Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSI vom 10.04.2012, RV/0419-I/11

Ablehnung eines deutschen Steuerberaters als Bevollmächtigter mangels Befugnis

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0419-I/11-RS1
Eine in Deutschland beruflich ansässige Person ohne inländische Zulassung zum Beruf des Steuerberaters darf eine inländische Steuerberatungstätigkeit nur dann ausführen, wenn es sich um eine nur vorübergehende und gelegentliche Tätigkeit handelt. Das Vorliegen einer nur vorübergehenden und gelegentlichen Tätigkeit wird anhand der Kriterien Dauer der Leistung, Häufigkeit, regelmäßige Wiederkehr oder Kontinuität beurteilt. Auf eine auf § 231 WTBG gestützte Befugnis zur Vertretung Anderer vor österreichischen Abgabenbehörden kann sich der Berufungswerber nicht berufen, wenn er "in zumindest 130 Fällen" die steuerliche Vertretung vor den Abgabenbehörden in ganz Österreich übernommen und dabei die Klienten regelmäßig über mehrere Veranlagungsjahre hindurch betreut hat. Die in Art. 49 ff AEUV gewährleistete Niederlassungsfreiheit und die in Art. 56 ff AEUV gewährleistete Dienstleistungsfreiheit werden durch die §§ 231 und 232 WTBG, BGBl. I Nr. 10/2008, nicht unzulässig beeinträchtigt.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes A vom betreffend Ablehnung als Bevollmächtigter gemäß § 84 Abs. 1 BAO (betrifft Arbeitnehmerveranlagung XY, St.Nr.1) entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Am (Datum der Einbringung) reichte der Berufungswerber (Bw.) für den in Deutschland ansässigen Abgabepflichtigen XY beim Finanzamt A eine Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung (L 1) für das Jahr 2009 ein. Gleichzeitig wurde eine "Vertretungs- und Empfangsvollmacht" vorgelegt, mit der dieser Klient den Bw., einen in Deutschland ansässigen Steuerberater, zum "steuerlichen Vertreter in allen steuerlichen Angelegenheiten vor den hierfür zuständigen Behörden und Gerichten" und zum "Empfangsbevollmächtigten" bestellte. In einem Begleitschreiben vom (Datum der Einbringung) führte der Bw. aus, dass sämtlicher Schriftverkehr durch seine Kanzlei abgewickelt werden solle.

Am erließ das Finanzamt A einen Bescheid (Ablehnungsbescheid), mit dem der Bw. mangels Befugnis zur steuerlichen Vertretung in Österreich gemäß § 84 Abs. 1 BAO als Bevollmächtigter des Abgabepflichtigen XY abgelehnt wurde. Nach der Bestimmung des § 84 BAO habe die Abgabenbehörde solche Personen als Bevollmächtigte abzulehnen, die die Vertretung anderer geschäftsmäßig, wenn auch unentgeltlich betreiben, ohne hiezu befugt zu sein. Wer zur geschäftsmäßigen Vertretung befugt sei, richte sich nach dem Berufsrecht. Das hierfür maßgebende Gesetz sei das österreichische Wirtschaftstreuhandberufsgesetz (WTBG), BGBl. I Nr. 58/1999 in der Fassung BGBl. I Nr. 10/2008. § 231 Abs. 1 WTBG normiere, dass Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der EU, die in einem Mitgliedstaat der EU niedergelassen seien und dort den Beruf eines selbständigen, freiberuflichen Wirtschaftstreuhänders auf einem bestimmten, diesem Bundesgesetz entsprechenden Fachgebiet befugt ausübten, berechtigt seien, nach Maßgabe des Abs. 2, vorübergehend und gelegentlich Dienstleistungen auf diesem Fachgebiet zu erbringen.

Gemäß § 231 Abs. 2 WTBG seien die Voraussetzungen für die Erbringung von vorübergehenden und gelegentlichen Dienstleistungen gemäß Abs. 1:

1. die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der EU,

2. eine Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat der EU,

3. die aufrechte Berechtigung, im Niederlassungsstaat Tätigkeiten auszuüben, die den Berechtigungsumfängen der Wirtschaftstreuhandberufe gemäß § 3 und § 5 WTBG zuzuordnen seien, und, sofern der Beruf im Niederlassungsstaat nicht reglementiert sei, eine mindestens zweijährige Berufsausübung während der vorangehenden zehn Jahre im Niederlassungsstaat, und

4. eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung.

Da der Bw. nach Berufsrecht nicht zu einer dauerhaften Vertretung vor den österreichischen Abgabenbehörden befugt sei, sei er gemäß § 84 Abs. 1 BAO als Bevollmächtigter abzulehnen.

Ergänzend teilte das Finanzamt A dem Bw. mit, dass die vor Zustellung des Ablehnungsbescheides von ihm als Vertreter vorgenommenen Prozesshandlungen gültig seien (Hinweis auf Ritz, BAO3, § 84 Tz 11). Gemäß § 84 Abs. 2 BAO seien jedoch weitere Prozesshandlungen des Abgelehnten in Sachen des Vollmachtgebers ohne abgabenrechtliche Wirkung.

Gegen diesen Ablehnungsbescheid erhob der Bw. am Berufung. Gemäß Art. 49 ff EGV iVm § 3 StBerG und der Rechtsprechung des EuGH sei es ihm als deutschem Steuerberater durchaus erlaubt, die Vertretung seiner Mandanten gegenüber der österreichischen Finanzbehörde zu übernehmen und deren Interessen zu vertreten. Auch die deutschen und österreichischen Kammern hätten dies bestätigt. In Art. 50 Abs. 3 EGV sei der Grundsatz der Inländergleichbehandlung klar festgelegt. Das bedeute, dass eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten sei. Ebenso sei gemäß Art. 59 EGV verboten, dem Dienstleistenden Beschränkungen aufzuerlegen wegen des Umstandes, dass er in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sei. Durch die Ablehnung der Parteienvertretung liege eine klare Diskriminierung vor. Die von ihm ausgeführten Dienstleistungen entsprächen ebenfalls den in Art. 50 EGV beschriebenen Voraussetzungen, nämlich: entgeltlich, grenzüberschreitend, vorübergehend erbracht.

Die in § 231 Abs. 2 WTBG normierten Voraussetzungen für die Erbringung von vorübergehenden und gelegentlichen Dienstleistungen gemäß Abs. 1 seien ebenfalls erfüllt: Er sei Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates der EU (lt. beigelegter Kopie des Personalausweises) und habe eine Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat der EU (lt. beigelegter Kopie der Berufsurkunde). Die aufrechte Berechtigung, im Niederlassungsstaat Tätigkeiten auszuüben, die den Berechtigungsumfängen der Wirtschaftstreuhandberufe gemäß § 3 und § 5 WTBG zuzuordnen seien, liege genauso vor, wie auch eine mindestens zweijährige Berufsausübung während der vorangegangenen zehn Jahre im Niederlassungsstaat (lt. beigelegter Kopie der Berufsurkunde). Schließlich könne er auch auf eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung (lt. beigelegter Kopie) verweisen.

Die Bestimmung des Art. 49 Abs. 1 EGV werde vom EuGH als eine Erweiterung des Diskriminierungsverbots ausgelegt, die nicht nur die Inländergleichbehandlung erfordere, sondern auch die Beseitigung von sonstigen Beschränkungen des Dienstleistungsverkehrs (sog. Beschränkungsverbot). Gemäß Art. 55 EGV würden die Bestimmungen der Art. 45 - 48 EGV (Niederlassungsfreiheit - dauerhafte Errichtung einer Kanzlei) auch für die Dienstleistungsfreiheit gelten. Der persönliche und sachliche Anwendungsbereich betreffe Unionsbürger; Unternehmen seien natürlichen Personen gleichgestellt.

Im Hinblick auf das in § 231 Abs. 1 WTBG normierte Erfordernis bloß vorübergehend und gelegentlich erbrachter Dienstleistungen hielt das Finanzamt A dem Bw. mit Schreiben vom vor, dass er die steuerliche Vertretung vor den österreichischen Abgabenbehörden "in zumindest 130 Fällen" begehre. Auch aus dem Wortlaut der vorliegenden Vollmachten gehe hervor, dass diese auf eine umfassende Vertretung gerichtet seien. Die Vertretung vor den österreichischen Abgabenbehörden könne daher weder als vorübergehend noch als gelegentlich angesehen werden.

Dazu teilte der Bw. mit Schreiben vom mit, dass die Vertretung deutscher Staatsbürger vor dem österreichischen Finanzamt aus folgenden Gründen eine vorübergehende und gelegentliche Tätigkeit darstelle:

Auf österreichischem Staatsgebiet werde keine Niederlassung unterhalten. Er betreue grundsätzlich deutsche Staatsbürger, die in Deutschland einen Wohnsitz innehaben und aus Gründen ihrer Arbeit mehr oder weniger häufig nach Österreich pendeln.

Merkmal "vorübergehend": Es liege eine "zeitliche Befristung" der Vertretung vor österreichischen Finanzbehörden vor, weil die betreffenden Auftraggeber nach bisherigen Erfahrungen ein bis vier Jahre aktive Mandanten seien. Nach dieser Zeit wechselten sie meist wieder zu einer Arbeitsstelle in Deutschland oder der Schweiz. Es liege eine "fachspezifische Befristung" der Vertretung vor österreichischen Finanzbehörden vor, weil während der Dauer des betreffenden Mandats dafür Sorge getragen werde, dass einerseits gegenüber den deutschen und andererseits gegenüber den österreichischen Finanzbehörden die entsprechenden Daten und Formulare zugänglich gemacht würden, um aktiv Steuerrechtssachverhalte abzuklären.

Es liege auch eine "personelle Befristung" der Vertretung vor, weil vor österreichischen Finanzbehörden grundsätzlich nur Arbeitnehmerveranlagungen durchgeführt würden. Eine "logische Befristung" sei darin zu sehen, dass viele Auftraggeber, die vor Jahren in Österreich für wenige Jahre gearbeitet hätten, an die Abgabe einer österreichischen Steuererklärung während ihrer Tätigkeit in Österreich nicht gedacht hätten. Diese nutzten jetzt seine Kanzlei, um Versäumtes nachzuholen.

Merkmal "gelegentlich": Als Inhaber einer mittelgroßen Steuerkanzlei betreue er deutsche Unternehmen/GmbH's, Vereine, Freiberufler und Selbständige sowie Arbeitnehmer. Das Leistungsangebot reiche von der Lohnabrechnung über die Buchhaltung, die Erstellung von Jahresabschlüssen, Steuererklärungen, steuerliche und betriebswirtschaftliche Beratung bis zu Arbeitnehmerveranlagungen. Der Anteil österreichischer Arbeitnehmerveranlagungen betrage unter 10 % des Gesamtauftragsvolumens. In Anbetracht des relativ niedrigen Umsatzanteiles betrachte der Bw. dieses Aufgabengebiet und die Beschäftigung dahingehend als gelegentlich. Die Bereithaltung von zwei Mitarbeitern, welche speziell österreichische Steuererklärungen bearbeiten könnten, erfolge aus unternehmerisch strategischen Gründen.

Die Berufung wurde vom Finanzamt A unmittelbar der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorgelegt.

Über die Berufung wurde erwogen:

A) Gemäß § 84 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde solche Personen (Personengesellschaften) als Bevollmächtigte abzulehnen, die die Vertretung anderer geschäftsmäßig, wenn auch unentgeltlich betreiben, ohne hiezu befugt zu sein. Gleichzeitig ist der Vollmachtgeber von der Ablehnung in Kenntnis zu setzen. Gemäß § 84 Abs. 2 BAO ist das von einer abgelehnten Person (Personengesellschaft) in Sachen des Vollmachtgebers nach der Ablehnung schriftlich oder mündlich Vorgebrachte ohne abgabenrechtliche Wirkung.

B) Nach dem Wortlaut des § 84 Abs. 1 BAO sind grundsätzlich alle eigenberechtigten Personen zur Vertretung in Abgabensachen zugelassen und nur jene ausgeschlossen, die die geschäftsmäßige Vertretung anderer besorgen, ohne hiezu befugt zu sein. "Geschäftsmäßig" bedeutet, dass eine Tätigkeit nachhaltig oder zumindest mit einer gewissen Häufigkeit, sei es entgeltlich (gewerbsmäßig) oder unentgeltlich, ausgeübt wird; auch eine wiederholte Tätigkeit für nur einen Vollmachtgeber ist als geschäftsmäßig anzusehen. Schon die erstmalige Vertretung kann nach den Umständen des Falles bereits geschäftsmäßig sein, zB wenn eine allgemeine und uneingeschränkte Vollmacht zur Vertretung vor Abgabenbehörden vorliegt (vgl. Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO³, § 84 Anm 2).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Terminus "geschäftsmäßig" dahingehend zu interpretieren, als sich dies in einem Tätigwerden manifestiert, welches selbständig und zwar nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Häufigkeit vorgenommen wird (). Ebenso sieht das Höchstgericht den Tatbestand der Geschäftsmäßigkeit immer dann als erfüllt an, wenn aus den jeweiligen Umständen zu schließen ist, dass sich die Vertretung nicht nur auf einige bestimmte oder zumindest in einem bestimmten Zusammenhang anfallende Vertretungshandlungen beschränkt, sondern einen Agendenkreis umfasst, der verschiedene, nicht näher spezifizierte Vertretungshandlungen mit einer gewissen Häufigkeit erwarten lässt (; ; ).

C) Es bedarf keiner weiteren Erörterung, dass der Bw. die Hilfeleistung in Steuersachen geschäftsmäßig betreibt. Gemäß § 3 Nr. 1 des deutschen StBerG sind ua. Steuerberater zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt. Beim Bw. handelt es sich um einen in Deutschland zugelassenen Steuerberater. Im Zuge des Berufungsverfahrens legte er eine Kopie der vom Thüringer Finanzministerium am ausgestellten "Berufsurkunde" vor, derzufolge er "als Steuerberater bestellt" wurde. Seine Steuerkanzlei befindet sich in B, C-Straße.

D) Wer zur geschäftsmäßigen Vertretung befugt ist, richtet sich nach dem Berufsrecht (vgl. Stoll/Tanzer, Die Vorbehaltsaufgaben der Wirtschaftstreuhänder, Wien 1991, 10). Zur geschäftsmäßigen Vertretung vor österreichischen Abgabenbehörden sind insbesondere Wirtschaftstreuhänder (§§ 3 ff WTBG), Rechtsanwälte (§ 9 Rechtsanwaltsordnung, § 2 EuRAG) und Notare (§§ 5 Abs. 1 und 31 Abs. 3 Notariatsordnung) befugt (vgl. Ritz, BAO4, § 84 Tz 3).

E) Gemäß § 1 Abs. 1 Wirtschaftstreuhandberufsgesetz (WTBG), BGBl. I Nr. 58/1999 in der ab geltenden Fassung BGBl. I Nr. 161/2006, sind Wirtschaftstreuhandberufe die Berufe des Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters. Gemäß § 3 Abs. 1 WTBG ist es den zur selbständigen Ausübung des Wirtschaftstreuhandberufes Steuerberater Berechtigten vorbehalten, folgende Tätigkeiten auszuüben:

1. die Beratung und Hilfeleistung auf dem Gebiet des Abgabenrechts und der Rechnungslegung,

2. die Beratung auf dem Gebiet des Bilanzwesens und der Abschluss kaufmännischer Bücher,

3. die Vertretung in Abgabe- und Abgabestrafverfahren für Bundes-, Landes- und Gemeindeabgaben und in Beihilfenangelegenheiten vor den Finanzbehörden, den übrigen Gebietskörperschaften und den Unabhängigen Verwaltungssenaten, hierbei ersetzt die Berufung auf die Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis,

4. die Durchführung von Prüfungsaufgaben, die nicht die Erteilung eines förmlichen Bestätigungsvermerkes erfordern, und eine diesbezügliche schriftliche Berichterstattung und

5. die Erstattung von Sachverständigengutachten auf den Gebieten des Buchführungs- und Bilanzwesens, des Abgabenrechts und auf jenen Gebieten, zu deren fachmännischer Beurteilung Kenntnisse des Rechnungswesens und der Betriebswirtschaftslehre erforderlich sind.

Gemäß § 7 Abs. 1 WTBG dürfen Wirtschaftstreuhandberufe selbständig durch Berufsberechtigte, das sind entweder natürliche Personen oder Gesellschaften, ausgeübt werden. Gemäß § 7 Abs. 2 WTBG ist eine natürliche Person berufsberechtigt und somit zur selbständigen Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufes berechtigt, nachdem sie durch die Kammer der Wirtschaftstreuhänder öffentlich bestellt wurde. Gemäß § 8 Abs. 1 WTBG sind allgemeine Voraussetzungen für die öffentliche Bestellung: die volle Handlungsfähigkeit, die besondere Vertrauenswürdigkeit, geordnete wirtschaftliche Verhältnisse, eine aufrechte Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung und ein Berufssitz. Weitere Voraussetzung für die öffentliche Bestellung als Steuerberater ist gemäß § 8 Abs. 2 Z 2 WTBG die erfolgreich abgelegte Fachprüfung für Steuerberater.

Es steht unbestritten fest, dass der Bw. die in § 8 Abs. 2 Z 2 WTBG geforderte Fachprüfung für Steuerberater nicht abgelegt hat und demnach durch die Kammer der Wirtschaftstreuhänder auch nicht öffentlich bestellt wurde. Mangels Erfüllung der in § 14 Abs. 1 WTBG normierten Zulassungsvoraussetzungen hätte er diese Fachprüfung in Österreich auch gar nicht ablegen können. Auf der Grundlage der vorhin genannten Bestimmungen des WTBG ist der Bw. nicht befugt, eine geschäftsmäßige Vertretung vor österreichischen Abgabenbehörden vorzunehmen.

F) Ob und inwieweit nach ausländischen Rechtsvorschriften befugte berufsmäßige Parteienvertreter (zB Steuerberater, Rechtsanwälte) in Österreich vertretungsbefugt sind, richtet sich ebenfalls nach berufsrechtlichen Vorschriften. Der Bw. beruft sich diesbezüglich auf die in § 231 WTBG geregelte Erbringung von Dienstleistungen. § 231 WTBG in der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Fassung BGBl. I Nr. 10/2010 hat folgenden Wortlaut:

"Dienstleistungen

(1) Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der EU oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) oder Staatsangehörige der Schweiz, die in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem Vertragsstaat des EWR oder in der Schweiz niedergelassen sind und dort den Beruf eines selbständigen, freiberuflichen Wirtschaftstreuhänders auf einem bestimmten diesem Bundesgesetz entsprechenden Fachgebiet gemäß § 3 und § 5 befugt ausüben, sind berechtigt, nach Maßgabe des Abs. 2, vorübergehend und gelegentlich Dienstleistungen auf diesem Fachgebiet zu erbringen.

(2) Die Voraussetzungen für die Erbringung von vorübergehenden und gelegentlichen Dienstleistungen gemäß Abs. 1 sind:

1. die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der EU oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz,

2. eine Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder in einem Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes oder in der Schweiz,

3. die aufrechte Berechtigung im Niederlassungsstaat Tätigkeiten auszuüben, die den Berechtigungsumfängen der Wirtschaftstreuhandberufe gemäß § 3 und § 5 zuzuordnen sind, und sofern der Beruf im Niederlassungsstaat nicht reglementiert ist, eine mindestens zweijährige Berufsausübung während der vorangehenden zehn Jahre im Niederlassungsstaat, und

4. eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung im Sinne des § 11 in Verbindung mit § 88 Abs. 1.

(3) Die Dienstleistungen gemäß Abs. 1 sind unter der Berufsbezeichnung des Niederlassungsstaates des Dienstleisters zu erbringen. Die Berufsbezeichnung ist in der Amtsprache des Niederlassungsstaates so zu führen, dass keine Verwechslungen mit den in diesem Bundesgesetz oder dem Bilanzbuchhaltungsgesetz, BGBl. I Nr. 161/2006, angeführten Berufsbezeichnungen möglich sind.

(4) Der Dienstleister ist verpflichtet, den Dienstleistungsempfänger spätestens bei Vertragsabschluss nachweislich zu informieren über:

1. das Register, in dem er eingetragen ist, sowie die Nummer der Eintragung oder gleichwertige, der Identifikation dienende Angaben aus diesem Register,

2. Namen und Anschrift der zuständigen Aufsichtsbehörde,

3. die Berufskammern oder vergleichbare Organisationen, denen der Dienstleister angehört,

4. die Berufsbezeichnung oder seinen Berufsqualifikationsnachweis,

5. die Umsatzsteueridentifikationsnummer nach Artikel 22 Absatz 1 der Richtlinie 77/388/EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, ABl. Nr. L 145 vom S. 1, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2004/66/EG, ABl. Nr. L 168 vom S. 35 und

6. Einzelheiten zu seinem Versicherungsschutz in Bezug auf die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung.

(5) § 231 Abs. 1 bis 4 gilt nicht für die Erbringung von Dienstleistungen bezüglich Abschlussprüfungen gemäß Art. 2 Z 1 der Abschlussprüfungs-RL."

G) § 231 WTBG regelt die Erbringung von Dienstleistungen, die Tätigkeiten zum Inhalt haben, die den Berechtigungsumfängen der Wirtschaftstreuhandberufe zuzuordnen sind. Der Bw. ist deutscher Staatsbürger und in Deutschland als Steuerberater niedergelassen. § 231 WTBG ermöglicht ihm, in Österreich Dienstleistungen auf dem einem Steuerberater gemäß § 3 WTBG vorbehaltenen Fachgebiet zu erbringen, vorausgesetzt, dass diese Dienstleistungen - vorbehaltlich der Erfüllung der übrigen Voraussetzungen des § 231 Abs. 2 WTBG - vorübergehend und gelegentlich erbracht werden. Die Erbringung von vorübergehenden und gelegentlichen Dienstleistungen in diesem Bereich wird an keine Melde- oder Registrierungsverpflichtungen geknüpft. Zu dem einem Steuerberater gemäß § 3 Abs. 1 Z 3 WTBG vorbehaltenen Fachgebiet gehört auch die Vertretung vor den Finanzbehörden, die demnach im Hinblick auf § 231 WTBG nur vorübergehend und gelegentlich erfolgen darf.

Der vorübergehende und gelegentliche Charakter der fraglichen Tätigkeiten ist nicht nur unter Berücksichtigung der Dauer der Leistung, sondern auch ihrer Häufigkeit, regelmäßigen Wiederkehr oder Kontinuität zu beurteilen. Der vorübergehende und gelegentliche Charakter der Leistung schließt nicht die Möglichkeit für den Dienstleistungserbringer aus, sich im Aufnahmemitgliedstaat mit einer bestimmten Infrastruktur (einschließlich eines Büros, einer Praxis oder einer Kanzlei) auszustatten, soweit diese Infrastruktur für die Erbringung der fraglichen Leistung erforderlich ist (vgl. , Rn 27; vgl. auch § 5 Abs. 2 der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. Nr. L 255 vom , S. 29).

H) Der vorübergehende und gelegentliche Charakter der Erbringung von Dienstleistungen ist im Einzelfall zu beurteilen. Bezogen auf den Streitfall geht der Unabhängige Finanzsenat davon aus, dass der Bw. als Steuerberater in Österreich (als Vertreter vor den österreichischen Abgabenbehörden) nicht nur vorübergehend und gelegentlich Dienstleistungen erbracht hat bzw. weiterhin erbringt. Im Internet (vgl. www1 in Verbindung mit www2) bietet er als Tätigkeitsschwerpunkt "Österreichische Steuererklärung" an. Dafür wurde sogar eine eigene Homepage eingerichtet. Der Bw. wendet sich dabei an "Arbeitnehmer mit Wohnsitz in Deutschland, angestellt in einem österreichischen Unternehmen, lohnsteuerpflichtig". Dem Team seiner deutschen Steuerkanzlei gehören (dem Internet zufolge) sogar zwei Mitarbeiterinnen an, deren Spezialgebiete "österreichische Lohnsteuererklärungen", "österreichische Steuererklärungen" bzw. "Anträge auf Rückerstattung der österreichischen Lohnsteuer" umfassen. Im Internet (www2) wird das Download-Formular "Anmeldedaten ÖSTR" zur Verfügung gestellt, mit dem Klienten des Bw. diesem den Auftrag erteilen können, ihre "österreichische Einkommensteuererklärung zu erstellen". Dabei kann die steuerliche Vertretung durch den Bw. für ein oder mehrere Veranlagungsjahre oder auch zeitlich unbegrenzt (für die "Folgejahre") beantragt werden.

Auch die im Streitfall vorgelegte "Vertretungs- und Empfangsvollmacht" spricht gegen ein bloß vorübergehendes und gelegentliches Einschreiten des Bw. gegenüber österreichischen Finanzbehörden. Mit dieser Vollmacht wurde der Bw. zum "steuerlichen Vertreter in allen steuerlichen Angelegenheiten vor den hierfür zuständigen Behörden und Gerichten" und zum "Empfangsbevollmächtigten" bestellt. Er ist befugt, für den Vollmachtgeber "verbindliche Erklärungen abzugeben, Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einzulegen und zurückzunehmen sowie rechtsverbindliche Unterschriften zu leisten". Die "Vertretungsvollmacht" und die "Empfangsvollmacht/Zustellvollmacht" gelten bis auf schriftlichen Widerruf. In den übrigen vor österreichischen Finanzbehörden vertretenen Fällen wurden gleich lautende "Vertretungs- und Empfangsvollmachten" ausgestellt. Diese Vollmachten sind nicht auf ein bloß einmaliges Einschreiten des Bw. gegenüber österreichischen Finanzbehörden beschränkt, es liegen vielmehr umfassende Vollmachten vor, die auf ein regelmäßig wiederkehrendes oder kontinuierliches Handeln gegenüber österreichischen Finanzbehörden (etwa im Rahmen der jährlichen ArbeitnehmerInnenveranlagung) abstellen.

Wie der Bw. selbst zu verstehen gab (vgl. das Schreiben vom ), werden die betreffenden Auftraggeber regelmäßig ein bis vier Jahre als seine Mandanten vor österreichischen Finanzbehörden vertreten. Die Vertretung eines Klienten vor den österreichischen Finanzbehörden geht daher regelmäßig über ein einmaliges (insbesondere im Rahmen der Durchführung einer ArbeitnehmerInnenveranlagung erfolgendes) Einschreiten hinaus.

Was die Häufigkeit der Dienstleistungen des Bw. gegenüber österreichischen Finanzbehörden betrifft, wird auf die Erhebungen des Finanzamtes A im März 2011 verwiesen. Diese (dem Bw. mit Schreiben vom vorgehaltenen) Erhebungen haben ergeben, dass er zu diesem Zeitpunkt "in zumindest 130 Fällen" die steuerliche Vertretung vor den Abgabenbehörden in ganz Österreich (und nicht nur vor dem Finanzamt A) übernommen und dabei die Klienten regelmäßig über mehrere Veranlagungsjahre hindurch betreut hat. Diese Feststellungen des Finanzamtes A wurden vom Bw. nicht in Abrede gestellt (vgl. sein Antwortschreiben vom ).

In seinem Schreiben vom verantwortete sich der Bw. lediglich damit, dass der Anteil österreichischer ArbeitnehmerInnenveranlagungen unter 10 % des Gesamtauftragsvolumens seiner Steuerkanzlei liege; bei diesem relativ niedrigen Umsatzanteil könne die Vertretung vor den österreichischen Finanzbehörden als gelegentlich betrachtet werden. Um einen bloß gelegentlichen Charakter der fraglichen Tätigkeiten des Bw. beurteilen zu können, ist ein Abstellen auf den Umsatzanteil nach Überzeugung des Unabhängigen Finanzsenates sachlich nicht gerechtfertigt und daher unzulässig. Es kommt vielmehr auf die absolute Häufigkeit der Vertretungen vor den österreichischen Finanzbehörden an; Vertretungen "in zumindest 130 Fällen" können auch nach dem Urteil gerecht und billig denkender Menschen keineswegs als bloß gelegentlich erbracht angesehen werden.

Zwecks weiterer Überprüfung des behaupteten vorübergehenden und gelegentlichen Charakters der Vertretungstätigkeit gegenüber österreichischen Finanzbehörden richtete der Unabhängige Finanzsenat an den Bw. am ein Schreiben ua. folgenden Inhalts:

"Der vorgelegten ,Berufsurkunde' zufolge wurden Sie vom Thüringer Finanzministerium am als Steuerberater bestellt.

Seit wann führen Sie Ihre eigene Steuerkanzlei in B, C-Straße?

Seit wann vertreten Sie Abgabepflichtige vor österreichischen Abgabenbehörden?

Wie viele Klienten wurden seither vor österreichischen Abgabenbehörden vertreten? Diesbezüglich möge Folgendes bekannt gegeben werden:

a) genaue Anzahl der vor österreichischen Abgabenbehörden vertretenen Klienten, jahrgangsweise aufgegliedert nach dem Jahr des erstmaligen Einschreitens (bis einschließlich 2011)

b) Anteil jener Klienten, die bloß einmalig vor österreichischen Abgabenbehörden vertreten wurden, im Verhältnis zu jenen, die laufend (etwa im jährlichen Lohnsteuerverfahren) vertreten wurden (bzw. werden)

c) Aufschlüsselung (prozentmäßig) über die Art der Verfahren vor österreichischen Abgabenbehörden (zB Lohnsteuerverfahren, betriebliche Veranlagungen, Berufungen, Anfragen usw.)

d) Bekanntgabe jener österreichischen Abgabenbehörden, bei denen Sie bereits als steuerlicher Vertreter eingeschritten sind"

Dieses Schreiben blieb unbeantwortet.

Von lediglich vorübergehend und gelegentlich erbrachten Dienstleistungen als Vertreter vor den österreichischen Abgabenbehörden kann bei der gegebenen Sachlage keinesfalls gesprochen werden. Die Vertretung von Klienten vor österreichischen Abgabenbehörden wird nachhaltig, somit geschäftsmäßig angelegt und auch durchgeführt. Auf eine auf § 231 WTBG gestützte Befugnis zur Vertretung anderer vor österreichischen Abgabenbehörden kann sich der Bw. somit nicht berufen.

I) Wer - wie der Bw. durch die Vertretung von Klienten vor österreichischen Abgabenbehörden - "in stabiler und kontinuierlicher Weise" eine Berufstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausübt, fällt unter die Vorschriften des Kapitels über das Niederlassungsrecht und nicht unter die des Kapitels über die Dienstleistungen. § 232 WTBG in der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Fassung BGBl. I Nr. 10/2010 hat diesbezüglich folgenden Wortlaut (auszugsweise):

"Niederlassung

(1) Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der EU oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz sind nach Maßgabe des Abs. 2 berechtigt, sich auf dem Gebiet der Republik Österreich zur Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufes niederzulassen.

(2) Voraussetzungen für die Niederlassung gemäß Abs. 1 sind:

1. die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der EU oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz,

2. die aufrechte Berechtigung in ihrem Herkunftsmitgliedstaat einen Wirtschaftstreuhandberuf auszuüben,

3. das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen gemäß § 8 Abs. 1,

4. das Vorliegen einer gleichwertigen Berufsqualifikation und

5. die öffentliche Bestellung durch die Kammer der Wirtschaftstreuhänder.

(3) Dem Antrag auf öffentliche Bestellung sind anzuschließen:

1. ein Identitätsnachweis,

2. der Nachweis der Staatsangehörigkeit,

3. der Berufsqualifikationsnachweis, der zur Aufnahme eines Wirtschaftstreuhandberufes berechtigt, und

4. Bescheinigungen der zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaates über das Vorliegen der besonderen Vertrauenswürdigkeit, der geordneten wirtschaftlichen Verhältnisse und das Nichtvorliegen schwerwiegender standeswidriger Verhalten. Diese Bescheinigungen dürfen bei ihrer Vorlage nicht älter als drei Monate sein.

(4) Die öffentliche Bestellung hat zu erfolgen, wenn die allgemeinen Voraussetzungen für die öffentliche Bestellung vorliegen und die geltend gemachte Berufsqualifikation dem des angestrebten Wirtschaftstreuhandberufes gleichwertig ist. Die fachliche Befähigung ist nachzuweisen durch die Vorlage eines Nachweises im Sinne des Art. 11 lit. e Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. Nr. L 255 vom , S. 22, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2006/100/EG zur Anpassung bestimmter Richtlinien im Bereich Freizügigkeit anlässlich des Beitritts Bulgariens und Rumäniens, ABl. Nr. L 363 vom , S. 141. Diesen Ausbildungsnachweisen ist jeder Ausbildungsnachweis oder jede Gesamtheit von Berufsqualifikationsnachweisen, die von einer zuständigen Behörde in einem Mitgliedstaat ausgestellt wurden, gleichgestellt, sofern sie eine in der Gemeinschaft erworbene Ausbildung abschließen und von diesem Mitgliedstaat als gleichwertig anerkannt werden und in Bezug auf die Aufnahme oder Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufes dieselben Rechte verleihen oder auf die Ausübung dieser Berufe vorbereiten.

(5) Die mangelnde Gleichwertigkeit der geltend gemachten Berufsqualifikation ist durch die Absolvierung einer Eignungsprüfung auszugleichen. Unter einer Eignungsprüfung sind Prüfungen im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. h der Richtlinie 2005/36/EG zu verstehen.

(6) Die Eignungsprüfung für Steuerberater umfasst folgende Sachgebiete im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. h der Richtlinie 2005/36/EG:

1. die schriftliche Ausarbeitung einer Klausurarbeit gemäß § 29 Abs. 2 in Verbindung mit § 29 Abs. 4 und

2. die mündliche Beantwortung von Prüfungsfragen aus den Fachgebieten gemäß § 30 Z 1, 2 und 5."

J) Im Gegensatz zum Dienstleistungsrecht umfasst das Niederlassungsrecht die Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten jeder Art, die Gründung und Leitung von Unternehmen und die Errichtung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften im Hoheitsgebiet jedes anderen Mitgliedstaates (vgl. , Rn 23). Der Begriff der Niederlassung ist ein sehr weiter Begriff, der die Möglichkeit für einen Gemeinschaftsangehörigen impliziert, "in stabiler und kontinuierlicher Weise" am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaates als seines Herkunftsstaates teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen, wodurch die wirtschaftliche und soziale Verflechtung innerhalb der Gemeinschaft im Bereich der selbständigen Tätigkeiten gefördert wird (vgl. , Rn 25, mwH).

Die Aufnahme und Ausübung einiger selbständiger Tätigkeiten können jedoch von der Beachtung bestimmter durch das Allgemeininteresse gerechtfertigter Rechts- und Verwaltungsvorschriften, wie der Vorschriften über Organisation, Qualifikation, Standespflichten, Kontrolle und Haftung, abhängig gemacht werden. Diese Vorschriften können insbesondere vorsehen, dass die Ausübung einer spezifischen Tätigkeit je nach Lage des Falles den Inhabern eines Diploms, Prüfungszeugnisses oder sonstigen Befähigungsnachweises, den Angehörigen eines bestimmten Berufsstandes oder den Personen, die einer bestimmten Ordnung oder Kontrolle unterliegen, vorbehalten ist (vgl. , Rn 35, mwH). Solche besonderen Bedingungen muss der Angehörige eines anderen Mitgliedstaates, der die betreffende selbständige Tätigkeit ausüben will, grundsätzlich erfüllen.

§ 232 WTBG ermöglicht dem Bw., sich auf dem Gebiet der Republik Österreich zur Ausübung seines Berufes als Steuerberater niederzulassen, was nach Auffassung des Unabhängigen Finanzsenates im Hinblick auf den Berechtigungsumfang des Steuerberaters nach § 3 WTBG auch impliziert, dass Klienten "in stabiler und kontinuierlicher Weise" vor österreichischen Finanzbehörden vertreten werden; Voraussetzung ist gemäß § 232 Abs. 2 WTBG ua. allerdings, dass eine gleichwertige Berufsqualifikation und eine öffentliche Bestellung als Steuerberater durch die österreichische Kammer der Wirtschaftstreuhänder vorliegen.

K) Der Bw. ist von der österreichischen Kammer der Wirtschaftstreuhänder nicht als Steuerberater öffentlich bestellt worden. Von ihm wurde auch gar kein diesbezüglicher Antrag gestellt. Wohl auch deshalb hat sich der Bw. in diesem Berufungsverfahren auf die Bestimmungen des § 232 WTBG und das darin geregelte Niederlassungsrecht erst gar nicht berufen. Ob die Berufsqualifikation, die den Bw. zur Ausübung des Steuerberaterberufes in Deutschland ermächtigt (vgl. die vorgelegte "Berufsurkunde" vom ), der Berufsqualifikation eines in Österreich angestrebten Steuerberaterberufes gleichwertig ist, hätte gerade in einem Bestellungsverfahren durch die österreichische Kammer der Wirtschaftstreuhänder überprüft werden sollen.

Im Übrigen kann nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates auch nicht vom Vorliegen einer gleichwertigen Berufsqualifikation ausgegangen werden. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufes genaue Kenntnisse des innerstaatlichen Rechts erfordert und bei Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufes Beratung und Beistand in Bezug auf das innerstaatliche Recht ein wesentlicher und beständiger Teil der Berufsausübung ist (vgl. Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur Änderung des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes, 279 BlgNr XXIII. GP). Während bereits das nationale Steuerrecht mit seinen ständigen Änderungen vom Steuerberater ein umfangreiches Wissen und ein laufendes intensives Studium verlangt, erscheint es unmöglich, sich zudem noch im jeweiligen nationalen Recht anderer Mitgliedstaaten auszukennen. Es sind genaue Kenntnisse der Unterschiede im Recht - insbesondere im Steuer- und Wirtschaftsrecht - notwendig, deren Nichtberücksichtigung ein hohes Haftungspotenzial eröffnet. Andererseits muss der Steuerberater in der Lage sein, im Rahmen grenzüberschreitender Sachverhalte so beratend tätig werden zu können, dass eventuell sich ergebende Nachteile für den Klienten im Rahmen des nationalen Rechts vermieden werden.

Um in Österreich (vor österreichischen Abgabenbehörden) als Steuerberater tätig sein zu können, sind daher genaue Kenntnisse des österreichischen Steuer- und Wirtschaftsrechts unerlässlich. Mit der Ausbildung zum Steuerberater in Deutschland konnte der Bw. solche Kenntnisse nicht erwerben. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass eine Harmonisierung des Berufs des Steuerberaters in Deutschland und Österreich nicht vorliegt, weil die Systeme der direkten und indirekten Steuern kaum harmonisiert sind, wenn man vom Umsatzsteuer- und Bilanzrecht absieht. Darüber hinaus steht beim Berufsbild des Steuerberaters die Beratung im Vordergrund; diese rechtfertigt eine tendenziell intensivere Eignungsprüfung.

Zum Ausgleich der mangelnden Gleichwertigkeit der geltend gemachten Berufsqualifikation ist vom Niederlassungswerber vor seiner öffentlichen Bestellung eine Eignungsprüfung abzulegen (§ 232 Abs. 5 WTBG). Die Fächer der Eignungsprüfung beziehen sich ausschließlich auf die genauen Kenntnisse innerstaatlicher Rechtsvorschriften, die für die Ausübung der einzelnen Wirtschaftstreuhandberufe nicht nur eine wesentliche, sondern unabdingbare Voraussetzung sind.

Da der Bw. auf eine gleichwertige Berufsqualifikation nicht verweisen kann, hätte er sich einer Eignungsprüfung gemäß § 232 Abs. 5 WTBG unterziehen müssen, sofern er überhaupt einen Antrag auf öffentliche Bestellung gestellt hätte. Im Streitfall liegt weder eine öffentliche Bestellung des Bw. zum Steuerberater durch die österreichische Kammer der Wirtschaftstreuhänder vor, noch kann er auf eine in Österreich absolvierte Eignungsprüfung für Steuerberater verweisen. Auf eine auf § 232 WTBG gestützte Befugnis zur Vertretung anderer vor österreichischen Abgabenbehörden kann sich der Bw. somit nicht berufen.

L) Die §§ 231 und 232 WTBG in der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Fassung BGBl. I Nr. 10/2010 entsprechen geltendem EU-Recht. Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV; vormals: Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, EGV) regelt in den Art. 49 bis 55 das Niederlassungsrecht und in den Art. 56 bis 62 die Dienstleistungen. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

Art. 49 AEUV (vormals Art. 43 EGV):

"Die Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten. Das Gleiche gilt für Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaats, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig sind.

Vorbehaltlich des Kapitels über den Kapitalverkehr umfasst die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbstständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften im Sinne des Artikels 54 Absatz 2, nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen."

Art. 56 AEUV (vormals Art. 49 EGV):

"Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten.

Das Europäische Parlament und der Rat können gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren beschließen, dass dieses Kapitel auch auf Erbringer von Dienstleistungen Anwendung findet, welche die Staatsangehörigkeit eines dritten Landes besitzen und innerhalb der Union ansässig sind."

Art. 57 AEUV (vormals Art. 50 EGV):

"Dienstleistungen im Sinne der Verträge sind Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen.

Als Dienstleistungen gelten insbesondere:

a) gewerbliche Tätigkeiten,

b) kaufmännische Tätigkeiten,

c) handwerkliche Tätigkeiten,

d) freiberufliche Tätigkeiten.

Unbeschadet des Kapitels über die Niederlassungsfreiheit kann der Leistende zwecks Erbringung seiner Leistungen seine Tätigkeit vorübergehend in dem Mitgliedstaat ausüben, in dem die Leistung erbracht wird, und zwar unter den Voraussetzungen, welche dieser Mitgliedstaat für seine eigenen Angehörigen vorschreibt."

M) Mit der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (Berufsanerkennungs-RL, ABl. Nr. L 255/22 vom ) wurde die Anerkennung der freien Berufe und jener in Industrie, Handel und Handwerk geregelt. Dabei fand sowohl das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung als auch das Bestimmungslandprinzip Eingang. Die Berufsanerkennungs-RL normiert den Zugang und die Ausübung von grundsätzlich allen reglementierten Berufen in Aufnahmemitgliedstaaten, einschließlich der Anerkennung von in Herkunftsmitgliedstaaten erworbenen Berufsqualifikationen durch Staatsangehörige eines Mitgliedstaates.

Die Berufsanerkennungs-RL betrifft auch freie Berufe, soweit sie reglementiert sind, die gemäß den Bestimmungen dieser Richtlinie auf der Grundlage einschlägiger Berufsqualifikationen persönlich, in verantwortungsbewusster Weise und fachlich unabhängig von Personen ausgeübt werden, die für ihre Kunden und die Allgemeinheit geistige und planerische Dienstleistungen erbringen. Die Ausübung der Berufe unterliegt möglicherweise in den Mitgliedstaaten in Übereinstimmung mit dem Vertrag spezifischen gesetzlichen Beschränkungen nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts und des in diesem Rahmen von der jeweiligen Berufsvertretung autonom gesetzten Rechts, das die Professionalität, die Dienstleistungsqualität und die Vertraulichkeit der Beziehungen zu den Kunden gewährleistet und fortentwickelt (vgl. Berufsanerkennungs-RL, ABl. Nr. L 255 vom , S. 27, Erwägungsgrund 43).

Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

Art. 1 der Berufsanerkennungs-RL:

"Gegenstand

Diese Richtlinie legt die Vorschriften fest, nach denen ein Mitgliedstaat, der den Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen Ausübung in seinem Hoheitsgebiet an den Besitz bestimmter Berufsqualifikationen knüpft (im Folgenden ,Aufnahmemitgliedstaat' genannt), für den Zugang zu diesem Beruf und dessen Ausübung die in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten (im Folgenden ,Herkunftsmitgliedstaat' genannt) erworbenen Berufsqualifikationen anerkennt, die ihren Inhaber berechtigen, dort denselben Beruf auszuüben."

Art. 3 Abs. 1 lit. h der Berufsanerkennungs-RL:

"'Eignungsprüfung' ist eine ausschließlich die beruflichen Kenntnisse des Antragstellers betreffende und von den zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats durchgeführte Prüfung, mit der die Fähigkeit des Antragstellers, in diesem Mitgliedstaat einen reglementierten Beruf auszuüben, beurteilt werden soll. Zur Durchführung dieser Prüfung erstellen die zuständigen Behörden ein Verzeichnis der Sachgebiete, die aufgrund eines Vergleichs zwischen der in ihrem Staat verlangten Ausbildung und der bisherigen Ausbildung des Antragstellers von dem Diplom oder den sonstigen Ausbildungsnachweisen, über die der Antragsteller verfügt, nicht abgedeckt werden.

Bei der Eignungsprüfung muss dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der Antragsteller in seinem Heimatmitgliedstaat oder dem Mitgliedstaat, aus dem er kommt, über eine berufliche Qualifikation verfügt. Die Eignungsprüfung erstreckt sich auf Sachgebiete, die aus dem Verzeichnis ausgewählt werden und deren Kenntnis eine wesentliche Voraussetzung für die Ausübung des Berufs im Aufnahmemitgliedstaat ist. Diese Prüfung kann sich auch auf die Kenntnis der sich auf die betreffenden Tätigkeiten im Aufnahmemitgliedstaat beziehenden berufsständischen Regeln erstrecken.

Die Durchführung der Eignungsprüfung im Einzelnen sowie die Rechtsstellung des Antragstellers im Aufnahmemitgliedstaat, in dem er sich auf die Eignungsprüfung vorzubereiten wünscht, werden von den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats festgelegt;"

Art. 5 der Berufsanerkennungs-RL:

"Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit

(1) Unbeschadet spezifischer Vorschriften des Gemeinschaftsrechts sowie der Artikel 6 und 7 dieser Richtlinie können die Mitgliedstaaten die Dienstleistungsfreiheit nicht aufgrund der Berufsqualifikationen einschränken,

a) wenn der Dienstleister zur Ausübung desselben Berufs rechtmäßig in einem Mitgliedstaat niedergelassen ist (nachstehend ,Niederlassungsmitgliedstaat' genannt) und

b) für den Fall, dass sich der Dienstleister in einen anderen Mitgliedstaat begibt, wenn er diesen Beruf mindestens zwei Jahre während der vorhergehenden zehn Jahre im Niederlassungsmitgliedstaat ausgeübt hat, sofern der Beruf dort nicht reglementiert ist. Die Bedingung, dass der Dienstleister den Beruf zwei Jahre ausgeübt haben muss, gilt nicht, wenn entweder der Beruf oder die Ausbildung zu diesem Beruf reglementiert ist.

(2) Die Bestimmungen dieses Titels gelten nur für den Fall, dass sich der Dienstleister zur vorübergehenden und gelegentlichen Ausübung des Berufs nach Absatz 1 in den Aufnahmemitgliedstaat begibt.

Der vorübergehende und gelegentliche Charakter der Erbringung von Dienstleistungen wird im Einzelfall beurteilt, insbesondere anhand der Dauer, der Häufigkeit, der regelmäßigen Wiederkehr und der Kontinuität der Dienstleistung.

(3) Begibt sich der Dienstleister in einen anderen Mitgliedstaat, so unterliegt er im Aufnahmemitgliedstaat den berufsständischen, gesetzlichen oder verwaltungsrechtlichen Berufsregeln, die dort in unmittelbarem Zusammenhang mit den Berufsqualifikationen für Personen gelten, die denselben Beruf wie er ausüben, und den dort geltenden Disziplinarbestimmungen; zu diesen Bestimmungen gehören etwa Regelungen für die Definition des Berufs, das Führen von Titeln und schwerwiegende berufliche Fehler in unmittelbarem und speziellem Zusammenhang mit dem Schutz und der Sicherheit der Verbraucher."

Art. 14 der Berufsanerkennungs-RL (zur Niederlassungsfreiheit; auszugsweise):

"Ausgleichsmaßnahmen

(1) Artikel 13 hindert den Aufnahmemitgliedstaat nicht daran, in einem der nachstehenden Fälle vom Antragsteller zu verlangen, dass er einen höchstens dreijährigen Anpassungslehrgang absolviert oder eine Eignungsprüfung ablegt:

a) wenn die Ausbildungsdauer, die er gemäß Artikel 13 Absatz 1 oder 2 nachweist, mindestens ein Jahr unter der im Aufnahmemitgliedstaat geforderten Ausbildungsdauer liegt;

b) wenn seine bisherige Ausbildung sich auf Fächer bezieht, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die durch den Ausbildungsnachweis abgedeckt werden, der im Aufnahmemitgliedstaat vorgeschrieben ist;

c) wenn der reglementierte Beruf im Aufnahmemitgliedstaat eine oder mehrere reglementierte berufliche Tätigkeiten umfasst, die im Herkunftsmitgliedstaat des Antragstellers nicht Bestandteil des entsprechenden reglementierten Berufs im Sinne des Artikels 4 Absatz 2 sind, und wenn dieser Unterschied in einer besonderen Ausbildung besteht, die im Aufnahmemitgliedstaat gefordert wird und sich auf Fächer bezieht, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die von dem Befähigungs- oder Ausbildungsnachweis abgedeckt werden, den der Antragsteller vorlegt.

(2) Wenn der Aufnahmemitgliedstaat von der Möglichkeit nach Absatz 1 Gebrauch macht, muss er dem Antragsteller die Wahl zwischen dem Anpassungslehrgang und der Eignungsprüfung lassen.

Wenn ein Mitgliedstaat es für erforderlich hält, für einen bestimmten Beruf vom Grundsatz der Wahlmöglichkeit des Antragstellers nach Unterabsatz 1 zwischen Anpassungslehrgang und Eignungsprüfung abzuweichen, unterrichtet er vorab die anderen Mitgliedstaaten und die Kommission davon und begründet diese Abweichung in angemessener Weise.

Wenn die Kommission nach Erhalt aller nötigen Informationen zu der Ansicht gelangt, dass die in Unterabsatz 2 bezeichnete Abweichung nicht angemessen ist oder nicht dem Gemeinschaftsrecht entspricht, fordert sie den betreffenden Mitgliedstaat binnen drei Monaten auf, von der geplanten Maßnahme Abstand zu nehmen. Wenn die Kommission innerhalb dieser Frist nicht tätig wird, darf der Mitgliedstaat von der Wahlfreiheit abweichen.

(3) Abweichend vom Grundsatz der freien Wahl des Antragstellers nach Absatz 2 kann der Aufnahmemitgliedstaat bei Berufen, deren Ausübung eine genaue Kenntnis des einzelstaatlichen Rechts erfordert und bei denen Beratung und/oder Beistand in Bezug auf das einzelstaatliche Recht ein wesentlicher und beständiger Teil der Berufsausübung ist, entweder einen Anpassungslehrgang oder eine Eignungsprüfung vorschreiben."

N) Die in Art. 5 der Berufsanerkennungs-RL für die Dienstleistungsfreiheit geschaffene Liberalisierung gilt nur für den Fall, dass sich der Dienstleister zur vorübergehenden und gelegentlichen Ausübung des Berufs in den Aufnahmemitgliedstaat begibt. Vom Bw. wurden in Österreich (als steuerlicher Vertreter vor den österreichischen Abgabenbehörden) - wie bereits dargestellt - nicht nur vorübergehend und gelegentlich Dienstleistungen erbracht. Da es sich bei der beruflichen Tätigkeit des Bw. im Inland gerade nicht um eine nur vorübergehende und gelegentliche Ausübung des Berufs handelt, betreffen die Bestimmungen der Art. 5 ff der Berufsanerkennungs-RL über die Dienstleistungsfreiheit nicht den vom Bw. verwirklichten Sachverhalt.

Im Hinblick auf Art. 14 der Berufsanerkennungs-RL ist zur Niederlassungsfreiheit festzuhalten, dass sowohl dem Steuerberater in Deutschland (§ 3 deutsches StBerG) als auch dem in Österreich (§ 3 WTBG) auf dem Gebiet des Steuerrechts eine Rechtsberatung gestattet ist. Deshalb ist in beiden Rechtskreisen die erfolgreiche Ablegung einer Eignungsprüfung (§ 35 Abs. 1 deutsches StBerG, § 8 Abs. 2 Z 2 WTBG) allgemeine Voraussetzung für die Bestellung zum Steuerberater. Der EuGH bestätigt dies in seiner Rechtsprechung im Bereich der Rechtsberatung (vgl. ), wonach die Mitgliedstaaten von dem Grundsatz der freien Wahl des Antragstellers zwischen Anpassungslehrgang und Eignungsprüfung auch abweichen dürfen. Danach darf ein Mitgliedstaat dann zwingend entweder einen Anpassungslehrgang oder eine Eignungsprüfung bei Berufen vorschreiben, deren Ausübung eine "genaue Kenntnis des einzelstaatlichen Rechts" erfordert und bei denen "Beratung und/oder Beistand in Bezug auf das einzelstaatliche Recht ein wesentlicher und beständiger Teil der Berufsausübung" ist. Diesen Grundsätzen trägt auch Art. 14 Abs. 3 der Berufsanerkennungs-RL Rechnung. Der Bw. hat in Österreich weder einen Anpassungslehrgang absolviert noch eine Eignungsprüfung abgelegt, um die mangelnde Gleichwertigkeit der geltend gemachten Berufsqualifikation ausgleichen zu können.

O) Mit der Änderung des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes, BGBl. I Nr. 10/2008, wurde die Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. Nr. L 255 vom , S. 22, ins innerstaatliche Recht umgesetzt. Hinsichtlich der Erbringung von vorübergehenden und gelegentlichen grenzüberschreitenden Dienstleistungen für Staatsangehörige, die in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz berufsberechtigt niedergelassen sind, wurden lediglich die Verpflichtung zur Führung der Berufsbezeichnung in der Amtssprache des Niederlassungsstaates und Informationspflichten gegenüber dem Dienstleistungsempfänger normiert. Auf die Einführung eines - mitunter aufwendigen - Meldesystems, wie es die Berufsanerkennungs-RL ermöglichte, wurde aufgrund verwaltungsökonomischer Überlegungen verzichtet.

Im Hinblick auf die Niederlassung berief sich Österreich insbesondere auch auf Art. 14 Abs. 3 der Berufsanerkennungs-RL, der mit § 232 WTBG, BGBl. I Nr. 10/2008, ins innerstaatliche Recht umgesetzt wurde. Im Rahmen der Niederlassung haben Niederlassungswerber keine Wahlmöglichkeit zwischen einem Anpassungslehrgang und einer Eignungsprüfung. Die Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufes (Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer) erfordert eine genaue Kenntnis des einzelstaatlichen Rechts. Bei der Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufes sind Beratung und Beistand in Bezug auf das österreichische Recht ein wesentlicher und beständiger Teil der Berufsausübung. Aus diesem Grund wird Niederlassungswerbern ausschließlich die Eignungsprüfung vorgeschrieben (vgl. Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur Änderung des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes, 279 BlgNr XXIII. GP). Auf eine in Österreich absolvierte Eignungsprüfung für Steuerberater kann der Bw. nicht verweisen. Davon abgesehen wird nochmals festgehalten, dass sich der Bw. auf eine auf § 232 WTBG gestützte Befugnis zur Vertretung anderer vor österreichischen Abgabenbehörden allein schon deswegen nicht berufen kann, weil er einen Antrag auf öffentliche Bestellung gar nicht gestellt hat.

Die in Art. 49 ff AEUV (vormals Art. 43 ff EGV) gewährleistete Niederlassungsfreiheit und die in Art. 56 ff AEUV (vormals Art. 49 ff EGV) gewährleistete Dienstleistungsfreiheit werden durch die §§ 231 und 232 WTBG, BGBl. I Nr. 10/2008, nicht unzulässig beeinträchtigt (vgl. in diesem Zusammenhang auch für den deutschen Rechtsbereich: BFH-Beschluss , VII B 99/03; BFH-Beschluss , IX B 246/06).

P) Der Bw. war gemäß § 84 Abs. 1 BAO als Bevollmächtigter abzulehnen, weil er als Steuerberater in Österreich (vor österreichischen Abgabenbehörden) die Vertretung anderer geschäftsmäßig betreibt, ohne hiezu befugt zu sein. Dies folgt daraus, dass eine öffentliche Bestellung durch die österreichische Kammer der Wirtschaftstreuhänder nicht vorliegt (§ 232 Abs. 2 Z 5 WTBG), und daraus, dass der Erlaubnistatbestand des § 231 WTBG für eine grenzüberschreitende Dienstleistung von seiner im Ausland (in Deutschland) gelegenen beruflichen Niederlassung aus im Streitfall mangels bloß vorübergehend und gelegentlich erbrachter Dienstleistungen nicht einschlägig ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 84 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 231 WTBG, Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, BGBl. I Nr. 58/1999
§ 232 WTBG, Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, BGBl. I Nr. 58/1999
Art. 49 AEUV, ABl. Nr. C 83 vom S. 47
Art. 56 AEUV, ABl. Nr. C 83 vom S. 47
Art. 57 AEUV, ABl. Nr. C 83 vom S. 47
Schlagworte
deutscher Steuerberater
Vertretung vor österreichischen Abgabenbehörden
Bevollmächtigter
Ablehnung
Niederlassungsrecht
vorübergehende und gelegentliche Dienstleistungen
Berufsanerkennungsrichtlinie
Eignungsprüfung
Verweise

Zitiert/besprochen in
UFS Newsletter 2012/03
SWK 20/2012, 941

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at