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Beschwerdeentscheidung - Strafsachen (Referent), UFSL vom 04.09.2006, FSRV/0069-L/05

Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Einspruches wegen Fristüberschreitung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
FSRV/0069-L/05-RS1
Folgt die Behörde in freier Beweiswürdigung dem nachträglichen Vorbringen des Bescheidempfängers über Umstände, die geeignet sind, die gesetzlich vermutete Richtigkeit des Zustellvorganges durch Hinterlegung zu widerlegen, gilt die Zustellung erst zu dem Zeitpunkt als bewirkt, zu dem die Sendung dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist .

Entscheidungstext

Beschwerdeentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat durch das Mitglied des Finanzstrafsenates 3, Hofrat Dr. Peter Binder, in der Finanzstrafsache gegen EN, ehemals Fahrschule, geb. 19XX, whft. in L, vertreten durch Dr. Stefan Eigl, Rechtsanwalt, 4020 Linz, Lederergasse 33 b, über die Beschwerde der Beschuldigten vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom zu SN 046-2004/00447-001, vertreten durch Amtsrat Gottfried Haas, betreffend die Zurückweisung eines Einspruches gegen die Strafverfügung vom ,

zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid ersatzlos aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Mit Strafverfügung des Finanzamtes Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom , SN 046-2004/00447-001, wurde Frau EN gemäß § 143 FinStrG für schuldig erkannt, vorsätzlich im Bereich des Finanzamtes Linz als Abgabepflichtige durch (die) verspätete Abgabe und Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen und Nichtentrichtung (von Vorauszahlungen), somit unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für die Monate November, Dezember 2002, Jänner bis Mai, Juli und Dezember 2003 sowie Jänner bis Juni 2004 iHv. insgesamt 12.080,86 € bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten zu haben und dadurch das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG begangen zu haben.

Dieser Bescheid wurde der Beschuldigten (nach irrtümlicher Zustellung an den im Insolvenzverfahren des Landesgerichtes Linz zu Az. 12 bestellten Masseverwalter) nach Benachrichtigung vom iSd. § 21 Abs. 2 ZustG durch den Zusteller (der Post, vgl. § 2 Z 1 ZustG) an deren aktenkundiger Wohnungsanschrift in Lstraße, mit RSa-Brief (Zustellung zu eigenen Handen, vgl. § 21 ZustG), am durch Hinterlegung beim zuständigen Postamt 4020 (§ 17 Abs. 1 und 3 ZustG) zugestellt. Nach ungenutztem Ablauf bzw. Nichtbehebung der Sendung innerhalb der vom Zustellorgan entsprechend § 17 Abs. 3 ZustG bestimmten Abholfrist durch den Empfänger, wurde die angeführte Sendung vom Hinterlegungspostamt an die Finanzstrafbehörde erster Instanz zurückgestellt (vgl. § 19 ZustG).

Am verfügte diese die neuerliche Zustellung der Strafverfügung an die ausgewiesene Anschrift mit normalem Kuvert bzw. ohne Zustellnachweis (vgl. § 26 ZustG).

Mit (undatiertem) Schreiben vom (= Zeitpunkt des Einlangens bei der Behörde) erhob die Beschuldigte gegen die Strafverfügung das Rechtsmittel des Einspruches iSd. § 145 FinStrG und gab hinsichtlich des Fristenlaufes iSd. § 145 Abs. 1 FinStrG an, zum Zeitpunkt der erstmaligen Zustellung der Strafverfügung ortsabwesend gewesen zu sein und die Strafverfügung tatsächlich erst am erstmals erhalten zu haben.

Mit Schreiben vom (Zustellung am nach § 17 ZustG) forderte die Finanzstrafbehörde erster Instanz die Bf. auf, bis zum die Angaben betreff. die behauptete Ortsabwesenheit zum Zeitpunkt der erstmaligen Zustellung der Strafverfügung zu präzisieren bzw. geeignete Unterlagen als Nachweis für ihre Behauptung vorzulegen.

Mit Telefax vom gab die Bf. bekannt, die fragliche Zeit gemeinsam mit ihrem (ehemaligen) Gatten in Wien verbracht zu haben und dies auch durch eine entsprechende Bestätigung, die "bis Anfang nächster Woche" nachgereicht werde, belegt werden könne.

Nach dem innerhalb der genannten Frist der Erstbehörde keinerlei Belege vorgelegt wurden, wies das Finanzamt Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz mit Bescheid vom (Zustellung am nach § 17 ZustG) den Einspruch gegen die Strafverfügung vom (als nicht fristgerecht) zurück und verwies in der Begründung darauf, dass die Frist für Erhebung eines Einspruches gegen die mit der Hinterlegung am gültig zugestellte Strafverfügung zum Zeitpunkt der Einbringung des Einspruches bereits abgelaufen gewesen sei und die Behauptung, zum Zeitpunkt der erstmaligen Zustellung der Strafverfügung ortsabwesend gewesen zu sein, weder nachgewiesen noch hinreichend glaubhaft gemacht worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die, als Berufung bezeichnete, fristgerechte Beschwerde der (erstmals) von dem sich auf eine entsprechende Vollmacht iSd. § 8 Abs. 1 RAO berufenden Rechtsanwalt vertretenen Beschuldigten vom , in welcher im Wesentlichen wie folgt vorgebracht wurde:

Als Berufungsgrund werde eine unrichtige Sachverhaltsfeststellung insofern geltend gemacht, als das behördliche Schreiben vom nicht unbeantwortet geblieben sei und sehr wohl zum Nachweis für die behauptete Ortsabwesenheit entsprechende, bisher allerdings von der Behörde nicht aufgenommene Beweismittel angeboten worden seien. Aus einer entsprechenden Beweisaufnahme hätte sich jedoch ergeben, dass der Einspruch aus den angeführten Gründen fristgerecht erhoben worden sei. Es werde daher beantragt, den angefochtenen Zurückweisungsbescheid vom zu beheben und die Rechtssache zur neuerlichen Bearbeitung an die Erstinstanz zurückzustellen.

Mit Schreiben der erkennenden Behörde vom an die bis zu diesem Zeitpunkt aktenkundige Anschrift (Zustellung am gemäß § 17 ZustG) wurde die Bf. (erneut) aufgefordert, binnen einer Frist von drei Wochen nähere Angaben zur behaupteten Ortsabwesenheit von der Abgabestelle in der Zeit vom 17. Februar bis zum zu machen bzw. hiezu entsprechende Unterlagen vorzulegen sowie weiters bekannt zu geben, ob die dem einschreitenden Vertreter erteilte Vollmacht auch eine Zustellvollmacht iSd. § 9 Abs. 1 ZustG idFd. BGBl I 2004/10 beinhalte.

Im Zuge einer persönlichen Vorsprache am bestätigte die Bf. den Erhalt des vorangeführten Schreibens und gab an, dass sich ihre Zustellanschrift in der Zwischenzeit geändert habe. Auf ein entsprechendes Ersuchen hin wurde die Frist zur aufgetragenen Vorhaltsbeantwortung mehrmals, zuletzt bis zum , erstreckt.

Am legte die Bf. ein mit datiertes Schreiben ihres geschiedenen Ehegatten AS, vor, worin dieser erklärte, dass sich die Bf. in der Zeit vom 17. Februar bis zum ununterbrochen bei ihm in Wien (Anschrift laut ZMR-Abfrage: W, bis zum auch Hauptwohnsitz der Bf.) aufgehalten habe.

Zur Entscheidung wurde erwogen:

Vorweg wird auf die Bestimmung des § 151 f FinStrG verwiesen, wonach gegen Erkenntnisse das Rechtsmittel der Berufung und gegen alle sonstigen Bescheide (vgl. § 151 FinStrG) das Rechtsmittel der Beschwerde zulässig ist.

Da davon auszugehen ist, dass für den Fall einer bereits rechtsgültig iSd. ZustG (§§ 56 Abs. 3 und 97 Abs. 1 lit. a und 109 BAO) erfolgten Zustellung der Strafverfügung vom allfällige weitere Zustellungen keine Rechtswirkungen mehr auslösen (vgl. z. B. , 2181/75 bzw. § 6 ZustG), ist für die im nunmehrigen Verfahren zu treffende Überprüfung der Rechtmäßigkeit des in Beschwerde gezogenen Bescheides vom bzw. für die vorzunehmende Beurteilung der Rechtzeitigkeit des gegen die Strafverfügung am erhobenen Einspruches iSd. § 145 Abs. 1 FinStrG einzig und allein entscheidend, ob die (den Fristenlauf des § 145 Abs. 1 FinStrG auslösende) Zustellung der Strafverfügung iSd § 17 Abs. 3 zweiter Satz ZustG bereits mit dem ersten Tag der Abholfrist, d. w. nach der Aktenlage der , oder allenfalls später iSd. § 17 Abs. 3 ZustG erfolgt ist oder nicht und ob bzw. zu welchem Zeitpunkt ein bei der Zustellung der Strafverfügung allenfalls unterlaufener (wesentlicher) Zustellmangel iSd. § 7 ZustG behoben bzw. beseitigt wurde.

§ 17 Abs. 1 ZustG lautet:

Kann die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden, und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Schriftstück im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. ist der Empfänger von der Hinterlegung durch eine in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten einzulegende, an der Abgabestelle zurückzulassende bzw. an der Eingangstür anzubringende, den Ort, den Beginn und die Dauer der Hinterlegung anzugebende sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisende Verständigung zu verständigen.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. ist die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen zur Abholung bereit zu halten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter iSd. § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.

Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist (§ 7 Abs. 1 ZustG).

Ähnlich wie bei der ebenfalls an die Annahme des regelmäßigen Aufenthaltes an der Abgabestelle geknüpfte Ersatzzustellung iSd. § 16 ZustG ist auch für die Wirksamkeit bzw. für die Gültigkeit der Hinterlegung iSd. § 17 leg. cit. die objektive Tatsache maßgebend, dass bzw. ob sich der Empfänger zum Zustellzeitpunkt regelmäßig an der bezeichneten Abgabestelle aufgehalten hat. Im Gegensatz zu mehrtägigen außerperiodischen, meist nicht berufsbedingten Abwesenheiten beispielsweise wegen einer Reise, eines Urlaubes oder eines Krankenhausaufenthaltes (vgl. , SZ 65/127), liegt sowohl bei einer täglichen bzw. (bei einem Wochenpendler) wöchentlichen Heimkehr ein regelmäßiger Aufenthalt an der Abgabestelle vor (vgl. dazu bzw. weiters Ritz, Bundesabgabenordnung3, Rz 8 ff zu § 16 ZustG mit der dort angeführten Judikatur). Da jedoch ein ordnungsgemäßer Zustellnachweis eine öffentliche Urkunde und ein (allerdings auch widerlegbares) Beweismittel über die (gültige) Zustellung darstellt, ist es dabei stets Sache des Empfängers, (spätestens im Rechtsmittelverfahren) Umstände vorzubringen bzw. Unterlagen vorzulegen, die geeignet sind, zumindest berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges aufkommen zu lassen ( bzw. Ritz, aaO., Rz 22 zu § 17 ZustG).

Will die Behörde davon ausgehen, dass eine Sendung durch Hinterlegung zugestellt wurde, so hat sie (von Amts wegen) Feststellungen zu treffen, ob auch tatsächlich durch die Hinterlegung eine Zustellung bewirkt wurde und ob nicht etwa der Empfänger wegen, wenn auch nur vorübergehender (regelmäßiger) Abwesenheit von der Abgabestelle, nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte.

"Grund zur Annahme" iSd. § 17 Abs. 1 ZustG stellt dabei nicht mehr auf die subjektive Annahme des Zustellers (Ritz, aaO, Rz. 5 zu § 16 ZustG), sondern vielmehr rein auf die objektive Tatsache ab, dass sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle (hier: Wohnung) aufhält. Liegt letzteres nicht vor, bewirkt weder eine Ersatzzustellung noch eine Hinterlegung eine Zustellung (Hinweis auf § 7 ZustG). § 17 Abs. 3 letzter Satz ZustG gilt nur für den Fall einer rechtmäßigen Hinterlegung iSd. Abs. 1 leg.cit..

Im Anlassfall ist durch den in freier Beweiswürdigung zu wertenden Akteninhalt des Rechtsmittelverfahrens (vgl. ) davon auszugehen, dass sich die Bf. zum Zeitpunkt der (beiden) Zustellversuche bzw. bis nach Ablauf der Hinterlegungsfrist nicht an der bezeichneten Abgabestelle aufgehalten hat. Damit liegen aber die Voraussetzungen für eine gültige Zustellung iSd. § 17 ZustG (durch Hinterlegung) bzw. für einen Beginn des Fristenlaufes des § 145 Abs. 1 FinStrG zum angeführten Zeitpunkt nicht vor.

Da infolge des § 7 Abs. 1 ZustG die Zustellung der Strafverfügung erst am als bewirkt gilt und der Einspruch iSd. § 145 FinStrG innerhalb der dadurch in Lauf gesetzten Frist eingebracht wurde, war spruchgemäß zu entscheiden und der angefochtene Zurückweisungsbescheid vom ersatzlos aufzuheben.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 17 Abs. 1 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 7 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
Schlagworte
Zustellung durch Hinterlegung
Abwesenheit des Empfängers von der Abgabestelle
Zustellmangel

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at