Vorsteuerabzugsberechtigung und fehlende Rechnungsmerkmale
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch ***Stb***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des seinerzeitigen ***Finanzamtes X***
vom betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2016 und
vom betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2017,
zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (kurz: Bf) - die Firma ***Bf*** - betreibt einen Getränkegroßhandel und tätigte in den Jahren 2016 und 2017 Einkäufe bei der Firma ***A***, Inh. ***C***. Letzterer wurde die Gültigkeit ihrer UID-Nummer mit begrenzt.
Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung für die Jahre 2014 bis 2016 und Nachschau für den Zeitraum 01/2017 bis 01/2018 stellte die Außenprüfung fest, dass die Bf in den Jahren 2016 und 2017 Teile ihres Getränkeeinkaufes von der Firma ***A*** (Inh. ***C***) bezogen habe, der per die Gültigkeit der UID-Nummer begrenzt worden sei. Auf den Eingangsrechnungen sei zwar eine UID-Nummer angegeben worden, die ursprünglich der Firma ***A*** (Inh. ***C***) erteilt worden sei, allerdings sei diese zum Zeitpunkt der Rechnungsausstellung nicht mehr gültig gewesen. Es fehle somit ein wesentliches Merkmal einer zum Vorsteuerabzug berechtigenden Rechnung. Die Unternehmereigenschaft des Leistungserbringers sei an der UID-Nummer zu erkennen. Stelle sich (nachträglich) heraus, dass der Leistende keine Unternehmer-eigenschaft besitze, so gehe der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers verloren.
Im Zuge der Außenprüfung seien somit nachfolgende Vorsteuerbeträge - ab Begrenzung der UID-Nummer - aus folgenden Rechnungen nicht anerkannt worden:
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Rechnungsnummer | Rechnungsdatum | Rechnungsn ettobetrag | 20 % Umsatzsteuer |
160087 | 17.003,52 € | 3.400,70 € | |
160092 | 8.712,00 € | 1.742,40 € | |
160096 | 23.639,04 € | 4.727,81 € | |
160097 | 17.003,52 € | 3.400,70 € | |
100105 | 17.003,52 € | 3.400,70 € | |
160106 | 8.712,00 € | 1.742,40 € | |
160108 | 17.003,52 € | 3.400,70 € | |
160114 | 17.003,52 € | 3.400,70 € | |
126.080,64 € | 25.216,11 € |
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechnungsnummer | Rechnungsdatum | Rechnungsn ettobetrag | 20 % Umsatzsteuer |
170009 | 23.639,04 € | 4.727,81 € |
Da die Umsatzsteuererklärung 2017 noch nicht abgegeben worden sei, sei die Vorsteuer-korrektur im Rahmen einer Festsetzung der Umsatzsteuervoranmeldung Februar 2017 durchgeführt worden.
Die Abgabenbehörde folgte der Rechtsauffassung der Außenprüfung und erließ am den Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 02/2017 und am im wiederaufgenommenen Verfahren den Umsatzsteuerbescheid 2016.
Mit Schriftsatz vom erhob die steuerliche Vertretung der Bf Beschwerde gegen den Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 02/2017 vom und den Umsatzsteuerbescheid 2016 vom und begründete diese im Wesentlichen wie folgt: Die Bf habe beginnend mit Jänner 2016 die Geschäftsbeziehung zur Firma ***A*** (Inhaber ***C***) begonnen. Es habe sich dabei um einen Getränke-händler aus ***D*** gehandelt, der über den Zeitraum von Jänner 2016 bis Februar 2017 Getränkelieferungen an die Bf erbracht habe. Das Unternehmen verfüge über eine aufrechte Gewerbeberechtigung, worüber sich die Bf durch Einsichtnahme in das Firmenregister der Wirtschaftskammer überzeugt habe. Weiters sei über das MIAS-Portal eine Abfrage der UID-Nummer erfolgt, die auch als gültig beantwortet worden sei. Nach Angabe der Finanz-verwaltung sei der Firma mit die UID-Nummer aberkannt worden, was der Bf erst im Zuge des Betriebsprüfungsverfahrens zur Kenntnis gebracht worden sei, und der Grund für die Aberkennung der UID-Nummer der Bf bis heute nicht bekannt sei. Bis dahin seien der Bf weder Unregelmäßigkeiten noch sonstige auffallende Umstände bekannt gewesen, die auf Schwierigkeiten mit der Finanzverwaltung schließen ließen. Es sei die Firma ***A*** bzw deren Inhaber ***C*** auch nicht als Scheinunternehmen in der Liste der vom Bundesministerium für Finanzen geführten Scheinunternehmer ausgewiesen worden, und es habe seitens der Bf überhaupt keinen Grund gegeben, an der Ordnungsmäßigkeit und Seriosität des Unternehmens zu zweifeln.
In weiterer Folge verwies die steuerliche Vertretung darauf, dass für die Maßgeblichkeit des Vorsteuerabzuges § 11 UStG anzuwenden sei, wobei einige der darin angeführten Merkmale nur formeller Art seien und bei Zutreffen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Vorsteuerabzug grundsätzlich nicht versagt werden dürfe. Als materielle Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nenne der EuGH die Erbringung der Vorleistung durch einen Unternehmer und die Verwendung dieser Vorleistung durch einen Unternehmer für dessen besteuerte Umsätze. Diese Punkte seien unzweifelhaft erfüllt und somit sei der Vorsteuerabzug auch bei Verletzung gewisser formaler Verpflichtungen zu gewähren. Wenn die Betriebsprüferin vermeine, dass bei Rechnungsbeträgen über 10.000 € eine Überprüfung der Gültigkeit der auf der Rechnung angegebenen UID-Nummer stattfinden müsse, so verkenne sie hier die gültige Rechtslage. Der EuGH habe in verschiedenen Urteilen erkannt, dass dies eine überschießende Belastung der Steuerpflichtigen darstelle. Dem Vertrauensschutz gehorchend, genüge es, zu Beginn einer Geschäftsbeziehung die Gültigkeit der UID-Nummer zu überprüfen und in gewissen regelmäßigen Abständen dies weiter zu überprüfen. Der Gesetzgeber nenne hier aber keine Fristen, innerhalb derer dies geschehen müsse. Wenn somit bei einer laufenden regelmäßigen Geschäftsbeziehung ansonsten keine Verdachtsmomente oder Unregelmäßigkeit aufträten, so könne wohl der Zeitraum von einem Jahr als ausreichend angesehen werden, um nicht weitere Überprüfungen vornehmen zu müssen.
Die steuerliche Vertretung wies darauf hin, dass schon im Urteil "Kittel" der EuGH zum Ausdruck gebracht habe, dass zusätzliche, über den Artikel 22 der Sechsten EG-RL hinausgehende Rechnungsanforderungen nicht so weit gehen dürften, dass das Recht auf Vorsteuerabzug vollständig ausgeschlossen oder übermäßig erschwert werde. Zusätzliche Rechnungsangaben der Mitgliedstaaten sowohl laut Gesetz wie auch laut Verwaltungspraxis dürften nach der Rechtsprechung des EuGH nicht so eingesetzt werden, dass sie systematisch das Recht auf Vorsteuerabzug in Frage stellten. Das Grundprinzip des Rechts auf Vorsteuer-abzug in der Unternehmerkette müsse daher unter Beachtung der Gebote der Rechtssicherheit und Verhältnismäßigkeit in unverändertem Umfang auch in Zusammenhang mit unvollständigen Rechnungsangaben beachtet werden. Gutgläubigen Rechnungsempfängern sei zur Wahrung des Gebotes der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit auch im Fall formeller, peripherer Unvollständigkeiten oder Ungenauigkeiten von Rechnungsangaben ein Vorsteuerabzug nicht zu verwehren. Eine lückenlose Überprüfung aller UID-Nummern bei jeder erhaltenen Rechnung würde jeden Rahmen einer ökonomischen und verkraftbaren Rechnungskontrolle sprengen.
Das Bundesfinanzgericht und auch der Verwaltungsgerichtshof seien der Rechtsauffassung des Europäischen Gerichtshofes gefolgt, und es sei hier nur beispielsweise das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Geschäftszahl RV/5100237/2014 genannt. Hierin habe das Bundesfinanzgericht die vorangeführten Ausführungen wiederholt und sogar den Vorsteuerabzug bei gänzlichem Fehlen einer UID-Nummer anerkannt, wenn grundsätzlich die Identifizierung des Unternehmens anhand von übrigen Angaben auf der Rechnung möglich sei. Bei Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen (die im gegenständlichen Fall nicht bestritten seien) könne daher auch der Vorsteuerabzug bei gewissen formellen Mängeln zuerkannt werden. Hinzu komme, dass der Bf nicht bekannt gewesen sei, dass das Finanzamt dem Lieferanten die UID-Nummer entzogen gehabt habe. Ob es sich dabei um Steuerhinterziehung handle, sei der Bf auch nicht bekannt, und nur im Fall, dass die Bf von einem beabsichtigten oder durchgeführten Steuerbetrug gewusst hätte oder wissen hätte müssen, wäre möglicherweise ein Vorsteuerabzug nicht zulässig. Dies sei im vorliegenden Fall aber definitiv nicht gegeben, sodass das Nichtanerkennen eines Vorsteuerabzuges aus diesem Grund nicht möglich erscheine.
Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurde die Beschwerde gegen den Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 02/2017 vom und den Umsatzsteuerbescheid 2016 vom als unbegründet abgewiesen und im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Anbahnung sei offenbar durch persönliche Vorsprache des als Fahrverkauf auftretenden Herrn ***C*** im Unternehmen der Bf erfolgt. Herr ***C*** sei ***E*** Abstammung und der deutschen Sprache nicht mächtig. Bei Kontakten mit Behörden, etwa dem Finanzamt ***D***, sei jeweils ein Dolmetsch erforderlich gewesen. Den vorliegenden Rechnungen sei als Unternehmensanschrift ***U-Adr*** zu entnehmen. Die Abgabenbehörde führte weiter aus, dass der Behauptung der Bf, die Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmannes wahrgenommen zu haben, widersprochen werden müsse, da es nicht den Gepflogenheiten im Wirtschaftsleben entspreche, dass Großhändler an ihre Kunden im gewerblichen Großhandel herantreten würden, indem sie von einem LKW herab ihre Waren palettenweise zum Kauf anböten und dabei nicht einmal der deutschen Sprache mächtig seien. Das und der Umstand, dass es sich bei der Rechnungsadresse offensichtlich um eine Privatwohnung handle, hätte der Bf bereits Grund genug sein müssen, im weiteren Umgang mit Herrn ***C*** entsprechende erhöhte Sorgfalt walten zu lassen.
In der Folge sei von der Bf die UID-Nummer einmalig abgefragt und bestätigt worden. Gemäß Urteil (gemeint: Erkenntnis) des sei Voraussetzung für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug neben der Unternehmereigenschaft des Leistungs-empfängers auch die umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft des Erbringers der Lieferung oder sonstigen Leistung, die ebenfalls im Zeitpunkt der Leistung gegeben sein müsse. Des Weiteren werde in diesem Urteil festgestellt, dass, wenn sich herausstelle, dass der Leistende keine Unternehmereigenschaft besitze, und dies auch nachträglich, der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers verloren gehe.
Da unstrittig die UID-Nummer zum Zeitpunkt der Ausstellung der Rechnung nicht mehr gültig gewesen sei, fehle nicht nur ein wichtiges Rechnungsmerkmal, auch ließe es der Bf in diesem Punkte nach Ansicht der Behörde an der notwendigen Sorgfalt fehlen. Denn auch wenn zum Zeitpunkt der Aufnahme der Geschäftsbeziehung eine Überprüfung der Firma stattgefunden habe, so hätte es die Pflicht des ordentlichen Kaufmanns geboten angesichts der Ungewöhnlichkeit der Geschäftsbeziehung im Hinblick auf Anbahnung und Ablauf im Verlauf des Jahres weitere Überprüfungen der Gültigkeit der UID-Nummer durchzuführen, schon alleine um sicherzustellen, dass sich am Status Quo des Geschäftspartners, mit dem ja erst seit kurzem geschäftliche Beziehungen eingegangen worden seien, nichts geändert habe.
Die Abgabenbehörde verwies darauf, dass die von der Bf zitierten Urteile des EuGHs davon ausgingen, dass eine lückenlose Überprüfung der Gültigkeit von UID-Nummern für jede Rechnung ein nicht vertretbarer Aufwand der Rechnungskontrolle sei, und bei langjährigen Geschäftsbeziehungen dies auch nicht notwendig sei, obgleich auch hier eine zeitweilige Kontrolle jedenfalls einmal pro Jahr angezeigt scheine.
Die Abgabenbehörde führte weiter aus, dass es nicht im Sinne des Gesetzgebers und des EuGHs sein könne, dass Sorgfaltspflichten bei neuangebahnten oder dubiosen Geschäften unter Berufung auf diese Erkenntnisse (gemeint: Urteile) gröblich missachtet würden. Gerade bei Geschäftspartnern, die man nicht kenne und in deren Auftreten eine gewisse Ungewöhnlichkeit innewohne, würde auch die allgemeine Verkehrsauffassung gebieten, hier eine erhöhte Sorgfalt walten zu lassen.
Dass die Bf nicht gewusst habe, dass die Gültigkeit der UID-Nummer der Firma ***C*** (***A***) begrenzt worden sei, sei daher nach Auffassung der Behörde ihrem Versäumnis zuzuschreiben. Durch eine Abfrage hätte sie davon Kenntnis erlangen können und müssen, vor allem wenn die Bf in der Beschwerde vorbringe, dass die geschäftlichen Beziehungen bis zum Februar 2017 bestanden hätten. Spätestens zu Beginn des Jahres hätte es jedenfalls einer routinemäßigen Kontrolle der Gültigkeit der UID-Nummer bedurft, aber auch dies sei unterlassen worden.
Am wurde die Umsatzsteuer 2017 mittels Jahresbescheid erklärungsgemäß veranlagt.
Mit Schreiben vom stellte die steuerliche Vertretung der Bf den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht, auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und auf Entscheidung durch den Senat und führte unter anderem aus, dass seitens des Finanzamtes die Sorgfaltspflicht der Bf in Frage gestellt werde. Angeblich sei Herr ***C*** als Fahrverkäufer an die Bf herangetreten und habe die Waren vom LKW herab verkauft. Dem müsse allerdings vehement widersprochen werden. Die Geschäftsanbahnung sei durch einen Angestellten der Firma ***A*** zustande gekommen, der einerseits sehr gut Deutsch gesprochen habe und auch ein seriöses Auftreten erkennen habe lassen. Keineswegs und niemals seien die Waren vom LKW herab angeboten und verkauft worden, sondern es sei die Abwicklung der Geschäfte ordnungsgemäß über laufende Bestellungen und in der Folge durchgeführte Lieferungen (immer über Speditionen) erfolgt. Die Bestellungen seien z.T. telefonisch (wobei es niemals ein Sprachproblem gegeben habe, immer seien deutschsprachige Mitarbeiter vorhanden gewesen, wobei anzumerken sei, dass es im Übrigen überhaupt nicht mehr unüblich sei, im allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr und im Handel allgemein die Geschäfte in einer anderen Sprache als Deutsch abzuwickeln) oder auch via E-Mail erfolgt. Selbstverständlich seien auch die Bestellungen schriftlich bestätigt worden, wie es im Geschäftsgebrauch so üblich sei. Niemals sei es zu ad hoc Verkäufen vom LKW herab gekommen, wie seitens des Finanzamtes behauptet.
Als Beweis dafür übermittelte die steuerliche Vertretung beispielhaft einige Belege über durchgeführte Geschäfte im beanstandeten Zeitraum, nämlich:
Nr 1a) Mailbestellung von Getränken vom
Nr 1b) Mailbestätigung Firma ***A*** und Terminvereinbarung
Nr 1c) Rechnung der Firma ***A*** vom
Nr 1d) CMR Frachtpapier der Spedition ***F*** über diese Lieferung vom 06.10.
Nr 2a) Mailbestellung von Getränkedosen vom
Nr 2b) Mailbestätigung von ***A*** über Bestellung und Liefertermin
Nr 2c) Rechnung vom der Firma ***A*** über diese Lieferung
Nr 2d) Frachtschein der Firma ***G*** vom über diese Lieferung
Nr 3a) Mailbestätigung von Firma ***A*** hierüber
Nr 3b) Rechnung vom der Firma ***A*** über diese Lieferung
Nr 3c) Frachtschein der Sped. ***H*** vom
Die steuerliche Vertretung verwies darauf, dass diese exemplarischen Beispiele vom ordnungsgemäßen Geschäftsverlauf kündeten, der hundertfach auch bei anderen Unternehmen in derselben Art und Weise abgewickelt werde und dass sämtliche Zahlungen an die Firma ***A*** bargeldlos durch Überweisung auf ein österreichisches Bankkonto erfolgt seien.
Ob es sich bei der Firmenadresse ***A*** möglicherweise wie vom Finanzamt vermutet um eine Privatwohnung handle, könne für das gegenständliche Verfahren wohl keine Rolle spielen. Zum einen vermute das Finanzamt hier nur eine Privatwohnung, zum anderen könnten aber selbstverständlich oftmals Händler auch von (zu diesem Zweck umgebauten) Wohnungen aus ihre Geschäfte ausüben. Inwiefern dieser zweifelhafte Umstand im gegenständlichen Verfahren ein ausschlaggebender Punkt sein könne, bleibe verborgen.
Die steuerliche Vertretung verwies weiters darauf, dass die Geschäftsbeziehung am begonnen habe und am beendet worden sei, womit der vom Finanzamt geforderte einjährige Überprüfungszeitraum kaum überschritten worden sei (oder nur ganz geringfügig), wobei allerding sowohl (gemeint: weder) den Vorgaben des Gesetzgebers noch der Judikatur ein strikter Einjahreszeitraum zu entnehmen sei. Woraus das Finanzamt ableite, dass jedenfalls zu Beginn des Jahres 2017 eine neuerliche Abfrage der UID-Nummer erfolgen hätte müssen, entziehe sich der Kenntnis der Bf. In Anwendung dieser Vorgabe müsse aber wohl jedenfalls zumindest der Vorsteuerabzug für das gesamte Jahr 2016 zustehen. Weshalb sodann das Finanzamt in diesem Fall trotzdem auch für das Jahr 2016 den Vorsteuerabzug nicht anerkannt habe, erscheine nicht nachvollziehbar.
Der Unterstellung des Finanzamtes, wonach im vorliegenden Fall eine ungewöhnliche Geschäftsbeziehung bestanden habe oder dubiose Geschäfte abgewickelt worden seien, die eine erhöhte Sorgfalts- und Überprüfungspflicht nach sich zögen, müsse jedenfalls widersprochen werden. Das Unternehmen habe sich durch (sehr wohl Deutsch sprechende Vertreter) ausgewiesen, es habe ein ständiger telefonischer Kontakt sowie laufender E-Mail Kontakt bestanden und auch die handelnden Personen seien in den Betrieb gekommen und es sei so zu persönlichen Kontakten gekommen, die keinesfalls ein dubioses Geschäftsmodell hätten erkennen lassen. Bislang sei der Bf nicht bekannt, warum ***A*** die UID-Nummer entzogen worden sei. Maßgeblich sei, dass jedenfalls eine ordentliche Geschäftsabwicklung erfolgt sei, die Lieferungen tatsächlich und überprüfbar durchgeführt worden seien, die notwendigen Sorgfaltsmaßstäbe für ein Inlandsgeschäft angelegt worden seien (Überprüfung der UID-Nummer, persönlicher Kontakt, Überprüfung des Unternehmens via Wirtschaftskammerabfrage, etc). Die angebotenen Preise hätten sich im normalen Rahmen der Preisgestaltung im Großhandel bewegt, sodass auch hier keine Auffälligkeiten zu verzeichnen gewesen seien.
Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht vorgelegt.
Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom wurde die Abgabenbehörde ersucht, bis spätestens ,
1. aufzuklären, aus welchen Quellen, das in den Beschwerdevorentscheidungen vom geäußerte Vorbringen bezüglich der "Ungewöhnlichkeit der Geschäftsbeziehung im Hinblick auf Anbahnung und Ablauf" stamme, wonach der Inhaber der Firma ***A***, Herr ***C***, von einem LKW herab seine Waren palettenweise der beschwerdeführenden Partei zum Kauf angeboten habe und dabei nicht einmal der Deutschen Sprache mächtig gewesen sei,
2. zu den Ausführungen der beschwerdeführenden Partei auf Seite 3, 2. Absatz, des Vorlageantrages vom , Stellung zu nehmen, wonach die Ware keinesfalls und niemals vom LKW herab angeboten und verkauft worden sei, die Abwicklung der Geschäfte ordnungsgemäß über laufende Bestellungen und in der Folge mittels Speditionen durchgeführte Lieferungen erfolgt seien und es bei den zum Teil telefonisch erfolgten Bestellungen niemals ein Sprachproblem gegeben habe und immer deutschsprachige Mitarbeiter vorhanden gewesen seien,
3. näher darzulegen, weshalb - wie in den Beschwerdevorentscheidungen ausgeführt - der Umstand, dass es sich bei der Rechnungsadresse offensichtlich um eine Privatwohnung handle, der beschwerdeführenden Partei bereits Grund genug hätte sein müssen, im weiteren Umgang mit Herrn ***C*** entsprechende erhöhte Sorgfalt walten zu lassen, obwohl der Verwaltungsgerichtshof davon ausgeht, dass insbesondere eine wirtschaftliche Tätigkeit auch von anderen Orten als dem Gesellschaftssitz ausgeführt werden könne (vgl PPUH Stehcemp, C-277/14, Rn 35; ) und
4. aufzuzeigen - soweit die Abgabenbehörde davon ausgeht, dass Herr ***C***, als Inhaber der Firma ***A***, Umsatzsteuer hinterzogen habe - auf Grund welcher objektiven Umstände bzw konkreten Indizien die beschwerdeführende Partei wusste oder hätte wissen müssen, dass sie sich mit ihrem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war und welcher Kontrollmaßnahmen es - abgesehen einer routinemäßigen Kontrolle der Gültigkeit der UID-Nummer zu Beginn des Jahres (2017) - zusätzlich bedurft hätte.
Am übermittelte das Finanzamt Österreich dem Bundesfinanzgericht eine Stellungnahme zum Beschluss vom : Zu Punkt 1 und 2 des Beschlusses übermittelte die Abgabenbehörde eine Anzeige der Landespolizeidirektion ***I***, wonach Herr ***C*** am ***TT.MM.JJJJ*** auf der Autobahn mit überladenem Lastkraftwagen angetroffen worden sei, wobei das zulässige Gesamtgewicht des LKWs von 3.500 kg durch die Beladung von 1.360 kg überschritten worden sei. Von den fünf beigefügten Fotos ist auf einem der Schriftzug "pepsi" mehrere Male und auf einem anderen Foto die Umrisse eines LKWs erkennbar; die restlichen drei Fotos sind keiner Dokumentation dienlich. Weiters übermittelte die Abgabenbehörde einen Aktenvermerk vom Beginn der Außenprüfung bei Herrn ***C*** am , demzufolge eine Dolmetscherin angefordert worden sei, um die offiziellen Amtshandlungen ins ***E***, der Muttersprache von Herrn ***C***, und die Antworten vom ***E*** ins Deutsche zu übersetzen. Bei dieser Amtshandlung habe es sich herausgestellt, dass Herr ***C*** nicht mehr in ***D***, sondern in ***J*** wohne. Die Adresse in ***D*** diene nur mehr als Zustelladresse. Er sei auf der Suche nach einer neuen Wohnung. Bis dahin habe er in ***J*** nur kurzfristig in Wohnungen seines Freundes gewohnt, bis diese Wohnungen dann längerfristig fremdvermietet worden seien. Die Wohnung in ***D*** habe er von seinem Freund, für die er nie Miete bezahlten habe müssen. Zusätzlich übermittelte die Abgabenbehörde eine Kontrollmitteilung des Finanzamtes ***D***, in der Prüfungsfeststellungen sowie das Verhalten in steuerlichen Belangen des Herrn ***C*** dargestellt worden seien. Herr ***C*** sei zum Beispiel zu einem vereinbarten Termin nicht im Amt erschienen und habe dem Prüfer auch keine Geschäftsunterlagen zukommen lassen. Telefonische Kontaktaufnahme seitens des Prüfers seien in weiterer Folge mangels Erreichbarkeit des Abgabepflichtigen gescheitert. Unterlagen über eine ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte sowie Belege, die auch durchgeführte Lieferungen mittels Speditionen belegen könnten, seien nicht vorgelegt worden.
Zu Punkt 3 des Beschlusses des Bundesfinanzgerichtes übermittelte die Abgabenbehörde eine Abfrage im Zentralen Melderegister, wonach Herr ***C*** lediglich vom bis in ***K*** bei ***D*** gemeldet gewesen sei. Seither sei Herr ***C*** nicht mehr in Österreich gemeldet. Die Abgabenbehörde führte dazu aus, dass der VwGH wohl davon ausgehen möge, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit auch von anderen Orten als dem Gesellschaftssitz ausgeführt werden könne und dies sei auch unbestritten. Von Seiten der Behörde sei es allerdings nicht nachvollziehbar, dass ein ordentlicher Kaufmann sich bei einer Geschäftsverbindung wie der dargestellten nicht entsprechend absichere. Es könne wohl kaum dem alltäglichen Geschäftsverkehr entsprechen, dass ein Getränkehändler seine Privatadresse als Rechnungsadresse angebe.
Zu Punkt 4 des Beschlusses des Bundesfinanzgerichtes verwies die Abgabenbehörde darauf, dass die UID-Nummer zum Zeitpunkt der Rechnungsausstellung nicht mehr gültig gewesen sei. Eine nochmalige Überprüfung, zumal es unter den gegebenen Umständen aus reiner Vorsicht angetan gewesen wäre, hätte der Abgabepflichtigen gezeigt, dass etwas nicht in Ordnung sei. Auch Erkundigungen über einen neuen Geschäftspartner bei anderen "Branchenteilnehmern" im Vorfeld einzuziehen, wie es objektiv betrachtet angebracht gewesen wäre, wären zumutbar und nicht von Nachteil gewesen. Auf den "guten Glauben" des Rechnungsempfängers an die Unternehmereigenschaft des Rechnungsausstellers bzw dessen subjektive Überzeugung komme es nach dieser Rechtsprechung nicht an (vgl auch ; , 2002/15/0174; , 2003/13/0004). Das Risiko einer Enttäuschung in seinem guten Glauben habe nach der Rechtsprechung des VwGH der zu tragen, der im guten Glauben handle; eine Überwälzung des Risikos auf den Abgabengläubiger sei nicht möglich (vgl ). Stelle sich (nachträglich) heraus, dass der Leistende keine Unternehmereigenschaft besitze, so gehe der Vorsteuerabzug des Leistungs-empfängers verloren (vgl Kanduth-Kristen; Payerer in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig (Hrsg), UStG-ON 2.00 § 12 Rz 26).
Mit Schriftsatz vom nahm die steuerliche Vertretung der Bf den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und auf Entscheidung durch den Senat zurück.
II. Über die Beschwerde wurde erwogen:
1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zu Grunde gelegt:
Die Bf betreibt einen Getränkegroßhandel und tätigte in den Jahren 2016 und 2017 Einkäufe bei der als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs 1 UStG 1994 tätigen Firma ***A***, Inhaber ***C***.
Am wurde die Umsatzidentifikationsnummer der Firma ***A*** erteilt, mit wurde die Gültigkeit der UID begrenzt.
Die Umsatzsteuer, die von der Firma ***A*** der Bf für nach dem erbrachte Lieferungen in Rechnung gestellt wurde, wurde von der Außenprüfung als Vorsteuer nicht anerkannt und in weiterer Folge von der Abgabenbehörde im Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 02/2017 vom in Höhe von 4.727,81 € und im Umsatzsteuerbescheid 2016 vom in Höhe von 25.216,11 € als Vorsteuer nicht berücksichtigt.
Die Geschäftsbeziehung zwischen der Bf und der Firma ***A*** bestand vom bis zum .
In den Rechnungen wird die Anschrift des liefernden Unternehmers mit "***U-Adr***" angegeben.
Der Hauptwohnsitz von Herrn ***C*** war vom bis an der Adresse "***C-Adr***".
Die Bestellungen erfolgten zum Teil telefonisch oder auch via E-Mail. Die Bestellungen wurden schriftlich bestätigt und die Lieferung der Bestellungen erfolgte mit Speditionen. Die Bezahlung erfolgte bargeldlos durch Überweisung auf ein österreichisches Bankkonto.
Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass den Verantwortlichen der Bf die steuerlichen Malversationen ihres Lieferanten bekannt waren, bekannt sein hätten müssen oder sie Verdacht hätten schöpfen müssen.
Aufgrund der am elektronisch eingereichten Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2017 wurde im Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2017 vom die Umsatzsteuer in Höhe von 589.493,34 € festgesetzt. Dieser Betrag entspricht der Summe der aufgrund der zwölf monatlich eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen festgesetzten Umsatzsteuer von 584.765,58 € und des aufgrund der Außenprüfung als Vorsteuer nicht anerkannten Betrages von 4.727,81 € abzüglich einer Gutschrift von 5 Cent:
____________
584.493,34
Der Sachverhalt ergibt sich aus den von der Abgabenbehörde dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Unterlagen, dem Abgabeninformationssystem des Bundes, der Stellungnahme der Abgabenbehörde vom zum Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom sowie der folgenden Beweiswürdigung:
2. Beweiswürdigung
Strittig ist der Vorsteuerabzug aus Rechnungen der Firma ***A*** über Lieferungen an die Bf nach dem .
In den Beschwerdevorentscheidungen führte die Abgabenbehörde unter anderem aus, dass die Anbahnung offenbar durch persönliche Vorsprache des als Fahrverkauf auftretenden Herrn ***C*** im Unternehmen der Bf erfolgt sei. Herr ***C*** sei ***E*** Abstammung und der deutschen Sprache nicht mächtig. Bei Kontakten mit Behörden, etwa dem Finanzamt ***D***, sei jeweils ein Dolmetsch erforderlich gewesen. Den vorliegenden Rechnungen sei als Unternehmensanschrift ***U-Adr*** zu entnehmen. Die Abgabenbehörde führte weiter aus, dass der Behauptung der Bf, die Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmannes wahrgenommen zu haben, widersprochen werden müsse, da es nicht den Gepflogenheiten im Wirtschaftsleben entspreche, dass Großhändler an ihre Kunden im gewerblichen Großhandel herantreten, indem sie von einem LKW herab ihre Waren palettenweise zum Kauf anböten und dabei nicht einmal der deutschen Sprache mächtig seien. Das und der Umstand, dass es sich bei der Rechnungsadresse offensichtlich um eine Privatwohnung handle, hätte der Bf bereits Grund genug sein müssen, im weiteren Umgang mit Herrn ***C*** entsprechende erhöhte Sorgfalt walten zu lassen.
Bezüglich dieser Ausführungen wurde die Abgabenbehörde vom Bundesfinanzgericht mit Beschluss vom ersucht,
1. aufzuklären, aus welchen Quellen, das in den Beschwerdevorentscheidungen vom geäußerte Vorbringen bezüglich der "Ungewöhnlichkeit der Geschäftsbeziehung im Hinblick auf Anbahnung und Ablauf" stamme, wonach der Inhaber der Firma ***A***, Herr ***C***, von einem LKW herab seine Waren palettenweise der beschwerdeführenden Partei zum Kauf angeboten habe und dabei nicht einmal der Deutschen Sprache mächtig gewesen sei,
2. zu den Ausführungen der beschwerdeführenden Partei auf Seite 3, 2. Absatz, des Vorlageantrages vom , Stellung zu nehmen, wonach die Ware keinesfalls und niemals vom LKW herab angeboten und verkauft worden sei, die Abwicklung der Geschäfte ordnungsgemäß über laufende Bestellungen und in der Folge mittels Speditionen durchgeführte Lieferungen erfolgt seien und es bei den zum Teil telefonisch erfolgten Bestellungen niemals ein Sprachproblem gegeben habe und immer deutschsprachige Mitarbeiter vorhanden gewesen seien,
3. näher darzulegen, weshalb - wie in den Beschwerdevorentscheidungen ausgeführt - der Umstand, dass es sich bei der Rechnungsadresse offensichtlich um eine Privatwohnung handle, der beschwerdeführenden Partei bereits Grund genug hätte sein müssen, im weiteren Umgang mit Herrn ***C*** entsprechende erhöhte Sorgfalt walten zu lassen, obwohl der Verwaltungsgerichtshof davon ausgeht, dass insbesondere eine wirtschaftliche Tätigkeit auch von anderen Orten als dem Gesellschaftssitz ausgeführt werden könne (vgl PPUH Stehcemp, C-277/14, Rn 35; ).
In Beantwortung des Beschlusses des Bundesfinanzgerichtes übermittelte die Abgabenbehörde zu Punkt 1 und Punkt 2
- eine Anzeige der Landespolizeidirektion ***I***, wonach bei einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle festgestellt worden sei, dass beim Fahrzeug, das von Herrn ***C*** verwendet wurde, das höchste zulässige Gesamtgewicht des Lastkraftwagens von 3.500 kg durch die Beladung um 1.360 kg überschritten worden sei, weiters
- einen Aktenvermerk über den Prüfungsbeginn der Außenprüfung bei Herrn ***C***, aus dem im Wesentlichen hervorgeht, dass der Amtshandlung eine Dolmetscherin beigezogen worden sei und Herr ***C*** seit einem Jahr in ***J*** wohne und die Wohnung in ***D*** nur mehr als Zustelladresse diene sowie
- eine Kontrollmitteilung des FA ***D***, der zufolge Herr ***C*** zum vereinbarten Termin nicht im Amt erschienen sei, dem Prüfer keine Geschäftsunterlagen habe zukommen lassen und telefonische Kontaktaufnahmen seitens des Prüfers mangels Erreichbarkeit von Herrn ***C*** gescheitert seien.
Mit diesen Ausführungen beantwortete die Abgabenbehörde aber nicht die Frage des Bundesfinanzgerichts, aus welchen Quelle die Behauptung stamme, Herr ***C*** habe von einem LKW herab seine Waren palettenweise der Bf zum Kauf angeboten, und nahm die Abgabenbehörde auch nicht zu den Ausführungen der steuerlichen Vertretung der Bf im Vorlageantrag Stellung, wonach die Ware keinesfalls und niemals vom LKW herab angeboten und verkauft worden sei, die Abwicklung der Geschäfte ordnungsgemäß über laufende Bestellungen und in der Folge mittels Speditionen durchgeführte Lieferungen erfolgt sei und es bei den zum Teil telefonisch erfolgten Bestellungen niemals ein Sprachproblem gegeben habe und immer deutschsprachige Mitarbeiter vorhanden gewesen seien. Vielmehr erweist sich aufgrund der zusätzlich zu den Rechnungen beigebrachten Belege wie Mailbestellungen, Mailbestätigungen über Bestellungen, Frachtpapiere verschiedener Speditionen bzw Frächter, das Vorbringen der Bf als glaubhaft, dass die Abwicklung der Geschäfte ordnungsgemäß über laufende Bestellungen und in der Folge mittels Speditionen durchgeführte Lieferungen erfolgt seien, weshalb die Ausführungen der Abgabenbehörde bezüglich der "Ungewöhnlichkeit der Geschäftsbeziehung im Hinblick auf Anbahnung und Ablauf" nicht nachvollziehbar sind.
Soweit die Abgabenbehörde zusammen mit dem erwähnten Aktenvermerk über den Prüfungsbeginn der Außenprüfung bei Herrn ***C*** auch die Prüfungsfeststellungen übermittelte, aus denen unter anderem hervorgeht, dass Herr ***C*** ab dem Jahr 2015 in großem Ausmaß Rechnungen ausgestellt aber noch keine Umsatzsteuervoranmeldungen und auch keine Steuererklärungen für das Jahr 2015 beim Finanzamt eingereicht hätte, ist darauf zu verweisen, dass die Steuerverwaltung von einem Steuerpflichtigen nicht generell verlangen kann, zu prüfen, ob etwa der Aussteller der Rechnung seinen Verpflichtungen hinsichtlich der Erklärung und Abführung der Mehrwertsteuer nachgekommen ist, um sich zu vergewissern, dass auf der Ebene der Wirtschaftsteilnehmer einer vorhergehenden Umsatzstufe keine Unregelmäßigkeiten und Steuerhinterziehungen vorliegen (vgl ; , Ra 2020/13/0068). Ob die Mehrwertsteuer, die für die vorausgegangenen oder nachfolgenden Verkäufe der betreffenden Gegenstände geschuldet war, tatsächlich an den Fiskus entrichtet wurde, ist für das Recht des Steuer-pflichtigen auf Vorsteuerabzug nicht von Bedeutung (vgl , Kittel, Rn 49).
Wenn die Abgabenbehörde ihr geäußertes Vorbringen bezüglich der "Ungewöhnlichkeit der Geschäftsbeziehung im Hinblick auf Anbahnung und Ablauf" mit dem überladenen Lkw, der Nutzung der ***D*** Wohnung durch Herrn ***C*** nur mehr als Zustelladresse und der Verlegung seines Wohnsitzes von ***D*** nach ***J*** begründet sowie damit, dass Herr ***C*** zum vereinbarten Termin nicht im Amt erschienen sei und dem Prüfer keine Geschäftsunterlagen habe zukommen lassen, hat die Abgabenbehörde weder aufgezeigt, wie die Bf von diesen Umständen hätte Kenntnis erlangen können noch hat die Abgabenbehörde nachgewiesen, dass die Bf von all diesen Umstände gewusst habe bzw hätte wissen müssen.
Nach der Rechtsprechung des EuGH hat die Steuerbehörde objektive Umstände hinreichend nachzuweisen, die den Schluss zulassen, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass der zur Begründung des Vorsteuerabzugs ausgeführte Umsatz vom Lieferer oder von einem anderen Unternehmer in der Leistungskette in eine Steuerhinterziehung einbezogen war (, Bonik EOOD). Im konkreten Abgabenverfahren hat somit nicht der Steuerpflichtige seine Gutgläubigkeit zu beweisen, sondern die Abgaben-behörde hat substantiiert jene Tatsachen und Umstände vorzutragen, die aus ihrer Sicht die Gutgläubigkeit des Abnehmers ausschließen und das Vorliegen der objektiven Umstände festzustellen (vgl Ruppe/Achatz, UStG5, § 12 Tz 95).
Soweit die Abgabenbehörde in ihrer Stellungnahme zum Beschluss des Bundesfinanzgerichts auf das in den Prüfungsfeststellungen (Beilage 3) dargestellte "Verhalten in steuerlichen Belangen des Herrn ***C***" hinweist, wonach der Abgabepflichtige weder am wie vereinbart im Amt erschienen sein, noch die Geschäftsunterlagen dem Prüfer zukommen habe lassen, telefonische Kontaktaufnahmen seitens des Prüfers gescheitert seien in weiterer Folge mangels Erreichbarkeit des Abgabepflichtigen und laut Abfrage im Zentralen Melderegister Herr ***C*** seit nicht mehr in Österreich gemeldet gewesen sei, wird darauf verwiesen, dass diese Feststellungen einen Zeitraum betreffen, in dem die Bf mit der Firma ***A*** keine Geschäfte mehr tätigte.
In Beantwortung des Beschlusses des Bundesfinanzgerichts übermittelte die Abgabenbehörde zu Punkt 3 eine Abfrage im Zentralen Melderegister, wonach Herr ***C*** lediglich vom bis in ***K*** bei ***D*** und danach nicht mehr in Österreich gemeldet gewesen sei. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass die Geschäftsbeziehungen zwischen der Bf und der ***A*** laut "Beilage 2 Umsatzermittlung" des Berichts über das Ergebnis der Außenprüfung bei ***C*** vom im Zeitraum zwischen (Datum der ersten Rechnung) und (Datum der letzten Rechnung) bestanden haben und somit nicht nachvollziehbar ist, was mit der übermittelten Abfrage im Zentralen Melderegister bewiesen werden soll. Im Zeitraum der wirtschaftlichen Geschäftsbeziehungen zwischen der Bf und der ***A*** war Herr ***C*** in Österreich gemeldet. Dass sich Herr ***C*** Monate nach Beendigung der Geschäftsbeziehungen zur Bf in Österreich abgemeldet hat, kann der Bf wohl nicht zum Nachteil gereichen.
Wenn die Abgabenbehörde weiter ausführt, dass es von ihrer Seite nicht nachvollziehbar sei, dass "ein ordentlicher Kaufmann sich bei einer Geschäftsverbindung wie der dargestellten nicht entsprechend absichere und es wohl kaum dem alltäglichen Geschäftsverkehr entsprechen könne, dass ein Getränkehändler seine Privatadresse als Rechnungsadresse angebe", wird darauf hingewiesen, dass eine Anschrift, unter der der Unternehmer postalisch erreichbar ist, aber keine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet, als vollständige Anschrift iSv Art 226 Nr 5 MwSt-RL zu qualifizieren ist (vgl Ruppe/Achatz, UStG5, § 11 Tz 60/2).
Da in der übermittelten Abfrage im Zentralen Melderegister als Hauptwohnsitz von Herrn ***C*** "***C-Adr***" ausgewiesen wird, in den Beschwerdevorentscheidungen aber ausgeführt wird, dass den vorliegenden Rechnungen als Unternehmensanschrift "***U-Adr***" zu entnehmen sei, ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Abgabenbehörde in ihrer Stellungnahme zum Beschluss des Bundesfinanzgerichtes zur Auffassung gelangt, dass "es wohl kaum dem alltäglichen Geschäftsverkehr entsprechen könne, dass ein Getränkehändler seine Privatadresse als Rechnungsadresse angebe". Die Abgabenbehörde klärt nicht auf, warum sie davon ausgeht, dass es sich bei der auf den Rechnungen der ***A*** aufscheinenden Unternehmensanschrift "***U-Adr***" um die Privatadresse von Herrn ***C*** handle, obwohl in der Abfrage im Zentralen Melde-register als Hauptwohnsitz von Herrn ***C*** "***C-Adr***" ausgewiesen wird.
Wenn die Abgabenbehörde in den Beschwerdevorentscheidungen diesbezüglich ausführt, "dass der Umstand, dass es sich bei der Rechnungsadresse offensichtlich um eine Privatwohnung handelt, hätte der Bw (gemeint: Bf) bereits Grund genug sein müssen, im weiteren Umgang mit Herrn ***C*** entsprechende Sorgfalt walten zu lassen", lässt die Abgabenbehörde Ausführungen darüber vermissen, aufgrund welcher konkreten Umstände sie davon ausgeht, dass es sich bei der Rechnungsadresse "offensichtlich um eine Privatwohnung handelt". Da die Abgabenbehörde keine Unterlagen vorgelegt hat, aus denen hervorgeht, dass die Räumlichkeiten in "***U-Adr***" von der Firma ***A*** nicht als Büro genutzt wurden und auch nicht erklärt, warum es sich - für die Abgabenbehörde - bei der Rechnungsadresse "offensichtlich um eine Privatwohnung handelt", ist nicht erkennbar, was "bereits Grund genug hätte sein müssen, im weiteren Umgang mit Herrn ***C*** entsprechende Sorgfalt walten zu lassen".
Im Hinblick auf das , RGEX GmbH i.L., Rn 49, wo zum Ausdruck gebracht wird, dass es für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug durch den Empfänger von Gegenständen oder Dienstleistungen nicht erforderlich ist, dass die wirtschaftlichen Tätigkeiten des leistenden Unternehmers unter der Anschrift ausgeübt werden, die in der von ihm ausgestellten Rechnung angegeben ist, wird im Zusammenhang mit den widersprüchlichen und nicht nachvollziehbaren Ausführungen bezüglich der Rechnungsadresse der ***A*** und der Privatadresse von Herrn ***C***, nicht davon ausgegangen, dass diese bereits Grund genug hätten sein müssen, im weiteren Umgang mit Herrn ***C*** entsprechende Sorgfalt walten zu lassen.
Die Abgabenbehörde wurde mit Beschluss vom (Punkt 4) vom Bundesfinanzgericht ersucht, aufzuzeigen - soweit sie davon ausgehe, dass Herr ***C***, als Inhaber der Firma ***A***, Umsatzsteuer hinterzogen habe - auf Grund welcher objektiven Umstände bzw konkreten Indizien die Bf wusste oder hätte wissen müssen, dass sie sich mit ihrem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war und welcher Kontrollmaßnahmen es - abgesehen einer routinemäßigen Kontrolle der Gültigkeit der UID-Nummer zu Beginn des Jahres (2017) - zusätzlich bedurft hätte.
In Beantwortung von Punkt 4 des Beschlusses des Bundesfinanzgerichtes verwies die Abgabenbehörde erneut darauf, dass die UID zum Zeitpunkt der Rechnungsausstellung nicht mehr gültig gewesen sei und eine nochmalige Überprüfung, zumal es unter den gegebenen Umständen aus reiner Vorsicht angetan gewesen wäre, dem Abgabepflichtigen gezeigt hätte, dass etwas nicht in Ordnung sei. Auch Erkundigungen über einen neuen Geschäftspartner bei anderen "Branchenteilnehmern" im Vorfeld einzuziehen, wie es objektiv betrachtet angebracht gewesen wäre, wären zumutbar und nicht von Nachteil gewesen. Auf den "guten Glauben" des Rechnungsempfängers an die Unternehmereigenschaft des Rechnungsausstellers bzw dessen subjektive Überzeugung komme es nach dieser Rechtsprechung nicht an (vgl auch ; , 2002/15/0174; , 2003/13/0004). Das Risiko einer Enttäuschung in seinem guten Glauben habe nach der Rechtsprechung des VwGH der zu tragen, der im guten Glauben handle; eine Überwälzung des Risikos auf den Abgabengläubiger sei nicht möglich (vgl ). Stelle sich (nachträglich) heraus, dass der Leistende keine Unternehmereigenschaft besitze, so gehe der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers verloren (vgl Kanduth-Kristen; Payerer in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig (Hrsg), UStG-ON 2.00 § 12 Rz 26).
Wenn die Abgabenbehörde ausführt, dass "es unter den gegebenen Umständen aus reiner Vorsicht angetan gewesen wäre", die UID nochmals zu überprüfen, zeigt die Abgabenbehörde aber nicht auf, auf Grund welcher objektiven Umstände bzw konkreten Indizien die Bf wusste oder hätte wissen müssen, dass sie sich mit ihrem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war.
Soweit die Abgabenbehörde bezüglich des Ersuchens, aufzuzeigen, welcher Kontrollmaßnahmen es - abgesehen einer routinemäßigen Kontrolle der Gültigkeit der UID-Nummer zu Beginn des Jahres (2017) - zusätzlich bedurft hätte, ausführt, dass auch Erkundigungen über einen neuen Geschäftspartner bei anderen "Branchenteilnehmern" im Vorfeld einzuziehen, angebracht, zumutbar und nicht von Nachteil gewesen wäre, wird entgegengehalten, dass die Bf im Vorfeld eine Abfrage der UID über das MIAS-Portal, als auch eine Einsicht in das Firmenregister der Wirtschaftskammer vorgenommen hat, deren Ergebnis keinen Hinweis auf ungewöhnliche Geschäftsbeziehungen oder dubiose Geschäfte ergeben hätte und somit für die Bf kein Grund bestand, den Auskünften der Abgabenbehörde bzw der Wirtschaftskammer weniger zu vertrauen als etwaigen "Branchenteilnehmern".
Bezüglich des Vorbringens der Bf in der Beschwerde, wonach die Gültigkeit der UID zu Beginn der Geschäftsbeziehung und in gewissen regelmäßigen Abständen zu überprüfen sei, der Gesetzgeber aber keine Fristen nenne, innerhalb derer dies zu geschehen habe, und den Ausführungen in den Beschwerdevorentscheidungen, dass eine zeitweilige Kontrolle jedenfalls einmal pro Jahr angezeigt scheine bzw spätestens zu Beginn des Jahres [2017] es jedenfalls einer routinemäßigen Kontrolle der Gültigkeit der UID bedurft hätte, ist nicht nachvollziehbar, weshalb dann nicht der Vorsteuerabzug für das gesamte Jahr 2016 gewährt wurde, zumal die Geschäftsbeziehungen mit der ***A*** am begonnen haben.
Hinsichtlich der Ausführungen der Abgabenbehörde, wonach es auf den "guten Glauben" des Rechnungsempfängers an die Unternehmereigenschaft des Rechnungsausstellers bzw dessen subjektive Überzeugung nach dieser Rechtsprechung nicht ankomme (vgl auch ; , 2002/15/0174; , 2003/13/0004), das Risiko einer Enttäuschung in seinem guten Glauben nach der Rechtsprechung des VwGH der zu tragen habe, der im guten Glauben handle, eine Überwälzung des Risikos auf den Abgabengläubiger nicht möglich sei (vgl ) und sofern sich (nachträglich) herausstelle, dass der Leistende keine Unternehmereigenschaft besitze, so gehe der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers verloren (vgl Kanduth-Kristen; Payerer in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig (Hrsg), UStG-ON 2.00 § 12 Rz 26), ist darauf hinzuweisen, dass die zitierte, ältere, den Schutz des guten Glaubens an die Unternehmer-eigenschaft des Leistenden verneinende, Rechtsprechung unionsrechtlich nicht aufrechtzuerhalten ist (vgl Ruppe/Achatz, UStG5, § 12 Tz 33).
Im Hinblick darauf, dass die Abgabenbehörde
nicht aufgeklärt hat, aus welchen Quellen ihr Vorbringen stamme, Herr ***C*** habe von einem LKW herab seine Waren palettenweise zum Kauf angeboten,
nicht zum Vorbringen der steuerlichen Vertretung Stellung genommen hat, wonach die Ware keinesfalls und niemals vom LKW herab angeboten und verkauft worden sei, sondern die Abwicklung der Geschäfte über laufende Bestellungen und in der Folge mittels Speditionen durchgeführte Lieferungen erfolgt seien,
nicht aufgezeigt hat, wie die Bf von den Umständen Kenntnis hätte erlangen können, dass Herr ***C*** keine Umsatzsteuervoranmeldungen und keine Steuererklärungen für das Jahr 2015 beim Finanzamt eingereicht hatte, zum vereinbarten Termin nicht im Amt erschienen sei und dem Prüfer keine Geschäftsunterlagen habe zukommen lassen und mit einem überladenen LKW unterwegs gewesen sei, Herr ***C*** die ***D*** Wohnung nur mehr als Zustelladresse genutzt habe, seinen Wohnsitz nach ***J*** verlegt habe und seit nicht mehr in Österreich gemeldet gewesen sei,
nicht erklärt hat, warum sie davon ausgeht, dass es sich bei der Unternehmensanschrift "***U-Adr***" um die Privatadresse von Herr ***C*** handle, obwohl in der Abfrage im Zentralen Melderegister als Hauptwohnsitz "***C-Adr***" ausgewiesen wird,
nicht erklärt hat, warum es sich für die Abgabenbehörde bei der Rechnungsadresse "offensichtlich um eine Privatwohnung handle" und "dies bereits Grund genug hätte sein müssen, im weiteren Umgang mit Herrn ***C*** entsprechende Sorgfalt walten zu lassen",
ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Abgabenbehörde von der "Ungewöhnlichkeit der Geschäftsbeziehungen im Hinblick auf Anbahnung und Ablauf" ausgeht, zumal im konkreten Abgabenverfahren nicht der Steuerpflichtige seine Gutgläubigkeit zu beweisen hat, sondern die Abgabenbehörde hat jene Tatsachen und Umstände vorzutragen, die aus ihrer Sicht die Gutgläubigkeit des Abnehmers ausschließen und das Vorliegen der objektiven Umstände festzustellen. Die von der Abgabenbehörde vorgetragenen Tatsachen und Umstände sind nicht geeignet, um hinreichend nachzuweisen, dass im Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Leistung Anhaltspunkte vorgelegen sind, die bei der Bf den Verdacht aufkommen hätten lassen können, dass eine Steuerhinterziehung vorliegt und die Bf die erforderlichen Sorgfaltspflichten nicht erfüllt hat und somit wusste oder hätte wissen müssen, dass die zur Begründung des Vorsteuerabzugs ausgeführten Umsätze vom Lieferer in eine Steuerhinterziehung einbezogen waren.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Gemäß § 12 Abs 1 Z 1 UStG 1994 kann der Unternehmer ua die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.
Gemäß § 11 Abs 1 Z 3 UStG 1994 müssen Rechnungen ua den Namen und die Anschrift des liefernden oder leistenden Unternehmers (lit a) und soweit der Unternehmer im Inland Lieferungen oder sonstige Leistungen erbringt, für die das Recht auf Vorsteuerabzug besteht, die dem Unternehmer vom Finanzamt erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (lit i) enthalten.
Die für die Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug erforderlichen materiellen Voraus-setzungen sind in Art. 168 Buchstabe a der Richtlinie 2006/112/EG aufgezählt. Demnach ist es erforderlich, dass der Betroffene Steuerpflichtiger (im Sinne der Richtlinie) ist und dass die zur Begründung des Abzugsrechts angeführten Gegenstände und Dienstleistungen vom Steuerpflichtigen auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden müssen und diese Gegenstände und Dienstleistungen auf einer vorausgehenden Umsatzstufe von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden müssen (vgl , , PPUH Stehcemp, Rn 28; , Vadan, Rn 39).
In Tz 1 der Niederschrift über die Schlussbesprechung und dem Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom wird ausgeführt, dass die Unternehmereigenschaft des Leistungserbringers an der UID-Nummer zu erkennen sei und wenn sich (nachträglich) herausstelle, dass der Leistende keine Unternehmereigenschaft besitze, so gehe der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers verloren weshalb Vorsteuerbeträge ab Begrenzung der UID-Nummer nicht anerkannt worden seien. Ähnlich argumentiert die Abgabenbehörde in den Beschwerdevorentscheidungen vom , wenn sie darauf verweist, dass Voraussetzung für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug neben der Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers auch die umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft des Erbringers der Lieferung oder sonstigen Leistung sei, die ebenfalls im Zeitpunkt der Leistung gegeben sein müsse und wenn sich herausstelle, dass der Leistende keine Unternehmereigenschaft besitze, und dies auch nachträglich, der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers verloren gehe.
Die Unternehmereigenschaft des Leistenden muss objektiv nach den Kriterien des § 2 UStG gegeben sein (vgl Ruppe/Achatz, UStG4, § 12 Tz 33).
Gemäß § 2 Abs 1 UStG 1994 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Der Anspruch auf Erteilung einer UID richtet sich nach Art 28 Binnen-marktregelung (BMR), demzufolge das Finanzamt Unternehmern im Sinne des § 2, die im Inland Lieferungen oder sonstige Leistungen erbringen, für die das Recht auf Vorsteuerabzug besteht […], eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zu erteilen hat.
Wenn die Abgabenbehörde davon ausgeht, dass mit Begrenzung der UID der Firma ***A*** deren Unternehmereigenschaft beendet wurde, wird darauf hingewiesen, dass die Zuteilung einer UID für die Unternehmereigenschaft ohne Relevanz ist: sie lässt schon deswegen keinen zwingenden Schluss auf die Unternehmereigenschaft oder den Umfang des Unternehmens zu, weil die Erteilung einer UID auch an juristische Personen ohne Unternehmereigenschaft vorgesehen ist und umgekehrt bei Vorliegen der Voraussetzungen Unternehmereigenschaft auch dann besteht, wenn noch keine UID erteilt ist (vgl Ruppe/Achatz, UStG5, § 2 Tz 19/2).
Im Hinblick darauf, dass die Zuteilung einer UID für die Unternehmereigenschaft ohne Relevanz ist und somit durch die Begrenzung der UID die Unternehmereigenschaft nicht verloren geht, war die Firma ***A*** auch nach Begrenzung der UID Steuerpflichtige im Sinne des Art. 168 Buchstabe a der Richtlinie 2006/112/EG.
Wenn die Abgabenbehörde in ihrer Stellungnahme vom eine Kontrollmitteilung des Finanzamtes ***D*** übermittelte, in der Prüfungsfeststellungen dargestellt wurden, wonach die Firma ***A*** ab dem Jahr 2015 in großem Ausmaß Rechnungen ausgestellt aber noch keine Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht hätte und der Abgabepflichtige den ganzen September 2016 nicht erreichbar gewesen sei, weshalb die Gültigkeit der UID mit begrenzt worden sei, ist darauf hinzuweisen, dass die Eigenschaft einer Person als Unternehmer ("Steuerpflichtiger im Sinne der Richtlinie 2006/112/EG") nicht davon abhängt, ob die Pflichten zur Abgabe einer Steuererklärung und zur Einrichtung der Mehrwertsteuer erfüllt werden (vgl PPUH Stehcemp,
C-277/14, Rn 39). Der Vorsteuerabzug der Bf kann demnach nicht bereits mit der Begründung versagt werden, dass die Firma ***A*** keine Steuerpflichtige gewesen sei.
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Ra 2016/15/0068, unter Bezugnahme insbesondere auf das , Barlis 06, Rn 42 bis 44, zum Ausdruck gebracht hat, folgt aus dem Grundprinzip der Neutralität der Mehrwertsteuer, dass der Vorsteuerabzug gewährt wird, wenn die materiellen Voraussetzungen dafür erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmen formellen Anforderungen nicht genügt. Daher darf die Steuerverwaltung das Recht auf Vorsteuerabzug in einem solchen Fall nicht verweigern, wenn sie über sämtliche Daten verfügt, um zu prüfen, ob die für das Vorsteuerabzugsrecht geltenden materiellen Voraussetzungen vorliegen. Dabei darf sich die Steuerverwaltung nicht auf die Prüfung der Rechnung selbst beschränken. Sie hat auch die vom Steuerpflichtigen beigebrachten zusätzlichen Informationen zu berücksichtigen. (vgl ; , Ro 2019/13/0030; , Ra 2020/13/0068).
In diesem Zusammenhang übermittelte die steuerliche Vertretung der Bf im Rahmen des Vorlageantrages vom Belege (siehe Seite 6, Nr 1a bis Nr 3c) aus denen zum Beispiel hervorgeht, dass den in der Rechnung vom , Rechnungsnummer 160087 (Nr 1c), fakturierten Gegenstände eine schriftliche Bestellung (Nr 1a) voraus ging, die Bestellung von der Firma ***A*** per E-Mail (Nr 1b) bestätigt wurde und die Lieferung der Bestellung durch die Spedition ***F*** durchgeführt und mittels Frachtbrief (Nr 1d) bestätigt wurde. Bezüglich der Rechnung vom , Rechnungsnummer 160092 (Nr 2c), wurde die schriftliche Bestellung (Nr 2a) der Bf, die Bestätigung der Bestellung durch die ***A*** (Nr 2b) und der Frachtbrief der Firma ***G*** (Nr 2d) vorgelegt. Hinsichtlich der Rechnung vom , Rechnungsnummer 160096 (Nr 3b), übermittelte die steuerliche Vertretung die per E-Mail erfolgte Bestätigung der Bestellung durch die Firma ***A*** (Nr 3a) und den Frachtbrief der Firma ***H*** (Nr 3c). Dass sämtliche Bestellungen per Banküberweisungen bezahlt wurden, geht aus einer Aufstellung im Arbeitsbogen der Außenprüfung ("Beilage 1 Umsatzermittlung") hervor.
Aufgrund der zusätzlich zu den Rechnungen, beigebrachten Belege sowie der Tatsache, dass die Rechnungen mit Banküberweisungen bezahlt wurden, ist davon auszugehen, dass die in den Rechnungen fakturierten Gegenstände von der ***A*** tatsächlich geliefert wurden. Dadurch und in Verbindung mit dem Umstand, dass - wie oben ausgeführt - die Begrenzung der UID durch die Abgabenbehörde nicht den Verlust der Unternehmer-eigenschaft zur Folge hat, erfüllt die Firma ***A*** als Steuerpflichtiger im Sinne der Richtlinie 2006/112/EG die in Art. 168 Buchstabe a der erwähnten Richtlinie aufgezählten materiellen Voraussetzungen für die Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug. Da im Hinblick auf die zusätzlich zu den Rechnungen, beigebrachten Belege kein Zweifel an der Erbringung von Lieferungen von einem Unternehmer an die Bf bestehen kann, und die Abgabenbehörde damit über sämtliche Angaben verfügt, die für die Feststellung erforderlich sind, dass die materiellen Anforderungen für die Gewährung des Vorsteuerabzuges erfüllt sind, durfte der von der Bf im Zusammenhang mit den an sie erbrachten Lieferungen geltend gemachte Vorsteuerabzug nicht verwehrt werden.
Der Gesamtbetrag der Vorsteuern für das Jahr 2016 ist somit in Höhe von 2.008.665,77 € zu berücksichtigen:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Gesamtbetrag der Vorsteuern laut Außenprüfung | 1.983.449,66 € |
+ Vorsteuerkürzung laut Außenprüfung | + 25.216,11 € |
Gesamtbetrag der Vorsteuern laut Bundesfinanzgericht | 2.008.665,77 € |
§ 253 BAO idF BGBl I Nr. 14/2013 lautet:
Tritt ein Bescheid an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides, so gilt die Bescheidbeschwerde auch als gegen den späteren Bescheid gerichtet. Dies gilt auch dann, wenn der frühere Bescheid einen kürzeren Zeitraum als der ihn ersetzende Bescheid umfasst.
An die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides tretende Bescheide sind vor allen […] Umsatzsteuerveranlagungsbescheide, die an die Stelle von Umsatzsteuer-festsetzungsbescheiden treten […] (vgl Ritz, BAO6, § 253 Tz 2).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Bescheide betreffend die Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen für bestimmte Zeiträume in vollem Umfang anfechtbar. Solche Bescheide haben aber insofern einen zeitlich begrenzten Wirkungsbereich, als sie durch Erlassung von diese Zeiträume umfassenden Umsatzsteuerjahresbescheiden außer Kraft gesetzt werden. Durch die Erlassung eines Umsatzsteuerjahresbescheides scheiden Bescheide betreffend Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen aus dem Rechtsbestand aus ().
Erfolgt die Erlassung des Umsatzsteuerjahresbescheides während eines gegen den Festsetzungsbescheid anhängigen Beschwerdeverfahrens, so tritt der Jahresbescheid im Sinne des § 253 BAO an die Stelle des Festsetzungsbescheides.
Nach , gilt die Abänderungssperre des § 300 BAO, wodurch eine gleichzeitige Zuständigkeit der Abgabenbehörde und des Verwaltungsgerichts vermieden werden soll, nicht für den Fall eines Umsatzsteuerfestsetzungsbescheides und eines nachfolgenden Umsatzsteuerjahresbescheides. Da die Erlassung eines Umsatzsteuerjahres-bescheides eine andere Sache betreffe als jene eines Festsetzungsbescheides, auch wenn dessen Zeitraum im Zeitraum des Jahresbescheides beinhaltet sei, bestünden insoweit keine konkurrierenden Zuständigkeiten. Dieser Fall sei daher vom Regelungsziel des § 300 BAO nicht umfasst.
Das Außer-Kraft-Setzen des Umsatzsteuerfestsetzungsbescheides durch die Erlassung des Jahresbescheides ist somit nicht als Aufhebung oder Abänderung im Sinne des § 300 Abs 1 BAO zu beurteilen.
Das Finanzamt war im vorliegenden Fall infolge obiger rechtlicher Ausführungen befugt, trotz des gegen den Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid für 02/2017 vom anhängigen Beschwerdeverfahrens den Umsatzsteuerjahresbescheid 2017 vom zu erlassen.
Die gesetzliche Bestimmung des § 253 BAO bewirkte, dass die Beschwerde gegen den Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid auch als gegen den Umsatzsteuerjahresbescheid gerichtet galt.
Der Gesamtbetrag der Vorsteuern für das Jahr 2017 ist somit in Höhe von 1.889.645,42 € zu berücksichtigen:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Gesamtbetrag der Vorsteuern laut Umsatzsteuererklärung 2017 | 1.884.917,61 € |
+ Vorsteuerkürzung laut Außenprüfung | + 4.727,81 € |
Gesamtbetrag der Vorsteuern laut Bundesfinanzgericht | 1.889.645,42 € |
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Beilagen: 2 Berechnungsblätter
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Frage, ob die Bf von der Hinterziehung der Umsatzsteuer durch den an sie liefernden Unternehmer wusste oder wissen musste, ist eine auf Ebene der Sachverhaltsermittlung und freien Beweiswürdigung zu lösende Tatfrage, die zu keiner Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung führt.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 279 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 2 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 11 Abs. 1 Z 3 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 Art. 168 Buchstabe a RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1 RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1 § 253 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 300 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 300 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Nachweisführung Gesellschaftssitz materielle Voraussetzungen Anhaltspunkte UID Sorgfalt Unternehmereigenschaft Vorsteuerabzug formelle Anforderungen wusste oder hätte wissen müssen |
Verweise | Ruppe/Achatz, UStG 5. Aufl., § 12 Tz 95 Ruppe/Achatz, UStG 5. Aufl., § 11 Tz 60/2 Ruppe/Achatz, UStG 5. Aufl., § 12 Tz 33 Ruppe/Achatz, UStG 4. Aufl., § 12 Tz 33 Ruppe/Achatz, UStG 5. Aufl., § 2 Tz 19/2 Ritz, BAO 6. Aufl., § 253 Tz 2 Kanduth-Kristen; Payerer in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig (Hrsg), UStG-ON 2.00 § 12 Rz 26 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7104426.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at