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OGH 11.10.2012, 1Ob51/12z

OGH 11.10.2012, 1Ob51/12z

Rechtssätze


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Normen
RS0042828
Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist jedoch eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt. Auch ob das bisher erstattete Vorbringen so weit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht beziehungsweise wie weit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist, ist eine Frage des Einzelfalls.
Normen
RS0037780
Die Schlüssigkeit einer Klage kann nur anhand der konkreten Behauptungen im Einzelfall geprüft werden; ob eine Klage schlüssig ist, sich also der Anspruch aus dem behaupteten Sachverhalt ergibt, kann daher nie eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO sein.
Normen
RS0120784
Hat der geschädigte Kläger infolge pflichtwidriger Anlageberatung nicht die gewünschten risikolosen, sondern risikoträchtige Wertpapiere erworben, so ergibt sich der dem Geschädigten nach der Differenzmethode zu ermittelnde Schaden nicht aus einer Gegenüberstellung des aufgewendeten Veranlagungsbetrages zu den Kurswerten der vom geschädigten Kläger nach wie vor gehaltenen Papiere zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung, da die Wertpapiere mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zukünftigen Kursschwankungen unterliegen. Mangels Bezifferbarkeit des dem Kläger endgültig entstandenen Schadens zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz ist eine auf Geldleistung gerichtete Schadenersatzklage nicht möglich. Der Kläger ist - soferne er nicht entweder versucht, Naturalrestitution zu erlangen oder die Papiere verkauft - auf einen Feststellungsanspruch zu verweisen. Erst nach einem Verkauf der Wertpapiere kann der Geschädigte daher einen Geldersatzanspruch stellen, weil sich dann - durch Gegenüberstellung des Erwerbspreises zuzüglich der Erwerbskosten und des Veräußerungspreises - der rechnerische Schaden endgültig beziffern lässt.
Normen
RS0022862
Wohl hat zwar auch bei rechtlicher Sonderverbindung zwischen Schädiger und Geschädigtem dieser den Eintritt des behaupteten Schadens, dessen Höhe und den Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Schädigers und dem Schadenseintritt zu behaupten und zu beweisen, doch gilt das nach dem für die Verteilung der Beweislast maßgeblichen Grundsatz der "subjektiven Günstigkeit der Norm" nur für die anspruchsbegründenden, nicht aber auf die rechtshemmenden bzw vernichtenden Tatsachen.
Norm
RS0116144
Der Frage, ob eine Klage schlüssig ist, kommt im Allgemeinen - vom hier nicht vorliegenden Fall auffallender Fehlbeurteilung abgesehen - keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.
Normen
RS0036973
Das Gesetz verlangt zwar nicht, dass der Kläger den gesamten Tatbestand vortrage; es trägt dem Kläger jedoch auf, die rechtserzeugenden Tatsachen vollständig und knapp vorzubringen (Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Lfg 13 S 36, Anmerkung 6 zu § 226, und die dort angeführte Literatur). Werden für den eingeklagten Anspruch schlüssige rechtserzeugende Tatsachen überhaupt nicht angegeben und lässt sich auch durch richterliche Anleitung (§ 182 ZPO) eine solche Angabe nicht erreichen, dann muss die Klage wegen Unschlüssigkeit abgewiesen werden.
Normen
RS0088931
Zur Begründung der Zulässigkeit des Rechtsmittels nach diesen Gesetzesstellen bedarf es aber noch der (weiteren) Voraussetzung, dass die Entscheidung von der Lösung der angeführten Rechtsfrage (hier: des Verfahrensrechtes) abhängt.
Norm
RS0016298
Die Schadenersatzpflicht nach § 874 ABGB greift auch dann Platz, wenn die arglistige Irreführung nicht durch den Vertragspartner, sondern durch einen Dritten erfolgt ist.
Normen
RS0037516
Ein Klagebegehren ist rechtlich schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiell-rechtlich aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann.
Normen
RS0106890
Von dem Grundsatz, dass die Beweislastumkehr das Verschulden betrifft, der Beweis der Kausalität jedoch weiterhin dem Gläubiger obliegt, ist der Oberste Gerichtshof zwar bei ärztlichen Behandlungsfehlern abgegangen (SZ 63/90; JBl 1992, 522), weil hier wegen der in diesen Fällen besonders vorhandenen Beweisschwierigkeiten des Patienten, die Kausalität nachzuweisen, nur dem zur Haftung herangezogenen Arzt die Mittel und Sachkunde zum Nachweis zur Verfügung stehen, daher von einer "prima-facie-Kausalität" auszugehen ist. Davon kann aber bei Verletzung einer Aufklärungs- und Erkundigungspflicht des Rechtsanwaltes nicht gesprochen werden. Hier ist dem Geschädigten der Nachweis der Kausalität des Verhaltens des Schädigers für den eingetretenen Schaden durchaus zuzumuten.
Normen
RS0023677
Wer bei Ausübung der Tätigkeit als Geschäftsführer einer GmbH gegen die Gläubiger gerichtete strafbare Handlungen begeht, haftet persönlich gegenüber den Gläubigern für den Schaden.
Norm
RS0022900
Eine Beweisführung bezüglich der Kausalität einer Unterlassung kommt in der Regel nur unter Bedachtnahme auf die Wahrscheinlichkeit des Tatsachenzusammenhanges in Betracht. Der Geschädigte ist dafür beweispflichtig, dass überwiegende Gründe dafür vorliegen, der Schaden sei durch das Verhalten des Beklagten herbeigeführt worden.
Normen
RS0037550
Für die Substantiierung eines auf eine Markenverletzung gestützten Schadenersatzanspruches ist es notwendig, dass nicht nur das rechtswidrige, schuldhafte und kausale Verhalten des Schädigers, sondern auch - neben dem ziffernmäßig bestimmten Schadenersatzbegehren - wenigstens die Art des eingetretenen Schadens behauptet wird (hier: nur Behauptung, dass der ziffernmäßig bestimmte Schaden durch die rechtswidrige Benützung der Marke im Zusammenhang mit dem Verkauf und der Anpreisung von Konkurrenzprodukten entstanden sei). - "Walkman"
Norm
RS0108267
Ein Anlageberater haftet nicht für das positive Vertragsinteresse. Der Anleger kann nur verlangen, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn der Anlageberater pflichtgemäß gehandelt hätte, ihn also richtig aufgeklärt hätte. Der Anleger kann daher nicht die mit dem gekauften Wertpapier theoretisch zu erzielende Rendite fordern, sondern die Beträge, die er bei richtiger Beratung erzielt hätte.
Normen
RS0059723
Zur deliktischen Haftung des Geschäftsführer einer GmbH gegenüber Gläubigern der Gesellschaft im Kridafall: Wer ohne die erforderlichen Kenntnisse die Aufgabe eines Geschäftsführers einer GmbH übernimmt, dem ist in der Regel die sogenannte Übernahmsfahrlässigkeit oder Einlassungsfahrlässigkeit anzulasten (§ 6 StGB). Im Falle der Krida hat er daher - im Hinblick darauf, dass für dieses Delikt unbewusste Fahrlässigkeit genügt - auch für den Mangel der entsprechenden notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse - als einer Fahrlässigkeitskomponente - grundsätzlich einzustehen (§§ 6, 159 Abs 1 Z 2, 161 StGB).
Norm
RS0126232
Im Fall des Verkaufs börsennotierter Wertpapiere können Fehlvorstellungen über die künftige Wert‑ und Kursentwicklung (zumindest mangels anderslautender Vereinbarung) nur als Motivirrtum qualifiziert werden. Hingegen betrifft eine Fehlvorstellung über eine dem Anlageprodukt immanente Begrenzung des Verlustpotentials wegen einer besonderen Risikoabsicherung (zB Ausfallgarantie, Versicherung, Pfandrechte) oder darüber, ob eine direkte Investition in Güter erfolgt, nicht nur im Vorfeld des Kaufentschlusses liegende individuelle Erwartungen, sondern für die Identität des Kaufgegenstands maßgebliche und daher den Inhalt des Geschäfts bestimmende Eigenschaften. Die Risikogeneigtheit einer Anlageform ist als Produkteigenschaft anzusehen.
Normen
RS0120155
Es kann zu einer Durchgriffshaftung auf die Organe des Vereins und zu persönlichen Haftungen von Organwaltern kommen, wenn diese in Ausübung ihrer Vereinsfunktion gegenüber Dritten ein deliktisches Verhalten setzten. Hier ist ua an rechtswidrige Verletzungen absolut geschützter Rechte Dritter, worunter auch der Ehrenschutz fällt, zu denken.

Hier: Ein Vereinsobmann ist wegen seiner Mitgliedschaft im Leitungsorgan des Vereins und seiner zumindest auf Grund einer Gesamtgeschäftsführung und Gesamtvertretungsmacht bestehenden Befugnisse als Vereinsorganwalter am Delikt beteiligt und damit unmittelbar Mittäter. Gegenteiliges hätte er zu behaupten und zu bescheinigen.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 2. E***** B*****, 3. W***** B*****, 4. M***** B*****, 5. J***** D*****, 8. B***** W*****, 9. R***** W*****, alle ohne Beschäftigungsangabe, alle vertreten durch Mag. Ulrich Salburg, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. L***** J***** M*****, vertreten durch Hausmaninger Kletter Rechtsanwälte-Gesellschaft mbH in Wien, 2. A***** Ltd., *****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 2. 48.247,33 EUR, 3. 24.453,16 EUR, 4. 14.886,38 EUR, 5. 59.989,96 EUR, 8. 25.860,10 EUR, 9. 42.109,92 EUR, jeweils sA, über die Rekurse der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 30 R 50/11k-33, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 35 Cg 57/10m-28, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Rekurse werden zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind schuldig, den klagenden Parteien die mit 4.096,98 EUR (darin enthalten 682,83 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klagen der ursprünglich erst- und siebentklagenden Parteien wurden zurückgezogen, jene der ursprünglich sechst- und zehntklagenden Parteien gemäß § 31a JN delegiert, sodass sie alle nicht mehr Parteien des Rekursverfahrens sind. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird jedoch die ursprüngliche Parteienbezeichnung beibehalten.

Unstrittig ist, dass zwischen den Klägern und den Beklagten kein Vertragsverhältnis besteht.

Die Kläger begehren aus dem Titel des Schadenersatzes die Rückerstattung des Kaufpreises samt Anhang Zug um Zug gegen Rückübertragung der von ihnen zu bestimmt bezeichneten Zeitpunkten in bestimmter Höhe erworbener Veranlagungen in Form von Zertifikaten.

Der Erstbeklagte war Vorstandsvorsitzender der Emissionsbank. Die Zweitbeklagte ist die Rechtsnachfolgerin der Emittentin der von den Klägern erworbenen Zertifikate.

Die Kläger brachten zur Begründung ihres Anspruchs vor, sie hätten ihre Anlageentscheidung auf der Grundlage von Werbemaßnahmen, die von der Emissionsbank in Auftrag gegeben worden seien, getroffen. Durch unrichtige Angaben in den zugrunde liegenden Werbebroschüren sei der falsche Eindruck erweckt worden, dass es sich um Investitionen in konservative und wertsichere Veranlagungen handle, weil das Kapital direkt in Immobilien veranlagt werde und durch Mieteinnahmen gesichert sei. Tatsächlich seien in den Werbeinformationen die Schulden der Emittentin vollkommen verschwiegen worden, wobei sie auch darüber getäuscht worden seien, dass sie Zertifikate und nicht Aktien und daher keine unmittelbaren Anteilsrechte an der Rechtsvorgängerin der Zweitbeklagten erwerben würden. Der Erstbeklagte und die Rechtsvorgängerin der Zweitbeklagten hätten bei der irreführenden Werbung und bei Marktmanipulationen vorsätzlich zusammengewirkt und seien daher gemeinsam für den Schaden verantwortlich. Da sich der den Beklagten jeweils zurechenbare Anteil an den Schäden nicht bestimmen lasse, und sie darüber hinaus vorsätzlich gehandelt hätten, würden sie den Klägern gemäß § 1302 ABGB haften.

Durch die beanstandeten Werbemaßnahmen seien sie über die Sicherheit und Wertstabilität ihrer Investitionen in die Irre geführt worden, wobei sie ohne diese irreführenden Angaben die Investitionen nicht getätigt hätten. Dazu beriefen sich die Kläger auf § 4 Abs 3 KMG, § 48 Abs 1 Z 2 lit c BörseG und § 255 AktG, welche sie als Schutzgesetze zu Gunsten von Anlegern ansehen.

Zur behaupteten Marktmanipulation machten sie geltend, dass es Insiderinformationen gegeben hätte, die geeignet gewesen seien, den Kurs zu beeinflussen. Ad-hoc-Meldungen seien nicht oder unrichtig bzw unvollständig erstattet worden. Dadurch sei die Publizitätsverpflichtung gemäß § 48d Abs 1 BörseG verletzt worden. Das habe insbesondere im Zusammenhang mit der Ausgabe von „partly paid shares“ Geltung, weil die Kenntnis von der Ausgabe solcher teileinbezahlter Aktien im Umfang von einem Drittel des gesamten Aktienbestandes zu einem symbolischen Preis an eine Briefkastenfirma, welche offensichtlich nicht über die notwendigen finanziellen Mittel zur Bezahlung des Gesamtkaufpreises verfügt habe, vernünftige Anleger von weiteren Investitionen abgehalten hätte.

In rechtlicher Hinsicht beriefen sich die Kläger zur Haftung der Beklagten insbesondere auf § 874 ABGB und brachten dazu vor, beide Beklagten hätten das irreführende Werbematerial in schädigender Absicht erstellt, weswegen sie für diese Täuschungshandlungen Dritten gegenüber haftbar seien. Letztlich beriefen sie sich auf § 2 UWG, welche Bestimmung Schutzwirkung auch gegenüber Verbrauchern entfalte.

Das Berufungsgericht hob das ohne Beweisverfahren ergangene Unschlüssigkeitsurteil des Erstgerichts auf und verwies die Rechtssache an dieses zurück. Die Kläger hätten vorgebracht, beide Beklagten seien „gemeinsam für die irreführende Werbung und die Marktmanipulation verantwortlich“ und hätten dabei „mit Schädigungsabsicht“ und „vorsätzlich“ gehandelt. Daraus lasse sich der Vorwurf einer vorsätzlichen Schädigung der Kläger durch die Beklagten im Zusammenwirken ableiten. Für den Fall eines Verstoßes gegen Strafgesetze, Verletzung absoluter Rechtsgüter oder einer sittenwidrigen Schädigung, was begrifflich Vorsatz erfordere, werde die Durchgriffshaftung auf Organe einer juristischen Person bejaht. Für einen solchen Fall sei auch davon auszugehen, dass der Zweck von Lauterkeitsbestimmungen, die die irreführende Werbung verbieten, auch den Schutz der Anleger umfasse.

Den Rekurs ließ das Rekursgericht zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Schutzgesetzcharakter der Lauterkeitsregeln (etwa § 2 UWG) im gegebenen speziellen Zusammenhang und dazu fehle, ob der Europäische Gerichtshof mit der Frage nach dem „private enforcement“ bei Lauterkeitsverstößen durch irreführende Werbung zu befassen sei.

Die von beiden Beklagten erhobenen Rekurse sind entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 zweiter Satz ZPO) nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Beide Rekurswerber legen den Schwerpunkt ihrer Rechtsmittelausführungen zwar auf die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage, beharren aber ungeachtet dessen auf ihrem Standpunkt, das Vorbringen der Kläger enthalte kein ausreichendes Tatsachensubstrat, aus welchem sich eine Haftung ableiten ließe, sodass eine Unschlüssigkeit des Klagebegehrens gegeben sei. Diese könne auch durch einen Verweis auf den behaupteten Schutzgesetzcharakter von Lauterkeitsbestimmungen nicht beseitigt werden. Darauf ist vorweg einzugehen.

Ein Klagebegehren ist rechtlich schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiell-rechtlich aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (RIS-Justiz RS0037516; 1 Ob 58/11b; Fasching in Fasching/Konecny2 § 226 ZPO Rz 94). Für die Schlüssigkeit des Klagebegehrens verlangt das Gesetz nicht, dass der gesamte Tatbestand vorgetragen wird. Es genügt, wenn die rechtserzeugenden Tatsachen vollständig und knapp angeführt sind (RIS-Justiz RS0036973 [T2]). Ob eine Klage schlüssig ist, begründet im Allgemeinen keine Rechtsfrage von über den Einzellfall hinausgehender Bedeutung (RIS-Justiz RS0116144; RS0037780).

Die Kläger stützen ihr Begehren auf irreführende Werbung und Marktmanipulationen. Es ist anerkannt, dass ein durch irreführende Werbebroschüren verursachter Irrtum über die Risikogeneigtheit und Wertstabilität eines Wertpapiers als Haftungsgrund für Schadenersatzansprüche herangezogen werden kann. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die Risikogeneigtheit einer Anlageform als Produkteigenschaft anzusehen (8 Ob 25/10z = JBl 2011, 32 = ÖBA 2011/1732, 585; RIS-Justiz RS0126232 [T1]). Auch ist anerkannt, dass § 874 ABGB als Schadenersatzgrundlage nicht nur dann in Betracht kommt, wenn zwischen dem listig Irregeführten und dem Irreführenden ein Vertragsverhältnis besteht. § 874 ABGB verpflichtet auch den selbst nicht vertragsbeteiligten Dritten zum Schadenersatz, wenn er den Vertrag durch List bewirkt hat (RIS-Justiz RS0016298; Bollenberger in KBB³ § 874 ABGB Rz 1; Rummel in Rummel³ § 874 ABGB Rz 2; Rüffler, Organaußenhaftung für Anlegerschäden, JBl 2011, 69 [80]).

Soweit die Kläger auf die Funktion des Erstbeklagten als Vorstandsvorsitzender der Emissionsbank abstellen, machen sie die Außenhaftung eines Organmitglieds nach Deliktsrecht geltend. Eine solche Haftung kommt grundsätzlich dann in Betracht, wenn das Organmitglied nicht nur seine Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft, sondern durch sein Handeln gleichzeitig Normen zum Schutz der Gläubiger verletzt (3 Ob 75/06k = ÖBA 2007/1440, 816 [Eckert]; 5 Ob 39/11p; 5 Ob 146/11y; 8 Ob 17/12a). Das Organmitglied kann die haftungsbegründende Schutzgesetzverletzung dabei entweder selbst begehen oder sich als Mittäter daran beteiligen. Wird ein strafrechtlich relevanter Tatbestand verwirklicht, ist jedenfalls auch eine Haftung wegen Verletzung eines Schutzgesetzes begründet (Rüffler aaO). Ein Organ, das eine gegen Gläubiger gerichtete strafbare Handlung begeht, haftet für den dadurch verursachten Schaden persönlich (vgl RIS-Justiz RS0023677). Auf die Beitragsform kommt es dabei nicht an. Im Verhältnis zur Zweitbeklagten ist der Erstbeklagte „ein Dritter“. Für Handlungen, die der Zweitbeklagten zurechenbar sind, kann „ein Dritter“ als Beteiligter im Sinn des § 12 StGB mitverantwortlich sein (5 Ob 146/11y [betreffend dieselben Beklagten]).

Aus dem Vorbringen der Kläger lässt sich der Vorwurf haftungsrelevanter Beteiligungshandlungen des Erstbeklagten ebenso wie die Behauptung eines bewussten Zusammenwirkens beider Beklagten bei der Schädigung der Kläger ableiten. Bereits in der Entscheidung 5 Ob 146/11y hat der Oberste Gerichtshof daher mit Bezug auf vergleichbare Parteienbehauptungen ausgesprochen, dass der Erstbeklagte danach gemäß § 1301 ABGB Mittäter oder Beitragstäter zu gemäß § 1295 Abs 2, § 1300 Satz 2 oder § 874 ABGB verpöntem Verhalten sein könne, wenn sein Handeln vom entsprechenden Vorsatz getragen gewesen sei. Die Verantwortlichkeit mehrerer Beklagter aus strafrechtlich vorwerfbaren oder kollusiven Beteiligungshandlungen führt im Allgemeinen zu einer Solidarhaftung. Damit haben die Kläger aber insgesamt ein ausreichend konkretes Vorbringen dazu erstattet, dass beide Beklagten aufgrund bestimmter (vorsätzlicher) Irreführungs- und Täuschungshandlungen als Mit- bzw Beitragstäter für die geltend gemachten Veranlagungsschäden solidarisch verantwortlich seien (vgl 8 Ob 17/12a). Ausgehend davon stellt sich hier die vom Gericht zweiter Instanz für bedeutsam erachtete Rechtsfrage nicht.

Für die Substantiierung eines Schadenersatzanspruchs ist es notwendig, dass - neben dem ziffernmäßig bestimmten Begehren - das rechtswidrige, schuldhafte und kausale Verhalten des Schädigers sowie die Art des eingetretenen Schadens behauptet wird (8 Ob 341/97y mwN; 7 Ob 149/03t; RIS-Justiz RS0037550). Dazu hat das Berufungsgericht (wie dargelegt) zutreffend betont, dass der Vorwurf der Kläger dahin geht, die Beklagten hätten hinsichtlich der ihnen vorgeworfenen Täuschungshandlungen in Schädigungsabsicht zusammengewirkt. Zur Schadensbehauptung enthält der Rekurs keine Einwände. Erweist sich das Klagebegehren aber schon ausgehend von den dem Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts zugrunde gelegten rechtserzeugenden Tatsachen (= Klagegrund) als ausreichend substantiiert, ist es im Rahmen der Schlüssigkeitsprüfung nicht erforderlich, weitere rechtliche Aspekte des klägerischen Vorbringens zu prüfen. Der Frage nach dem Schutzgesetzcharakter von Lauterkeitsregeln „im gegebenen speziellen Zusammenhang“ muss daher in diesem Verfahrensstadium nicht nachgegangen werden. Ihr kommt für die Schlüssigkeitsprüfung auch insoweit nur theoretische Bedeutung zu, als aus deren Beantwortung auf Basis der als schlüssig erachteten Behauptungen (vorsätzliches Handeln mit Schädigungsabsicht) der Kläger kein weiter gehender Rechtsschutz für diese abgeleitet werden könnte. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels nach § 502 Abs 1 ZPO setzt aber voraus, dass die Entscheidung von der Lösung der angeführten Rechtsfrage abhängt (RIS-Justiz RS0088931). Die ohnedies nur eventualiter formulierte Anregung eines Vorlageverfahrens gemäß Art 267 AEUV im Rechtsmittel des Erstbeklagten ist daher nicht aufzugreifen.

In der Klage wird dargestellt, wann welcher Kläger wie viele Zertifikate zu welchem Kurs erworben hat, und dass die erworbenen Finanzprodukte von ihnen noch gehalten werden. Für einen solchen Fall ist der Anspruch des Anlegers auf Naturalrestitution (§ 1323 ABGB) in der Form anerkannt, dass ihm Zug um Zug gegen Übertragung der Wertpapiere der zu deren Erwerb gezahlte Kaufpreis abzüglich erhaltener Zinsen bzw Dividenden zurückzuzahlen ist (RIS-Justiz RS0120784 [T3]; RS0108267 [T5]; zuletzt 1 Ob 208/11m). Die Zweitbeklagte vermisst in diesem Zusammenhang ein Vorbringen der Kläger zur hypothetischen Alternativveranlagung sowie zum daraus resultierenden hypothetischen Vermögensstand und spricht damit die in Lehre und Rechtsprechung favorisierte Gesamtbetrachtung an (vgl dazu M. Bydlinski, Zum Schadenersatz bei volatilen Vermögenswerten, JBl 2011, 682 [686]), nach der der geschädigte Anleger nicht nur im Hinblick auf die verfehlte Anlageentscheidung, sondern insgesamt so zu stellen ist, als hätte er an der Stelle der unerwünschten Anlage die richtige, also die gewünschte erworben (1 Ob 208/11m mwN).

Die Frage, wen im Zusammenhang mit der hypothetischen Alternativanlage die Behauptungs- und Beweislast trifft, wird in Lehre und Judikatur nicht einheitlich beantwortet (s dazu Dullinger, Aktuelle Fragen der Haftung wegen Beratungsfehlern bei der Vermögensanlage -
Beweislast und Mitverschulden des Geschädigten, JBl 2011, 693 [696 f]). Nach der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, auf die sich die Zweitbeklagte stützt, kommt dem geschädigten Anleger die Behauptungs- und Beweislast für die Wahl und die Entwicklung der hypothetischen Alternativanlage zu (7 Ob 77/10i; 6 Ob 231/10d = wbl 2011, 145 390 [Trenker]; 6 Ob 8/11m = ecolex 2011/198 [Wilhelm], jeweils mwN). Zuletzt hat das Höchstgericht diese Rechtsprechung in der Entscheidung 4 Ob 67/12z unter ausführlicher Darstellung des Diskussionsstandes in der Lehre und der Entwicklung in der Rechtsprechung aufrechterhalten. Damit im Zusammenhang stehende Fragen sind hier aber nicht relevant:

Die Kläger haben sich zum Vorwurf der Täuschung darauf berufen, dass gerade die Suggestion von im Vergleich mit der Veranlagung auf einem Sparbuch höheren Erträgen bei gleicher Sicherheit den Ausschlag für das Investment gegeben habe, und dadurch deutlich gemacht, dass es ihnen auf eine Kapitalerhaltung anstelle einer „verlustträchtigen“ Anlage ankam. Den Klagebehauptungen liegt damit zugrunde, dass das eingesetzte Kapital den hypothetischen Vermögensstand darstelle (vgl 4 Ob 67/12z). Für die Schlüssigkeit des auf „Naturalersatz“ gerichteten Klagebegehrens reicht es aber aus, wenn der begehrte Schadenersatzbetrag nach den Behauptungen die Differenz zwischen dem tatsächlichen Vermögensstand und dem bei richtiger Beratung (hier bei Entfall der Täuschung) hypothetisch bestehenden Vermögensstand darstellt (G. Kodek, Ausgewählte Fragen der Schadenshöhe bei Anlegerschäden, ÖBA 2012, 11 [23, 24]).

Die Auslegung des Parteienvorbringens im Einzelfall wirft im Übrigen ebenso wenig erhebliche Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf, wie die Frage, ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist (RIS-Justiz RS0042828). Einen Verstoß gegen Denkgesetze oder eine Unvereinbarkeit mit dem Wortlaut des Vorbringens zeigt die Zweitbeklagte mit ihrem Hinweis auf die Wiedergabe des vom Berufungsgericht seiner Schlüssigkeitsprüfung zugrunde gelegten Vorbringens nicht auf (vgl RIS-Justiz RS0042828 [T31]). Ob die Kläger ihre Behauptungen auch unter Beweis zu stellen vermögen, ist nicht Gegenstand der Schlüssigkeitsprüfung.

Die Rekurse, die insgesamt keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung aufzeigen, sind damit zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1 und 50 Abs 1 ZPO. Die Kläger haben in ihrer Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Rekurse hingewiesen, weswegen sie Anspruch auf Kostenersatz haben.

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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2012:0010OB00051.12Z.1011.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
FAAAD-03994