Keine Haftung des faktischen Geschäftsführers
Rechtssätze
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RV/1238-W/04-RS1 | Da die bezughabenden gesetzlichen Bestimmungen nicht auf eine faktische Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten abstellen, weil keine Rechtsgrundlage vorliegt, die die Behörde in die Lage versetzen würde, den faktischen Geschäftsführer haftbar zu machen, sondern rein die rechtliche Stellung als handelsrechtlicher Geschäftsführer eine Verpflichtung zur Sicherstellung der Entrichtung der im Zeitraum der jeweiligen Geschäftsführung anfallenden Abgaben nach sich zieht, kann ein de facto Geschäftsführer nicht als Vertreter im Sinne der §§ 80 Abs. 1 BAO und 18 Abs. 1 GmbHG angesehen werden.
Da einen zwar tatsächlichen Machthaber aber mangels rechtlich nach außen in Erscheinung getretener Bestellung keine abgabenrechtlichen Verpflichtungen treffen kann, die er verletzen könnte, ist eine Heranziehung zur Haftung unzulässig. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die
Berufung des Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes
Horn vom betreffend Haftung gemäß
§ 9
iVm § 80 BAO entschieden:
Der Berufung
wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Mit Beschluss des Landesgerichtes vom
wurde über das Vermögen der GmbH das Konkursverfahren
eröffnet.
Der Berufungswerber (Bw.) wurde mit Bescheid vom
gemäß
§ 9 Abs. 1 BAO i.V.m.
§ 80 BAO für Abgaben der GmbH in der Höhe von
€ 18.795,88, nämlich Umsatzsteuer 12/2002, zur Haftung
herangezogen. Begründend wurde ausgeführt, dass der angeführte
Abgabenbetrag bei der Primärschuldnerin auf Grund des anhängigen
Insolvenzverfahrens nicht bzw. nur teilweise einbringlich
wäre.
Obwohl der Bw. nach außen hin nicht als
Geschäftsführer aufgetreten, sondern stattdessen seine Ehegattin, Frau
D.A., "pro forma" als Geschäftsführerin "installiert" worden
wäre, wäre er nach Ansicht des Finanzamtes für die steuerlichen
Belange tatsächlich zuständig und verantwortlich gewesen, da er bei
sämtlichen Besprechungen bezüglich steuerlicher Angelegenheiten als
Ansprechperson aufgetreten wäre. Da das Finanzamt somit davon ausgehen
hätte können, dass der Bw. der wahre Machthaber der GmbH gewesen
wäre, wäre er auf Grund dieser "de facto"-Stellung als
Geschäftsführer für verschiedene steuerliche Verpflichtungen
verantwortlich gewesen. Diese Verpflichtung würde unter anderem auch die
Verantwortung, dafür Sorge zu tragen, dass die Gesellschaft die anfallenden
Abgaben entrichtet, umfassen. Durch die schuldhafte Verletzung der ihm als
Vertreter der Gesellschaft auferlegten Pflichten hätten die der Haftung
unterzogene Umsatzsteuer jedoch nicht eingebracht werden
können.
In der dagegen am rechtzeitig
eingebrachten Berufung wandte der Bw. ein, dass einem Vertreter lediglich die
Verletzung einer Abgabenvorschrift zur Last gelegt werden könnte. Da zudem
für die Geltendmachung der Haftung ein Kausalzusammenhang zwischen der
Verletzung der Obliegenheiten und dem Abgabenausfall erforderlich wäre,
wäre zu prüfen gewesen, ob durch die Unterlassung oder
Verspätung, durch die Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit der von
einem Vertreter zu verantwortenden Erfüllungshandlungen die damit in
Zusammenhang stehenden Abgaben nicht hätten eingebracht werden können.
Jedoch wären Versäumnisse oder Fehlpositionen im allgemeinen
Wirtschaftsbetrieb, sogar ein Verschulden am Eintritt einer
Zahlungsunfähigkeit bzw. Insolvenz aus der Sicht der Haftungsbestimmung des
§ 9 BAO unbeachtlich.
Für das Haftungsverfahren wäre nach der
Rechtsprechung nur entscheidend, ob der Vertreter bei oder nach Fälligkeit
einer Abgabenverbindlichkeit Mittel zur Bezahlung zur Verfügung gehabt
hätte und ob er für die (anteilige) Abgabentilgung Sorge getragen
hätte oder nicht. Zu den abgabenrechtlichen Verpflichtungen würde nach
Ansicht des Bw. nicht etwa die Pflicht zählen, das Entstehen von
Verpflichtungen (Überschuldungen) durch Betriebseinstellung zu vermeiden,
bei Zahlungsunfähigkeit einen Antrag auf Konkurseröffnung über
das Vermögen des Vertretenen zu stellen oder bei zunehmenden
wirtschaftlichen Schwierigkeiten die Vertreterstellung zu beenden.
Darüber hinaus wäre im Falle von nicht in
ausreichendem Maße zur Verfügung stehenden Mitteln eine für die
Uneinbringlichkeit kausale schuldhafte Pflichtverletzung auszuschließen.
Dazu brachte der Bw. vor, dass dem vorgelegten Jahresabschluss zum
entnommen werden könnte, dass er zum Fälligkeitszeitpunkt der
Umsatzsteuer 12/2000, die pünktlich gemeldet worden wäre, über
keine Mittel disponieren hätte können, weshalb auch eine Entrichtung
der Abgabenschuld unmöglich gewesen wäre.
Weiters führte er an, dass die Tatsachen, dass das
Rechnungswesen ordnungsgemäß geführt worden wäre und auch
die Betriebsprüfung kein Mehrergebnis erbracht hätte, Indizien
für das Nachkommen seiner Verpflichtungen wären. Ergänzend
brachte der Bw. vor, dass die Neuberechnungen der Lohnabgaben laut Schreiben vom
Februar 2001 bis dato auf dem Konto keinen Niederschlag gefunden hätten. Da
zudem durch die Abtretung von Forderungen an das Finanzamt dieses gegenüber
anderen Gläubigern sogar bevorzugt worden wäre, wäre der
Haftungsbescheid als unbegründet aufzuheben.
Auf Grund der Aufforderung des Finanzamtes vom
übermittelte der Bw. einen Liquiditätsstatus zum
Fälligkeitszeitpunkt der haftungsgegenständlichen Umsatzsteuer.
Darüber hinaus brachte er vor, dass er wiederholt Privatdarlehen in das
Unternehmen zur Fortführung des Betriebes eingebracht hätte.
Hinsichtlich der geleisteten Barzahlungen an die Lieferanten verantwortete sich
der Bw. dahingehend, dass diese ansonsten keine Lieferungen getätigt
hätten.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies
das Finanzamt die Berufung ab. Begründend wurde ausgeführt, dass der
Bw. als alleiniger Machthaber der GmbH nicht für die termingerechte und -
zumindest aliquote - Entrichtung ihrer fälligen Abgabenschuldigkeit gesorgt
hätte. Mit den Barzahlungen an die Lieferanten wäre der
Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt worden, da sich eine Verletzung nicht nur
bei Entrichtung bereits bestehender Verbindlichkeiten, sondern auch bei
Bezahlung laufender Ausgaben ergeben würde.
Fristgerecht beantragte der Bw. mit Schreiben vom
die Vorlage der Berufung zur Entscheidung durch die
Abgabenbehörde zweiter Instanz und brachte ergänzend vor, dass die
laufenden Ausgaben lediglich auf Grund der von ihm getätigten Einlagen aus
seinem Privatvermögen bestritten worden wären.
Darüber hinaus hätte das Finanzamt durch die am
vorgenommene Pfändung einer Forderung von
€ 15.651,32 einen Vorteil gegenüber den anderen Gläubigern,
die keine Zahlungen erhalten hätten, lukriert. Auch wäre eine weitere
Forderung in nicht unbeträchtlicher Höhe an das Finanzamt abgetreten
worden, über deren weiteres Schicksal ihm nichts bekannt
wäre.
Abschließend wandte der Bw. ein, dass er nicht der
Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen wäre. Die Behauptung des
Finanzamtes, er hätte wie ein Machthaber agiert, wäre ihm nicht
näher erläutert worden.
Mit Beschluss des Landesgerichtes vom
wurde das am über das Vermögen der GmbH
eröffnete Konkursverfahren nach Verteilung einer Konkursquote von
4,508719 % aufgehoben.
Über
die Berufung wurde erwogen:
Gemäß
§ 9 Abs. 1 BAO haften die in den
§§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie
vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit,
als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten
Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß
§ 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer
Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen
Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die
Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet
werden.
Die
Gesellschaft wird gemäß
§ 18 Abs. 1 GmbHG durch
die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich
vertreten.
Unbestritten ist, dass dem Geschäftsführer einer
GmbH die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft
obliegt. Insbesondere ist im Rahmen dieser Verpflichtung für die
rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Abgaben Sorge zu
tragen.
Aus dem Firmenbuch geht hervor, dass der Bw. zwar
kurzfristig als Geschäftsführer der Primärschuldnerin eingetragen
war, seine Funktion jedoch bereits mit - daher lange vor
Fälligkeit der Umsatzsteuer 12/2000 - niederlegte. Hingegen ist dem
Firmenbuch, dessen Eintragungen für Dritte verbindlich sind, zu entnehmen,
dass Frau D.A., seine Ehegattin, seit die Gesellschaft als
nunmehr alleinige Geschäftsführerin nach außen
vertritt.
Dem Einwand des Finanzamtes, dass der Bw. "de facto" die
Geschäftsführung ausgeübt habe und daher der wahre Machthaber
gewesen wäre, ist zu entgegnen, dass schon die Bezeichnung
"de facto "
erkennen lässt, dass es sich hier nicht um eine rechtliche, jedenfalls
nicht um eine Dritten gegenüber rechtlich wirksame Vertreterbestellung
handelt.
Da die bezughabenden gesetzlichen Bestimmungen nicht auf
eine faktische Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten abstellen, weil
keine Rechtsgrundlage vorliegt, die die Behörde in die Lage versetzen
würde, den faktischen Geschäftsführer haftbar zu machen, sondern
rein die rechtliche Stellung als handelrechtlicher Geschäftsführer
eine Verpflichtung zur Sicherstellung der Entrichtung der im Zeitraum der
jeweiligen Geschäftsführung anfallenden Abgaben nach sich zieht, war
der Bw. nicht als Vertreter im Sinne des § 80 Abs. 1 BAO iVm
§ 18 Abs. 1 GmbHG anzusehen.
Da den Bw. auch im Falle des Zutreffens der Annahme des
Finanzamtes, er wäre der tatsächliche Machthaber der Gesellschaft
gewesen, somit im haftungsgegenständlichen Zeitraum ab Fälligkeit der
haftungsgegenständlichen Abgabe keine abgabenrechtlichen Verpflichtungen
trafen, die er verletzen hätte können, kann ihm gegenüber auch
keine Haftungsinanspruchnahme erfolgen.
Da der
Berufung bereits aus diesem Grunde Folge zu geben war, war auch ein Eingehen auf
die vom Finanzamt und Bw. vorgebrachten Begründungen hinsichtlich der
Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bzw. der mangels Vorhandenseins
liquider Mittel bestehender Unmöglichkeit der Erfüllung seiner
abgabenrechtlichen Pflichten entbehrlich.
Da die gesetzlichen Voraussetzungen des § 9
Abs. 1 BAO somit nicht vorliegen, erfolgte die Inanspruchnahme des Bw.
als Haftungspflichtiger für die Abgabenschuldigkeiten der GmbH nicht zu
Recht.
Es war daher spruchgemäß zu
entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 18 Abs. 1 GmbHG, GmbH-Gesetz, RGBl. Nr. 58/1906 |
Schlagworte | Haftung faktischer Geschäftsführer Firmenbuch |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at