OGH vom 17.07.2018, 4Ob102/18f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** GmbH Co KG, *****, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 42.000 EUR), Urteilsveröffentlichung (Streitwert 1.200 EUR) und 5.472 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 183/17v10, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 19 Cg 59/17y6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.216,34 EUR (darin enthalten 369,39 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile sind jeweils Medieninhaber periodischer Druckwerke. Am 3., 5. und veröffentlichte die Beklagte in ihrer Tageszeitung sowie in ihrem e-Paper ohne Zustimmung der Klägerin ein Foto mit A***** G*****, der in bäuerlicher Stube mit einem rot-weiß-karierten Kopftuch posiert. Dieses Foto wurde vom Fotografen J***** P***** hergestellt, der sämtliche Werknutzungsrechte an die Klägerin abgetreten hat.
In einem zwischen den Streitteilen des vorliegenden Verfahrens geführten (Vor-)Verfahren des Handelsgerichts Wien wurde die Beklagte mit rechtskräftigem Urteil vom verpflichtet, „es ab sofort zu unterlassen, Fotos, an denen der Klägerin die ausschließlichen Werknutzungsrechte zustehen, insbesondere von G***** G***** aufgenommene Fotos zeigend A***** D***** mit Gipsfuß und Krücken und/oder Bearbeitungen davon, ohne Zustimmung der Klägerin zu vervielfältigen und/oder sonst zu verbreiten und/oder vervielfältigen zu lassen und/oder verbreiten zu lassen und/oder sonst zu verwerten“.
Im vorliegenden Verfahren begehrte die Klägerin – gestützt auf § 81 UrhG – es der Beklagten zu verbieten, Fotos an denen ihr die ausschließlichen Werknutzungsrechte zustehen, insbesondere das hier beanstandete Foto und/oder Bearbeitungen davon, ohne ihre Zustimmung zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten und/oder vervielfältigen zu lassen und/oder sonst zu verwerten, insbesondere im Rahmen der Berichterstattung über die Kopftuch-Debatte mit dem Bundespräsidenten zu veröffentlichen. Zudem begehrte sie die Urteilsveröffentlichung und die Zahlung eines angemessenen Entgelts. Das fragliche Foto sei anlässlich der Berichterstattung im Rahmen der öffentlich geführten Kopftuch-Debatte exklusiv für sie erstellt worden. Durch den rechtskräftigen Unterlassungstitel im Vorverfahren sei ihr Rechtsschutzbedürfnis nicht weggefallen, weil sie weiterhin ein rechtliches Interesse daran habe, das Publikum über die rechtswidrige Handlungsweise der Beklagten aufzuklären.
Die Beklagte entgegnete, dass sie ab Kenntnis der Werknutzungsrechte der Klägerin das Lichtbild nicht mehr verwendet habe. Aufgrund des rechtskräftigen Unterlassungstitels im Vorverfahren komme der Klägerin kein Rechtsschutzbedürfnis zu. Das Begehren auf Urteilsveröffentlichung setze aber einen Unterlassungsanspruch voraus.
Das Erstgericht wies das Unterlassungs- und das Veröffentlichungsbegehren ab; dem Zahlungsbegehren gab es hingegen statt. Bei Schluss der Verhandlung habe die Klägerin bereits über einen rechtskräftigen und vollstreckbaren Unterlassungstitel verfügt, der der Beklagten die Veröffentlichung von Fotos, an denen der Klägerin die ausschließlichen Werknutzungsrechte zustehen, untersage. Damit könne sie unmittelbar Exekution auf Unterlassung führen. Für das neuerliche Unterlassungsbegehren mangle es der Klägerin daher am Rechtsschutzbedürfnis. Der Anspruch auf Urteilsveröffentlichung sei ein vom Unterlassungsbegehren abhängiger Nebenanspruch. Ein besonderes Interesse an der Veröffentlichung habe die Klägerin nicht behauptet.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Zuspruch einer Urteilsveröffentlichung setze im Regelfall voraus, dass einem Unterlassungsbegehren stattgegeben werde. Entgegen der Ansicht der Klägerin könne ein bloßes Veröffentlichungsinteresse grundsätzlich keine Grundlage für den Unterlassungsanspruch sein. Wenn überhaupt, werde dies von der Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen bei Vorliegen eines (ganz) besonderen Interesses an der Urteilsveröffentlichung zugelassen. Ein solches Vorbringen habe die Klägerin in erster Instanz nicht erstattet. Dem Kläger einer Unterlassungsklage stehe frei, das Unterlassungsbegehren entweder nur auf den konkreten Verstoß zu beziehen oder dieses aber weiter zu fassen, um bei gleichartigen Verstößen nicht neuerlich zur Klage gezwungen zu sein. Die ordentliche Revision sei mangels einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin, die auf eine Stattgebung des Unterlassungs- und des Veröffentlichungsbegehrens abzielt.
Mit ihrer – vom Obersten Gerichtshof freigestellten – Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil zur Berechtigung einer neuerlichen Unterlassungsklage samt Veröffentlichungsbegehren bei Vorliegen eines rechtskräftigen Unterlassungstitels, der die neuerliche Verletzungshandlung umfasst, eine Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof geboten ist. Die Revision ist aber nicht berechtigt.
1. Die Klägerin bestreitet nicht, dass sie über einen den hier verfolgten Verstoß erfassenden Unterlassungstitel verfügt und Exekution führen könnte, sowie dass über das Veröffentlichungsbegehren im Vorprozess noch nicht rechtskräftig entschieden wurde.
Sie steht aber auf dem Standpunkt, dass sie ein berechtigtes Interesse an der Urteilsveröffentlichung hinsichtlich der hier geltend gemachten Verletzungshandlung habe, weshalb die neuerliche Unterlassungsklage samt Veröffentlichungsbegehren nicht abgewiesen werden dürfe; für die neuerliche Unterlassungsklage dürfe kein „besonderes Interesse“ an der Urteilsveröffentlichung verlangt werden.
2.1 Eine Unterlassungsklage setzt ganz allgemein ein „(materielles) Rechtsschutzbedürfnis“ im Sinn eines materiell-rechtlichen schutzwürdigen Interesses (RIS-Justiz RS0012064) und im Besonderen Wiederholungsgefahr voraus (RIS-Justiz RS0080143; RS0037664), die nach einer erfolgten Verletzungshandlung grundsätzlich vermutet wird. Die Wiederholungsgefahr ist im Allgemeinen dann ausgeschlossen, wenn ausreichende Anhaltspunkte für eine ernstliche Willensänderung des Beklagten bestehen (RIS-Justiz RS0079894). Dies wird vor allem im Fall des Anbots eines umfassenden vollstreckbaren Unterlassungsvergleichs ausgeschlossen (RIS-Justiz RS0079962; RS0079898). Für den Wegfall der Wiederholungsgefahr muss der Beklagte dem Kläger auch die (berechtigte) Ermächtigung zur Veröffentlichung des Vergleichs auf seine Kosten in angemessenem Umfang anbieten (RIS-Justiz RS0079921; RS0079180).
2.2 Die Berechtigung des Begehrens auf Urteilsveröffentlichung hängt zunächst davon ab, ob ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Aufklärung des Publikums im begehrten Ausmaß besteht (RIS-Justiz RS0079737). Bei dieser Beurteilung ist zudem zu berücksichtigen, dass der Urteilsveröffentlichungsanspruch ein vom Unterlassungsbegehren abhängiger Nebenanspruch ist (RIS-Justiz RS0079531; vgl auch RS0079596).
2.3 Nach diesen Grundsätzen erfordert der Unterlassungsanspruch ein materiell-rechtlich schutzwürdiges Interesse. Außerdem ist zwischen dem Wegfall der Wiederholungsgefahr hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs und der Berechtigung des Veröffentlichungsbegehrens zu unterscheiden. Die Berechtigung des Veröffentlichungs-begehrens setzt – als Nebenanspruch – einen aufrechten Unterlassungsanspruch sowie ein berechtigtes Interesse an der Urteilsveröffentlichung voraus. Davon ausgehend entspricht es der Rechtsprechung, dass das Interesse an einer Urteilsveröffentlichung für sich allein das „Rechtsschutzbedürfnis“ für die Unterlassungsklage grundsätzlich („im Regelfall“) nicht begründen kann (RIS-Justiz RS0079401; RS0079531; vgl auch RIS-Justiz RS0079737).
2.4 Daraus folgt, dass ein schon bestehender vollstreckbarer Unterlassungstitel, der auch die zu beurteilende (weitere) Verletzungshandlung erfasst, das (materielle) Rechtsschutzbedürfnis (im Sinn eines materiell-rechtlich schutzwürdigen Interesses) für den Unterlassungsanspruch beseitigt. Das bloße Veröffentlichungsinteresse hinsichtlich eines neuerlichen Verstoßes rechtfertigt die Erwirkung eines neuerlichen (identen) Unterlassungstitels mangels (materiellen) Rechtsschutzbedürfnisses nicht.
2.5 Die Rechtsprechung lässt jedoch Ausnahmefälle zu. Bei Vorliegen eines besonderen Interesses an einer Urteilsveröffentlichung schlägt der Einwand des mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses wegen Vorhandenseins eines Unterlassungstitels nicht durch (RIS-Justiz RS0079401). Anders ausgedrückt: Nur ein besonderes Interesse an der Urteilsveröffentlichung zu einem weiteren Verstoß vermag das fehlende Rechtsschutzbedürfnis für eine neuerliche Unterlassungsklage (samt Veröffentlichungsbegehren) zu substituieren.
3. Der Einwand der Klägerin, dass dafür auch das gewöhnliche Aufklärungsinteresse genügen müsse, überzeugt nicht. Das allgemeine Aufklärungsinteresse ist Voraussetzung für jedes Veröffentlichungsbegehren; auch für den (Normal-)Fall, dass der geltend gemachte Unterlassungsanspruch besteht, kommt eine Urteilsveröffentlichung nur bei einem entsprechenden Aufklärungsinteresse in Betracht. Soll – wie hier – das fehlende (materielle) Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs substituiert werden, so müssen die Anforderungen höher sein. Für das Vorliegen dieser besonderen Anforderungen ist der Kläger behauptungs- und beweispflichtig (vgl RIS-Justiz RS0077326).
4.1 Die Klägerin stützt sich in der Revision vor allem auf die Entscheidung zu 4 Ob 28/95 (ÖBl 1995, 215, Berufsdetektive). In einem UWG-Verfahren wegen Verstoßes gegen die Gewerbeordnung hatte sich der dortige Beklagte mit vollstreckbarem Notariatsakt zu der von den dortigen Klägern geforderten Unterlassung verpflichtet. Daraufhin schränkten die dortigen Kläger ihr Unterlassungsbegehren auf Kosten ein. Das Veröffentlichungsbegehren wurde abgewiesen. Der Oberste Gerichtshof beurteilte dazu, dass die Voraussetzungen für die gerichtliche Zuerkennung einer Publikationsbefugnis schon mit der Einschränkung des Unterlassungsbegehrens auf Kosten weggefallen sei. „Obiter“ wurde in dieser Entscheidung weiter ausgeführt: „Ungeachtet dessen, zeigt aber der vorliegende Fall doch auf, dass der Oberste Gerichtshof mit Recht davon ausgegangen ist, dass es Ausnahmefälle geben kann, in denen der Nebenanspruch auf Urteilsveröffentlichung Einfluss auf das wegen Bestehens eines Exekutionstitels sonst grundsätzlich fehlende Rechtsschutzinteresse an einer neuerlichen Unterlassungsklage haben kann, weshalb hier die Einrede des mangelnden Rechtsschutzinteresses wegen Vorhandenseins eines Exekutionstitels infolge des Interesses an einer Urteilsveröffentlichung entkräftet gewesen wäre.“
Aus dieser Entscheidung zu 4 Ob 28/95 leitet die Klägerin (des vorliegenden Verfahrens) ab, dass allein die (im Vergleichsfall verfahrensgegenständliche) rechtswidrige Verwendung des Bundeswappens ein besonderes Interesse an der Veröffentlichung begründet habe; aufgrund eines Größenschlusses müsse dies „umso mehr für einen rechtswidrigen Eingriff in fremde Urheberrechte gelten“. Warum dieser Größenschluss gerechtfertigt sein soll, begründet die Klägerin in der Revision allerdings nicht. Durch eine unzulässige Verwendung eines Bundeswappens – wie im Vergleichsfall – werden besondere Befugnisse des Gewerbetreibenden oder behördliche Kontrollen bei der Gewerbeausübung suggeriert. Die dadurch vorgetäuschte Vertrauenswürdigkeit des Angebots kann dazu führen, dass sich die Verbraucher eher diesem Angebot zuwenden. Um potentielle Kunden vor dem unseriösen Angebot zu warnen, ist es in einem solchen Fall durchaus gerechtfertigt, ein besonderes Veröffentlichungsinteresse zu bejahen. Derartige Überlegungen können auf den hier vorliegenden Fall mangels Vergleichbarkeit aber nicht übertragen werden.
4.2 Entgegen der Ansicht der Klägerin liegt den Folgeentscheidungen nicht eine „unreflektierte Übernahme eines nicht erläuterten Stehsatzes aus der Entscheidung 4 Ob 1008/91 samt eines ungeeigneten Hinweises auf die Entscheidung 4 Ob 132/89 (MR 1990, 73)“ zugrunde. Vielmehr entsprechen die Folgeentscheidungen den hier dargelegten Grundsätzen zu den erhöhten Anforderungen für eine Substitution des – aufgrund eines bereits vorhandenen Unterlassungstitels – weggefallenen (materiellen) Rechtsschutzbedürfnisses für die neuerliche Unterlassungsklage.
So lag der Entscheidung 4 Ob 69/95 (MR 1996, 37 [Frauenberger/Korn]) ein früherer Unterlassungsvergleich zugrunde. Unter Hinweis auf die jahrzehntelange Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach einer neuerlichen Klage dann, wenn der Kläger bereits einen Exekutionstitel zur Durchsetzung seines Anspruchs hat, die (materiell-rechtliche) Einrede des mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses entgegensteht, welche zur Abweisung des Klagebegehrens führt, wurde das vom bereits vorhandenen Exekutionstitel erfasste neuerliche Unterlassungsbegehren samt Veröffentlichungsbegehren abgewiesen. Dazu führte der Oberste Gerichtshof aus, dass er keinen Anlass sehe, von der bisherigen Rechtsprechung zur Frage des Rechtsschutzbedürfnisses abzugehen.
In der Entscheidung 4 Ob 241/06d führte der Oberste Gerichtshof aus, dass die vom Kläger angestrebte Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung nach ständiger Rechtsprechung ein vom Unterlassungsbegehren abhängiger Nebenanspruch sei. Wenn der Kläger die Auffassung vertrete, dass schon sein Interesse an der Urteilsveröffentlichung das Rechtsschutzinteresse für die Unterlassungsklage begründe, verkehre er das Verhältnis zwischen Haupt- und Nebenanspruch in sein Gegenteil. Folge man seiner Argumentation, so müsste auch der (jeder) Titelgläubiger eine neue Unterlassungsklage einbringen können, um eine (erstmalige oder neuerliche) Veröffentlichung zu erwirken. Das könne bei einem (ganz) besonderen Interesse an der Urteilsveröffentlichung in Ausnahmefällen erwägenswert sein.
4.3 Die weitere Kritik der Klägerin, dass sich diese Rechtssätze in den Entscheidungen 4 Ob 131/10h und 4 Ob 102/11w weiter verselbständigt hätten, ist ebenfalls nicht berechtigt. In Wirklichkeit wurde die ständige Rechtsprechung bewusst fortgeschrieben.
5.1 Richtig ist, dass die Rechtsprechung, wonach das Interesse an einer Urteilsveröffentlichung für sich allein das „Rechtsschutzbedürfnis“ für die neuerliche Unterlassungsklage grundsätzlich nicht begründen kann, in der Literatur auf Kritik stößt.
Graff/Kucsko (Zum Umfang der Urteilsveröffentlichung, ecolex 1993, 762) bezeichnen die Rechtsprechung, wonach die Veröffentlichung nur in Verbindung mit dem klagsweise durchgesetzten Unterlassungsanspruch und daher nicht bei Vorliegen eines Exekutionstitels zu gewähren sei, als schmerzlich; der Anspruch auf Urteilsveröffentlichung falle dahin, der Wiederholungstäter werde belohnt; das Rechtsschutzinteresse dürfe aber nur dann verweigert werden, wenn der Kläger alles erlangt habe, was er auch mit der neuen Klage erlangen könnte.
Korn/Frauenberger (Glosse zu 4 Ob 69/95, MR 1996, 39, 41) stellen die Theorie vom Rechtsschutzbedürfnis bei der Unterlassungsklage generell in Abrede und formulieren die Frage, wie das schutzwürdige Interesse eines Klageberechtigten dadurch vollwertig
gewahrt sein solle, dass man die Durchsetzung
des verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruchs zwangsweise in das nach herrschender Meinung Verschulden erfordernde Exekutionsverfahren verlagere und solcherart den materiell Berechtigten in einem Aufwaschen gleich auch noch um seinen Veröffentlichungsanspruch bringe.
Kodek/Leupold (in Wiebe/Kodek, UWG2 § 14 Rz 146 f) und Duursma-Kepplinger (in M. Gumpoldsberger/Baumann, UWG § 14 Rz 433) führen aus, dass die Rechtsprechung dazu neige, das Rechtsschutzbedürfnis bei Vorliegen eines Exekutionstitels zugunsten desselben Klägers zu verneinen; dies sei in Anbetracht der Verknüpfung der Urteilsveröffentlichungs-befugnis mit dem jeweiligen Unterlassungsanspruch nicht unbedenklich; das Argument des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses passe noch am ehesten, wenn statt der bereits möglichen Exekution aufgrund des bestehenden Titels eine inhaltsgleiche Klage ohne Veröffentlichungsbegehren erhoben werde.
Ciresa (Handbuch der Urteilsveröffentlichung4 Rz 7.3) tritt der ständigen Rechtsprechung im Grundsatz nicht entgegen. Nur in Bezug auf Exekutionstitel, die nicht dem Kläger des Folgeverfahrens selbst zustehen („Paralleltitel“: vgl RIS-Justiz RS0079356; 4 Ob 241/06d), führt er aus, dass nicht schon allein die Existenz eines rechtskräftigen Urteils, das eine Ermächtigung zur Urteilseröffnung anordne, einem anderen Kläger in einem dieselbe Wettbewerbsverletzung betreffenden Verfahren das Rechtsschutzinteresse an der Schaffung eines ebenfalls auf Veröffentlichung zielenden Exekutionstitels nehmen könne, weil mit Urteilsfällung noch keineswegs feststehe, ob und wann der Parallelkläger von der eingeräumten Ermächtigung Gebrauch machen und damit die gewünschte Aufklärung des Publikums stattfinden werde.
5.2 Diese kritischen Stimmen in der Literatur bieten keinen Anlass, von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abzugehen. Im Wesentlichen beklagen sie nur den Verlust des Veröffentlichungsanspruchs für eine weitere (vom schon bestehenden Unterlassungstitel gedeckte) Verletzungshandlung, was aber im Normalfall (ohne besonderes Veröffentlichungsinteresse) der Qualifikation des Veröffentlichungsanspruchs als Nebenanspruch geschuldet ist.
5.3 Die Ausführungen von Konecny (in Fasching/Konecny3 Einleitung Rz 179), Klicka (in Fasching/Konecny3 § 206 ZPO Rz 19) und Rechberger/Klicka (in Rechberger, ZPO4 Vor § 226 Rz 10) zur Doppeltitelproblematik und ihre Hinweise auf die insolvenzrechtlichen Sonderbestimmungen in den §§ 60 und 61 IO sind hier nicht einschlägig. Diese (zivilprozessualen) Überlegungen betreffen die Zulässigkeit einer nachfolgenden Leistungsklage trotz eines bestehenden anderen (gerichtlichen oder nichtgerichtlichen) Exekutionstitels und münden in das Ergebnis, dass die neuerliche Klage nicht mangels Rechtsschutzbedürfnisses zurückgewiesen werden dürfe. Demgegenüber ist das hier in Rede stehende (materielle) Rechtsschutzbedürfnis für den urheberrechtlichen (und auch lauterkeitsrechtlichen) Unterlassungsanspruch nicht Prozessvoraussetzung, sondern materielle Anspruchs-voraussetzung (RIS-Justiz RS0012064; siehe dazu auch 4 Ob 69/95 und 4 Ob 130/11p).
6. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass bei Vorhandensein eines auch die neuerliche Verletzungshandlung erfassenden rechtskräftigen Unterlassungstitels das Interesse an einer Urteilsveröffentlichung für sich alleine das fehlende (materielle) Rechtsschutzbedürfnis (im Sinn eines materiell-rechtlich schutzwürdigen Interesses) für die (neuerliche) Unterlassungsklage grundsätzlich nicht ersetzen und der Kläger die Einrede des mangelnden (materiellen) Rechtsschutzbedürfnisses nur in Ausnahmefällen bei Darlegung eines konkret begründeten besonderen Interesses an der Urteilsveröffentlichung entkräften kann. Nur in einem solchen Ausnahmefall ist eine neuerliche Unterlassungsklage samt Veröffentlichungsbegehren berechtigt.
7. Die Klägerin begründet ihr „Rechtsschutzbedürfnis“ an der hier vorliegenden neuerlichen Unterlassungsklage (samt Veröffentlichungsbegehren) vor allem mit dem Bedürfnis nach Aufklärung der Allgemeinheit über das rechtswidrige Verhalten der Beklagten im Zusammenhang mit dem hier beanstandeten „Bilderklau“. Damit beruft sie sich nur auf das allgemeine Veröffentlichungsinteresse; dieses genügt nach den dargelegten Grundsätzen allerdings nicht.
Das in der Revision angeführte Argument, dass der Erwerb der Werknutzungsrechte mit Kosten verbunden gewesen und der Wert ihrer Exklusivleistung durch den „Bilderklau“ massiv entwertet worden sei, ist schon deshalb nicht überzeugend, weil dies mehr oder weniger für alle urheberrechtlich geschützten Leistungen zutrifft. Ein Vorbringen zu konkreten Nachteilen oder zu drohenden nachteiligen Folgen hat die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren nicht erstattet.
Vielmehr hat sie nur vorgebracht, dass die „Insbesondere-Konkretisierungen“, die der Aufklärung des Publikums dienten, ein (neuerliches) Veröffentlichungsbegehren erforderlich machten. Warum die nähere Umschreibung eines Unterlassungsgebots ein besonderes Interesse an der Veröffentlichung begründen soll, legt die Klägerin jedoch nicht dar. Derartige Umschreibungen sind gerade für weiter gefasste Unterlassungsgebote typisch, die – nach der Wahl des Klägers – auch vergleichbare Verstöße erfassen und die sofortige Exekutionsführung ermöglichen sollen.
Für die Abweisung der neuerlichen Unterlassungsklage (samt Veröffentlichungsbegehren) ist allein der Wegfall des (materiellen) Rechtsschutzbedürfnisses aufgrund des schon vorhandenen Unterlassungstitels entscheidend. Auf das Schicksal des Veröffentlichungsbegehrens im Vorprozess (als Nebenanspruch) kommt es nicht an. Aus diesem Grund bleibt es auch unerheblich, dass über das Veröffentlichungsbegehren im Vorprozess noch nicht rechtskräftig entschieden wurde.
8. Insgesamt stehen die Entscheidungen der Vorinstanzen mit den vom Obersten Gerichtshof entwickelten und aufrechterhaltenen Grundsätzen im Einklang. Der Revision der Klägerin war daher der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00102.18F.0717.000 |
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