Option zur unbeschränkten Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 4 EStG durch Drittstaatsangehörige
Rechtssätze
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RV/1792-W/05-RS1 | Durch das Diskriminierungsverbot auf Grund der Staatsangehörigkeit gemäß Art 23 DBA-Ungarn wird der persönliche Anwendungsbereich des § 1 Abs. 4 EStG auf Drittstaatsangehörige ausgedehnt. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des F., vom gegen die Bescheide des Finanzamtes XX, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 2003 und 2004 vom und entschieden:
Spruch:
Der Berufung wird teilweise stattgegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber (in der Folge Bw. genannt) ist ungarischer Staatsbürger mit Wohnsitz in Ungarn, B.. Seit dem Jahr 2000 bezieht er auf Grund seiner Beschäftigung als LKW-Fernfahrer bei einem burgenländischen Transportunternehmen in Österreich Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit.
Der Bw. beantragte in der Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2003 und für das Jahr 2004 - so wie in den Vorjahren - Werbungskosten wegen Familienheimfahrten in Höhe von € 2.100,-- (§ 16 Abs. 1 EStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e EStG) und eine außergewöhnliche Belastung von monatlich € 50,-- für die Unterhaltsleistungen an seine beiden in Ungarn lebenden minderjährigen Kinder (gemäß den Ausführungen RZ 866 der LStR 2002).
Vom Finanzamt wurden im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2003 vom die Werbungskosten wegen Familienheimfahrten berücksichtigt, nicht jedoch die beantragte außergewöhnliche Belastung für die Unterhaltsleistungen der beiden Kinder. Eine Begründung hierfür enthielt der Bescheid nicht. In Abkehr von der bisherigen Vorgangsweise (in den Vorjahren wurden die Kosten der Familienheimfahrten bis zum Höchstbetrag von € 2.100,-- berücksichtigt), wurde vom Finanzamt der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2003 mit Bescheid vom gemäß § 299 BAO aufgehoben. Im neu erlassenen Sachbescheid wurden nun auch die Werbungskosten wegen Familienheimfahrten versagt. Zur Begründung führt das Finanzamt aus, dass auf Grund der Höhe der steuerfreien Bezüge des Bw. nicht davon ausgegangen werden könne, dass er die Strecke Wohnort - Arbeitsort im Lohnzahlungszeitraum 2003 überwiegend zurückgelegt habe. Aus diesem Grunde könne das Pendlerpauschale keine Berücksichtigung finden.
Der Bw. erhob mit Schriftsatz vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2003 vom das Rechtsmittel der Berufung. Er erklärt, dass die Berufung rechtzeitig erhoben worden sei, weil das Finanzamt ihm den angefochtenen Bescheid erst auf Grund seines Schreibens vom nunmehr zur Kenntnis gebracht habe. Inhaltlich wendet der Bw ein, dass es vollkommen unrichtig sei, dass ihm die Familienheimfahrten in Höhe des Pendlerpauschales nicht zustünden. Er fahre im Monat mindestens an drei Wochenenden zu seiner Familie nach Ungarn. Die steuerfreien Bezüge habe er für Dienstreisen erhalten. Dies könne die Lohnsteuerprüfung im Betrieb seines Arbeitgebers überprüfen.
Mit Schreiben vom richtete das Finanzamt einen Ergänzungsvorhalt an den Bw., in dem es ihn unter anderem aufforderte, seine Heiratsurkunde, die Geburtsurkunde seiner Kinder (in deutscher Übersetzung) und ein Fahrtenbuch oder ähnliches zum Nachweis der Zurücklegung der Fahrtstrecke zwischen dem Sitz des Arbeitgebers und seinem ungarischen Familienwohnsitz vorzulegen.
Der Vorhaltsbeantwortung wurden die geforderten Urkunden (Heiratsurkunde, Geburtsurkunde - in beglaubigter, deutscher Übersetzung, Zulassungsschein des Pkw) angeschlossen und vorgebracht, dass die Gattin im Berufungszeitraum nicht erwerbstätig gewesen sei, sondern wegen der Kinderbetreuung im Haushalt tätig war. Ein Antrag auf Zuzugsbewilligung nach Österreich sei nicht gestellt worden. Ein solcher wäre nach Ansicht des Bw. auch aussichtslos gewesen, weil es keinen freien Platz gegeben hätte. Die angeführte Fahrtstrecke (zwischen Arbeitgeber - Wohnsitz) sei der Bw. mit seinem PKW gefahren.
Aus den eingereichten Unterlagen ging auch hervor, dass es sich bei dem Sohn, P., geb., Mutter: K.H. um ein uneheliches Kind handelt, während bei der Tochter, E., geb., die Ehegattin (M., geborene K.) die Mutter ist.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die Bescheidbegründung lautete: "Da Sie trotz jahrelanger Tätigkeit in Österreich, noch keinen Antrag auf Zuzugsbewilligung für Ihre nicht erwerbstätige Ehegattin gestellt, und auch sonst keine Vorkehrungen für eine Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich getroffen haben, erfolgt die Beibehaltung des Familienwohnsitzes im Ausland ausschließlich aus privaten Überlegungen. Aus diesem Grunde können Aufwendungen für Fahrten zum Familienwohnsitz nicht als Werbungskosten anerkannt werden."
Mit der gleichen Begründung wurde im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2004 vom ebenfalls der Abzug von Werbungskosten wegen Familienheimfahrten versagt. Eine Begründung für die Nichtberücksichtigung der beantragten außergewöhnlichen Belastung für die Unterhaltsleistungen für die im Ausland lebenden Kinder findet sich auch nicht in diesem Bescheid.
Mit Eingabe vom erhob der Bw. form- und fristgerecht gegen den Einkommensteuerbescheid 2004 Berufung und stellt rechtzeitig gegen den Einkommensteuerbescheid 2003 einen Vorlageantrag.
Vom Finanzamt wurden die Rechtsmittel mit Vorlagebericht, vom dem UFS zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung seines Standpunktes führt das Finanzamt aus, dass der Bw. als LKW-Fahrer während der Woche unterwegs sei und in Österreich auch keine Schlafstelle habe. Deshalb stünde im weder das Pendlerpauschale noch Familienheimfahrten zu.
Im Hinblick auf die eindeutigen Ausführungen der Erlässe des BMF, (Hinweis auf Lohnsteuerprotokoll 2003, Pkt. 1.3.4; LStR 2002, RZ 345 und RZ 352) wurde vom Referenten - in einem identischen Berufungsverfahren - vorgeschlagen, Werbungskosten für Familienheimfahrten in geschätzter Höhe von € 1.000,-- zu berücksichtigen. Der Vorschlag fand vom Finanzamt ebenso wenig Zustimmung, wie die Anregung, die beantragte außergewöhnliche Belastung entsprechend den Ausführungen in RZ 866 der Lohnsteuerrichtlinien zu gewähren. Als Argument führte die Amtsvertreterin ins Treffen, dass der Bw. beschränkt steuerpflichtig sei und gemäß § 102 Abs. 2 Z. 3 EStG die Bestimmung des § 34 EStG über die außergewöhnliche Belastung im gegenständlichen Fall überhaupt nicht anwendbar sei. Die Geltung der so genannten Grenzpendlerregelung des § 1 Abs. 4 EStG wurde vom Finanzamt abgelehnt, weil diese Bestimmung im Berufungszeitraum nicht anwendbar sei, da Ungarn erst im Mai 2004 Mitgliedstaat der Europäischen Union wurde.
Von der Abgabenbehörde erster Instanz sind wesentliche Sachverhaltsermittlungen unterlassen worden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid erlassen hätte werden können. Im Interesse der Effektivität des Rechtschutzes wurden die umfangreichen ergänzenden Ermittlungen durch den UFS selbst vorgenommen.
Die vorgelegten Akten gaben keine Auskunft, ob der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2003 überhaupt rechtswirksam geworden ist, sodass auch verfahrensrechtliche Erhebungen durch den Referenten notwendig waren. Die Amtsvertreterin erklärte, dass der automatisierte Bescheidversand es erfordert habe, den an den Bw. gerichteten Bescheid in einem ersten Schritt an die Postadresse des Finanzamtes zu senden, um ihn dann, in einem weiteren Schritt an die Auslandsadresse des Bw zuzustellen. Einen Zustellnachweis oder Amtsvermerk über die Zustellung gebe es nicht. Im Zuge der Erhebungen beim Bw. wurde von diesem der Erhalt des Originalbescheides bestätigt, sodass die materielle Rechtskraft des angefochtenen Bescheides und somit eine zulässige Berufung vorliegt.
Mit an den Bw. gerichteten Schreiben vom wurden erforderliche Aufklärungen erteilt und der entscheidungswesentliche Sachverhalt bezüglich der geltend gemachten außergewöhnlichen Belastung sowie eines allfälligen Anspruches auf Unterhaltsabsetzbetrag wegen der Unterhaltszahlungen an das uneheliche Kind oder auf Alleinverdienerabsetzbetrag erhoben. Das Recht der Partei auf eine verständliche, auf ihr Vorbringen eingehende Bescheidbegründung, die Rechtsbelehrungspflicht der Abgabenbehörde gemäß § 113 BAO und die Amtswegigkeit des Abgabenverfahrens verpflichteten zu diesen Aufklärungen und Erhebungen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf dieses den Parteien bekannte Schreiben vom verwiesen.
Mit Eingabe vom teilte der Bw. dem UFS nachfolgenden Sachverhalt mit und reichte Nachweise hierzu ein. Der Bw. wiederholte sein bisheriges Vorbringen, dass er dreimal im Monat mit seinem Pkw zu seiner Familie nach Hause fahre. Die einfache Fahrtstrecke zwischen Arbeitsplatz und Wohnort betrage 180 km. Die Streckenlänge belegte der Bw. durch Messung mittels Routenplaner (map24). Es sei zutreffend, dass er keinen Wohnsitz in Österreich habe. Er wolle als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden und lege zu diesem Zwecke die geforderte Bestätigung des ungarischen Wohnsitzfinanzamtes vor. Die ungarische Finanzbehörde hat für die Jahre 2003 und 2004 mangels Vorliegen von Einkünften einen Nichtveranlagungsbescheid erlassen. Der Bw. hat somit ausschließlich in Österreich Einkünfte erzielt. Weiters belegte der Bw., dass seine im gemeinsamen Haushalt lebende Ehefrau entsprechend seinen Ausführungen in der Berufung im Jahr 2003 und 2004 keine Einkünfte erzielt hat. Das uneheliche Kind, P. , geb., habe im Zeitraum von bis in seinem Haushalt gelebt und er habe die Unterhaltslasten für das Kind getragen. Ab war P. jun. im Haushalt der Kindesmutter, K.H.. und er habe auf Grundlage eines Gerichtsurteiles monatliche Unterhaltszahlungen von 20.000,-- Forint geleistet. Diese Angaben des Bw. wurden am im Zuge einer telefonischen Auskunftserhebung von K..H. sowie durch die Zahlungsbelege und das Gerichtsurteil bewiesen.
Erhebungen beim Transportunternehmen, in dem der Bw. beschäftigt war führten zu folgenden Feststellungen: Im Unternehmen wurde ausschließlich Fernverkehr im EU-Raum durchgeführt. Die LKW-Fernfahrer hatten einen fixen LKW, fixe Routen gab es aber keine. Am Sitz des Unternehmens befand sich ein LKW-Abstellplatz. Arbeitsbeginn war immer montags, meist sehr zeitig in der Früh. Die LKW-Fahrer holten sich die Fahrzeugschlüssel. Zu diesem Zwecke gab es einen Schlüsseltresor, zu dem die Fahrer Zugang hatten. Wenn niemand im Büro war, wurde der Fahrzeugschlüssel zu Beginn der Tour aus dem Tresor genommen und nach Ende der Tour dort wieder abgegeben.
Sämtliche Frachtpapiere und Fahrzeugdokumente waren schon bei Abholung im LKW des Fahrers deponiert.
Am Sitz des Unternehmens gab es keinen Lagerplatz. Die Tätigkeit des Lkw-Fahrers am Sitz des Transportunternehmens bestand somit nur in der Übernahme des LKW-Zuges mit einem bestimmten Transportauftrag und dem Abstellen des Fahrzeuges am dem Ende einer Tour.
Das Beladen erfolgte im Inland bei einer Spedition idR. in Wien. Entweder hatte der Fahrer selbst nach Übernahme des Lkws die Beladung durchzuführen oder es wurde ihm bereits der beladene LKW zur Übernahme auf dem Abstellplatz des Unternehmens bereitgestellt. Gleiches galt für das Entladen der Fracht vor der Rückkehr zum Abstellplatz.
Die Touren dauerten immer mindestens eine Woche. Die Fahrer kamen zwischen Freitag abends und Samstag, 15.00 Uhr zurück zum Transportunternehmen. Während des LKW-Wochenendfahrverbotes hatten die Fahrer ihre Ruhetage. Fallweise konnten Touren auch zwei oder drei Wochen dauern. Kürzer als eine Woche dauerte eine Tour nie.
In den Räumen des Unternehmens stand den Fahrern zwar eine Schlafstelle zur Verfügung. Die LKW-Fahrer schliefen aber nahezu immer in ihren Schlafkabinen. Im Regelfall sind die Fahrer nach einer Tour sogleich mit ihrem Pkw nach Hause zu ihren Familien gefahren.
Im Inland waren die LKW-Fahrer nur tätig, um ihr Fahrzeug bei der Spedition in Wien zu be- und entladen. Ansonsten wurde das Inland nur zur Abwicklung der Auslandstouren durchfahren (z.B. Tour nach Deutschland und von dort nach Italien). Warenzustellungen im Inland wurden keine durchgeführt.
Dem Bw. wurde mit Schreiben vom das Ergebnis der ergänzenden Beweis-aufnahme zur Kenntnis gebracht und ihm Gelegenheit gegeben sich hierzu zu äußern.
Die Abgabenbehörde erster Instanz wurde mit Mail vom und von den ergänzenden Sachverhaltsermittlung in Kenntnis gesetzt und Gelegenheit gegen, sich hierzu zu äußern. Weiters wurde das im gegenständlichen Fall relevante Rechtsthema einer erweiterten Anwendung des § 1 Abs. 4 EStG auf Grund des Gleichbehandlungsgebotes gemäß Artikel 24 OECD-Musterabkommens (entspricht Art. 23 des DBA-Ungarn) auch auf Drittstaatsangehörige unter Hinweis auf die Fachliteratur und Judikatur mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme mitgeteilt.
Von den Parteien wurde keine Stellungnahme abgegeben.
Über die Berufung wurde erwogen:
Über den festgestellten Sachverhalt besteht Übereinstimmung. In Streit steht zwischen den Parteien des Berufungsverfahrens die rechtliche Beurteilung, ob dem Bw. Familienheimfahrten und auf Grundlage des § 1 Abs. 4 EStG eine außergewöhnliche Belastung sowie Alleinverdienerabsetzbetrag zustehen.
1. Familienheimfahrten
Die Aufwendungen für Familienheimfahrten sind dann Werbungskosten, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen. Berufliche Veranlassung der mit der doppelten Haushaltsführung verbundenen Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen und deren daraus resultierende Qualifikation als Werbungskosten, liegen nach ständiger Rechtsprechung und der auf den Lohnsteuerrichtlinien basierenden Vollzugspraxis der Finanzämter dann vor, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zumutbar ist. Die Verlegung des Familienwohnsitzes ist insbesondere unzumutbar, bei
ständig wechselnder Arbeitsstätte,
bei zeitlich befristeten Tätigkeiten,
bei Unzumutbarkeit der Mitübersiedlung pflegebedürftiger Angehöriger und
wenn im gemeinsamen Haushalt am Familienwohnsitz unterhaltspflichtige Kinder wohnen und eine Mitübersiedlung der gesamten Familie aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist (LStR 2002 RZ 345).
Im gemeinsamen Haushalt des Bw. lebten zwei unmündige, unterhaltspflichtige Kinder (ab Mai 2004 ein unterhaltspflichtiges Kind). Der Familienwohnsitz befindet sich in einer strukturschwachen Region in Ungarn, sodass eine Wohnsitzverlegung nach Österreich für die Familie mit Sicherheit mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen verbunden gewesen wäre und daher als nicht zumutbar im Sinne der oben stehenden Ausführungen zu qualifizieren ist (vgl. jüngst VwGH, E. 2005/14/0046, ).
In den Lohnsteuerrichtlinien 2002, RZ 352 heißt es, dass die Voraussetzungen für eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung vorliegen, wenn der Steuerpflichtige ungeachtet der weiten Entfernung überwiegend zum Familienwohnsitz zurückkehrt. Dann können für Wegstrecken, die über 120 km hinausgehen, die tatsächlichen Fahrtkosten begrenzt mit den fiktiven Kosten einer zweckentsprechenden Zweitwohnung am Beschäftigungsort zuzüglich der mit dem Pendlerpauschale begrenzten Kosten der Familienheimfahrten geltend gemacht werden.
Im Lohnsteuerprotokoll 2003, GZ. 07 0101/14-IV/7/03 vom wurde vom BMF die Rechtsauffassung bekannt gegeben, dass Aufwendungen für Familienheimfahrten auch dann zustehen, wenn der Arbeitnehmer über keine eigene Unterkunft am Dienstort verfügt und zwar unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer ein Firmenquartier freiwillig oder über Auftrag des Arbeitgebers benützt.
Nach dieser Rechtsansicht können Werbungskosten wegen doppelter Haushaltsführung selbst dann Vorliegen, wenn der Steuerpflichtige über keine eigene Wohnung am Beschäftigungsort verfügt. In ihrer Rechtsbeurteilung wendet sich das Finanzamt gegen diese in den Lohnsteuerrichtlinien zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung. Es führt ins Treffen, dass der Bw. über keine Schlafstelle in Österreich verfüge und daher keine doppelte Haushaltsführung im Sinne der Begriffsdefinition des § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e EStG gegeben sei. Gemeint ist wohl eine eigene Wohnung, weil der Bw. unstrittig über eine Schlafstelle in Österreich verfügt. Am Sitz des Transportunternehmens kann der Bw. sogar zwischen der Schlafkabine seines Lkws oder der Schlafstelle in der Mannschaftsunterkunft des Betriebsgebäudes wählen. Nach Ansicht des Finanzamtes sind die Fahrten des Bw. vom Sitz des Transportunternehmens zu seinem Familienwohnsitz Fahrten zwischen Arbeitsstätte und Wohnung gemäß § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG, wobei ein Pendlerpauschale nicht zusteht, weil die Fahrtstrecke im Lohnzahlungszeitraum nicht überwiegend zurückgelegt werde.
Der Rechtsansicht des Finanzamtes ist zuzustimmen, dass eine bloße Schlafstelle in einem Raum, den der Arbeitgeber mit anderen teile muss oder eine nicht ortsfeste Unterkunft, wie eine Schlafkabine in einem LKW, keine Wohnung im Sinn der Abgabenvorschriften sind (vgl. VwGH, E. , 2287/80; Doralt, EStG zu § 1 RZ 10 und § 16 RZ 115).
Das Abzugsverbot des § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e EStG begrenzt die Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten) mit den höchsten in § 16 Abs. 1 Z. 6 lit. c EStG angeführten Pauschbetrag. Damit steht fest, dass jene Fahrten, die nicht vom Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort zum Familienwohnsitz führen, nicht unter den Tatbestand des Abzugsverbotes gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e EStG fallen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn Fahrten zwischen mehreren beruflichen Tätigkeitsorten des Steuerpflichtigen vorliegen (vgl. Zorn in Hofstätter-Reichel § 20 TZ 6.2.).
Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass Fahrten, die nicht unter den Begrenzungstatbestand des § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e EStG fallen, auch nicht unter den Werbungskostenbegriff "Familienheimfahrten" fallen. Der Begriff der Familienheimfahrten ist in den korrespondierenden §§ 16 und 20 EStG wohl identisch. Fahrten, die mangels Wohnsitz am Tätigkeitsort keine Familienheimfahrten sind, können entweder berufliche Fahrten gemäß § 16 Abs. 1 EStG, oder nicht absetzbare Privatfahrten oder Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gemäß in § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG sein. Familienheimfahrten und somit Werbungskosten wegen doppelter Haushaltsführung können nur Vorliegen, wenn der Steuerpflichtige zusätzlich zum Familienwohnsitz über eine Wohnung am Tätigkeitsort verfügt. Dem Rechtsbegriff "Wohnsitz (Wohnung) " im § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e EStG kommt derselbe Norminhalt zu, wie in den §§ 1 Abs. 2 und 16 Abs. 1 Z. 6 EStG.
Der Bw. hat am Firmensitz keine Wohnung und somit keinen Wohnsitz. Durch die bloße Schlafgelegenheit im Lkw oder im Betriebsgebäude wurde das Erfordernis einer Wohnung am Tätigkeitsort nicht erfüllt. Im gegenständlichen Fall liegen Fahrten vom Sitz des Transportunternehmens (Betriebsstätte) zum Familienwohnsitz des Bw. vor. Die Kosten für diese Fahrten sind dann mit dem Verkehrsabsetzbetrag und einem allfälligen Pendlerpauschale abgegolten, wenn es sich um eine Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG handelt.
Arbeitsstätte (Dienstort) ist jener Ort, an dem der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber regelmäßig tätig wird. Nach herrschender Meinung liegt keine Arbeitsstätte vor, wenn das Aufsuchen der Betriebsstätte ausschließlich mittelbar durch berufliche Obliegenheiten (z.B. Abholen von Unterlagen oder von Waren, Wechseln des Fahrzeuges, Entgegennahme des Arbeitslohnes) veranlasst ist. Ein angestellter Vertreter, der stets seine Reisetätigkeit von seiner Wohnung aus antritt und die Betriebsstätte lediglich zur Abgabe und Entgegennahme von Unterlagen anfährt, kann für die Fahrtstrecke von der Betriebsstätte zur Wohnung Fahrtkosten gemäß § 16 Abs. 1 EStG geltend machen.
Bezüglich des Dienstantrittes entspricht aber die tatsächliche und rechtliche Stellung eines Kraftfahrers nicht der eines Handelsvertreters. Während die kollektivvertraglichen Bestimmungen beim Handelsvertreter die Wohnung als Dienstantrittsort vorsehen, bildet beim Kraftfahrer der LKW-Abstellplatz den Dienstantrittsort. Vor allem hat der Kraftfahrer auf Grund kraftfahrrechtlicher Vorschriften vor Antritt der Fahrt sein Fahrzeug zu überprüfen. Diese Überprüfungshandlungen sind bereits Ausübung unmittelbarer beruflicher Obliegenheiten. Daher wurde auch vom VwGH, E 2001/08/0229 vom der Kfz-Abstellplatz als Dienstantrittsort und Arbeitsstätte im Sinne des EStG qualifiziert. Ebenso hat der BFH (Urteil vom , VI R 15/04) die Fahrten eines Busfahrers zum Busdepot auf Grund des nachhaltigen Tätigwerdens an diesem Ort als Fahrten zur Arbeitsstätte beurteilt.
Die vom Bw. begehrten Kosten für die Fahrten vom Betriebsgelände seines Arbeitgebers zum Familienwohnsitz sind somit Fahrten zwischen Arbeitsstätte und Wohnung und fallen unter die Abgeltungswirkung des Verkehrsabsetzbetrages (§ 16 Abs. 1 Z. 6 EStG). Die einfache Fahrtstrecke beträgt zwar 180 km, ein Pendlerpauschale steht dem Bw. jedoch nicht zu, weil dem gesetzlichen Erfordernis der überwiegenden Zurücklegung der Fahrstrecke im Lohnzahlungszeitraum nicht entsprochen wird. Der Bw. erklärt drei Fahrten im Kalendermonat. Hingegen erfordert die Tatbestandsverwirklichung des Pendlerpauschales mindestens zehn Fahrten im Kalendermonat.
Der Einwand der Unbilligkeit und Unsachlichkeit einer Regelung, die wesentlich höhere Fahrtkosten als den Verkehrsabsetzbetrag, ungeachtet ihrer beruflichen Veranlassung, mit dem Argument als Werbungskosten ausschließt, dass die Fahrten nicht mindestens zehnmal im Kalendermonat durchgeführt werden, ist ein verfassungsrechtlicher und kann daher vom UFS nicht berücksichtigt werden.
Dem § 16 EStG ist eine Differenzierung zwischen regelmäßiger Arbeitsstätte, die unter das Pendlerpauschale fallen (Normalfall) und unregelmäßiger Arbeitsstätte, die nicht unter diese Bestimmung zu subsumieren sind, weil es in der bestimmungsgemäßen Natur der Tätigkeit liegt, dass die Arbeitsstätte nicht überwiegend im Lohnzahlungszeitraum aufgesucht wird, unbekannt. Die Folge ist, dass völlig ungleiche Sachverhalte betreffend die Zurücklegung der Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte steuerlich gleich behandelt werden, indem sie pauschal mit dem Verkehrsabsetzbetrag abgegolten werden (vgl. anders die deutsche Rechtslage, BFH, Urteil vom , VI R 70/03).
2. Beschränkte Steuerpflicht
Im Berufungsverfahren gibt die Amtsvertreterin mündlich bekannt, dass das Finanzamt in den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden von der beschränkten Steuerpflicht des Bw. ausgegangen ist. Eine Begründung dieser Rechtsauffassung ist weder im Bescheid noch im Vorlagebericht vorhanden.
Gemäß § 1 Abs. 3 EStG sind beschränkt steuerpflichtig jene natürlichen Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Aus den Ausführungen zu Punkt 1 ergibt sich schon, dass der Bw. am Tätigkeitsort oder sonst wo im Inland keine Wohnung innehat. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt.
Der Bw. ist als Fernfahrer vorwiegend im Ausland tätig gewesen. Im Inland erfolgte in ein- oder mehrwöchigen Intervallen der Arbeitsantritt und die Beendigung der Arbeit. In diesem Zusammenhang wurde der LKW vom Bw. im Inland be- und entladen und das Inland im Zuge der Auslandsfahrten durchquert. Dieser Umfang an Inlandsaufenthalten des Bw. liegt deutlich unter dem erforderlichen Ausmaß an sachlich-räumlicher Beziehung zum Aufenthaltsort, sodass eine unbeschränkte Steuerpflicht des Bw. gemäß § 1 Abs. 1 EStG nicht eingetreten ist. Der Bw. wurde vom Finanzamt zu Recht als beschränkt steuerpflichtig eingestuft.
3. Grenzpendler gemäß § 1 Abs. 4 EStG
Auf Antrag werden auch Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anzuwenden ist, als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte im Sinne des § 98 haben. Dies gilt nur, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90% der österreichischen Einkommensteuer unterliegen oder wenn die nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte nicht mehr als 10.000 Euro betragen. Inländische Einkünfte, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nur der Höhe nach beschränkt besteuert werden dürfen, gelten in diesem Zusammenhang als nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegend. Die Höhe der nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte ist durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Abgabenbehörde nachzuweisen (§ 1 Abs. 4 EStG).
Der Bw. ist ungarischer Staatsbürger. Er hat seine gesamten Einkünfte im Inland erzielt und beantragt im Rechtsmittelverfahren, dass diese Inlandseinkünfte gemäß § 1 Abs. 4 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden. Der Nachweis, dass er im Jahr 2003 und 2004 nur der österreichischen Einkommenssteuer unterliegende Einkünfte bezogen hat, wurde durch Nichtveranlagungsbescheide des ungarischen Wohnsitzfinanzamtes erbracht.
Ungarn wurde mit Wirksamkeit vom Mitglied der Europäischen Union. Es stellt sich somit die Frage, ob die so genannte Grenzpendlerregelung bereits für den Veranlagungszeitraum 2003 und für den gesamten Veranlagungszeitraum 2004 anwendbar ist. Maßgeblich ist, dass die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen im jeweiligen Veranlagungszeitraum verwirklicht sind. Das ist aber im Kalenderjahr 2003 nicht der Fall. Auch aus dem EU-Beitrittsvertrag lassen sich keine rechtlichen Vorwirkungen ableiten, die eine Diskriminierung von EU-Bürgern für Zeiträume vor dem EU-Beitritt verbieten.
Differenzierter ist das Kalenderjahr 2004 zu beurteilen, weil ab alle gesetzlichen Voraussetzungen für die unbeschränkt steuerpflichtige Behandlung der nichtselbständigen Einkünfte des Bw. gemäß § 1 Abs. 4 EStG gegeben sind. Soweit sich aus den nachstehenden Ausführungen nicht anderes ergibt, sind die Einkünfte, die während der unbeschränkten Steuerpflicht und jene, die während der beschränkten Steuerpflicht bezogen wurden, getrennt zu veranlagen. Insoweit würden im Kalenderjahr 2004 zwei Veranlagungszeiträume bestehen (vgl. Quantschnigg, EStG, Wien 1993 zu § 39 RZ 2).
4. DBA-Diskriminierungsverbot
Nach Art 23 Abs. 1 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Österreich und Ungarn (kurz DBA-Ungarn) dürfen Staatsangehörige eines Vertragsstaates in dem anderen Vertragsstaat weder einer Besteuerung noch einer damit zusammenhängenden Verpflichtung unterworfen werden, die anders oder belastender sind als die Besteuerung und die damit zusammenhängenden Verpflichtungen, denen die Staatsangehörigen des anderen Staates unter gleichen Verhältnissen unterworfen sind oder unterworfen werden können.
Der Ausdruck "Staatsangehörige" bezieht sich unter anderem auf alle natürlichen Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Vertragstaates besitzen. Diese Bestimmung ist nicht so auszulegen, als verpflichte sie einen Vertragstaat, den in dem anderen Vertragstaat ansässigen Personen Steuerfreibeträge, Steuervergünstigungen und -ermäßigungen auf Grund des Personenstandes oder der Familienlasten zu gewähren, die er den in seinem Gebiet ansässigen Personen gewährt (Art 23 Abs. 2 DBA-Ungarn).
Art 23 Abs. 1 und 2 des DBA-Ungarn ist im Wesentlichen mit Art 24 des OECD-Musterabkommens identisch.
Zweck des Doppelbesteuerungsabkommens ist nicht nur die Vermeidung einer Doppelbesteuerung, sondern auch das Verhindern einer Exzessivbesteuerung, wie sie etwa durch eine schrankenlose Abzugsbesteuerung im Quellenstaat verursacht werden kann, sowie die Herstellung gleicher steuerlicher Wettbewerbsverhältnisse. Diese Aufgabe kommt den DBA-Diskriminierungsverboten bzw. Gleichbehandlungsgeboten zu.
Im gegenständlichen Fall ist das Diskriminierungsverbot des Art. 23 DBA-Ungarn auf Grund der Staatsangehörigkeit von Bedeutung. Diese Bestimmung normiert, dass ein Staatsangehöriger eines Vertragstaates (hier Ansässigkeitsstaat Ungarn) im anderen Vertragstaat (hier Tätigkeitsstaat Österreich) unter den gleichen Verhältnissen nicht ungünstiger behandelt werden darf als die Staatsangehörigen des letzteren Staates (Tätigkeitsstaat Österreich). Entscheidend ist somit, ob eine Benachteiligung ausschließlich auf Grund der Staatsangehörigkeit vorliegt. Eine unterschiedliche Besteuerung der in Österreich Ansässigen und Nichtansässigen ist jedoch ausdrücklich zulässig.
Eine Diskriminierung auf Grund der Staatsangehörigkeit zeigt sich in der hypothetischen Vergleichssituation. Wäre der Bw. nicht ungarischer sondern österreichischer Staatsbürger, könnte er gemäß § 1 Abs. 4 EStG zur unbeschränkten Steuerpflicht optieren, womit die Berücksichtigung einer außergewöhnlicher Belastung und des Alleinverdienerabsetzbetrages möglich wäre. Ein österreichischer Staatsbürger, der wie der Bw. in Ungarn seinen Wohnsitz hat und wie der Bw. mit seinen gesamten Jahreseinkünften in Österreich beschränkt steuerpflichtig ist, hat die Optionsmöglichkeit des § 1 Abs. 4 EStG (vgl. Doralt, EStG zu § 1 RZ 59 mit weiteren Hinweisen bzgl. Wirkung des Optionsrechtes gemäß § 1 Abs. 4 EStG auf Drittstaatsangehörige).
Die hypothetische Vergleichssituation zeigt, dass die steuerliche Benachteiligung des Bw. allein in der Staatsangehörigkeit und nicht im Ort der Ansässigkeit ihre Ursache hat (vgl. VwGH, E. 92/13/0306 vom zu Diskriminierungsverbot gem. Art 23 DBA-Ungarn für Veranlagungszeiträume vor Inkrafttreten des § 1 Abs. 4 EStG).
Aus dem Diskriminierungsverbot auf Grund der Staatsangehörigkeit gemäß Art 23 DBA-Ungarn folgt der Anspruch des Bw. auf das Optionsrecht gemäß § 1 Abs. 4 EStG. Durch die lex specialis des DBA-Diskriminierungsverbotes wird der persönliche Anwendungsbereich des § 1 Abs. 4 EStG auf Drittstaatsangehörige ausgedehnt, weil nur so die Gleichbehandlung bzw. Nichtdiskriminierung erreicht werden kann (vgl. Loukota, SWI 2/2005, 056, Das DBA-Diskriminierungsverbot - Eine Bestandsaufnahme der Verwaltungspraxis; sowie sehr eingehend zur mittelbaren Anwendung des § 1 Abs. 4 EStG auf Drittstaatsangehörige auf Grund des Art. 24 OECD-MA Fefar/Schnitger, in SWI 2/2002, 076).
4.1. Grundsatz der Reziprozität
Lediglich der sich aus allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen ergebende Vorbehalt der Gegenseitigkeit könnte die Staatsangehörigkeitsdiskriminierung rechtfertigen. Auf Grund gemeinschaftsrechtlicher Verpflichtungen muss eine dem § 1 Abs. 4 EStG ähnliche Bestimmung in den Steuergesetzen aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union enthalten sein. Es ist daher auch einem in Österreich wohnhaften, österreichischen Staatsbürger, der in Ungarn mit seinen nichtselbständigen Einkünften beschränkt steuerpflichtig ist, möglich, eine vergleichbare, nichtdiskriminierende, steuerliche Behandlung durchzusetzen.
4.2. Verfassungskonforme Auslegung des § 1 Abs. 4 EStG i.V.m. Art 23 DBA-Ungarn (Art. 24 OECD-MA) bzgl. Drittstaatsangehöriger
Die mittelbare Anwendung des § 1 Abs. 4 EStG auf Drittstaatsangehörige wäre im gegenständlichen Fall aber auch auf Grund einer verfassungskonformen Interpretation geboten. Im § 1 Abs. 3 des deutschen EStG wurde aus verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsüberlegungen für Drittstaatsangehörige das Optionsrecht zur unbeschränkten Steuerpflicht ausdrücklich normiert.
Nach der Judikatur des VfGH enthält Art 1 Abs. 1 des BVG zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein - auch das Sachlichkeitsgebot einschließende - Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander. Eine unterschiedliche Besteuerung von EU-Bürgern und Drittstaatsangehörigen ist daher nur insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Die Notwendigkeit, aus dem erzielten Einkommen den Kindern oder der Ehegattin Unterhalt zu leisten, verringert die steuerliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen und ist nicht bloß Sache privater Lebensgestaltung oder des persönlichen Risikos. Die durch die Unterhaltsleistungen geminderte Leistungsfähigkeit muss vom Gesetzgeber in irgendeiner Weise berücksichtigt werden. Es liegt aber im Ermessen des Gesetzgebers, durch welche Maßnahme er das verfassungsrechtlich gebotene Ergebnis erzielt.
Stünde dem Bw. im Veranlagungsjahr 2003 nicht das Optionsrecht des § 1 Abs. 4 EStG zur Verfügung, blieben sowohl seine Unterhaltsleistungen an die beiden minderjährigen, haushaltszugehörigen Kinder wie an seine einkommenslose Ehegattin zur Gänze steuerlich unberücksichtigt. Nach § 20 Abs. 1 Z. 1 EStG dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge nicht als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben abgezogen werden. Für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, steht gemäß § 33 Abs. 4 Z. 3 lit. a EStG kein Kinderabsetzbetrag (monatlich € 50,90) zu. Eine steuerliche Berücksichtigung im Wege der Transferzahlung durch die Familienbeihilfe ist für im Ausland lebende Kinder durch § 5 Abs. 4 FLAG ebenso ausgeschlossen, wie der Ansatz einer außergewöhnlichen Belastung gemäß § 34 Abs. 1 EStG. Gemäß § 102 Abs. 2 Z. 3 EStG ist bei der Veranlagung beschränkt Steuerpflichtiger die Bestimmung des § 34 EStG nicht anwendbar.
Auch die Unterhaltsleistungen gegenüber der Ehegattin bliebe steuerlich unberücksichtigt, weil der Alleinverdienerabsetzbetrag beschränkt Steuerpflichtigen gemäß § 102 Abs. 3 EStG nicht zusteht.
Im Vergleich mit nicht unterhaltspflichtigen, beschränkt steuerpflichtigen Fremden würde beim Bw. der durch die Unterhaltslasten undisponible Einkommensbestandteil zur Gänze besteuert. Relevante unterschiedliche Sachverhalte würden, ohne dass eine sachliche Rechtfertigung hierfür festzustellen ist, steuerlich gleich behandelt. Ebenso wenig gibt es eine sachliche Rechtfertigung, dass bei EU-Bürgern durch das Optionsrecht des § 1 Abs. 4 EStG diese Unterhaltsleistungen steuerlich angemessen berücksichtigt würden, nicht hingegen bei Drittstaatsangehörigen. Es liegt sogar nahe anzunehmen, dass selbst ein Unterschied in der Ansässigkeit es nicht rechtfertigt, dass die Unterhaltsleistungen bei der Besteuerung gänzlich unberücksichtigt bleiben, wenn der beschränkt Steuerpflichtige sein gesamtes Einkommen oder den wesentlichen Teil seines Einkommens im Tätigkeitsstaat erzielt. In diesen Fällen ist der beschränkt Steuerpflichtige mit dem unbeschränkt Steuerpflichten vergleichbar, weil im Ansässigkeitstaat seine persönlichen Verhältnisse und sein Familienstand steuerlich nicht berücksichtigt werden können (vgl. zum Gesamten VfGH, VfSlg 16380 vom ; sowie Toifl, SWI 1996, 520, Das EU-Abgabenänderungsgesetz 1996).
Dieser verfassungsrechtliche Hintergrund bestärkt, dass auch Drittstaatsangehörige über den indirekten Weg des DBA-Diskriminierungsverbotes das Optionsrecht des § 1 Abs. 4 EStG zukommt.
Zum Antragserfordernis ist zu bemerken, dass auf Grund der unmittelbaren Rechtswirkung des Diskriminierungsverbotes die Rechtsauffassung vertreten wird, die Abgabenbehörde habe von Amts wegen zu ermitteln, ob die Vorraussetzungen des § 1 Abs. 4 EStG erfüllt sind und dessen Rechtsfolgen auch ohne Vorliegen eines förmlichen Antrages von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn dies für den Steuerpflichtigen günstiger ist (Toifl, SWI 1996/528).
Abschließend ist festzuhalten, dass der Bw. mit seinen inländischen nichtselbständigen Einkünften im Jahr 2003 und 2004 gemäß § 1 Abs. 4 EStG i.V.m. Art 23 DBA-Ungarn als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln ist.
5. Außergewöhnliche Belastung
Die steuerliche Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen für haushaltszugehörige Kinder im Ausland, bei denen kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht erfolgt im Wege der außergewöhnlichen Belastung ohne Abzug eines Selbstbehaltes gemäß § 34 Abs. 1 EStG. In ständiger Verwaltungspraxis wird eine außergewöhnliche Belastung in Höhe von € 50,-- pro Kind und Monat ohne Abzug eines Selbstbehaltes angesetzt (vgl. LStR 2002, RZ 866).
Dem Bw. steht daher - wie in der Abgabenerklärung geltend gemacht - im Jahr 2003 eine außergewöhnliche Belastung von € 1.200,-- und im Jahr 2004 von € 400,-- zu. Im Kalenderjahr 2004 besteht ab dem EU-Beitritt Ungarns mit Wirksamkeit vom Anspruch auf Familienbeihilfe, sodass ab diesem Zeitpunkt insofern eine außergewöhnliche Belastung nicht mehr in Betracht kommt.
6. Unterhaltsabsetzbetrag gem. § 33 Abs. 4 Z. 3 lit. b EStG
Einem Steuerpflichtigen, der für ein Kind, das nicht seinem Haushalt zugehört (§ 2 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967) und für das weder ihm noch seinem von ihm nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe)Partner Familienbeihilfe gewährt wird, den gesetzlichen Unterhalt leistet, steht ein Unterhaltsabsetzbetrag von 25,50 Euro monatlich zu.
Für den Zeitraum bis hat der Bw. für seinen unehelichen Sohn, P. , geb. auf Grund eines Gerichtsurteiles monatliche Unterhaltszahlungen von HUF 20.000,-- (€ 80,14) geleistet. Das Kind lebte in diesem Zeitraum im Haushalt seiner Mutter, K.H. . Die Zahlungen wurden mit Zahlungsbeleg nachgewiesen.
Im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2004 ist somit ein Unterhaltsabsetzbetrag in Höhe von € 204,-- (8 x 25,50) zu berücksichtigen.
7. Alleinverdienerabsetzbetrag gem. § 33 Abs. 4 Z. 1 EStG
Einem Alleinverdiener steht ein Alleinverdienerabsetzbetrag von 364 Euro jährlich zu. Alleinverdiener ist ein Steuerpflichtiger, der mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet ist und von seinem unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten nicht dauernd getrennt lebt. Für Steuerpflichtige im Sinne des § 1 Abs. 4 ist die unbeschränkte Steuerpflicht des (Ehe-)Partners nicht erforderlich. Alleinverdiener ist auch ein Steuerpflichtiger mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1), der mehr als sechs Monate mit einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person in einer anderen Partnerschaft lebt. Voraussetzung ist, dass der (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) bei mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) Einkünfte von höchstens 4 400 Euro jährlich, sonst Einkünfte von höchstens 2 200 Euro jährlich erzielt.
Im Haushalt des Bw. lebt seine Ehegattin sowie seine Tochter E. , geb. (sowie der uneheliche Sohn, P. , geb. bis April 2004). Die Ehegattin erzielte in den Jahren 2003 und 2004 keine Einkünfte.
Dem Bw. steht daher der Alleinverdienerabsetzbetrag zu.
8. Zusammenfassung
Der Berufung gegen die Einkommensteuerbescheide 2003 und 2004 war teilweise stattzugeben. Da der Bw. über keinen Wohnsitz am Tätigkeitsort verfügte, wurden die gesetzlichen Voraussetzungen für Werbungskosten wegen Familienheimfahrten nicht erfüllt. Die Wegstrecke zwischen Arbeitstätte und Familienwohnsitz wurde im Lohnzahlungszeitraum nicht überwiegend zurückgelegt, weshalb auch kein Anspruch auf ein Pendlerpauschale bestand. Der Bw. war gemäß § 1 Abs. 4 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln. Er stand ihm daher zur Berücksichtigung seiner Unterhaltsleistungen an die Kinder und Ehegattin eine außergewöhnliche Belastung, Unterhaltsabsetzbetrag und Alleinverdienerabsetzbetrag zu.
Beilage: 2 Berechnungsblätter
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 1 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 Art. 23 DBA H (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Ungarn (Einkommen, Ertrag, Vermögen), BGBl. Nr. 52/1976 |
Schlagworte | Grenzpendler Drittstaatsangehöriger beschränkt steuerpflichtig DBA-Diskriminierungsverbot Option zur unbeschränkten Steuerpflicht |
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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at