OGH vom 24.09.2008, 7Ob118/08s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei Rudolf R*****, vertreten durch Mag. Gregor Olivier Rathkolb, Rechtsanwalt in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden und widerbeklagten Partei Herbert W***** GesmbH, *****, vertreten durch Walch & Zehetbauer Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte und widerklagende Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in Maria Enzersdorf, wegen 6.591,78 EUR sA und 12.137,66 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom , GZ 17 R 202/07p-47, womit das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom , GZ 3 C 1523/05z, 3 C 42/06g-39, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Teilurteil des Berufungsgerichts (Punkt I. 1./1., 2. und 3. seines Spruchs) und Punkt I. des Ersturteils in der Hauptsache - einschließlich dessen Kostenentscheidung - werden, soweit die Entscheidung nicht im Umfang der Abweisung von 409,76 EUR in Rechtskraft erwachsen ist, aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Klägerin und widerbeklagte Partei (in der Folge: Klägerin) erbrachte für die Beklagte und widerklagende Partei (in der Folge: Beklagte) diverse Speditionsleistungen aufgrund des für alle Transporte geltenden Anbots vom im Zeitraum Juli 2004 bis November 2004. In diesem „Anbot für Speditionsleistungen", in dem unter anderem die Preise und Lieferbedingungen genannt waren, wurde auch darauf hingewiesen, dass die Klägerin ausschließlich aufgrund der AÖSp arbeite. Die Beklagte erklärte der Klägerin gegenüber, „SVS/RVS/SKR Verbotskundin" zu sein.
Die Klägerin ließ den Transport vom nach Frankreich durch die Nebenintervenientin durchführen, mit der sie in ständiger Geschäftsbeziehung steht. Bei den Frankreichfahrten kam es bisher zu keinem Verlust von Waren durch Einbruchsdiebstahl. Die drei Paletten wurden von der Beklagten „ohne Ausstellung eines Frachtbriefs" abgeholt und zum Lager der Nebenintervenientin gebracht. Die Paletten waren Teil eines Sammelguttransports von insgesamt 34 Paletten (24 Tonnen) auf einem Schiebeplanenaufleger, wie er von der Nebenintervenientin für deren Frankreichrouten ausschließlich verwendet wird. Auf den Paletten befanden sich Toner mit einem Gesamtgewicht von 80 kg. Hinsichtlich der weiters transportierten Waren kann weder die Ware noch das Gewicht festgestellt werden. Die Lieferscheine zu den Waren wurden dem Lenker übergeben.
Schiebeplanenaufleger haben an den Seitenwänden im Abstand von 30 cm horizontale Einschubplatten und zur Stabilisierung senkrechte Latten. Die Heckportaltüren sind zweiflügelig und werden mit einem Drehstangenverschluss, der mit einem Schloss gesichert wird, gesperrt. Der Fahrer war am Tag des Schadenseintritts elf Jahre als Fernfahrer bei der Nebenintervenientin beschäftigt. Er übernahm den bereits beladenen und mit dem Schloss gesicherten Aufleger. Für das Ladegut wurde ihm ein Sammelfrachtbrief übergeben. Nur wenige Kilometer vor der kurz vor Paris gelegenen Entladestelle endete die für den Lkw-Fahrer erlaubte Fahrzeit von neun Stunden, auf deren Einhaltung in Frankreich besonders streng geachtet wird. Der Fahrer stellte sein Fahrzeug gegen Mitternacht auf einem großen Parkplatz, auf dem auch andere Lkws parkten, ab. Er schlief im Fahrzeug und wollte gegen 9:30 Uhr weiterfahren. Bei einem Kontrollgang um das Fahrzeug stellte er fest, dass bei den Ladetüren das Schloss aufgebrochen war und Ware fehlte.
Die Nebenintervenientin setzt regelmäßig sechzig Lkw für Frankreichtouren ein, wobei pro Lkw ca 75 Fahrten im Jahr durchgeführt werden. Ein bis zwei Mal im Jahr ereignen sich Diebstähle.
Die Nebenintervenientin stellt nur erfahrene Lkw-Fahrer ein, die einmal jährlich zum Thema der Fahrzeug- und Ladungssicherung sowie Thema „Einbruchsdiebstahl" geschult werden.
Die Klägerin teilte der Nebenintervenientin noch im Juli 2004 mit, dass nichts Näheres über den tatsächlich eingetretenen Schaden bekannt sei, dass sie aber allenfalls für einen Verlust der Waren zu haften habe. Die Beklagte konkretisierte ihren Schaden aus dem Transport im September 2004 gegenüber der Klägerin. Der Versicherer bot der Beklagten gegen Verzicht auf jede weitere Forderung die Bezahlung von 226,50 EUR pro kg Ware an. Er ermittelte einen Betrag von 2.265 EUR. Die Beklagte lehnte das Anbot ab.
Für den Transport vom verrechnete die Klägerin mit Rechnung vom , fällig am , 409,76 EUR. Sie erbrachte nach diesem Transport noch weitere Transportleistungen, wofür sie insgesamt 6.182,74 EUR in Rechnung stellte.
Über das Vermögen der Klägerin wurde mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom das Ausgleichsverfahren eröffnet, das mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom nach rechtskräftiger Bestätigung des am angenommenen Ausgleichs aufgehoben wurde.
Die Beklagte hat ihre Schadenersatzforderung im Ausgleichsverfahren nicht angemeldet und auch dem Ausgleichsverwalter gegenüber keine Aufrechnungserklärung abgegeben.
Die Klägerin begehrt nun das Entgelt für die von ihr erbrachten Transportleistungen (3 C 1523/05z).
Die Beklagte stellt - abgesehen von der Rechnung vom über 409,76 EUR - die Klagsforderung außer Streit. Sie wendet aber ihre Schadenersatzforderung aufgrund des Diebstahls bei diesem Transport in der Höhe von 12.137,66 EUR als Gegenforderung aufrechnungsweise bis zur Höhe des Klagsbetrags ein. Das vereinbarte Aufrechnungsverbot nach § 37 AÖSp gelte im Hinblick auf das Ausgleichsverfahren nicht. Da die Forderungen und die Gegenforderung vor der Ausgleichseröffnung entstanden seien, sei die Beklagte zur Aufrechnung nach § 19 AO im vollen Umfang der Gegenforderung berechtigt. Die Klägerin habe für das grob fahrlässige Verhalten des Fahrers einzustehen. Der Fahrer habe das Ladegut unbeaufsichtigt gelassen, obwohl ihm und der Klägerin wiederholt Diebstähle bekannt gewesen seien. Es sei jede Sicherung unterlassen worden. Die Klägerin berufe sich überdies zu Unrecht auf die Haftungsbeschränkung von 8,33 Rechnungseinheiten für jedes fehlende Kilogramm des Rohgewichts. Es sei der Klägerin nicht nur die Faktura vom übergeben worden, sondern es sei der Nettofakturenwert auch im Frachtbrief eingetragen.
Die Klägerin bestreitet, dass eine Aufrechnung aufgrund des Aufrechnungsverbots zulässig sei. Im Übrigen bestehe die Gegenforderung nicht zu Recht. Dem Fahrer sei kein Verschulden anzulasten. Eine Vereinbarung gemäß Art 24 ff CMR sei nicht zustandegekommen. Einseitige Angaben der Beklagten seien nicht maßgeblich. Für eine wirksame Haftungserhöhung sei ein Zuschlag zur Fracht zu vereinbaren, was hier nicht geschehen sei. Die Klägerin berufe sich daher zu Recht auf die Haftungsbeschränkung des Art 23 CMR. Ausgehend von einem Gewicht von 114 kg ergebe sich unter Berücksichtigung des aktuellen Umrechnungskurses ein Betrag von 1.145,10 EUR. Die Ware sei auf eine solche Weise transportiert worden, dass durch Aufschneiden der Plane nicht habe abgeklärt werden können, was transportiert werde. Die Ausstattung der Fahrzeuge habe jener entsprochen, die üblicherweise für Sammelguttransporte verwendet werde. Der Beklagten stehe höchstens die Ausgleichsquote zu.
Die Nebenintervenientin schloss sich im Wesentlichen dem Vorbringen der Klägerin an.
Die Beklagte brachte zu 3 C 42/06g des Erstgerichts die Widerklage über 12.137,66 EUR ein, mit der sie ihre Schadenersatzforderung aus dem Transport vom selbständig geltend machte. Die Klägerin begehrte die Klagsabweisung und wandte weiters auch Verjährung ein.
Das Erstgericht sprach in den verbundenen Verfahren aus, dass die zu 3 C 1523/05z geltend gemachte Klagsforderung mit 6.591,78 EUR zu Recht, die eingewandte Gegenforderung nicht zu Recht bestehe und die Beklagte schuldig sei, den Klagsbetrag samt den geltend gemachten Zinsen zu bezahlen. Das Begehren der Widerklage (3 C 42/06g) wies es ab. In rechtlicher Hinsicht gelangte es zu dem Ergebnis, dass der Schuldner gemäß § 53 Abs 1 AO durch den rechtskräftig bestätigten Ausgleich allen Gläubigern gegenüber befreit sei, auch wenn sie am Ausgleichsverfahren nicht teilgenommen hätten. Die Gegenforderung stamme aus der Zeit vor Ausgleichseröffnung, sodass die Beklagte infolge rechtskräftiger Bestätigung des Ausgleichs jedenfalls auf die Ausgleichsquote beschränkt sei. Da die Ausgleichsquote aber nicht habe festgestellt werden können, könne die von der Beklagten behauptete Forderung schon der Höhe nach nicht ermittelt werden. Die (Gegen-)Forderung bestehe nicht zu Recht.
Das Berufungsgericht änderte das angefochtene Urteil in der Hauptsache mit Teilurteil dahin ab, dass es zu 3 C 1523/05z die Klagsforderung als mit 6.182,02 EUR zu Recht bestehend erkannte und die von der Beklagten erhobene Kompensationseinwendung über 12.137,66 EUR abwies. Es erkannte die Beklagte schuldig, der Klägerin 6.182,02 EUR zu bezahlen und wies das Mehrbegehren von 409,76 EUR (in der Begründung) ab. Hinsichtlich des Zinsenbegehrens hob es das Ersturteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung hierüber auf. Ebenso hob es das die Widerklage abweisende Urteil auf, ohne die Zulässigkeit des Rekurses auszusprechen. Die aufhebenden Teile der Berufungsentscheidung sind nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, dass die Beklagte ihre Hauptleistungspflicht, nämlich alle zumutbaren Maßnahmen zum Schutz des Guts vor Diebstahl vorzunehmen, nicht erfüllt und somit keinen Anspruch auf die verrechnete Fracht von 409,76 EUR aus der Rechnung vom habe. Dieser Betrag sei daher von den im Übrigen dem Grunde und der Höhe nach außer Streit gestellten Speditionsleistungen in Abzug zu bringen, sodass die Klagsforderung mit 6.182,02 EUR als berechtigt festzustellen sei. Der vertragliche Ausschluss der Aufrechnung nach § 32 AÖSp verstoße nicht gegen die guten Sitten, weil der Beklagten die gesonderte Geltendmachung der Gegenansprüche im Klagsweg oder Widerklagsweg offen bleibe. Die Vereinbarung eines Kompensationsverbots erstrecke sich aber (im Zweifel) nicht auf den Fall, dass der Schuldner der Gegenforderung in Konkurs oder Ausgleich verfalle, da es die volle Bezahlung der beiden Forderungen bezwecke, während in diesen Fällen die volle Bezahlung der Gegenforderung nicht verlangt werden könne. Für die Aufrechnung im Ausgleich seien neben den §§ 1438 ff ABGB die §§ 19 ff AO anzuwenden. Grundsätzlich sei die Aufrechnung nur dann möglich, wenn die Aufrechnungslage bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden habe. Ratio legis sei, dass der Gläubiger, der bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch Schuldner gewesen sei, schutzwürdig sei, wenn er im Vertrauen auf die Aufrechnungsmöglichkeit nichts unternommen habe. Sei er aber erst zu einem späteren Zeitpunkt Schuldner geworden, so entfalle dieser Aspekt. Mache der Gläubiger von der ihm durch das Gesetz gegebenen Möglichkeit der Aufrechnung im Ausgleichsverfahren gerichtlich oder außergerichtlich keinen Gebrauch, dann könne er nach Beendigung des Ausgleichs nur mehr mit der Ausgleichsquote seiner Forderung aufrechnen. Im konkreten Fall habe die Beklagte ihre Forderung im Ausgleich nicht angemeldet. Sie könne daher, wenn überhaupt, nur mehr mit der Ausgleichsquote ihrer Forderung aufrechnen. Da der Zweck des Ausschlusses des Aufrechnungsverbots im Ausgleichsfall, die volle Befriedigung der Gegenforderung, nicht mehr erreicht werden könne, sei das Aufrechnungsverbot für wirksam zu erachten. Es sei daher der Aufrechnungseinwand im Hinblick auf das wirksam vereinbarte Aufrechnungsverbot abzuweisen. Hinsichtlich des Zinsenbegehrens werde das Ersturteil auch zu 3 C 1523/05z aufgehoben, weil die Beklagte dieses bis zuletzt substantiiert bestritten habe.
Das Berufungsgericht sprach im Hinblick darauf, dass die einzelnen Klagsforderungen aufgrund des Rahmenvertrags vom gemäß § 55 Abs 1 Z 1 JN wegen des rechtlichen Zusammenhangs zusammenzurechnen seien, aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es fehle oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob das vertraglich vereinbarte Aufrechnungsverbot nach rechtskräftiger Beendigung des Ausgleichsverfahrens Wirksamkeit entfalte.
Gegen den klagsstattgebenden Teil des Urteils richtet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag.
Die Klägerin und die Nebenintervenientin beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig. Ein rechtlicher Zusammenhang im Sinn des § 55 Abs 1 Z 1 JN liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder derselben Rechtsnorm abgeleitet werden. Ob die Voraussetzungen für die Zusammenrechnung vorliegen, ist nach den Klagsbehauptungen zu beurteilen (3 Ob 52/08f; RIS-Justiz RS0042741).
Nach dem Klagsvorbringen wurden die Transportaufträge aufgrund des Anbots vom , das allen Transporten zugrundegelegt werden sollte, erbracht. In dem Anbot wurden sowohl Preise als auch Lieferbedingungen genannt, und es wurde dementsprechend eine Art Gesamtvertrag, in dessen Rahmen die weitere Tätigkeit der Klägerin für die Beklagte erfolgen sollte, vereinbart. Dadurch ist der rechtliche Zusammenhang nach § 55 Z 1 JN gegeben (6 Ob 591/85 = RIS-Justiz RS0037926 [T13]).
Die Revision ist auch im Sinn des in jedem Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrags berechtigt.
Die Aufrechnung tritt nicht von selbst ein; es bedarf einer ausdrücklichen oder schlüssigen Aufrechnungserklärung (RIS-Justiz RS0033835 [T2]; Griss in KBB² § 1438, Rz 3). Der Einwand der Beklagten, es sei bereits außergerichtlich der Klägerin gegenüber die Aufrechnung erklärt worden, ist ein Schuldtilgungseinwand. Ihm wird - abgesehen davon, dass der Einwand gegen das Neuerungsverbot verstößt - schon dadurch der Boden entzogen, dass die Beklagte selbst nicht die Abweisung des Klagebegehrens im Hinblick auf die Tilgung der Schuld begehrte, sondern nur prozessual die Aufrechnungseinrede erhob (vgl RIS-Justiz RS0033915).
Das Berufungsgericht wies die Kompensationseinwendung im Hinblick auf das vertragliche Aufrechnungsverbot ab, ohne die Gegenforderung weiter zu prüfen.
Nach ständiger Rechtsprechung erstreckt sich die Vereinbarung eines Kompensationsverbots im Zweifel nicht auf den Fall, dass über das Vermögen des Schuldners der Gegenforderung ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, weil das Kompensationsverbot die volle Bezahlung beider Forderungen bezweckt, während im Insolvenzfall die volle Bezahlung der Gegenforderung nicht verlangt werden kann (7 Ob 2177/96i, 6 Ob 288/03a; RIS-Justiz RS0033930; Griss in KBB², § 1440, Rz 9; Dullinger in Rummel³, § 1440 ABGB, Rz 32; Gamerith in Bartsch/Pollack/Buchegger, Kommentar, § 19 KO, Rz 15; Schubert in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze, §§ 19, 20 KO, Rz 8). Es soll also ein vertraglich vereinbartes Kompensationsverbot die Aufrechnungsmöglichkeit nach §§ 19 KO und AO nicht unterlaufen.
Die Aufrechnung im Insolvenzverfahren ist in den §§ 19, 20 KO und 19, 20 AO geregelt. Danach müssen sich die Forderungen bei Insolvenzeröffnung bereits aufrechenbar gegenübergestanden haben. Entsteht eine der Forderungen erst durch die oder nach der Eröffnung des Konkurs- oder Ausgleichsverfahrens, fehlt es an dieser Voraussetzung der Aufrechenbarkeit. Eine Bedingung oder Befristung schadet nicht (2 Ob 240/01k mwN). Die Regelung der Aufrechnung im Insolvenzverfahren beruht auf der Erwägung, dass es unbillig wäre, vom Schuldner des Ausgleichsschuldners Vollzahlung zu verlangen, ihm aber für seine Gegenforderung nur die Ausgleichsquote zu gewähren (RIS-Justiz RS0051596). Ein aufrechnungsberechtigter Konkurs- oder Ausgleichsgläubiger hat eine ähnliche Stellung wie ein Absonderungsgläubiger; er braucht sich - gleichgültig, ob er seine Forderung im Konkurs angemeldet hat oder nicht - nicht mit der Quote, die auf ihn im Konkurs entfiele, zu begnügen (RIS-Justiz RS0064257). Die volle Deckung der Forderung des Ausgleichsgläubigers durch eine im Ausgleichsverfahren erlaubte Aufrechnung ist keine Verletzung der Gleichbehandlungsvorschriften und damit keine Sonderbegünstigung im Sinn von § 47 AO (RIS-Justiz RS0051592).
Kontroversiell wird die Frage beantwortet, ob der Konkurs-/Ausgleichsgläubiger im Insolvenzverfahren aufrechnen muss, um der Kürzung seiner Forderung durch einen (Zwangs-)Ausgleich zu entgehen oder ob er im Hinblick auf §§ 19 KO und AO Forderungen, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits aufrechenbar waren, im Insolvenzverfahren nicht geltend machen muss.
In SZ 31/149, ihr folgend 2 Ob 526/80, 2 Ob 630/87 und 9 ObA 46/03k (= RIS-Justiz RS0051601) wurde unter ausdrücklicher Ablehnung der gegenteiligen, in Deutschland herrschenden Ansicht die Rechtsmeinung vertreten, dass der Gläubiger, der von der ihm durch das Gesetz eingeräumten Möglichkeit, während des Ausgleichsverfahrens gerichtlich oder außergerichtlich die Aufrechnung zu erklären, keinen Gebrauch mache, nach Beendigung des Ausgleichs nur mehr mit der Ausgleichsquote seiner Forderung aufrechnen könne. Diese Ansicht wurde damit begründet, dass mit der Bestätigung des Ausgleichs die Wirkung des § 53 AO (wonach durch den rechtskräftig bestätigten Ausgleich der Schuldner von der Verbindlichkeit befreit ist, seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich zu ersetzen oder für die sonst gewährte Begünstigung nachträglich aufzukommen, gleich viel ob sie am Verfahren oder an der Abstimmung über den Ausgleich teilgenommen oder gegen den Ausgleich gestimmt haben) gegenüber allen Gläubigern eintrete, sofern nicht das Gesetz selbst einzelne von ihnen - wie etwa in § 46 Abs 1 und 2 AO - von diesen Wirkungen ausnehme. Die Aufrechnungsberechtigten seien von den Ausnahmebestimmungen von der Gleichbehandlung aller Gläubiger nicht umfasst, sodass für sie § 53 AO gelte.
Rummel in Rummel² (§ 1439 ABGB, Rz 11) tritt dieser Ansicht bei und begründet sie noch damit, dass eine spätere Aufrechnung mit der vollen Forderung die Befriedigung der Ausgleichsschulden vereiteln könne. Auch Wegan in Österreichisches Insolvenzrecht, S 226, und Heidinger in Schwimann³, § 1439 ABGB, Rz 16, folgen der SZ 31/149.
In der Entscheidung SZ 44/7 wurde die Ansicht vertreten, dass SZ 31/149 nicht anzuwenden sei, wenn sowohl die Forderung des Klägers als auch die Gegenforderung des Beklagten aus der Zeit vor Eröffnung des Ausgleichsverfahrens stammten. Werde die Aufrechnung begehrt, beziehe sich ihre Wirkung auf den Zeitpunkt zurück, in welchem die Forderungen sich zuerst aufrechenbar gegenüber gestanden seien. Vom Ausgleich könne demnach nur der im Zeitpunkt der Eröffnung des Ausgleichs noch nicht als durch die Gegenforderung getilgte Teil der Forderung des Klägers betroffen werden. Dem scheinen die Entscheidungen 3 Ob 76/97s und 6 Ob 2072/96s (ohne ausdrücklich von SZ 31/149 abzugehen) zu folgen.
Die in der Lehre vertretene Gegenmeinung zu SZ 31/149 erkennt, dass damit die §§ 19 KO und AO mehr oder minder zu inhaltsleeren Bestimmungen würden, werde doch in ihnen ausdrücklich normiert, dass der Aufrechnungsberechtigte im Insolvenzverfahren seine Forderungen nicht geltend machen müsse. Nach SZ 31/149 müsste sich der Anspruchsberechtigte aber dennoch - entgegen dem Gesetzeswortlaut - am Insolvenzverfahren beteiligen, wollte er sich seine gesetzliche Aufrechnungsmöglichkeit mit der gesamten Forderung erhalten. Dabei werde außer Acht gelassen, dass der aufrechnungsberechtigte Gläubiger vom Gesetz nicht wegen der während des Insolvenzverfahrens vollzogenen Aufrechnung begünstigt werde, sondern wegen der Sicherheit, die er bei Verfahrenseröffnung für seine Forderung in Gestalt des dem Gemein- bzw Ausgleichsschuldner gegen ihn zustehenden Anspruchs gehabt habe (Griss in KBB², § 1439, Rz 5;(dieselbe) Reiterer, Die Aufrechnung, S 24 ff; Dullinger, Handbuch der Aufrechnung, S 311 ff; diesselbe in Rummel³, § 1439, Rz 12; Petschek/Reimer/Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht, S 476; Gamerith in Bartsch/Pollack/Buchegger, § 19 KO Rz 18; Schubert aaO §§ 19, 20 KO, Rz 13).
Der Oberste Gerichtshof schließt sich nunmehr unter Abgehen von der durch SZ 31/149 begründeten Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0051601) der mittlerweile überwiegenden Rechtsansicht an, dass Gläubiger von der ihnen durch das Gesetz in §§ 19, 20 KO und AO eingeräumten Aufrechnungsmöglichkeit auch noch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens Gebrauch machen können, wenn sie während des Ausgleichsverfahrens keine Aufrechnungserklärung abgegeben haben. Sie sind nicht auf die Quote beschränkt. Dies entspricht den §§ 19 Abs 1 KO und AO, denen sonst kaum Bedeutung zukäme. Die vom Gesetz gewollte Begünstigung des Aufrechnungsgläubigers ergibt sich bereits aus den §§ 19 KO und AO und trägt der oben dargelegten Sonderstellung des Aufrechnungsberechtigten Rechnung.
Da also die Beklagte auch nach Aufhebung des Ausgleichsverfahrens im Sinn des § 19 AO die Aufrechnungserklärung abgeben kann, obwohl sie sich am Ausgleichsverfahren nicht beteiligt hat, sie also auf diesem Weg die Möglichkeit hat, nicht nur mit der Quote, sondern mit ihrer gesamten Forderung aufzurechnen, kann sich die Klägerin auf den Einwand des Kompensationsverbots nicht berufen. Dieses würde ansonsten die gesetzliche Aufrechnungsmöglichkeit unterlaufen, was nicht dem beabsichtigten Zweck der Vereinbarung - wie bereits dargestellt - entsprechen würde.
Das Berufungsgericht hat zu Unrecht das Vorliegen eines Aufrechnungsverbots bejaht. Die Aufrechnungseinrede wurde als materiellrechtlicher Einwand abgewiesen (RIS-Justiz RS0033992, RS0040726). Da aber das Aufrechnungsverbot nicht besteht, ist nun das Bestehen der Gegenforderung zu prüfen. Dazu reicht aber der bisher festgestellte Sachverhalt nicht aus, der offenbar im Hinblick auf die dargestellten Rechtsansichten der Vorinstanzen ergänzungsbedürftig blieb.
Der Frachtführer haftet gemäß Art 3 CMR für Handlungen und Unterlassungen aller Personen, deren er sich bei Ausübung der Beförderung bedient, wie für eigene Handlungen und Unterlassungen. Grundsätzlich endet der Aufgabenbereich des Frachtführers mit der Übergabe des Transportguts an den annahmeberechtigten Empfänger (RIS-Justiz RS0062537), dem die Gewahrsame eingeräumt wird. Der Frachtführer haftet für den gänzlichen oder teilweisen Verlust des Gutes (Art 17 CMR). Der Frachtführer wird von der Haftung für den Verlust des Frachtguts nur befreit, wenn dieser auf einem unabwendbaren Ereignis beruht, es also dem Frachtführer auch durch Anwendung äußerster, nach den Umständen des Falles möglicher und vernünftigerweise zumutbarer Sorgfalt nicht möglich war, den Schadenseintritt zu verhindern (7 Ob 69/08k; RIS-Justiz RS0073763).
Zur Beurteilung des Verschuldens des der Klägerin zuzurechnenden Fahrers fehlen genauere Feststellungen über den Ort des Diebstahls, wie etwa wo sich der Parkplatz befand, wie er gestaltet war, seine Umgebung, wo der LKW abgestellt wurde, und ob es noch andere taugliche, abgesicherte Abstellmöglichkeiten auf der Route gegeben hätte. Erst nach Verbreiterung der Tatsachengrundlage kann die von den Umständen des Einzelfalls abhängende Beurteilung (7 Ob 69/08k; RIS-Justiz RS0087606) erfolgen, ob dem Lkw-Fahrer der Klägerin ein (grobes) Verschulden am Diebstahl eines Teils der Ware anzulasten ist. Bei Bejahung der Haftung wird sich das Erstgericht auch mit der Höhe der Gegenforderung auseinandersetzen müssen. Da die Feststellungen ohnedies ergänzt werden müssen, konnte die Rechtssache gleich an das Erstgericht zurückverwiesen werden, obwohl sich das Berufungsgericht mit der Beweisrüge Punkt 6 der Berufung noch nicht auseinandergesetzt hat.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.