OGH vom 17.05.2001, 7Ob103/01z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*****, vertreten durch Dr. Julius Brändle, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagte Partei Bruno G*****, vertreten durch Dr. Ursula Leissing, Rechsanwältin in Bregenz, wegen S 2,559.815 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 315/00f-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom , GZ 8 Cg 29/00t-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 26.936,49 (darin S 4.489,41 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte war Eigentümer des am abgebrannten Wohn- und Gasthauses "H*****" in der *****. Er hatte für das Brandobjekt bei der Klägerin eine Gebäudebündelversicherung abgeschlossen, der die Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (ABS 1971), die Allgemeinen Feuerversicherungsbedingungen (AFB 1984), Gruppierungserläuterungen und besondere Bedingungen zugrundelagen.
Art 5 Abs 2 AFB 1984 lautet wie folgt:
"Als Ersatzwert gelten: a) Bei Gebäuden der ortsübliche Bauwert unter Abzug eines dem Zustand des Gebäudes, insbesondere dem Alter und der Abnützung entsprechenden Betrages; wenn das Gebäude nicht innerhalb von drei Jahren, gerechnet vom Schadentag, wieder aufgebaut wird, ist höchstens der Verkehrswert zu ersetzen. ...."
d) ...
... "Für die Wiederherstellung gemäß lit a genügt es, wenn für zerstörte oder beschädigte Gebäude wieder Gebäude hergestellt werden, die dem gleichen Betriebszweck dienen".
Die AFB 1984 enthielten auch die Klausel 402 der Sonderbedingungen für die Neuwertversicherung von Gebäuden und Einrichtungen, soweit sie industriell oder gewerblich genutzt sind oder Wohn- und Bürozwecken dienen (Fassung 1985).
Punkt IV der Klausel 402 lautet wie folgt:
Abs 1:
"Der Versicherungsnehmer erwirbt den Anspruch auf Zahlung des die Zeitwertentschädigung übersteigenden Teiles der Entschädigung nur insoweit, als dieser Teil zusammen mit der Zeitwertentschädigung den Wiederherstellungsaufwand nicht übersteigt, und in dem Umfang, in dem die Verwendung der Entschädigung zur Wiederherstellung an der bisherigen Stelle gesichert ist".
Abs 2:
"Hiebei genügt es, wenn für zerstörte oder beschädigte Gebäude wieder Gebäude, für zerstörte oder beschädigte Einrichtungen wieder Einrichtungen und für zerstörte oder beschädigte sonstige Sachen gleichartige Sachen hergestellt bzw beschafft werden, soweit alle vorgenannten Sachen dem gleichen Betriebszweck dienen. ..."
Abs 5:
... "Unterbleibt die Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung innerhalb einer Frist von drei Jahren nach dem Schadenfall oder erklärt der Versicherungsnehmer dem Versicherer vor Ablauf der Frist schriftlich, dass er nicht wiederherstellen wolle, so verbleibt es endgültig bei Gebäuden bei dem Anspruch auf Entschädigung nach dem Zeitwert, höchstens aber dem Verkehrswert"....
Nachdem die Klägerin die Zeitwertentschädigung und die Abbruchkosten bezahlt hatte, forderte sie vom Beklagten den Nachweis, dass die Verwendung der Neuwertentschädigung zur Wiederherstellung des abgebrannten Objektes an der bisherigen Stelle gesichert sei. Der Beklagte legte daraufhin der Klägerin einen unwiderruflichen Auftrag der Firma L***** Baugesellschaft mbH & Co KG für den Rohbau des Wohn- und Geschäftshauses vor, worauf die Klägerin an den Beklagten die "Neuwertentschädigung" von S 2,559.815 am (Einlangen beim Beklagten) auszahlte. Dabei handelt es sich um die Differenz zwischen Zeitwert und Neuwert des (abgebrannten) Gebäudes.
Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Rückzahlung dieser "Neuwertentschädigung" von S 2,559.815 sA. Nach den dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Bedingungen und den getroffenen Vereinbarungen hätte der Beklagte das Objekt bis wieder aufbauen und die Neuwertentschädigung für den Wiederaufbau verwenden müssen. Da der Beklagte die ausbezahlte Summe nicht bestimmungsgemäß verwendet und daher die objektive (vom Verschulden unabhängige) Bedingung der Wiederaufbauklausel nicht erfüllt habe, sei die Klägerin berechtigt, die Versicherungsleistung zurückzufordern. Diese Berechtigung ergebe sich auch infolge Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Der Klagsanspruch werde außerdem auf § 1435 ABGB gestützt.
Der Beklagte beantragte Klagsabweisung. Die Klägerin habe sich der von ihm im Verfahren 8 Cg 243/98g des Landesgerichtes Feldkirch vertretenen Ansicht, dass die Wiederherstellung des Gebäudes nicht innerhalb der vorgesehenen Frist tatsächlich erfolgen hätte müssen, sondern innerhalb dieser Frist nur gesichert sein müsse, angeschlossen. Die Klägerin habe deshalb Zahlung geleistet, obwohl das Gebäude noch nicht (zur Gänze) errichtet gewesen sei und auch festgestanden sei, dass es bis nicht fertiggestellt werden könne. Es lägen keine neuen Umstände vor, welche Zweifel an der Sicherstellung der Wiederherstellung des Gebäudes unter Verwendung der Neuwertentschädigung rechtfertigten. Dass der Beklagte nach Genehmigung der von ihm beantragten Planänderungen und der Parifizierung des Objektes die Finanzierung abschließen und damit den Bau fertigstellen werde, sei schon deshalb nicht zu bezweifeln, weil er bisher mehr als S 4,000.000 verbaut habe. Es lägen somit keine neuen Tatsachen vor, welche erst nach Schluss der mündlichen Streitverhandlung im Vorverfahren eingetreten seien und den Anspruch des Beklagten aufheben könnten. Der Beklagte habe die Neuwertentschädigung für die Wiederherstellung des Gebäudes verwendet; weitere Geldmittel müsse er durch Kredite aufbringen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dabei ging es von folgenden Feststellungen aus:
Am meldete der Beklagte der Klägerin den Schaden. Am bezahlte die Klägerin die gesamten Abbruchkosten. Zu diesem Zeitpunkt war die Brandruine noch nicht abgebrochen.
Da es während der Planungsphase von Seiten des Landstraßenbauamtes Einwände gegen die Parkplatzsituation gab, beantragte der Beklagte, die Frist für die Wiederherstellung des versicherten Objektes um zunächst ein halbes Jahr zu erstrecken, was ihm die Klägerin mit Schreiben vom zusagte. Anfang 1998 gewährte sie dem Beklagten über dessen Ansuchen eine weitere Verlängerung der Wiederherstellungsfrist bis zum . Zu diesem Zeitpunkt (Anfang 1998) hatte der Beklagte die Baupläne bereits eingereicht, es hatte jedoch noch keine Bauverhandlung stattgefunden. Am erhielt der Beklagte die Baubewilligung, die 14 Tage später rechtskräftig wurde. Das Projekt umfasste ein Gebäude mit Tiefgarage, Keller, Kellerbar und Nebenräumen im Untergeschoß, ein Restaurant mit ca 40 Sitzplätzen samt Küche, Toilettanlagen und Nebenräumen im Erdgeschoß sowie in den zwei darüberliegenden Geschoßen neun Wohnungen.
Baubeginn war "Ende September 1998" (richtig: Mai 1998 [unstrittig laut AS 117 und 128]). Nachdem der Beklagte die Tiefgarage im Rohbau errichtet und der Klägerin am eine unwiderrufliche Auftragsbestätigung der Firma L***** Baugesellschaft mbH & Co KG vorgelegt hatte, überwies die Klägerin am den Klagsbetrag als "Neuwertentschädigung" an den Beklagten, wo das Geld am einlangte.
Insgesamt erhielt der Beklagte von der Klägerin S 4,556.521, wovon er etwa S 2,000.000 dafür verwendete, einen Kredit abzudecken, den er seinerzeit zum Erwerb des Gebäudes aufgenommen hatte.
Nach Fertigstellung der Tiefgarage und der Kellerdecke stellte die Baugesellschaft zu Weihnachten 1998 ihre Arbeiten ein, weil der Beklagte die zweite Teilzahlung in Höhe von S 1,100.000 nicht leisten konnte. Zu diesem Zeitpunkt hatte er die gesamte Versicherungssumme bereits aufgebraucht und beabsichtigte, die weitere Bautätigkeit mit zusätzlichen Krediten zu finanzieren.
Im Jahr 1999 legte der Beklagte bei der Marktgemeinde L***** Planänderungen vor. Es musste die Quadratmeteranzahl der Wohnungen verändert werden, um für die Wohnungen Wohnbauförderung zu erhalten. Nachdem dem Beklagten seitens der Marktgemeinde L***** mit Schreiben vom mitgeteilt worden war, dass die eingereichten Planänderungen so nicht möglich seien, reichte er am abermals eine Planänderung ein.
Eine Fertigstellung des Gebäudes bis zum war technisch nicht möglich. Der Beklagte beabsichtigte weiterhin, das Bauvorhaben fertigzustellen.
Rechtlich folgerte das Erstgericht, Zweck einer sogenannten "Wiederherstellungsklausel" sei es, die für den Versicherer bestehende Gefahr einer vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls dadurch zu verringern, dass die (die Neuwertspanne enthaltende) Entschädigung nur zur Wiederbeschaffung eines gleichartigen Gebäudes verwendet werden könne. Um diesen Zweck nicht gänzlich zu untergraben, müsse auch eine aufgrund gesicherter Wiederherstellung bereits bezahlte Neuwertentschädigung zurückgefordert werden können, wenn in der Folge (aus welchen Gründen auch immer) die Wiederherstellung unterbleibe. Die Voraussetzungen, unter denen dem Versicherungsnehmer allgemein die Neuwertspanne gebühre, nämlich nach der Sonderbestimmung 402 Punkt IV insbesondere die Einhaltung der Wiederherstellungsfrist sowie die Wahrung des Betriebszwecks, blieben auch bei vorangehender Sicherung der Wiederherstellung unberührt. Fielen diese Voraussetzungen (trotz vorangegangener Sicherung der Wiederherstellung) weg, so erlösche der Rechtsgrund für die Leistung, sodass der Versicherer gemäß § 1435 ABGB grundsätzlich die Neuwertentschädigung zurückfordern könne.
Der Passus der Sonderbestimmung 402 Punkt IV, dass die Wiederherstellung binnen drei Jahren ab Schadenfall zu erfolgen habe, gehe in seiner wörtlichen Bedeutung jedoch weit über den Zweck einer Wiederherstellungsklausel hinaus und benachteilige den Versicherungsnehmer gröblich. Die Klausel sei daher gemäß § 879 Abs 3 ABGB nichtig und in dieser Form nicht Vertragsinhalt geworden. Unter Berücksichtigung des Zwecks der Bestimmung sei sie im Sinne einer geltungserhaltenden Reduktion dahingehend umzudeuten, dass eine Wiederherstellung binnen drei Jahren gerechnet ab dem Zeitpunkt erfolgen müsse, in dem dem Versicherungsnehmer die Wiederherstellung möglich und auch zumutbar sei. Dieser Zeitpunkt werde in der Regel nicht vor Erteilung der Baubewilligung liegen. Unter den gegebenen Umständen stehe dem Beklagten für die Wiederherstellung des Gebäudes eine Frist bis Ende September 2001 zur Verfügung. Der Anspruch auf Rückzahlung der Neuwertspanne sei daher zumindest derzeit nicht gegeben. Dass der Beklagte die Neuwertentschädigung auch zur Abdeckung alter Schulden verwendet habe, schade nicht, da es Sache des Versicherungsnehmers sei, ältere (zinsenungünstigere) Kredite zu tilgen und sodann unter günstigeren Konditionen neue Kredite aufzunehmen, sofern diese in unmittelbarem Zusammenhang mit der Wiederherstellung stünden. Der Beklagte plane auch die Errichtung eines Gebäudes, das im Wesentlichen dem ursprünglichen Betriebszweck entspreche. Die Anpassung an den technischen Fortschritt sei nicht zu beanstanden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil im klagsstattgebenden Sinn ab. Es erklärte die ordentliche Revision für zulässig und führte in rechtlicher Hinsicht aus:
Nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes werde in der Wiederherstellung bei der Neuwertversicherung eine Anspruchsvoraussetzung gesehen. Derartige "strenge" Wiederherstellungsklauseln ließen den Restanspruch auf Auszahlung des Neuwertanspruches erst dann entstehen, wenn die Wiederherstellung durchgeführt oder gesichert sei. Nach Prölss/Martin könne der Versicherer die Versicherungsleistung nicht (nach § 812 BGB) zurückfordern, wenn die bestimmungsgemäße Verwendung zwar bei Auszahlung der Versicherungssumme zunächst gesichert gewesen, in der Folge aber dennoch vom Versicherungsnehmer für andere Zwecke verwendet worden sei. Dieser Ansicht sei im vorliegenden Fall aber nicht zu folgen, weil die Klausel 402 nicht wie § 97 VersVG nur darauf abstelle, ob die bestimmungsgemäße Verwendung des Geldes gesichert sei, sondern festlege, dass "es endgültig bei Gebäuden bei dem Anspruch auf Entschädigung nach dem Zeitwert, höchstens aber dem Verkehrswert verbleibe, wenn die Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung innerhalb einer Frist von drei Jahren nach dem Schadensfall unterbleibe".
Da hier unstrittig sei, dass die Neuerrichtung des Gebäudes bereits begonnen, aber noch nicht abgeschlossen worden sei, sei die ursprünglich anzunehmende Sicherstellung der bestimmungsgemäßen Verwendung der Versicherungsleistung insofern nicht mehr gegeben, als die Baugesellschaft ihre Arbeiten eingestellt habe und derzeit nicht sichergestellt sei, ob der Beklagte die für die weitere Bautätigkeit erforderlichen Kosten werde finanzieren können. Es sei daher davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz () das Gebäude noch nicht wiedererrichtet und auch die entsprechende bestimmungsgemäße Verwendung der Versicherungsleistung nicht (mehr) gesichert gewesen sei. Da die zwischen den Parteien vereinbarte verlängerte Frist zur Wiedererrichtung des Gebäudes zu diesem Zeitpunkt längst abgelaufen gewesen sei, seien die Voraussetzungen für die Auszahlung der "Neuwertentschädigung" nach § 97 VersVG, Art 5 Abs 2 lit a der AFB 1984 und Punkt IV der Klausel 402 weggefallen. Der Klägerin stehe daher ein entsprechender Rückforderungsanspruch nach § 1435 ABGB zu, wie dies bereits das Erstgericht zutreffend erkannt habe.
§ 97 VersVG stehe dem nicht entgegen, weil die Parteien von dieser Bestimmung abweichende Vereinbarungen treffen könnten, die hier darin gelegen seien, dass der Anspruch auf Auszahlung der "Neuwertentschädigung" entfalle, wenn die Wiederherstellung des Gebäudes nicht innerhalb von drei Jahren nach dem Schadenfall erfolge (Klausel 402).
Eine Sittenwidrigkeit der maßgeblichen Wiederherstellungsklausel sei weder von den Parteien behauptet noch vom Erstgericht erörtert worden. Sie liege auch nicht vor, weil die strenge Wiederherstellungsklausel der Begrenzung des subjektiven Risikos (der Versicherung) diene, das entstünde, wenn der Versicherungsnehmer die Entschädigungssumme für frei bestimmbare Zwecke verwenden könnte. Nur wenn der Versicherer durch willkürliche Verzögerung oder Verhinderung der Erfüllung der berechtigten Ansprüche des Versicherungsnehmers die Sicherstellung oder Wiedererrichtung des Gebäudes in Frage stelle, würde er wider Treu und Glauben verstoßen. Von einem solchen Verhalten der Klägerin könne hier jedoch keine Rede sein, da sie dem Beklagten über dessen Ersuchen ohne weiteres eine zweimalige Fristverlängerung um insgesamt zwei Jahre eingeräumt habe.
Dass die Liegenschaft des Beklagten am (nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz) versteigert worden sei, habe die Klägerin erst im Berufungsverfahren geltend gemacht, sei aber vom Beklagten faktisch außer Streit gestellt worden. Soweit er dazu vorbringe, dass die Wiederherstellung des Gebäudes durch den Erwerber gesichert sei, sei er darauf zu verweisen, dass die Sicherstellung der widmungsgemäßen Verwendung durch den Dritten erst dann anzunehmen wäre, wenn und soweit ihm die Entschädigungsforderung abgetreten wurde. Hier sei diese Forderung aber bereits an den Beklagten ausbezahlt und von diesem verbraucht worden.
Dem Standpunkt des Beklagten, dass mit den zu 8 Cg 243/98g des Landesgerichtes Feldkirch ergangenen Entscheidungen eine Bindungswirkung verbunden sei, die hier einer klagsstattgebenden Entscheidung entgegenstünde, könne deshalb nicht gefolgt werden, weil im nunmehrigen Verfahren weiteres Tatsachenvorbringen erstattet worden sei, dass sich nicht mit der Fälligkeit der "Neuwertentschädigung", sondern mit der Rückforderung derselben durch die Klägerin auseinandersetze, sodass gegenüber dem Vorprozess die Tatsachengrundlagen verändert und erweitert seien. Für die Klägerin habe mangels gegenteiliger Anhaltspunkte keine Verpflichtung bestanden, zu prüfen, ob die Wiederherstellung überhaupt oder innerhalb der vereinbarten verlängerten Frist möglich gewesen wäre. Da der Beklagte infolge der von ihm zu vertretenden unterbliebenen Fertigstellung des Gebäudes keinen Anspruch auf die "Neuwertentschädigung" gehabt habe, sei er mit der Rückzahlung bereits ab in Verzug.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zu der Frage, unter welchen Umständen ein Versicherer eine nach ursprünglicher Sicherstellung der bestimmungsgemäßen Verwendung der ausbezahlten "Neuwertentschädigung" diese bei Wegfall der Sicherstellung und Unterbleiben der Wiedererrichtung eines Gebäudes zurückfordern könne, soweit bekannt, keine Judikatur des Obersten Gerichtshofes vorliege.
Gegen dieses Urteil richtet sich die ordentliche Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Ersturteil wiederhergestellt und das Klagebegehren abgewiesen wird.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Beklagte stellt in seiner Revision zunächst ausdrücklich klar, dass er - entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichtes - nicht den Einwand der rechtskräftig entschiedenen Streitsache erhoben, sondern lediglich auf die materielle Rechtskraft des Urteils im Verfahren 8 Cg 243/98g des Landesgerichtes Feldkirch hingewiesen habe, also auf den - unstrittigen - Umstand, dass zwischen den Streitteilen rechtskräftig feststehe, dass die gegenständliche "Neuwertentschädigung" aufgrund der Sicherstellung der Wiederherstellung (des abgebrannten Gebäudes) am zur Zahlung fällig geworden sei. Diese Klarstellung entspreche der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wonach die Bindungswirkung einer - allenfalls - präjudiziellen Entscheidung nicht zur Zurückweisung wegen Nichtbeachtung der materiellen Rechtskraft, sondern zur Verpflichtung des Gerichtes führt, die präjudizielle Entscheidung seiner Sachentscheidung zugrundezulegen (3 Ob 2439/96i mwN; RIS-Justiz RS0041126; RS0041175; RS0041205; RS0041253).
Auf die durch die materielle Rechtskraft bewirkte Maßgeblichkeit der angeführten Entscheidung, die sich in einer inhaltlichen Bindung an diese äußert, wenn der in der rechtskräftigen Entscheidung entschiedene Anspruch - wie hier - Vorfrage für den im zweiten Prozess erhobenen Anspruch ist (vgl RIS-Justiz RS0041251; zuletzt: 7 Ob 32/00y mwN), könnte sich der Revisionswerber aber auch im Hinblick auf die von den Parteien zitierte einschlägige Entscheidung des BGH vom berufen, in der die Rückforderbarkeit einer vom Versicherer bezahlten Neuwertentschädigung ausdrücklich verneint wurde (VersR 1986, 756). Der dort beurteilte Fall ist mit dem vorliegenden Sachverhalt nämlich insoweit vergleichbar, als auch dort in einem Vorprozess mit rechtskräftigem Urteil über die Frage entschieden worden war, ob "die Verwendung der Entschädigung zur Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung ... sichergestellt ist". Daraus, dass im dortigen Vorprozess dieses Tatbestandsmerkmal des Anspruches auf erhöhte Neuwertentschädigung (dort: gemäß § 13 Abs 10 AKB) geprüft und festgestellt worden war, hat der BGH abgeleitet, dass das nachträgliche Verhalten des Versicherungsnehmers den Bestand des einmal entstandenen Anspruches nicht mehr berühren könne, und dazu Folgendes ausgeführt: "Stellt sich nachträglich heraus, dass die Prognose unrichtig war, die ausgezahlte Versicherungssumme tatsächlich nicht bestimmungsgemäß verwendet wird, so erweist sich nachträglich die Prognose zwar als unzutreffend, das auf der Prognose beruhende rechtskräftige Urteil bleibt aber gleichwohl für die Parteien bindend" (BGH vom , VersR 1986, 756).
Entgegen dem in der Revisionsbeantwortung vertretenen Standpunkt kann aber auch davon keine Rede sein, dass "zum deutschen Recht" (in der Lehre) nur "bisweilen" und "nicht näher begründet" die Meinung vertreten werde, dass eine Rückforderung der Neuwertspanne wegen bestimmungswidriger Verwendung nach Sicherstellung der Wiederherstellung nicht möglich sei. Tatsächlich liegt insoweit nämlich eine einhellige Beurteilung von Kollhosser (in Prölss/Martin VVG26 § 97 RN 14 aE, 666); Dorner/Staudinger (in Berliner Kommentar zum Deutschen und österreichischen VVG § 97 RN 31, 1410) und Martin (Sachversicherungsrecht3 R IV RN 39, 1357) vor, die letzterer ausdrücklich wie folgt begründet: "Wenn der Versicherer die AFB so formuliert, dass er restlose Sicherheit nicht verlangen kann, dann muss er einen gewissen Prozentsatz von Fällen in Kauf nehmen, in denen die Wiederherstellung später schließlich unterbleibt" (Martin aaO).
Mit ähnlicher Begründung (nämlich mit dem Hinweis darauf, dass § 97 VersVG und die Versicherungsbedingungen die Zahlung der Entschädigung nicht an die bereits erfolgte Wiederherstellung anknüpfen, sondern die Sicherung des Wiederaufbaus genügen lassen) geht für den österreichischen Rechtsbereich auch Grassl-Palten (Feuerversicherung und Realkredit, 149) davon aus, das Gesetz bürde dem Versicherer "ein gewisses - wenn auch geringes - Restrisiko auf, dass der Wiederaufbau wider alle berechtigte Erwartungen unterbleibt", und stelle damit letztlich die Interessen des Versicherungsnehmers über die des Versicherers (Grassl-Palten aaO FN 18).
Für den Standpunkt des Beklagten ist daraus aber nichts zu gewinnen, weil der Versicherer hier - anders als in dem vom BGH beurteilten Fall (VersR 1986, 756) - einen Vorbehalt des Inhalts, dass die erhöhte Entschädigungsleistung auch tatsächlich zur Wiederherstellung verwendet wird, in die Versicherungsbedingungen aufgenommen hat: Zur Frage, ob es - was die Höhe der Entschädigung betrifft - (letztlich doch) "endgültig beim Verkehrswert, höchstens aber beim Zeitwert verbleibt" wird nämlich im Absatz 5 der Klausel 402 gar nicht (mehr) darauf abgestellt, ob die bestimmungsgemäße Verwendung des Geldes "sichergestellt" ist. Es kommt vielmehr darauf an, ob "die Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung innerhalb einer Frist von drei Jahren nach dem Schadenfall unterbleibt". Dies entgeht dem Revisionswerber, wenn er sich darauf beruft, es sei (auch) die Klausel 402 so formuliert, dass eine 100 %ige Sicherheit nicht verlangt werden könnte: Tatsächlich legt ihr Punkt IV nämlich eindeutig fest, dass der Anspruch auf Ersatz der Neuwertspanne die Wiederherstellung des Gebäudes innerhalb der Wiederherstellungsfrist voraussetzt.
Die Rechtsnatur derartiger, aus der Neuwertversicherung stammender "strenger" Wiederherstellungsklauseln ist in der österreichischen, nicht aber in der deutschen Lehre umstritten. Fenyves (VR 1972, 117 ff), Grassl/Palten (aaO, 142 ff; VersRAI 1994 H 1 3 ff; RdW 1994, 41 ff sowie VR 1993, 273) sowie Jabornegg (VR 1987, 61) vertreten die Auffassung, es handle sich dabei um verhüllte Obliegenheiten. Dagegen hat sich der Oberste Gerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung (VR 1993, 199 = RdW 1993, 209 = VR 1993, 273 sowie 7 Ob 8/01d) der deutschen Lehre (Prölss/Martin aaO § 97 RN 3 ff; Martin, Sachversicherungsrecht3 R IV RN 14 ff mwN sowie Wussow, Feuerversicherung**2 622 f) angeschlossen, die die Wiederherstellungsklausel im Rahmen der objektiven Risikobegrenzung als Ersatzwertabrede beurteilt. Dementsprechend ist die Wiederherstellung des durch den Versicherungsfall beschädigten Gebäudes bzw Gebäudeteiles Anspruchsvoraussetzung. Daher schadet es dem Versicherungsnehmer jedenfalls, wenn sich die Wiederherstellung verzögert oder wenn sie gar völlig unterbleibt. Er verliert in diesem Fall seinen Anspruch gegen den Versicherer, ohne dass es darauf ankäme, ob ihm aus dem Verstoß gegen das Wiederherstellungsgebot ein persönlicher Vorwurf gemacht werden kann oder nicht. Würde man die Wiederherstellungsklausel hingegen als Obliegenheit werten, so fiele dem Versicherungsnehmer die Unterlassung oder Verspätung der Wiederherstellung wegen § 6 VersVG nur dann zur Last, wenn ihn daran ein Verschulden träfe.
An dieser Rechtsprechung hat der erkennende Senat - nach neuerlicher Überprüfung der gegen seine Judikatur erhobenen Kritik - auch zuletzt weiterhin festgehalten (7 Ob 375/98t). Im vorliegenden Fall ziehen die Parteien die Grundsätze dieser Rechtsprechung auch gar nicht in Zweifel. Es besteht daher weiterhin kein Anlass davon abzugehen, dass die Wiederherstellungsklausel in der Neuwertversicherung keine verhüllte Obliegenheit, sondern eine Risikobegrenzung darstellt (RIS-Justiz RS0081460 und RS0081840), sodass der Versicherte seinen Anspruch auf Ersatz der Neuwertspanne infolge unterbliebener Wiederherstellung auch dann verliert, wenn ihm der Verstoß gegen das Wiederherstellungsgebot nicht persönlich vorzuwerfen ist.
Entgegen der in der Revision vertretenen Meinung stehen dieser Beurteilung schließlich auch die Grundsätze der Auslegung von Versicherungsbedingungen nicht entgegen:
Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass allgemeine Versicherungsbedingungen nach den Regeln der Vertragsinterpretation auszulegen sind (§§ 914 ff ABGB). Nach objektiven Gesichtspunkten als unklar aufzufassende Klauseln müssen daher so ausgelegt werden, wie sie ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer verstehen musste, wobei Unklarheiten zu Lasten des Versicherers gehen (RIS-Justiz RS0008901 [T12]; 7 Ob 2136/96k mwN; zuletzt: 7 Ob 47/00p). In allen Fällen ist aber der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (VR 1994/279 uva; zuletzt: 7 Ob 47/00p; 7 Ob 314/00b mwN).
Die Bestimmung, wonach es bei Unterbleiben der "Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung" innerhalb einer Frist von drei Jahren nach dem Schadenfall "endgültig" bei Gebäuden bei dem Anspruch auf Entschädigung nach dem Zeitwert, höchstens aber dem Verkehrswert verbleiben soll, kann aber zwanglos nur dahin verstanden werden, dass sich der Versicherer damit auch eine allfällige Rückforderung bereits erbrachter, über den Zeit- bzw Verkehrswert hinausgehenden Versicherungsleistungen vorbehält. Die in der Revision angestrebte Auslegung zu Lasten des Versicherers kommt daher - schon mangels Unklarheit - nicht in Betracht. Auf einen allfälligen (teilweisen) Ausschluss der Rückforderung der "Neuwertentschädigung" infolge teilweiser Wiederherstellung ist nicht weiter einzugehen, weil es dafür an den erforderlichen Feststellungen fehlt und der Beklagte weder in seiner Berufung diesbezüglich das Fehlen von Feststellungen rügte noch in seiner Revision darauf zurückkommt.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.