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OGH vom 29.08.2019, 1Ob105/19a

OGH vom 29.08.2019, 1Ob105/19a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr in der Rechtssache der klagenden Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Johann Juster, Rechtsanwalt in Zwettl, gegen die beklagte Partei L*****, vertreten durch die Dr. Gerhard Rößler Rechtsanwalt KG, Zwettl, wegen 15.882,18 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 16 R 35/19p-15, mit dem das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom , GZ 6 Cg 88/18b-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die klagende GmbH verlegte im Jahr 2006 einen Estrich in den Betriebsräumen (Schlacht- und Zerlegeraum, Brennraum und Kühlraum) des beklagten Landwirts. Sie versah diesen Estrich, die Decken der Betriebsräume und ebenso Boden und Decke bei der Stalleinfahrt mit einer Beschichtung. Dabei arbeitete sie mangelhaft und verletzte auch Aufklärungspflichten. Zwischen den Streitteilen wurde deshalb (mit umgekehrten Parteirollen) beim Erstgericht ein Prozess (im Weiteren: Vorprozess) geführt. In diesem wurden die aufgetretenen – und bis heute noch nicht behobenen – Mängel von einem Sachverständigen begutachtet und es wurden vom Erstgericht auf Basis dieses Gutachtens dem Beklagten im Jahr 2011 16.800 EUR sA an Kosten der Mängelbehebung zugesprochen; er selbst hatte – nach dem Inhalt des Vorakts – einen Kostenvoranschlag über 20.587,32 EUR vorgelegt und diesen Betrag gefordert. Das Ersturteil im Vorprozess wurde vom Berufungsgericht bestätigt und der mit der ordentlichen Revision verbundene Antrag nach § 508 ZPO zurückgewiesen.

Die Klägerin begehrt nun die Rückzahlung des aufgrund dieses Urteils tatsächlich geleisteten Betrags (15.882,18 EUR sA) mit der Begründung, der Beklagte habe die Mängel bisher weder saniert, noch beabsichtige er, sie zu sanieren.

Der Beklagte wendete sich mit der Argumentation, sein Schadenersatzanspruch bestehe unabhängig von einer Mängelbehebung, gegen die Klage. Überdies brachte er vor, dass die Wertminderung der Sache durch den im Vorverfahren geltend gemachten „Schaden“ jedenfalls den Klagebetrag erreiche und der Klägerin seit seinem Schreiben vom klar gewesen sein müsse, dass er keine Sanierung vornehmen werde. Der Anspruch sei daher verjährt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Auffassung, dass Ersatz für die Kosten einer bereits durchgeführten Reparatur zustehe, ansonsten – für erst beabsichtigte Reparaturen – aber immer nur ein verrechnungspflichtiger Vorschuss gebühre, der zweckgebunden sei und vom Schädiger nach § 1435 ABGB zurückverlangt werden könne, wenn der Geschädigte den Vorschuss nicht oder nur teilweise zur Durchführung der Reparatur verwende. Es sei aber die Klage dennoch abzuweisen. Der Zuspruch der Kosten einer zukünftigen Schadensbehebung als Vorschuss gegen Verrechnung sei gegenüber dem Zuspruch ohne diese Einschränkung „ein Minus und kein Aliud“. Ein Zuspruch ohne diese Einschränkung begründe keine Verrechnungspflicht und daher auch keine Verpflichtung zur Herausgabe eines allfälligen Überschusses.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und bestätigte des Ersturteil. Es trat der Beurteilung des Erstgerichts bei, dass die Entscheidungen im Vorprozess (sowohl des Erst- als auch des Berufungsgerichts) nicht auf eine bloß vorschussweise Gewährung eingegangen seien; vielmehr sei der Zuspruch „ohne Wenn und Aber“ erfolgt. Seien die Sanierungskosten aber nicht bloß als verrechenbarer und zweckgewidmeter Vorschuss zugesprochen worden, scheide die Rückforderung aus. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil aus der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht eindeutig hervorgehe, ob zugesprochene Sanierungskosten bei Nichtdurchführung der Sanierung auch dann (teilweise) zurückgefordert werden können, wenn im Vorprozess nicht „explizit“ auf den „Vorschusscharakter“ hingewiesen worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision der Klägerin ist zulässig und mit ihrem Aufhebungsantrag berechtigt.

1. Dem Beklagten ist zuzugeben, dass es für die Frage, ob im Vorverfahren Reparaturabsicht vorgebracht oder zumindest dem Urteil (implizit) zugrunde gelegt wurde, auf die von den Umständen des Einzelfalls abhängige Auslegung des Vorbringens und der Entscheidungen im Vorprozess ankommt und sich solche Auslegungsfragen im Allgemeinen generellen Aussagen entziehen. Im vorliegenden Fall wurde diese Frage von den Vorinstanzen aber in korrekturbedürftiger Weise gelöst:

2. Der Beklagte steht in der Revisionsbeantwortung auf dem – überholten – Standpunkt, es gelte bei (Anwendung des) § 933a ABGB der Grundsatz, dass der Geschädigte Anspruch auf „fiktive Reparaturkosten“ hat, „ganz gleichgültig ob er die Reparatur durchführen lässt oder nicht“. Er beruft sich dafür auf den zu 4 Ob 80/12m ergangenen Beschluss („uva“) und übersieht dabei, dass in dem damals zu beurteilenden Anlassfall der 4. Senat zur Aussage, der Geschädigte habe Anspruch auf Ersatz fiktiver Reparaturkosten – und damit insoweit korrigierend – anfügte, dass der Schädiger deshalb auf Verlangen einen zweckgebundenen und verrechenbaren Vorschuss zu leisten habe. Im Übrigen wies er darauf hin, dass der damalige Kläger einen Zuspruch fiktiver Montagekosten schon im Berufungsverfahren nicht mehr verfolgt habe und schon deshalb nicht darauf zurückgreifen könne. Ein Zuspruch fiktiver Reparaturkosten erfolgte damals also gerade nicht.

Zu weiteren, vom Beklagten nicht näher individualisierten Entscheidungen („uva“) ist klarzustellen, dass nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung sowohl bei deliktischen als auch bei vertraglichen Schadenersatzansprüchen „fiktive Reparaturkosten“ nicht in voller Höhe zu ersetzen sind, soweit sie höher als die objektive Wertminderung sind, weil eine darüber hinausgehende Leistung zu einer dem schadenersatzrechtlichen Ausgleichsgedanken wider-sprechenden Bereicherung des Geschädigten führen würde (4 Ob 42/15b mwN; RIS-Justiz RS0022844; RS0030285 [T14, T 18, T 19, T 20]). Dem Geschädigten sind darüber hinausgehende Behebungskosten nur dann zuzusprechen, wenn er beweist, dass er die Behebung beabsichtigt (2 Ob 135/10g mwN); sonst ist der Ersatz auf die Wertminderung beschränkt (4 Ob 42/15b mwN; vgl auch RS0115059).

Der Geschädigte ist nämlich nach ständiger Rechtsprechung und Lehre nicht verpflichtet, eigenes Kapital einzusetzen und damit in Vorlage zu treten (RS0030571; Ch. Huber in Schwimann/Neumayr, ABGB-TaKom4§ 1323 ABGB Rz 37 mwN). Es ist ihm vielmehr das Deckungskapital als Vorschuss zuzusprechen (2 Ob 117/09h mwN; RS0031088; Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4§ 933a ABGB Rz 151 [„zweckgebundener Vorschuss“]; Ch. Huber aaO Rz 39 ua), wobei der Betrag angemessene Zeit vor dessen Einsatz zur Verfügung stehen muss (2 Ob 48/14v = ZVR 2015/47 [Ch. Huber]; RS0030571 [T8] ua).

3. Angesichts der bereits zur Zeit des Vorprozesses herrschenden Rechtsprechung, dass ein Ersatz rein fiktiver Reparaturkosten nicht zusteht, ist die aufgrund des Wortlauts des Spruchs und der Gründe der Entscheidung in Verbindung mit dem dadurch angewandten Gesetz zu lösende (1 Ob 74/19t mwN) Frage, welchen rechtlich erheblichen Inhalt die Entscheidungen im Vorprozess haben, schon wegen des allgemeinen Grundsatzes, dass Rechtsakte rechtskonform, gerichtliche Entscheidungen somit im Zweifel so auszulegen sind, dass ihnen nicht ohne Not eine Deutung gegeben wird, die sie als gesetzwidrig erscheinen ließen (1 Ob 74/19t; RS0008802), hier so zu lösen, dass im Vorprozess Reparaturabsicht zu Grunde gelegt und ein Vorschuss zugesprochen wurde. Dies ergibt sich ausreichend deutlich aus dem Ersturteil im Vorprozess in seinem Gesamtzusammenhang (auf dessen Wortlaut im Revisionsverfahren zurückgegriffen werden kann: RS0121557 [T3]). Es ist darin das Vorbringen des damaligen Klägers [jetzt Beklagten], die Gegenseite sei verpflichtet, die Kosten der Sanierung zu zahlen, die Beseitigung der Flecken auf der Beschichtung führe zu keinem ausgleichbaren Vorteil [welche Frage sich ja nur bei Durchführung der Sanierung stellt], wiedergegeben. Danach folgen ua Feststellungen dazu, welche Schritte bei der Sanierung gesetzt werden müssen, zur fehlenden Bereitschaft der Beklagten [Klägerin], die Mängel zu verbessern und zur Aufforderung des Rechtsvertreters des Landwirts, den Klagsbetrag „zur Behebung der Mängel“ zu zahlen. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung werden ausdrücklich „Kosten für die Ersatzvornahme“ bzw „Kosten der Verbesserung“ zugesprochen und es ist von der „nachträglichen Herstellung“ des vertragsgemäßen Werks die Rede sowie davon, dass diese zu keiner Bereicherung des Klägers [Beklagten], „der sich bisher [Hervorhebung durch den erkennenden Senat] mit dem mangelhaften und von Anfang an sanierungsbedürftigen Werk zufrieden geben musste“, führe. Dieser Entscheidung ist daher nicht zu unterstellen, es hätten mit ihr – in Abwendung von der bereits damals herrschenden Rechtsprechung (vgl nur die Anzahl der bereits damals zu RS0022844 gleichgestellten Entscheidungen) fiktive – also von der tatsächlichen Durchführung unabhängige – Reparaturkosten endgültig zugesprochen werden sollen.

Zuletzt sei noch erwähnt, dass der Beklagte nun selbst vorbrachte, es habe die Klägerin seine Reparaturabsicht im Vorprozess auch nicht widerlegen können. In der dem Vorprozess vorangehenden anwaltlichen Vorkorrespondenz (im Schreiben des Rechtsvertreters des Beklagten) wurde ausdrücklich mitgeteilt, dass er die Mängelbehebung „nun definitiv“ „durchführen lassen“ „möchte“, und überdies in dem von beiden Parteien gemeinsam als Antragsteller im gegen die Nebenintervenientin des Vorprozesses eingebrachten Beweissicherungsantrag ausgeführt, dass die Mängel nun so rasch als möglich zu beheben seien und nach erfolgter Behebung den Antragstellern ein Beweismittel verloren ginge.

4. Ein (zwingendes) Erfordernis der Aufnahme einer Beschränkung (auf den Zuspruch als bloßen Vorschuss) in den Urteilsspruch ist der im Beschluss zu 2 Ob 173/14a enthaltenen Aussage „Zukünftige Heilungskosten als Vorschuss gegen Verrechnung sind gegenüber dem Begehren auf Zuspruch des Betrags ohne diese Einschränkung ein Minus und kein Aliud“ (= RS0130126), bei der es sich um die Antwort des 2. Senats auf den Vorhalt des damals behaupteten Verstoßes gegen § 405 ZPO (weil im Zuspruch eines Vorschusses ein aliud läge) handelt, nicht zu entnehmen. Ein solcher Beisatz erfolgt in der Praxis üblicherweise auch nicht. Wird Deckungskapital für eine noch nicht durchgeführte Reparatur zugesprochen, handelt es sich im Regelfall um einen zweckgebundenen Vorschuss, für den der Empfänger verrechnungspflichtig ist; einer ausdrücklichen Bezeichnung „als Vorschuss“ bedarf es nicht.

5. Wurde aber der damals zuerkannte Betrag in der Sache als „verrechenbarer“ Vorschuss zugesprochen, kann der Schädiger vom Geschädigten, wenn dieser damit eine Sanierung nicht oder nur teilweise durchführen lässt, den Vorschuss also nicht bestimmungsgemäß verwendet, seine Leistung – soweit sie die tatsächlichen Aufwendungen übersteigt (6 Ob 117/15x mwN) – nach § 1435 ABGB kondizieren (vgl RS0021411). Welcher Zeitraum einem Geschädigten einzuräumen ist, bis zu dem er die Sanierung vorzunehmen hätte, oder welche Gründe er dem Umstand einer (bis dahin) unterbliebenen Sanierung (als bloß vorübergehende Hindernisse) berechtigt entgegenhalten könnte, ist angesichts des Zugeständnisses des Beklagten, er werde keine Sanierung vornehmen, nicht zu erörtern.

Eine Bereicherung kann bei ihm freilich nur insoweit eingetreten sein, als der Vorschuss eine aufgrund der Mängel gegenüber einem mangelfreien Werk gegebene (objektive) Wertminderung überstieg (s nur Reischauer aaO Rz 88; ders in Rummel, ABGB3§ 1323 ABGB Rz 12; Ch. Huber, ZVR 2008/227 [Glosse zu 2 Ob 158/07k]). In der Höhe der Wertminderung hat die Klägerin ja einen unbedingt bestehenden Anspruch des Beklagten (der sich im Vorprozess auch auf Gewährleistung gestützt hatte) erfüllt; lediglich die Frage (in der Regel) weitergehender Ansprüche hing von der Vornahme der Sanierung ab. Mit der Zahlung von Deckungskapital für die zukünftige Verbesserung eines Mangels (oder Behebung eines Mangelschadens) als Vorschuss wird gleichzeitig auch der unbedingt bestehende Anspruch auf Ersatz der objektiven Wertminderung (des Mangelschadens) abgedeckt. Unterbleibt die Behebung tritt eine Bereicherung nur insoweit ein, als der Vorschuss die objektive Wertminderung übersteigt. Diese Differenz ist rückzuerstatten.

Dazu wird nach Erörterung mit den Parteien der Sachverhalt zu verbreitern sein, ist doch der Standpunkt des Beklagten – weil der begehrte Geldbetrag im Vorprozess „unbedingt“ (also ohne ausdrückliche Einschränkung) zugesprochen worden sei, könne „dies“ nun nicht anders, nämlich dahin, dass dieser Betrag jetzt zurückzuzahlen sei, beurteilt werden, da dies der materiellen Rechtskraft des im Vorprozess ergangenen Urteils widerspreche – unrichtig. Die Tatsachen, die eine (teilweise) Rückforderung begründen können, konnten denknotwendigerweise erst nach Schluss der Verhandlung im Vorprozess (dadurch, dass danach mit dem erstrittenen Vorschuss keine Sanierung vorgenommen wurde) entstehen. Solchen erst später entstandenen Umständen kann als neuen Tatsachen aber keine Bindungswirkung der Entscheidung im Vorprozess entgegenstehen.

6. Ansprüche nach den § 1431 und 1435 ABGB verjähren grundsätzlich gemäß § 1478 ABGB nach 30 Jahren (RS0033819; RS0020167). Der Beklagte, der in seiner Revisionsbeantwortung die Frage der Verjährung gar nicht mehr anspricht, erhob zwar im Verfahren erster Instanz pauschal den Einwand der Verjährung, legte aber nicht nachvollziehbar dar, welche Verjährungsfrist aus welchen Gründen im vorliegenden Fall bereits abgelaufen sein sollte.

7. Die Revision ist demnach – weil es erst der Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen zur Frage einer allfällig beim Beklagten eingetretenen Bereicherung bedarf – im Sinne des in eventu gestellten Aufhebungsantrags erfolgreich.

8. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00105.19A.0829.000

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