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OGH 20.12.2023, 6Ob185/14w

OGH 20.12.2023, 6Ob185/14w

Rechtssätze


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Normen
RS0115894
Auf die Frage eines (auch) strafrechtlichen (repressiven) Charakters der Zwangsstrafe braucht nicht eingegangen zu werden, wenn die Gesellschaft ihrer gesetzlichen Verpflichtung der Offenlegung, wenngleich erst nach der Entscheidung des Erstgerichts, ohnehin nachkam und somit ein über den Beugezweck hinausreichender Strafzweck gar nicht zum Tragen kommen konnte.
Normen
6 EWG-RL 68/151/EWG Publizitätsrichtlinie - 368L0151 idF EG-RL 2003/58/EG - Änderungsrichtlinie zur Publizitätsrichtlinie 32003L0058 Art6
EWG-RL 78/660/EWG - Bilanzrichtlinie 378L0660 idF EG-RL 2009/49/EG - Änderungsrichtlinie zur Bilanzrichtlinie 32009L0049 Art4
UGB §223
UGB §277
UGB §283
RS0125952
Nach Art 6 Buchstabe a) der PublizitätsRL 68151/EWG idF RL 2003/58/EG und RL 2006/99/EG treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit sich die Pflicht zur Offenlegung hinsichtlich der Gesellschaften mindestens auf die nach Maßgabe der (unter anderem) BilanzRL 78/660/EWG idF (zuletzt) RL 2009/49/EG für jedes Geschäftsjahr offen zu legenden Unterlagen der Rechnungslegung erstreckt. Art 4 Abs 4 Satz 1 der BilanzRL legt fest, dass in der Bilanz sowie in der Gewinn- und Verlustrechnung zu jedem Posten die entsprechende Zahl der vorhergehenden Geschäftsjahre anzugeben ist. Diese gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben hat der österreichische Gesetzgeber in § 223 Abs 2 UGB umgesetzt. § 283 Abs 1 UGB dient - ebenso wie § 24 FBG - (auch) der Umsetzung des Art 6 der PublizitätsRL. Das Unterlassen der Angabe der Vorjahreszahlen im Jahresabschluss stellt im Hinblick auf die erwähnten gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben auch einen Verstoß gegen die §§ 277 bis 280a UGB dar. Das Gericht hat daher gemäß § 283 Abs 1 UGB (unter anderem) die Geschäftsführer einer Gesellschaft mittels Zwangsstrafen zur Beachtung der jeweiligen (Form-)Vorschriften anzuhalten

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Handelsgericht Wien zu FN ***** eingetragenen U***** GmbH mit dem Sitz in W*****, über den Revisionsrekurs der Gesellschaft und der Geschäftsführerin Dr. E***** D*****, beide vertreten durch Grohs Hofer Rechtsanwälte Gesellschaft m.b.H. in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 28 R 283/14i, 28 R 284/14m-12, womit die Beschlüsse des Handelsgerichts Wien vom , GZ 75 Fr 4343/14h-6 und -8, bestätigt wurden, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht verhängte mit zwei - vom Rekursgericht bestätigten - Beschlüssen über die GmbH und deren Geschäftsführerin Zwangsstrafen gemäß § 283 UGB von je 800 EUR wegen nicht rechtzeitiger Offenlegung des Jahresabschlusses zum für den Bestrafungszeitraum vom bis zum , und zwar allein deswegen, weil in diesem Jahresabschluss die Angaben zum Vorjahr (2011) nicht enthalten waren. Wegen Nichtoffenlegung des Jahresabschlusses zum für den Bestrafungszeitraum vom bis zum waren über die GmbH und deren Geschäftsführerin bereits Zwangsstrafenverfügungen erlassen worden, die nicht bekämpft wurden.

Das Rekursgericht hat den Revisionsrekurs zugelassen, weil noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage vorliege, ob die Verhängung von Zwangsstrafen gemäß § 283 UGB allein deshalb, weil im offengelegten Jahresabschluss die Vorjahreszahlen fehlen, zulässig ist, obwohl die unterlassene Offenlegung des Jahresabschlusses des vorangegangenen Geschäftsjahres für den selben Bestrafungszeitraum ohnehin bereits mit Zwangsstrafen sanktioniert wurde.

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig,

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung 6 Ob 262/09m = wbl 2010, 421 = GesRZ 2010, 283 (zust Fragner) = ecolex 2010, 575 = RdW 2010, 505 = NZ 2011, 54, ausgesprochen:

„Art 4 Abs 4 Satz 1 der Bilanzrichtlinie legt fest, dass in der Bilanz sowie in der Gewinn- und Verlustrechnung zu jedem Posten die entsprechende Zahl der vorhergehenden Geschäftsjahre anzugeben ist. Diese gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben hat der österreichische Gesetzgeber in § 223 Abs 2 UGB umgesetzt. § 283 Abs 1 UGB dient - ebenso wie § 24 FBG - (auch) der Umsetzung des Art 6 der PublizitätsRL. Das Unterlassen der Angabe der Vorjahreszahlen im Jahresabschluss stellt im Hinblick auf die erwähnten gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben auch einen Verstoß gegen die §§ 277 bis 280a UGB dar. Das Gericht hat daher gemäß § 283 Abs 1 UGB (unter anderem) die Geschäftsführer einer Gesellschaft mittels Zwangsstrafen zur Beachtung der jeweiligen (Form-)Vorschriften anzuhalten.“

Es waren - wie hier - sowohl wegen Nichteinreichung des Jahresabschlusses des Vorjahrs (zum ) als auch wegen der Nichtanführung der Vorjahreszahlen im darauffolgenden Jahresabschluss (zum ) jeweils Zwangsstrafen verhängt worden. § 283 UGB war noch in der Fassung vor der Novellierung durch das Budgetbegleitgesetz 2011 (BGBl I 2010/111) anzuwenden. Durch diese Novelle wurde einerseits die Erstbestrafung durch Zwangsstrafverfügung (§ 283 Abs 2 und 3 UGB) eingeführt (die unionsrechtskonform ist, vgl - Texdata), andererseits die wiederholte Bestrafung nach jeweils zwei Monaten (§ 283 Abs 4 UGB).

Diese Gesetzesänderungen tangieren aber die Beurteilung der Entscheidung 6 Ob 262/09m nicht.

Die vom Rekursgericht aufgeworfene Rechtsfrage ist daher vom Obersten Gerichtshof durch die Entscheidung 6 Ob 262/09m schon beantwortet worden. Die Nichteinreichung des Jahresabschlusses (hier für 2012) einerseits und die Nichtanführung der Vorjahreszahlen im darauffolgenden Jahresabschluss (hier für 2012) stellen betreffend die einzelnen Jahresabschlüsse verschiedene Verstöße dar; die Entscheidung des Rekursgerichts folgt somit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Eine Entscheidung, die zwar bisher die

einzige ist, die aber ausführlich begründet und mehrfach veröffentlicht wurde, zu der gegenteilige Entscheidungen nicht vorliegen und die auch vom Schrifttum ohne Kritik übernommen wurde, reicht für das Vorliegen einer gesicherten Rechtsprechung aus (RIS-Justiz RS0103384).

Auch die Rechtsmittelwerber zeigen keine erhebliche Rechtsfrage auf, weshalb das Rechtsmittel zurückzuweisen war.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
Schlagworte
Gruppe: Handelsrecht,Gesellschaftsrecht,Wertpapierrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2014:0060OB00185.14W.1119.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
QAAAD-35508