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OGH vom 27.07.2017, 4Ob100/17k

OGH vom 27.07.2017, 4Ob100/17k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. M***** S*****, als Masseverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der R***** GmbH, gegen die beklagte Partei M***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Tramposch Partner Rechtsanwälte KG in Innsbruck, wegen Einwilligung (Streitwert 415.714,50 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 16/17k17, womit das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom , GZ 9 Cg 3/16z12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.151,44 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 525,24 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Masseverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft (Schuldnerin), die am beginnend mit zum Betrieb ihres Unternehmens für die Dauer von fünf Jahren eine Liegenschaft der Beklagten gemietet hatte. Der Mietvertrag sollte am durch Zeitablauf enden. Vereinbart wurde ein (vorzeitiges) Auflösungsrecht für den Fall der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Darüber hinaus räumte die Beklagte der Schuldnerin im Mietvertrag eine schriftlich anzunehmende unwiderrufliche Kaufoption ein. Darin wurde nicht nur der Kaufpreis samt Wertsicherung, sondern darüber hinaus auch festgelegt, dass im Falle der Annahme des Vertragsanbots durch die Schuldnerin 50 % der von ihr als Mieterin bis zum Zeitpunkt der Annahme des Anbots bezahlten Nettomiete auf den Kaufpreis angerechnet werde. Die Kaufoption war bis befristet.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Stilllegung des von der Schuldnerin auf der gemieteten Liegenschaft betriebenen Unternehmens, teilte der Kläger der Beklagten vorerst mündlich mit, dass er das im Mietvertrag enthaltene Kaufanbot annehmen wolle, um die Liegenschaft mit Gewinn für die Konkursgläubiger weiterverkaufen zu können. Die Beklagte erklärte sodann mit Schreiben vom , den Mietvertrag im Hinblick auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufzulösen und begehrte die Rückstellung der Bestandräumlichkeiten. Daraufhin erklärte der Kläger mit Schreiben vom die Annahme des im Mietvertrag erklärten Kaufanbots und behauptete die Unwirksamkeit der von der Beklagten zuvor abgegebenen Auflösungserklärung.

Der begehrte die Einwilligung der Beklagten in die Einverleibung seines Eigentumsrechts an der Liegenschaft. Die Auflösung des Mietvertrags sei nach § 25b IO unwirksam und das von ihm angenommene Kaufanbot weiter gültig.

Die wandte ein, § 25b IO stehe der von ihr erklärten Auflösung des Mietvertrags nicht entgegen, ihr Verkaufsanbot sei vor dessen Annahme weggefallen.

Das gab der Klage statt. Der Mietvertrag und das Kaufanbot seien getrennt zu beurteilen. Nach § 26 Abs 2 IO sei davon auszugehen, dass die Beklagte auch nach Insolvenz des Vertragspartners weiterhin an ihr Verkaufsanbot gebunden bleibe.

Das wies das Klagebegehren ab. Der Mietvertrag und das Verkaufsanbot seien als Einheit zu betrachten, weil nicht davon auszugehen sei, dass die Beklagte die Liegenschaft auch nach Beendigung des Mietvertrags habe verkaufen wollen. Falle der Mietvertrag weg, sei auch das Verkaufsanbot unwirksam. Dem stehe § 25b IO nicht entgegen. Diese Bestimmung sei teleologisch zu reduzieren, sie stehe der Lösungsklausel nach Stilllegung des Unternehmens nicht entgegen. Zwar bleibe der Antrag der Beklagten gemäß § 26 Abs 2 IO auch in der Insolvenz der Antragsempfängerin (Schuldnerin) aufrecht, eine Ausnahme bestehe aber dann, wenn sich – wie hier – aus den Umständen ergebe, dass eine Bindung der Antragstellerin im Konkursfall nicht gewollt sei. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung dazu fehle, ob § 25b Abs 2 IO teleologisch dahingehend zu reduzieren sei, dass nach Schließung des insolventen Unternehmens die von dessen Vertragspartner unter Berufung auf eine vereinbarte Auflösungsmöglichkeit im Fall der Insolvenz erklärte Auflösung des Vertrags dennoch wirksam sei.

Rechtliche Beurteilung

Die des Klägers, mit der er die Wiederherstellung des klagestattgebenden Ersturteils anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Die Vorinstanzen gingen zu Recht davon aus, dass das Kaufanbot, auf das sich der Kläger stützt, nach § 26 Abs 2 IO zu beurteilen ist. Nach dieser Bestimmung bleiben Anträge, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner noch nicht angenommen worden sind, aufrecht, sofern nicht ein anderer Wille des Antragstellers aus den Umständen hervorgeht.

Ob dies der Fall ist, kann nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls beurteilt werden, weshalb insoweit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten ist (vgl RISJustiz RS0044298, RS0042776, RS0044358).

Im Hinblick auf die gebotene Beurteilung des Kaufanbots nach § 26 Abs 2 IO (Weber-Wilfert/Widhalm-Budak in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 26 KO Rz 73 f; Gamerith in Bartsch/Pollak4§ 26 Rz 19) kann § 25b Abs 2 IO von vornherein nicht angewendet werden; dieser regelt nämlich nur die Auflösung oder den Rücktritt von Verträgen (Widhalm-Budak in Konecny, IRÄG 2010, 26; Taufner, Gesellschaftsvertragliche Ausschluss und Aufgriffsrechte nach dem IRÄG 2010, GesRZ 2011, 157 [158]; Umlauft, Gesellschaftsvertragliche Aufgriffsrechte in der Insolvenz des Gesellschafters, NZ 2012, 289 [290]), also von zweiseitigen Rechtsgeschäften. Andernfalls hätte § 26 Abs 2 IO keinerlei Anwendungsbereich. Die Berechtigung des hier klageweise geltend gemachten Anspruchs hängt daher nicht davon ab, ob die vom Berufungsgericht vorgenommene teleologische Reduktion von § 25b IO zu billigen ist oder nicht. Es kommt darüber hinaus auch nicht darauf an, ob die Beklagte den Mietvertrag wirksam vorzeitig auflösen konnte oder dieser in den Anwendungsbereich des MRG fällt.

Die vom Berufungsgericht aus den Umständen dieses Falls (Kaufanbot im Zusammenhang mit dem Mietvertragsabschluss und dessen Befristung bis drei Monate vor Ablauf des befristeten Mietverhältnisses) gezogene Schlussfolgerung, dass der hypothetische Parteiwille nicht auf eine vom Bestand des Mietvertrags unabhängige Ausübung der Kaufoption bzw darauf gerichtet war, im Insolvenzfall nicht nur das Mietverhältnis allenfalls vorzeitig zu beenden (was möglicherweise nicht rechtswirksam ist), sondern im Insolvenzfall vom Wegfall der Kaufoption auszugehen, bildet jedenfalls keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.

Die Revision ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO; die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hingewiesen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00100.17K.0727.000
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