoner Amtsblatt vom aufgelöst. Nach § 652 GesellschaftsrechtsG 1985 kann der Registerführer bei begründeten Bedenken eine Gesellschaft zur Bekanntgabe auffordern, ob sie tatsächlich Geschäfte betreibt oder in Betrieb ist. Erhält er keine Antwort darauf, hat eine nochmalige Aufforderung zur Stellungnahme binnen Monatsfrist mit dem Hinweis, dass bei fruchtlosem Fristablauf im Amtsblatt die beabsichtigte Löschung der Gesellschaft veröffentlicht wird, zu erfolgen. Erhält der Registerführer wiederum keine Antwort, ist der Mitteilung entsprechend vorzugehen und die Gesellschaft zu verständigen, dass sie nach Ablauf von weiteren drei Monaten, sofern kein gegenteiliger Grund angegeben wird, aus dem Register gelöscht und die Gesellschaft aufgelöst wird. Nach fruchtlosem Fristablauf kann der Registerführer den Namen der Gesellschaft aus dem Register löschen und die Löschung im Amtsblatt veröffentlichen. Die Gesellschaft ist durch die Veröffentlichung der Löschung im Amtsblatt aufgelöst.

In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, die Ausfolgung eines Erlags nach § 1425 ABGB setze hier mangels Bedingungen der Erlegerin nur voraus, dass diejenigen, zu deren Gunsten erlegt worden sei, in die Ausfolgung einwilligten oder dass gegen sie ein rechtskräftiges, eine solche Zustimmung ersetzendes Urteil erwirkt worden sei. M***** sei eine nur zu betrügerischen Zwecken gegründete und mittlerweile nicht mehr existente Scheinfirma, die Existenz eines allfälligen Rechtsnachfolgers habe nicht festgestellt werden können. Unter diesen Umständen sei der erlegte Betrag samt den Zinsen aus der Anlegung den beiden verbleibenden Erlagsbegünstigten, die sich einig seien, auszufolgen. Damit sei unerheblich, ob zugunsten einer Scheinfirma überhaupt rechtswirksam hinterlegt werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig; aus Anlass des zulässigen Rechtsmittels ist die in der Verletzung des rechtlichen Gehörs der Vermögensnachfolgerin der Dritterlagsgegnerin liegende wesentlicher Verfahrensmangel von Amts wegen aufzugreifen.

1.1. Das Erlagsverfahren nach § 1425 ABGB ist ein außerstreitiges Verfahren (RIS Justiz RS0033469), dessen nähere Ausgestaltung bis ausschließlich in §§ 285 ff Geo und §§ 314 ff Geo geregelt war.

1.2. Das mit in Kraft getretene Verwahrungs- und Einziehungsgesetz (VerwEinzG) gelangte bisher noch nicht zur Anwendung, weil über die Ausfolgung in erster Instanz vor dem entschieden worden ist (§ 18 Abs 2 VerwEinzG).

2.1. Im hier anzuwendenden Erlagsverfahren wird zwischen dem Hinterlegungsverfahren (§§ 285 ff Geo) und dem Ausfolgungsverfahren (§§ 314 ff Geo) unterschieden.

2.2. Im Fall einer Mehrheit von Erlagsgegnern ist der erlegte Betrag mit Beschluss ua dann auszufolgen, wenn entweder einverständliche Anträge der Erlagsgegner oder rechtskräftige Entscheidungen vorliegen, die gegen die übrigen Ansprecher erwirkt wurden (vgl Reischauer in Rummel ABGB³ § 1425 Rz 15 f mwN; 1 Ob 59/03p). Eine rechtliche Untersuchung im Außerstreitverfahren über die Ausfolgungsfrage findet nicht statt (RIS-Justiz RS0006638; vgl auch RS0033517; RS0033648). Ist die Ausfolgung eines gerichtlichen Erlags angesichts der verweigerten Zustimmung des Erlagsbegünstigten von der Entscheidung über Tatumstände abhängig, die sich nur durch ein formelles Beweisverfahren klären lassen, ist der Antragsteller auf den Rechtsweg zu verweisen (vgl RIS-Justiz RS0006424).

3.1. Bei Prüfung der Rechtsmittellegitimation der Erlegerin im Ausfolgungsverfahren ist beim Parteibegriff des AußStrG anzusetzen. Nach § 2 Abs 1 AußStrG 2005 sind Parteien der Antragsteller (Z 1), der vom Antragsteller als Antragsgegner oder sonst als Partei Bezeichnete (Z 2) oder jede Person, soweit ihre rechtlich geschützte Stellung durch die begehrte oder vom Gericht in Aussicht genommene Entscheidung oder durch eine sonstige gerichtliche Tätigkeit unmittelbar beeinflusst würde (Z 3). Ob eine rechtlich geschützte Stellung beeinflusst wird, ergibt sich aus dem materiellen Recht (RIS-Justiz RS0123027). Unmittelbar beeinflusst ist eine Person dann, wenn die in Aussicht genommene Entscheidung Rechte oder Pflichten dieser Person ändert, ohne dass noch eine andere Entscheidung gefällt werden muss. Reflexwirkungen allein reichen nicht aus, eine materielle Parteistellung zu begründen (RIS Justiz RS0123028).

3.2. Sieht man das Erlagsverfahren als Einheit von Hinterlegungs- und Ausfolgungsverfahren an, folgt schon daraus die Parteistellung des Erlegers nach § 2 Abs 1 Z 1 AußStrG: Der Erleger ist Antragsteller und damit eine der beiden Parteien des Erlagsverfahrens (7 Ob 107/02i).

3.3. Wollte man hingegen Hinterlegungs- und Ausfolgungsverfahren als jeweils selbständige Verfahren beurteilen (welche Auffassung nach der Systematik sowohl der Geo als auch des VerwEinzG nahe liegt), bedürfte auch die Parteistellung eine differenzierte Betrachtung (in diesem Sinn auch 6 Ob 512/77 = RIS-Justiz RS0006734 [T1, T 2] zur Parteistellung eines Vertragspartners im Erlagsverfahren).

3.4. Im isoliert betrachteten Ausfolgungsverfahren wäre der Erleger weder Antragsteller noch gegner (wenn ihm auch der Ausfolgungsbeschluss nach § 5 Abs 1 VerwEinzG zuzustellen ist); er besäße Parteistellung allenfalls nach § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG. Die dort genannte Voraussetzung läge nicht vor, wenn der Erlag schuldbefreiende Wirkung gehabt und der Erleger keine Ausfolgungsbedingungen aufgestellt hätte, weil diesfalls keine rechtlich geschützten Interessen des Erlegers beeinträchtigt werden könnten.

3.5. Schuldbefreiend wirkt eine Hinterlegung nach § 1425 ABGB nur, wenn sie rechtmäßig erfolgte und dem Gläubiger bekannt gegeben wurde; eine außergerichtliche Anzeige genügt dafür nicht ( Reischauer aaO Rz 21 mwN). Bewirken Mängel des Erlagsantrags die Nichtverständigung eines Gläubigers durch das Erlagsgericht, so führt die unmittelbare Mitteilung des Schuldners vom Erlag nur dann zur Schuldbefreiung, wenn der Gläubiger so vollständig unterrichtet wird, dass er seine Rechte am Erlag mit Sicherheit wahrnehmen kann (RIS Justiz RS0033618; vgl auch RS0033723; RS0033613 [T1]).

3.6. Im Anlassfall wurde M***** die im Zeitpunkt der Annahme des Erlags im zuständigen englischen Register eingetragen und damit nach der Aktenlage existent war weder der Annahmebeschluss, noch die Entscheidung über den Ausfolgungsantrag zugestellt; sie wurde auch sonst am bisherigen Verfahren nicht beteiligt. Wurde dieser Gesellschaft somit die gerichtliche Hinterlegung bisher nicht bekanntgegeben, kann dieser Vorgang auch nicht schuldbefreiend wirken. Deshalb wäre ein rechtliches Interesse der Erlegerin an der Bekämpfung des ohne Einbeziehung der Dritterlagsgegnerin gefassten Ausfolgungsbeschlusses und daraus folgend ihre Parteistellung und Rechtsmittellegitimation auch unter der Prämisse zu bejahen, dass Hinterlegungs- und Ausfolgungsverfahren als getrennte Verfahren zu beurteilen sind. Da beide Varianten (einheitliche oder isolierte Betrachtung des Erlagsverfahrens) in der hier entscheidenden Frage der Parteistellung zum selben (bejahenden) Ergebnis führen, bedarf es insoweit keiner weiteren Vertiefung.

3.7. Durch eine Entscheidung (materiell) beschwert ist derjenige, der von einer gerichtlichen Entscheidung in einem subjektiven Recht (und nicht nur in einer wirtschaftlichen oder ideellen Position) konkret nachteilig betroffen ist (vgl Klicka in Rechberger , AußStrG 74 § 45 Rz 1). Dies trifft auf die Erlegerin zu, die durch den angefochtenen Ausfolgungsbeschluss in ihrem Recht auf Schuldbefreiung durch gerichtliche Hinterlegung nach § 1425 ABGB nachteilig betroffen ist.

3.8. Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass die Erlegerin als durch die angefochtene Entscheidung beschwerte Partei zur Anfechtung des Ausfolgungsbeschlusses legitimiert ist.

4. Nach der Aktenlage wurde M***** weder der Annahmebeschluss, noch die Entscheidung über den Ausfolgungsantrag zugestellt; sie wurde auch sonst am bisherigen Verfahren nicht beteiligt. Aus Anlass des zulässigen Rechtsmittels der Erlegerin ist deshalb eine in der Verletzung des rechtlichen Gehörs der Dritterlagsgegnerin liegende Nichtigkeit des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (vgl RIS Justiz RS0007095, RS0041907).

5.1. Eine im Erlagsantrag namentlich genannte und zum Hinterlegungszeitpunkt existente Gesellschaft ist grundsätzlich Partei des Hinterlegungsverfahrens (§ 2 Abs 1 Z 2 AußStrG). Entscheidend ist demnach zunächst die betreffend M***** hier vorliegende verfahrensrechtliche Erklärung des Antragstellers, wem er den Erlagsgegenstand im Weg des Gerichtserlags zwecks Schuldbefreiung und Abwälzung der Gefahr anbietet. Die vom Erleger namentlich bezeichneten Erlagsgegner genießen kraft dieser verfahrensrechtlichen Erklärung des Antragstellers Parteistellung (vgl RIS Justiz RS0006720, RS0110881). Für das Ausfolgungsverfahren gilt nichts anderes ( Reischauer aaO Rz 16a mwN; RIS Justiz RS0110882).

5.2. Die Besonderheit im Anlassfall liegt nun darin, dass M***** zwar am (also noch vor Annahme des Gerichtserlags) im englischen „Registrar of Companies for England and Wales“ eingetragen, am aus diesem Register jedoch wieder gelöscht wurde. Unter diesen Umständen stellt sich die Frage, ob M***** überhaupt rechts- und parteifähig ist bzw war und welche Auswirkungen deren Löschung hat. Diese Fragen sind im außerstreitigen Verfahren nach den zur ZPO aufgestellten Grundsätzen zu beurteilen (vgl Rechberger in Rechberger , AußStrG § 2 Rz 17).

5.3. Die Rechts- und Postulationsfähigkeit einer (juristischen) Person ist nach deren Personalstatut zu beurteilen (§ 12 IPRG). Parteifähig sind ausländische juristische Personen dann, wenn sie nach ihrem Personalstatut das ist das Recht des Staates, in dem der Rechtsträger den tatsächlichen Sitz der Hauptverwaltung hat (§ 10 IPRG) rechtsfähig sind.

5.4. Für Gesellschaften aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist die Gründungstheorie maßgeblich, also hier englisches Recht ( Schubert in Fasching/Konecny II/1² Vor § 1 ZPO Rz 25 mwN zur Entscheidung des EuGH in der Rechtssache „ Centros “ und Folgeentscheidungen des OGH). Das Gesellschaftsstatut (Personalstatut der Gesellschaft) ist für die Partei- und Prozessfähigkeit, für die Rechte und Pflichten der Organe und deren Vertretungsmacht und auch für das Ende der Gesellschaft (ihrer Rechtsfähigkeit) maßgeblich (6 Ob 232/07x = RIS Justiz RS0112341 [T4]).

5.5. Das nach dem bisher Gesagten maßgebliche englische Recht (section 654 of the Companies Act 1985) bestimmt für vor dem aufgelöste Gesellschaften, die zuvor in England oder Wales registriert waren, dass deren Vermögen und Rechte als herrenlos gelten („all property and rights […] are deemed to be bona vacantia“) und der Englischen Krone zufallen („belong to the Crown“). Die Verwaltung von auf diese Weise der Krone zugefallenen Vermögensrechten obliegt „The Treasury Solicitor's Department, Bona Vacantia Division, One Kemble Street, London WC2B 4TS (siehe http://www.tsol.gov.uk und http://www.bonavacantia.gov.uk).

6.1. Aus dieser Rechtslage folgt, dass zwar die Dritterlagsgegnerin infolge Löschung ihre Rechts- und Parteifähigkeit verloren hat, dass aber deren Vermögensrechte (wozu auch allfällige Ansprüche aufgrund eines inländischen Erlagsverfahrens zählen) nunmehr von deren gesetzlichen Vermögensnachfolger wahrgenommen werden. Diesem ist somit im hier anhängigen Ausfolgungsverfahren rechtliches Gehör zu gewähren. Solches ist bisher unterblieben.

6.2. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs iSd § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG ist ein Verfahrensfehler, der analog § 55 Abs 3 AußStrG aus Anlass eines zulässigen Rekurses auch von Amts wegen (vgl RIS Justiz RS0119971) dann wahrzunehmen ist, wenn dieser Fehler Einfluss auf die Richtigkeit der Entscheidung haben konnte (§ 57 Z 4 AußStrG; RIS Justiz RS0120213). Solches ist hier mangels Zustimmung des Vermögensnachfolgers der Dritterlagsgegnerin zur Auszahlung an die anderen Erlagsgegnerinnen der Fall.

6.3. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren (das sich infolge aufhebender Entscheidung wieder in einem Stadium vor der Entscheidung erster Instanz über die Ausfolgung befindet und nunmehr nach den Bestimmungen des VerwEinzG zu führen ist, vgl § 18 Abs 2 VerwEinzG) den Vermögensverwalter der Englischen Krone zu beteiligen, ihm den Erlagsbeschluss zuzustellen und anzufragen haben, ob er allfällige Rechte der M***** aus dem hier gegenständlichen Gerichtserlag wahrnehmen möchte oder nicht. Nach section 656 of the Companies Act 1985 hat der Treasury Solicitor nämlich auch das Recht, der Krone nach section 654 zufallende Rechte zurückzuweisen („... may be disclaimed ...“).

6.4. Sollte die Englische Krone keine Ansprüche auf den Erlagsbetrag geltend machen, wäre von einer Auflösung der M***** ohne Rechtsnachfolge auszugehen; einer Ausfolgung des Erlagsbetrags an Erst- und Zweitantragsgegnerin stünden dann keine rechtlichen Hindernisse entgegen. Andernfalls tritt die Englische Krone aufgrund gesetzlichen Parteiwechsels an die Stelle der Drittantragsgegnerin als Partei des Ausfolgungsverfahrens.

7. Die Beschlüsse der Vorinstanzen sind wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs des „Treasury Solicitor's Department, Bona Vacantia Division“ als Vertreter des gesetzlichen Vermögensnachfolgers der Dritterlagsgegnerin aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Erlagsverfahrens unter Behebung dieses Mangels aufzutragen.

8. Die Kosten des Verfahrens sind gegenseitig aufzuheben. Keine der Parteien hat auf den Verfahrensmangel hingewiesen. Ein Beitrag zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung wurde nicht geleistet (§ 78 Abs 2 AußStrG).