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OGH vom 24.05.2016, 4Ob101/16f

OGH vom 24.05.2016, 4Ob101/16f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Rupert Rausch, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei W*****, vertreten durch Dr. Franz Terp, Rechtsanwalt in Wien, wegen 8.708,20 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 38 R 234/15s 14, womit das Zwischenurteil des Bezirksgerichts Hernals vom , GZ 16 C 1009/14p 10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 833,88 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 138,98 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist seit Mai 1996 Mieterin eines Geschäftslokals in dem der Beklagten gehörenden, jedenfalls vor 1918 errichteten Haus. Mitvermietet wurde auch die Gasetagenheizung, deren Instandhaltung und allfällig erforderliche Erneuerung aber vertraglich der Mieterin überbunden wurde.

Im Oktober 2014 wurde die Gastherme defekt. Aufgrund ihres Alters war zur Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Gasetagenheizung erforderlich, eine neue Gastherme zu installieren. Da die Beklagte die Montage einer neuen Gastherme bzw die Kostenübernahme hiefür ablehnte, veranlasste die Klägerin im November 2014 die Erneuerung der Gastherme, wofür sie 8.708,20 EUR aufzuwenden hatte.

Die Klägerin begehrte (gestützt auf § 3 Abs 2 Z 2a MRG idF WRN 2015 iVm §§ 1097, 1036 ABGB) in ihrer am eingebrachten Klage den Ersatz der für den Thermentausch aufgewendeten Kosten.

Die Beklagte wendete ein, nach der hier anzuwendenden Rechtslage vor dem nicht zum Kostenersatz verpflichtet zu sein.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass das klägerische Ersatzbegehren dem Grunde nach zu Recht besteht. Da die Klage schon am eingebracht worden sei, seien bereits die novellierten Bestimmungen über die (erweiterte) Erhaltungspflicht des Vermieters gemäß § 3 Abs 2 Z 2a MRG anzuwenden.

Das Berufungsgericht wies die Klage über Berufung der Beklagten hingegen ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels Rechtsprechung zu der hier konkret anzuwendenden Übergangsbestimmung zulässig sei. Die Übergangsbestimmung ordne keine Rückwirkung auf vor Inkrafttreten der Wohnrechtsnovelle 2015 bereits abschließend verwirklichte Sachverhalte an. Sie bezwecke nur, dass Anträge oder Klagen, die schon vor dem Inkrafttreten der Wohnrechtsnovelle 2015 gestellt oder eingebracht worden seien, nicht aufgrund der Rechtslage zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung abgewiesen würden, obwohl ihnen nach der neuen Rechtslage stattzugeben wäre.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin , mit der sie ihr Ersatzbegehren weiter verfolgt, ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

Gemäß § 3 Abs 1 MRG hat der Vermieter nach Maßgabe der rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten und Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass das Haus, die Mietgegenstände und die der gemeinsamen Benützung der Bewohner des Hauses dienenden Anlagen im jeweils ortsüblichen Standard erhalten und erhebliche Gefahren für die Gesundheit der Bewohner beseitigt werden. Darunter fallen im Gegensatz zur früheren Rechtslage (vgl Würth/Zingher/Kovanyi , Miet und Wohnrecht Rz 15/1 zu § 3 MRG) gemäß § 3 Abs 2 Z 2a MRG idF WRN 2015 die Arbeiten, die zur Erhaltung von mitvermieteten Heizthermen, mitvermieteten Warmwasserboilern und sonstigen mitvermieteten Wärmebereitungsgeräten in den Mietgegenständen des Hauses erforderlich sind.

Gemäß § 49g Abs 1 MRG treten die Änderungen (unter anderem) des § 3 durch die Wohnrechtsnovelle 2015 mit in Kraft. Nach § 49g Abs 2 MRG ist § 3 Abs 2 idF der Wohnrechtsnovelle 2015 auch in gerichtlichen Verfahren anzuwenden, die am bereits anhängig geworden, aber noch nicht rechtskräftig entschieden worden sind. Schließlich ordnet § 49g Abs 3 MRG an, dass die Wohnrechtsnovelle 2015 ab ihrem Inkrafttreten auch auf Mietverträge anzuwenden ist, die vor dem geschlossen wurden.

Gemäß § 5 ABGB wirken Gesetze im Zweifel nicht zurück (RIS Justiz RS0008745). Vor dem Inkrafttreten eines Gesetzes abschließend verwirklichte Sachverhalte sind daher grundsätzlich nach altem Recht zu beurteilen (RIS Justiz RS0008715, RS0008747). Die Beurteilung anspruchsbegründender Tatbestände, die bereits vollständig verwirklicht sind, hat prinzipiell nach der im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs geltenden Rechtslage zu erfolgen (5 Ob 98/94; 6 Ob 2094/96a; 9 Ob 35/01i). Der Gesetzgeber kann zwar eine ausnahmsweise Rückwirkung anordnen, sie muss sich jedoch aus dem Gesetz selbst ergeben (RIS Justiz RS0008713, RS0008694).

Dass § 49g MRG keine Rückwirkung dergestalt anordnet, dass Mieter auch bereits für vor dem entstandene und bezahlte Aufwendungen für die Sanierung einer Therme nach §§ 1097, 1036 ABGB Ersatz verlangen können, entspricht zunächst der eindeutig erklärten Absicht des Gesetzgebers (AB 386 BlgNR 25. GP 2).

Prader (Wohnrechtsnovelle 2015 große Auswirkungen mit vielen Fragen, RdW 2015, 8) weist darauf hin, dass die klarstellende Stellungnahme des Bautenausschusses von Beginn weg der Absicht des Gesetzgebers entsprach und (nur) deswegen zur Aufnahme der Formulierung „ab Inkrafttreten“ in § 49g Abs 3 MRG geführt hatte, um die von Vonkilch (Thermenerhaltung neu: unsachlich, verfassungswidrig, die Presse 2014/47/05) angemeldeten Zweifel zu beseitigen.

Stabentheiner (Tausche Kellerabteil gegen Heiztherme Die Wohnrechtsnovelle 2015, ÖJZ 2015, 53 [57]) verweist zutreffend auf die mit der selben Novelle eingeführte Übergangsvorschrift des § 58c WEG 2002, in der zusätzlich zur gleichen Formulierung wie zu § 49g MRG auch die Rückwirkung auf vor Inkrafttreten verwirklichte Sachverhalte (Eintragungen) ausdrücklich angeordnet wurde.

Kothbauer (WRN 2015: Neue Erhaltungspflicht für Heizthermen und Boiler, immolex 2014, 367) verweist auf den eigentlichen Anwendungsbereich von § 49g MRG, welcher seiner Ansicht nach darauf abzielt, dem Fall vorzubeugen, dass ein Antrag auf Durchführung von § 3 Abs 2 Z 2a MRG entsprechenden Erhaltungsarbeiten aufgrund der vor dem geltenden Rechtslage abgewiesen wird und dies nach der Novelle in höherer Instanz nicht mehr geändert werden kann, sodass der Mieter einen neuen Antrag einbringen müsste. Dies ändert aber nichts daran, dass die am in Kraft tretende Bestimmung nicht auf Sachverhalte anzuwenden ist, die bereits vorher verwirklicht wurden. Auch Böhm („Wärmebereitungsgerät“ das juristische Unwort des Jahres 2014, immolex 2015, 10 [FN 44]) spricht sich gegen eine Anwendung auf vor dem Inkrafttreten verwirklichte Sachverhalte aus; ebenso Würth/Zingher/Kovanyi (Miet und Wohnrecht 23 , § 3 MRG Rz 15/2).

Schließlich ist noch darauf zu verweisen, dass § 3 Abs 2 Z 2a MRG selbst keinen Anspruch auf Aufwandersatz vorsieht, sondern nur regelt, wer für die ordnungsgemäße Erhaltung zu sorgen hat. Anspruchsgrundlage ist vielmehr § 1097 iVm § 1036 ABGB (angewandte Geschäftsführung ohne Auftrag; RIS Justiz RS0020494 [T1]). Gemäß § 1097 erster Fall ABGB hat derjenige Anspruch auf Ersatz nach den Regeln des § 1036 ABGB, der einen dem Bestandgeber obliegenden Aufwand gemacht hat. Der Anspruch wird sofort fällig (RIS Justiz RS0020552 [T3, T 5]) und kann daher nur gegen denjenigen geltend gemacht werden, der zum Zeitpunkt der Aufwendungen Vermieter war (RIS Justiz RS0114740 [T1]). Da der Anspruch also sofort zum Zeitpunkt des Aufwands entsteht, setzt sein Entstehen aber voraus, dass der Aufwand zum Zeitpunkt seines Anfalls auch tatsächlich vom Vermieter zu tragen wäre. Dies ist hier gerade nicht der Fall. Dass § 3 Abs 2 Z 2a MRG auch in gerichtlichen Verfahren anzuwenden ist, die am bereits anhängig geworden, aber noch nicht rechtskräftig entschieden worden sind (§ 49g Abs 2 MRG) besagt nämlich nicht, dass er auch auf einen vor dem verwirklichten Sachverhalt anzuwenden ist. Es trifft das Argument der Klägerin nicht zu, dass die Verneinung der Rückwirkung dem eindeutigen Gesetzeswortlaut widerspreche; vielmehr ist Gegenteiliges der Fall.

Hat daher der Mieter wie im vorliegenden Fall bereits vor Inkrafttreten der Neuregelung (§ 3 Abs 2 Z 2a MRG idF der WRN 2015) den Aufwand zur Erhaltung von mitvermieteten Wärmebereitungsgeräten getragen, kann ein Aufwandersatzanspruch nach §§ 1097, 1036 ABGB nicht auf die damals noch nicht in Geltung stehende, den Vermieter treffende Erhaltungspflicht gestützt werden. Das Berufungsgericht hat die Klage daher zu Recht abgewiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00101.16F.0524.000