OGH vom 16.12.2003, 5Ob114/03f

OGH vom 16.12.2003, 5Ob114/03f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anneliese D*****, vertreten durch Fellner, Wratzfeld & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Erich O*****, vertreten durch Dr. Susanne Kuen, Rechtsanwältin in Wien, wegen EUR 11.631,52 sA, infolge des Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 236/02s-19, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom , GZ 11 Cg 159/02y-12, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Vefahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Beklagte war bis zum Pächter der S***** Tankstelle, *****. Verpächterin dieser Tankstelle ist die O***** AG. Seit ist die Klägerin aufgrund eines neuen mit der O***** AG abgeschlossenen Pachtvertrages Pächterin dieser Tankstelle.

Bei Übergabe des Pachtgegenstandes wurde eine Standkontrolle gemacht, d.h. der Peilstand der Mineralöltankstelle ermittelt, wobei das Ergebnis dieser Ermittlung vom Verpächter, vom früheren und vom neuen Pächter unterfertigt wurde.

Die Klägerin übernahm allerdings drei Dienstnehmer des Beklagten, und zwar Christian W*****, Werner K***** und Gerhard S*****.

Das Dienstverhältnis mit Christian W***** hatte am begonnen und endete durch Austrittserklärung am zum . Das Dienstverhältnis mit Gerhard S***** hatte am begonnen und endete durch Kündigung am . Das Dienstverhältnis mit Werner K***** war am begründet worden. Nach einer fristlosen Entlassung durch die Klägerin vom , die vom Dienstnehmer in einem Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien bekämpft wurde, kam es zum Abschluss eines Vergleichs. Die Klägerin bezahlte an Werner K***** S 43.600, worin S 37.000 an Abfertigung enthalten waren.

Sämtliche drei Dienstnehmer wurden nach den kollektivvertraglich festgesetzten Mindestlöhnen entlohnt.

Es steht nicht fest, welche Ansprüche den Dienstnehmern im Zeitpunkt der jeweiligen Beendigung ihrer Vertragsbeziehungen mit der Kägerin zustanden und ebensowenig, welche fiktiven Ansprüche den Dienstnehmern im Zeitpunkt des Betriebsübergangs vom Beklagten an die Klägerin zugestanden wären.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin insgesamt den Betrag von EUR 11.631,52 sA als Betriebsübernehmerin gegen den Beklagten als früheren Pächter der S*****-Tankstelle in *****, gemäß §§ 3 und 6 AVRAG. Sie habe im Zeitpunkt der Beendigung der Dienstverhältnisse mit drei Arbeitnehmern deren Ansprüche befriedigt. Die Haftung des Beklagten ergebe sich aus § 6 Abs 1 und 2 AVRAG iVm § 896 ABGB. Der Beklagte hafte als Veräußerer gemeinsam mit der Klägerin als Erwerberin beim Betriebsübergang als Solidarschuldner gegenüber den übernommenen Arbeitnehmern für Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis, die vor dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs begründet worden seien. Für Abfertigungsansprüche, die nach dem Betriebsübergang fällig geworden seien, hafte der Beklagte als Veräußerer mit jenem Betrag, der dem fiktiven Abfertigungsanspruch im Zeitpunkt des Betriebsübergangs entspreche. Die Berechtigung der Klägerin, beim Beklagten Regress zu nehmen, ergebe sich aus § 896 ABGB nach dem zwischen Veräußerer und Erwerber bestehenden "besonderen Verhältnis". Dabei gebe § 6 Abs 2 AVRAG einerseits eine Begrenzung, andererseits auch den Umfang der Haftung des Veräußerers vor. Der Veräußerer habe also für jenen Betrag, der dem fiktiven Abfertigungsanspruch im Zeitpunkt des Betriebsübergangs entspreche, einzustehen.

Die von der Klägerin mit der am eingebrachten Klage begehrten Beträge betreffen den in ON 1 näher aufgegliederten Urlaubszuschuss, die Weihnachtsremuneration, "(aliquoten) Urlaub" und Abfertigungsansprüche in der Gesamthöhe von EUR 11.631,52 sA.

Der Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach und beantragte dessen Abweisung. Vor allem liege kein Betriebsübergang vor, und damit keine Anwendbarkeit der Bestimmungen des AVRAG. Gegenstand des Pachtvertrages seien bloß Betriebsmittel ohne eigene Belegschaft gewesen. Selbst wenn man aber die Bestimmungen des AVRAG zur Anwendung bringe, normiere § 3 AVRAG nicht einen Schuldbeitritt, sondern bloß einen Schuldeintritt des Betriebsübernehmers. Der frühere Unternehmer scheide zur Gänze aus dem Arbeitsverhältnis aus. Im Weiteren stelle die Bestimmung des § 6 AVRAG nur eine Grundlage für die Erweiterung des Haftungsfonds für Arbeitnehmer dar. Der frühere Arbeitgeber hafte nur gegenüber Arbeitnehmern für bestimmte Beträge. Keinesfalls schulde der frühere Arbeitgeber solche Beträge dem neuen Arbeitgeber aufgrund der Bestimmung des § 6 AVRAG. Weil es sich hiebei nur um eine Solidarhaftung handle, nicht aber um eine Solidarschuld, könne auch § 896 ABGB nicht zur Anwendung kommen, weil dieser ein Solidarschuldverhältnis voraussetze.

Das Erstgericht wies das gesamte Klagebegehren ab. Ausgehend von den oben wiedergegebenen Feststellungen sowie weiteren, allerdings im Berufungsverfahren bekämpften Feststellungen über bestimmte Zahlungen der Klägerin bei Beendigung der jeweiligen Dienstverhältnisse beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt rechtlich wie folgt: Zunächst sei ein von der Beklagten auf die klagende Partei stattgefundener Betriebsübergang zu bejahen. Daraus ergebe sich eine Solidarhaftung des Übergebers und des Übernehmers bezüglich bestimmter Dienstnehmeransprüche nach dem AVRAG. Über die innere Aufteilung zwischen den beiden Solidarschuldnern enthalte das AVRAG keine Regelungen. Im Sinne des § 896 ABGB sei aber davon auszugehen, dass die von einem der beiden Solidarschuldner befriedigten Dienstnehmeransprüche so aufzuteilen seien, wie dies dem Verhältnis der Zeiten entspreche, in denen jeweils der Übergeber oder der Übernehmer die entsprechende Dienstleistung im Austauschverhältnis gegen die betreffende Entgeltszahlung entgegengenommen habe. Dienstnehmeransprüche, die bis zum Betriebsübergang entstanden seien, seien im Innenverhältnis ausschließlich durch den Betriebsübergeber zu tragen. Dienstnehmeransprüche, die nach dem Betriebsübergang entstanden seien, seien durch den Betriebsübernehmer zu tragen.

Der Klägerin stehe daher dem Grunde nach ein Anspruch gegen den Beklagten auf Rückersatz jener Ansprüche zu, die bis zum festgestellten Betriebsübergangszeitpunkt entstanden seien. Die Höhe dieser Ansprüche könne allerdings nach den Feststellungen nicht beurteilt werden, weil die Klägerin ihrer Beweispflicht bezüglich der Anspruchshöhe nicht nachgekommen sei. Sie habe es unterlassen, entsprechende Behauptungen über die Monatsbezüge der einzelnen Dienstnehmer aufzustellen, und zwar einerseits im Hinblick auf die tatsächlichen Vereinbarungen, andererseits auf die kollektivvertraglichen Mindestlöhne. Außerdem hätte sie diese durch Vorlage von Dienstverträgen oder Kollektivverträgen nachzuweisen gehabt. Der Klägerin sei damit der Nachweis der Höhe ihres Anspruches nicht gelungen.

Einer dagegen von der Klägerin erhobenen Berufung gab das Berufungsgericht Folge, hob das angefochtene Urteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Das Berufungsgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, dass ein nach § 3 AVRAG zu beurteilender Betriebsübergang stattgefunden und daher in den Fällen des § 6 Abs 1 und 2 AVRAG eine Haftung des Veräußerers gegeben sei. Soweit eine solidarische Haftung von Betriebsübergeber und Betriebsübernehmer gegeben sei, liege ein "besonderes Verhältnis" im Sinn des § 896 ABGB vor, das unmittelbar auf dem Gesetz, nämlich auf § 6 Abs 1 und 2 AVRAG beruhe, wenn im Veräußerungsvertrag keine andere Lastenverteilung festgelegt worden sei. Aus dem AVRAG selbst lasse sich eine Regressmöglichkeit allerdings nicht entnehmen. Sofern also die Klägerin zu Recht bestehende Ansprüche von Dienstnehmern befriedigt habe, stehe ihr gegen den Beklagten eine Regressmöglichkeit offen.

Das betreffe jedenfalls von der Klägerin befriedigte Abfertigungsansprüche, für die in § 6 Abs 2 AVRAG festgelegt sei, dass der Veräußerer mit jenem Betrag hafte, der dem fiktiven Abfertigungsanspruch des Arbeitnehmers im Zeitpunkt des Betriebsübergangs entspreche. Wenn also der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Betriebsüberganges aufgrund einer dreijährigen Beschäftigungsdauer beim Veräußerer einen Abfertigungsanspruch erworben habe, sei dieser fiktive Betrag von der Haftung des Veräußerers umfasst, weshalb in diesem Umfang ein Regress des die Abfertigung leistenden Erwerbers zulässig sei.

Für Neuschulden, also für Forderungen, die nach dem Übergangszeitpunkt entstanden seien, hafte der Veräußerer grundsätzlich nicht (mit Ausnahme der hier nicht in Betracht kommenden Betriebspension). Urlaubsentschädigung, -abfindung und Kündigungsentschädigung seien solche Neuschulden, weil in diesen Fällen die Lösung des Arbeitsverhältnisses die rechtliche Bedingung für das Entstehen der Ansprüche sei.

Ob ein Veräußerer für Remunerationen hafte, sei in der Literatur strittig. Es werde als entscheidend angesehen, ob im Einzelfall vom Stichtagsprinzip oder einer Anwartschaftskonstruktion auszugehen sei, wofür Anhaltspunkte im jeweiligen Kollektivvertrag zu finden seien.

Nach diesen Grundsätzen hätte das Klagebegehren geprüft werden müssen. Dem Erstgericht sei eine Mangelhaftigkeit insofern unterlaufen, als es zur Klärung der Höhe der klägerischen Ansprüche seine Erörterungspflicht vernachlässigt und damit § 182 ZPO zuwidergehandelt habe. Es wäre leicht gewesen, mit den Parteien aufgrund der vorgelegten Beilage B die Anspruchshöhe zu erörtern. Die vom Erstgericht vermissten Behauptungen der Klägerin seien in der von ihr vorgelegten Urkunde Beilage B enthalten gewesen. Diesen Umstand hätte das Erstgericht nicht mit der Begründung übergehen dürfen, die Klägerin habe keine entsprechenden Behauptungen aufgestellt. Deshalb sei eine Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils unumgänglich, ohne dass auf die übrigen Argumente in der Berufungsschrift einzugehen gewesen wäre.

Das Berufungsgericht erklärte den Rechtszug an den Obersten Gerichtshof für zulässig, weil durch höchstgerichtliche Rechtsprechung noch nicht geklärt sei, inwieweit bei den geltend gemachten Ansprüchen ein Regress des Betriebsübernehmers, der Ansprüche von Dienstnehmern befriedigt habe, gegen den Übergeber möglich sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens.

Die klagende Partei beantragte, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus den vom Berufungsgericht bezeichneten Gründen zulässig; jedoch im Ergebnis nicht berechtigt.

Durch höchstgerichtliche Rechtsprechung ist bereits geklärt, dass auch im Fall einer Vertragsnachfolge von einem Pächter auf einen anderen ein Betriebsübergang iSd § 3 Abs 1 AVRAG stattfinden kann. § 3 Abs 1 AVRAG knüpft nämlich nicht an ein Rechtsgeschäft bzw einen Eigentumswechsel, sondern schlicht an den Übergang eines Betriebs "auf einen anderen Erwerber" an. Der "Veräußerer"- und der "Erwerber"-Begriff sind - anders als nach § 1409 ABGB - weit zu ziehen. Diese müssen nicht Eigentümer des Betriebs, sondern bloß rechtlich gesicherte oder tatsächliche Inhaber mit Leitungsmacht (gewesen) sein. Das ist auch dann der Fall, wenn der Betrieb von einem Pächter auf den anderen übergeht (DRdA 1999, 149; RdW 2000/144; RIS-Justiz RS0110832).

An der Identität der wirtschaftlichen Einheit, wie sie von der Rechtsprechung gefordert wird (vgl DRdA 1999, 269 mwN; RdW 2000/144), ist im vorliegenden Fall nicht zu zweifeln. Die Streitparteien, die zueinander in keinem Vertragsverhältnis standen oder stehen, sind bzw waren Pächter derselben Tankstelle desselben Verpächters mit gleichbleibenden Dienstnehmern. Zufolge § 3 Abs 1 AVRAG gingen daher die Arbeitsverhältnisse mit dem Beklagten durch die Neuverpachtung dieses Betriebes auf die Klägerin als Neupächterin über.

Durch diesen Vertragseintritt ist klargestellt, dass der Erwerber neuer Dienstgeber der Arbeitnehmer ist und diesen gegenüber für sämtliche Arbeitnehmeransprüche haftet. Das steht im vorliegenden Fall nicht in Zweifel, hat doch die Klägerin die klagsgegenständlichen Arbeitnehmeransprüche erfüllt. Für die Haftung des Altinhabers des Unternehmens folgt aus § 6 Abs 1 AVRAG, dass er für Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis haftet, die vor dem Betriebsübergang begründet wurden. Das stellt schon nach der gesetzlichen Anordnung eine solidarische Haftung dar (SZ 70/168; SZ 71/100; RIS-Justiz RS0108284; Binder AVRAG Rz 18 zu § 6, Holzer/Reissner AVRAG 161 f mwN; Schima, Betriebsübergang durch Vertragsnachfolge, RdW 1996, 319 f; Rebhahn, Arbeitsrecht bei Betriebsübergang: Eintrittspflicht bei Insolvenz und Haftungsfragen Teil II, JBl 1999, 710 ff; Gahleitner, Arbeitgeberhaftung bei Betriebsübergang, ecolex 1994, 694; Reissner, Veräußererhaftung, ASoK 2000, 2).

Über die Möglichkeit eines Regresses des Erwerbers gegen den Veräußerer für den Fall, dass der Erwerber seinen Verpflichtungen zur Befriedigung von Dienstnehmeransprüchen nachgekommen ist, für die auch der Veräußerer nach § 6 Abs 1 und 2 AVRAG haftet, sagen die Bestimmungen des AVRAG nichts aus. Die Lösung des Regressproblems ist aber nach allgemein bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen vorzunehmen. Sind zwei oder mehrere Personen, wenn auch aus verschiedenem Rechtsgrund, zur selben Leistung verpflichtet (vgl SZ 67/153) und sind die Verbindlichkeiten auf dasselbe Gläubigerinteresse gerichtet (vgl Gamerith in Rummel3 Rz 3 zu § 888 ABGB mwN), so entsteht eine Gesamtschuld; dies führt zur Anwendbarkeit des § 896 ABGB, wenn der Erwerber die Schuld zur Gänze abgetragen hat (vgl Schima aaO; Gamerith aaO Rz 6 zu § 896 ABGB). Ein Ersatz nach § 1042 ABGB fände nur dann statt, wenn jemand eine fremde Schuld begleicht oder wenn seine Schuld subsidiär ist (vgl SZ 70/222; RIS-Justiz RS0108671). Zufolge der Bestimmungen der §§ 3 und 6 AVRAG haften für Altschulden der Veräußerer und der Erwerber solidarisch, eine Subsidiarität ist nicht vorgesehen.

Dass zwischen den Parteien eine andere vertragliche Regelung getroffen worden wäre, wurde nicht behauptet. Im Hinblick darauf erübrigt es sich auch auf die noch vor dem Inkrafttreten des AVRAG ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom zu 6 Ob 543/92 (= ARD 4397/25/92 - keine Ansprüche auf Ersatz offener Arbeitnehmerforderungen) weiter einzugehen.

Zu verdeutlichen ist allerdings, dass sich die folgenden Ausführungen nicht auf Fälle erstrecken, in denen der Übergang des Betriebes aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem früheren und dem neuen Betriebsinhaber erfolgt bzw eine Konsequenz gesellschaftsrechtlicher Umgestaltungen ist.

Dazu, wie das "besondere Verhältnis" des § 896 ABGB zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber zu definieren ist, ist den maßgeblichen Bestimmungen des AVRAG nichts Ausdrückliches zu entnehmen.

§ 6 Abs 2 AVRAG in der hier maßgeblichen Fassung des BGBl I 2002/52 iVm der Übergangsbestimmung des § 19 Abs 1 Z 12 AVRAG (bei Betriebsübergang wie hier vor dem besteht eine mit beginnende auf fünf Jahre beschränkte Haftung des Veräußerers) bestimmt das Ausmaß der unmittelbaren Haftung des Veräußerers gegenüber den Arbeitnehmern für Abfertigungs- und Pensionsansprüche in der Weise, dass es sich maßgeblich an dem Nutzen orientiert, den der betroffene Arbeitgeber aus der Leistung des Arbeitnehmers gezogen hat. Der Veräußerer hat nur mit jenem Betrag zu haften, der dem fiktiven Abfertigungsanspruch im Zeitpunkt des Betriebsübergangs entspricht.

Damit ist zunächst noch nicht gesagt, dass dieses Haftungsausmaß auch das Ausmaß des Gesamtschuldnerregresses bestimmen muss.

Sowohl aus den Haftungsregeln der §§ 6 Abs 1 und 2 AVRAG,§ 1409 ABGB und § 25 HGB als auch aus den allgemeinen Grundgedanken der bereicherungsrechtlichen Bestimmungen der §§ 1041 ff ABGB ist zu schließen, dass es wohl am sachgerechtesten ist, dann wenn der der Betriebsübergang ohne Vereinbarung mit dem alten Betriebsinhaber erfolgt, den Regress danach zu bestimmen, welchen Nutzen der alte Betriebsinhaber als Arbeitgeber aus den Leistungen des Arbeitnehmers gezogen hat und welche Entgeltbestandteile diesen Nutzen abgelten sollen. Der Grad dieses Nutzens wird vereinfachend mit dem Anteil an der Dienstdauer gleichgesetzt werden können (Schima aaO in FN 60).

§ 6 Abs 1 AVRAG normiert eine Haftung des Veräußerers für Verpflichtungen aus einem Arbeitsverhältnis, die vor dem Zeitpunkt des Übergangs begründet wurden. Ohne Zweifel bedeutet das eine Haftung für jene Verbindlichkeiten, die bereits vor dem Übergang fällig waren. Problematisch ist die Haftung für erst nach dem Übergang fällig werdende Verbindlichkeiten. Der überwiegende Teil der Lehre interpretiert und konkretisiert daher den Begriff "begründet" mit dem Entstehen des Anspruchs (Rebhahn, JBl 1999, 710 ff bei und in FN 89 mwN). Daraus wird abgeleitet, dass dienstzeitbezogene Ansprüche, die nicht erst durch das rechtliche Ende des Arbeitsverhältnisses entstehen, von der Veräußererhaftung umfasst sind. Weil solche Ansprüche auch schon vor dem Zeitpunkt ihrer Fälligkeit schützenswerte Rechte darstellen (Gahleitner aaO), ist nach überwiegender Lehre eine Veräußererhaftung auch bei Anwartschaftsrechten gegeben und dienstzeitbezogen zu beurteilen. So lehrt Rebhahn (aaO), dass es nicht auf die Fälligkeit der Dienstnehmeransprüche ankommt, sondern darauf, ob ein Anspruch schon sukzessive mit der Dienstleistung entstanden ist, außer die Rechtsgrundlage verwirklicht das Stichtagsprinzip. Ähnliche Ansichten vertreten Reissner (aaO), Wagnest (Die Haftung bei Übergang eines Unternehmens oder Betriebes 62) und Binder (aaO), wobei letzterer allerdings Anwartschaftsrechte nur insoweit von der Haftung des Veräußerers umfasst wissen will, als sie bereits voll entstanden sind. Lediglich Schrank (ecolex 1993, 542) und Grillberger (WBl 1993, 314 f) wollen § 6 Abs 1 AVRAG nur auf rückständige Entgeltansprüche, nicht aber auf Anwartschaftsrechte anwenden, soweit sie nicht von § 6 Abs 2 AVRAG umfasst sind.

Der erkennende Senat ist der Ansicht, dass es nicht auf die Fälligkeit der Dienstnehmeransprüche ankommt, sondern darauf, ob der Anspruch bzw das Anwartschaftsrecht schon sukzessive mit der Dienstleistung entstanden ist, und dass sich auch der Regress zwischen Übernehmer und Veräußerer nach diesen Kriterien zu richten hat, weil dies im Wesentlichen dem Nutzen entspricht, den der betroffene Arbeitgeber aus der Leistung des Arbeitnehmers gezogen hat.

Allerdings ist aufgrund der geänderten Rechtslage und Rechtsprechung das von den genannten Autoren (insb Holzer/Reissner aaO 158 f und Binder aaO Rz 20 zu § 6) und ihnen folgend vom Berufungsgericht vertretene Stichtagsprinzip wesentlich einzuschränken.

Für die hier strittigen Ansprüche gilt Folgendes:

Für Abfertigungsansprüche, die nach dem Betriebsübergang entstehen, normiert § 6 Abs 2 AVRAG eine Veräußererhaftung mit jenem Betrag, der dem fiktiven Abfertigungsanspruch im Zeitpunkt des Betriebsüberganges entspricht. Unter der Voraussetzung, dass die Beschäftigungsdauer beim Veräußerer bereits drei Jahre erreicht hat (Holzer/Reissner aaO 163 ua), haftet der Veräußerer für jenen Betrag, der dem fiktiven Abfertigungsanspruch im Zeitpunkt des Betriebsüberganges entspricht.

Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass der vom Dienstnehmer in Anspruch genommene "Erwerber" vom "Veräußerer" die im Betriebsübergangszeitpunkt zustehende Abfertigung verlangen kann, was auch 100 % der Abfertigung entsprechen kann, wenn nach Betriebsübergang kein "Dienstalterssprung" mehr eingetreten ist (Schima aaO; Binder aaO Rz 26 zu § 6). Auch der Umstand, dass Abfertigungsansprüche bei einer einvernehmlichen Auflösung eines Dienstverhältnisses vereinbart werden, schließt eine Veräußererhaftung nach § 6 Abs 2 AVRAG nicht aus.

Ansprüche auf Sonderzahlungen entstehen grundsätzlich sukzessive mit der Leistung. Demgemäß gebührt bei periodischen Remunerationen ein aliquoter Anteil auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis vor Fälligkeit des Anspruches gelöst wird; so ausdrücklich § 16 AngG, der gemäß § 40 AngG zwingendes Recht ist. Dies gilt auch für Sonderzahlungen für Arbeiter, die aufgrund von Kollektivverträgen gebühren. Zwar enthalten Kollektivverträge ausnahmsweise noch Remunerationsregelungen, die nach dem sogenannten Stichtagsprinzip konstruiert sind. Der Oberste Gerichtshof hält allerdings nunmehr seit längerem eine Stichtagsregelung für unzulässig, weil und wenn sie dadurch die Arbeitnehmerkündigung erschwert, jedoch für den Fall der berechtigten Entlassung, unberechtigten Austritt udgl für rechtskonform (vgl Arb 10.888; SZ 63/199; DRdA 1993/12; DRdA 1993/19 ua; Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 233). Für das Eingreifen der Veräußererhaftung reicht aber aus, wenn die Entgeltforderung in der Veräußererperiode erarbeitet wurde (Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht8 355 f; Binder aaO Rz 20 zu § 6; aA Holzer/Reissner aaO 158). Wesentlich ist ja nur, ob der Nutzen der Arbeitsleistung, für die diese Entgeltansprüche zustehen, dem alten Arbeitgeber zugute gekommen ist. Dass diese Entgeltansprüche für die regelmäßig erbrachte Arbeitsleistung gebühren, lässt sich schon aus der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes ableiten, wonach mangels abweichender Vereinbarung Sonderzahlungen nicht für Zeiten zustehen, für die keine Pflicht zur Entgelt-(fort-)zahlung besteht (vgl RIS-Justiz RS0030306 mwN etwa 9 ObA 64/97w).

Hieraus folgt, dass Ansprüche auf Sonderzahlungen (Urlaubszuschuss, Weihnachtsremuneration) stets - ähnlich dem laufenden Entgelt - mit Zeitablauf aliquot erworben werden, sodass der Veräußerer schon aus diesem Grund für die "Altschulden", die seinen Anteil darstellen, einzustehen hat. Für die Frage der Haftung des Veräußerers und parallel dazu des Regressanspruches des Erwerbers gegen jenen ist es daher ebenfalls geboten, ausschließlich auf die beim jeweiligen Arbeitgeber zugebrachten Dienstzeiten abzustellen, weil diesem auch der Nutzen aus der Arbeitsleistung zugute gekommen ist.

Gleiches gilt auch für die Ersatzleistungen für nicht verbrauchten Urlaub (§ 10 UrlG). Auch der Urlaub ist ein Teil der Gegenleistung, die dem Arbeitnehmer für seine Arbeitsleistung gebührt und die ihm im Falle der Nichtkonsumation bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses in Geld abzugelten ist.

Auch wenn früher hinsichtlich der Urlaubsentschädigung (§ 9 UrlG aF) und der Urlaubsabfindung (§ 10 UrlG aF) vom "Stichtagsprinzip" ausgegangen wurde, weil der Anspruch hierauf erst mit Ende des Dienstverhältnisses entstand, und deshalb ein Regress gegen den Veräußerer abgelehnt wurde (Reissner/Holzer aaO 159 ua), kann diese Ansicht aufgrund der geänderten Rechtslage heute nicht mehr aufrechterhalten werden.

Durch die Neuregelung (§ 10 UrlG idF BGBl I 2000/44, die mit in Kraft trat und ab dem Urlaubsjahr, das nach dem beginnt, gilt [§ 19 Abs 5 UrlG]) ist nunmehr auch die Ersatzleistung als Abgeltung für den der Dauer der Dienstzeit in diesem Urlaubsjahr im Verhältnis zum gesamten Urlaubsjahr entsprechenden Urlaub zu aliquotieren. Im Sinne der konsequenten Verfolgung des Grundsatzes, dass schlussendlich derjenige für Ansprüche der Dienstnehmer haften soll, dem die Arbeitsleistung zugute gekommen ist, ist im internen Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber derjenige mit den Kosten zu belasten, bei dem der Urlaubsanspruch entstanden ist, und infolge dessen auch der Regressanspruch auf Abgeltung des Urlaubs dementsprechend zu aliquotieren: Es wäre durch nichts gerechtfertigt, den Erwerber endgültig für Zahlungen nach § 10 UrlG haften zu lassen, die nur dadurch entstanden sind, dass der Arbeitnehmer beim Veräußerer seinen Urlaub nicht in natura konsumieren konnte.

Nach den hier dargelegten - vom Berufungsgericht teilweise abweichenden - Kriterien wird das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren die Regressforderungen der Klägerin einer Prüfung zu unterziehen haben, wobei im Falle der Bestreitung naturgemäß auch zu prüfen sein wird, ob die von ihr befriedigten Dienstnehmeransprüche tatsächlich mit jenen Beträgen bestanden, deren Rückforderung sie vom Beklagten begehrt.

Im Übrigen gehört die vom Berufungsgericht für notwendig erachtete Erweiterung der Tatsachengrundlage der vom Obersten Gerichtshof unüberprüfbaren Tatsachenebene an.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.